Zur Geschichte der BzG

 

Einleitung

1958 - Gründung

1962 - G enerationswechsel

1972 - neuer Titel

1997 - Sparzwänge

1989 - Die Wende

1990-97 - Der Neuanfang

Seit 1998 - beim trafo verlag

Die BzG im 21. Jahrhundert

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerungen von Prof. Fritz Zimmermann, langjähriger Chefredakteur der BzG
1956 - 1998
(leicht gekürzt aus BzG Heft 4/1998, S. 3ff.)

Die Zeitschrift "Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung" erfuhr in ihrer nunmehr dreiundvierzigjährigen Existenz 1989/90 eine einschneidende Zäsur, die es fast als notwendig erscheinen läßt, von einer dreißig- plus zehnjährigen Geschichte zu sprechen.

Die BzG  wurde 1958 vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED herausgegeben und hatte mit ihren spezifischen Mitteln zur Legitimierung der herrschenden Verhältnisse in der DDR beizutragen. Die DDR war als die Erfüllung des jahrhundertelangen Kampfes der revolutionären Arbeiterbewegung gegen Ausbeutung, für Frieden und Sozialismus darzustellen. Gleichzeitig war ihr die Aufgabe gestellt, den geschichtlichen Nachweis zu erbringen, daß die Arbeiterklasse und die Volksmassen nur unter Führung einer Partei neuen Typus ihre revolutionären Ziele erreichen können und daß die SED das gesetzmäßige Ergebnis und die Krönung der Entwicklung der revolutionären Partei der deutschen Arbeiterklasse ist.

In der zweiten Periode konnte und mußte ein radikaler Bruch mit dieser Zielstellung erfolgen. Die Zeitschrift hat sich seit 1989/90 zu einem linken, pluralistischen Organ von Historikern und historisch Interessierten unterschiedlicher Provenienz zur Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung entwickelt.

Wenden wir uns zuerst aber der Gründung der Zeitschrift vor vierzig Jahren zu.

Im August 1958 war ich als Absolvent der Karl-Marx-Universität Leipzig an das Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED vermittelt worden. Im Einstellungsgespräch erfuhr ich, daß das Institut die Herausgabe einer Zeitschrift für Geschichte der Arbeiterbewegung plant und ich in der Redaktion dieser Zeitschrift arbeiten soll. Für die Leitung der Redaktion sei Heinrich Gemkow vorgesehen. Da er sich gerade in Urlaub befand, sollte ich mich in den nächsten vier Wochen in den verschiedenen Bereichen des Instituts umsehen und wissenschaftliche Hilfsarbeiten machen.

Nach dem XX. Parteitag der KPdSU Anfang 1956 mit Chruschtschows berühmter Geheimrede hatte sich an der Universität ein reges politisch-wissenschaftliches Leben entwickelt. Ich erinnere mich an einem Vortrag von Professor Ernst Bloch im brechend vollen Saal der Anatomie, in dem er sich gegen das obligatorische Studium des Marxismus-Leninismus für alle Studenten wandte mit der Begründung, der Marxismus sei so interessant, daß er bei richtiger Vermittlung nicht die Peitsche der Pflicht benötige. Seine Zwangsemeritierung ein Jahr später löste heftige Diskussionen auch unter uns Studenten aus. Professor Hans Mayer kritisierte in seinen stets überfüllten Vorlesungen über Literaturgeschichte geistreich und überzeugend dogmatische Kriterien für den sozialistischen Realismus in der Literatur. Der Theologe Professor Emil Fuchs lud für das Wintersemester 1956/57 zu einem fakultativen Kolloquium über große Männer und die Religion ein, bei dem ich zum ersten Mal die richtige Version des in der atheistischen Propaganda so oft mißbrauchten Marx-Zitats über die Religion als Opium des Volkes und nicht als Opium für das Volk hörte und den wesentlichen Unterschied zwischen beiden Versionen begriff.

Hier am Institut war an kritische Äußerungen zur Parteipolitik nicht zu denken. Eine wichtige, wenn nicht die Hauptaufgabe bestand darin, die Parteibeschlüsse zu studieren, zu interpretieren und Schlußfolgerungen für die wissenschaftliche Arbeit daraus zu ziehen. Das "Wie" des Studiums lernte ich bald. Man mußte ständig die aktuellen mit früheren Beschlüssen, wozu auch die seitenlangen Reden und Berichte der Parteiführung gehörten, vergleichen, um "neue" Einschätzungen wahrzunehmen. Es galt, sich die Frage zu stellen, warum wohl diese oder jene Formulierung nicht mehr auftauchte bzw. verändert war, und man mußte vor allem verstehen, zwischen den Zeilen zu lesen.

Mit Heinrich Gemkow lernte ich Anfang September 1958 den Mann kennen, der alle bisherigen Vorbereitungsarbeiten zur Herausgabe der Zeitschrift geleistet hatte und als Leiter der Redaktion vorgesehen war. Obwohl nur wenig älter als ich, hatte er schon einige Jahre wissenschaftliche Arbeit geleistet und Erfahrungen gesammelt, die mir noch vollständig fehlten. Seine sachlich-kritische, freundlich-höfliche und faire Art prägte von Anfang an den Arbeitsstil in der Redaktion und auch den Umgang mit den Autoren. Die Redaktion hat sich auch später unter anderer Leitung stets diesem Stil verpflichtet gefühlt, was ihr in den Jahren 1989/90, als die Existenz der Zeitschrift auf dem Spiel stand, zugute kam.

Die Initiative für die Schaffung einer Zeitschrift zur Geschichte der Arbeiterbewegung war von der Führung der SED ausgegangen. Bereits im August 1956 hatte die Abteilung Wissenschaften beim Zentralkomitee der SED in Auswertung der 28. ZK-Tagung festgestellt, daß zur Verbesserung der ideologischen Arbeit die Erfahrungen der Arbeiterklasse im Kampf gegen den Imperialismus, für Frieden und Sozialismus stärker propagiert werden müssen. Dazu sollte eine entsprechende Zeitschrift ins Leben gerufen werden.

Am 5. März 1958 beschloß das Sekretariat des ZK der SED, daß das Institut für Marxismus-Leninismus unverzüglich die Herausgabe einer Zeitschrift zur Parteigeschichte vorzubereiten hat. Daraufhin wurde Heinrich Gemkow von der Institutsleitung beauftragt, eine Konzeption der zu gründenden Zeitschrift auszuarbeiten und die konkreten Vorarbeiten für ihr Erscheinen in Absprache mit dem Parteiverlag, dem Dietz Verlag Berlin, zu treffen. Am 26. April lag ein umfangreicher Prospekt für die "Herausgabe einer Zeitschrift für die Geschichte der Partei und der deutschen Arbeiterbewegung" vor.

Im Unterschied zu den nur politisch-ideologischen Auflagen der Parteiführung für die Zeitschrift legte Heinrich Gemkow in seinem Papier auch Wert auf ihre wissenschaftlichen Aufgaben. Die Konzentration bedeutender Potenzen der DDR-Geschichtswissenschaft auf die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und ihrer revolutionären Partei hatte zu einer raschen Entwicklung dieser Spezialdisziplin geführt und das Bedürfnis nach einem eigenen Organ hervorgerufen, das verstärkten Gedankenaustausch, gegenseitige Information und rasche Veröffentlichung von Forschungsergebnissen ermöglichte. Der Prospekt skizzierte ferner den künftigen Leser- und Autorenkreis, machte Angaben über Aufbau, Umfang, technische Herstellung, Finanzierung und Erscheinungsweise und entwickelte Vorschläge für die Zusammensetzung des Redaktionskollegiums und seiner Aufgaben sowie für die Arbeitsweise der Redaktion. Auch für Vertrieb und Werbung gab es Gedanken. Es schlossen sich detaillierte Vorstellungen über den Inhalt des ersten Heftes und Themenvorschläge für die folgenden zwei Hefte an. Die ursprüngliche Absicht, das erste Heft zum 40. Jahrestag des Beginns der deutschen Novemberrevolution 1918 erscheinen zu lassen, war auf Einspruch des Verlages fallengelassen worden. Heft 1 sollte nun zu Beginn des neuen Jahres, 1959, erscheinen. Ein wichtiger Jahrestag war auch dafür rasch gefunden: der 40. Jahrestag der Gründung der KPD.

Obwohl schon bei der ersten Beratung des Prospekts in der Leitung des Instituts klar wurde, daß eine ausgereifte Arbeit vorlag, die keine inhaltlichen Verbesserungen erforderte, wurde entsprechend der umständlichen Arbeitsweise am Institut noch mehrmals auf verschiedenen Leitungsebenen über das Papier diskutiert. Die meiste Zeit wurde darauf verwendet, einen schlagkräftigen, revolutionär klingenden Haupttitel zu finden. Der im Prospekt vorgeschlagene Titel "Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" wurde allenfalls als Untertitel akzeptiert. Ergebnis der langen Diskussion war schließlich: "Unter dem roten Banner" mit dem Untertitel "Zeitschrift für Geschichte der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung". Hatte Heinrich Gemkow für die Ausarbeitung des Prospekts sechs Wochen Zeit gebraucht, war die Diskussion darüber erst nach sechs Monaten beendet.

Auf der Basis des Prospekts wurde nun eine Beschlußvorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees ausgearbeitet, die am 18. Oktober eingereicht wurde. Vorher hatte die Abteilung Wissenschaften beim ZK der SED noch eine gesamtdeutsche Zielsetzung in die Vorlage eingefügt: "Die Zeitschrift richtet sich an alle an den revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung interessierten Genossen und Werktätigen in beiden deutschen Staaten." Diese Ausweitung des Adressatenkreises auf den anderen deutschen Staat wurde in der Diskussion der Beschlußvorlage im Sekretariat am 29. Oktober 1958 bestätigt. Die Sitzung wurde von Alfred Neumann geleitet, Walter Ulbricht war verhindert. Aber er hatte auf der Vorlage vermerkt, daß der Titel "Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" lauten sollte, und er hatte keinen roten Umschlag, sondern ein unauffälligeres Äußeres gewünscht. So kam es, daß die ersten vier Jahrgänge der Zeitschrift in grau erschienen. Die kämpferischen Intentionen der Institutsleitung fanden seinen Beifall nicht. Die westdeutschen Bezieher sollten wohl nicht von vornherein abgeschreckt werden.

In der Sekretariatssitzung nahmen Alfred Neumann, Otto Schön, Alfred Kurella, Kurt Hager, Albert Norden und Erich Honecker das Wort. Neumann, Schön, Norden und Honecker betonten die Rolle der neuen Zeitschrift im Kampf gegen den westdeutschen Militarismus und dessen Geschichtsfälschungen. Kurella forderte, neuaufgefundene Dokumente zur Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung sowie der Klassiker des Marxismus-Leninismus zu veröffentlichen. Nach Kurt Hager sollte die Zeitschrift den Schwerpunkt ihrer Veröffentlichungen auf die Periode nach 1917 legen, ohne die früheren geschichtlichen Vorgänge außer acht zu lassen. Im Schlußwort verwies Alfred Neumann darauf, mit den zuständigen Genossen im Zentralkomitee zu klären, wie der Vertrieb der "Beiträge" nach Westdeutschland zu organisieren ist. Es war offensichtlich, die Zeitschrift wurde voll in die damalige strategische, wie sich herausstellte illusionäre Aufgabe, die gesamtdeutsche Aktionsgemeinschaft der Arbeiterklasse herzustellen, eingebunden.

Die Beschlußvorlage wurde bestätigt. Die Zeitschrift sollte vorerst viermal im Jahr erscheinen, später (das geschah ab 1963) sechsmal. Die Auflage wurde auf 6000 Exemplare festgelegt, Preis 2 Mark. "Eine Subventionierung ist erforderlich" hieß es im Beschluß, sie erfolgt über den Etat des Instituts. Auch die Personalien waren im Beschluß geregelt. Als Chefredakteur wurde der Direktor des Instituts Ludwig Einicke bestätigt, als stellvertretender Chefredakteur und damit als eigentlicher Leiter der Redaktion Heinrich Gemkow, als vorläufig einziger Redakteur Fritz Zimmermann.

Das Sekretariat beschloß auch das erste Redaktionskollegium der Zeitschrift. Mit Ludwig Einicke, Heinrich Gemkow, Fritz Knittel und Ludwig Arnold gehörten ihm vier leitende Mitarbeiter des Instituts an. Weitere drei Mitglieder kamen ebenfalls aus Parteiinstitutionen, die damals die Zentren der Arbeiterbewegungsgeschichtsschreibung waren: vom Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED Horst Bartel und Hellmuth Kolbe und von der Parteihochschule Walter Nimtz. Ferner gehörten ihm Herwig Förder vom Institut für Geschichte bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften, Erich Paterna vom Institut für Deutsche Geschichte bei der Humboldt-Universität zu Berlin und Raimund Wagner von der Abteilung Wissenschaften beim ZK der SED an. Nicht gelungen war es, den profiliertesten Historiker der Arbeiterbewegung in der DDR, Ernst Engelberg von der Leipziger Karl-Marx-Universität, für das Redaktionskollegium zu gewinnen. Er hatte wegen Arbeitsüberlastung abgelehnt. So waren die Berliner unter sich. Erst später – 1971/72 – wurde das Prinzip, die wichtigsten Berliner Institutionen durch profilierte Historiker (die Personen wechselten natürlich in den drei Jahrzehnten bis zur Auflösung des Kollegiums 1990) vertreten zu haben, ergänzt durch die Aufnahme bekannter Historiker einer bestimmten Spezialdisziplin, auch wenn sie nicht in Berlin tätig waren; so durch den Wissenschaftshistoriker Werner Berthold und den Spezialisten für Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung Hans Piazza, beide aus Leipzig. Einige Jahre später folgten noch der Gewerkschaftshistoriker Heinz Deutschland, Bernau, und der Jugendhistoriker Karl Heinz Jahnke, Rostock.

Die Arbeit des Redaktionskollegiums hat der Zeitschrift im Rahmen ihrer Konzeption viel genützt. Die Mitglieder warben in ihren Bereichen für das Organ und gewannen Autoren. Seine Hauptaufgabe aber war die Begutachtung von Manuskripten, die der Redaktion zur Veröffentlichung angeboten oder auf deren Bestellung geschrieben worden waren. Anfangs erfolgte das vorwiegend im gesamten Kollektiv, was zwar viele wertvolle Hinweise zur Überarbeitung brachte, aber manchmal auch nicht ohne Beckmesserei abging. Außerdem war es sehr zeitaufwendig und überforderte Kollegium und Redaktion. So ging die Redaktion unter Leitung von Walter Wimmer seit 1963 und noch stärker unter meiner Leitung seit 1972 dazu über, die Zahl der Redaktionskollegiumssitzungen stark einzuschränken und die Begutachtung von Manuskripten, und zwar bloß noch von größeren Arbeiten, nur noch von einzelnen Kollegiumsmitgliedern vornehmen zu lassen, die als Fachleute für das entsprechende Manuskript gelten konnten. Das erwies sich als sehr viel effektiver und für die Autoren auch als sehr viel nützlicher, da allgemeine und manchmal auch nur politisch-ideologische Hinweise wegfielen. Die wenigen Kollegiumssitzungen konzentrierten sich auf konzeptionelle Fragen, wie z. B. die Erweiterung des Inhalts der Zeitschrift mit Beiträgen zur internationalen Arbeiterbewegung oder mit den Publikationsplänen der Redaktion für den jeweils nächsten Jahrgang. Allerdings muß auch gesagt werden, daß das Redaktionskollegium nur eine Beraterfunktion hatte. Die letzte Entscheidung über die Veröffentlichung von strittigen Manuskripten wurde stets vom Herausgeber, dem Institut für Marxismus-Leninismus, getroffen.

Am 23. Januar 1959 lag das erste Heft der Zeitschrift vor. Mit seiner Gliederung in Aufsätze, Diskussion, Dokumente und Materialien, Wissenschaftliche Mitteilungen, Aus der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung, Berichte und Kritik und Bibliographie, war die Struktur auch der weiteren Hefte und Jahrgänge vorgegeben. Neu hinzu kamen später nur noch die Rubriken Erinnerungen und Biographische Skizzen. Lediglich die Rubrik Diskussion gelang es nicht, mit Leben zu erfüllen, obwohl die Forderung nach Meinungsstreit verbal immer wieder erhoben wurde. Aber alle Bemühungen der Redaktion bis 1990 um eine echte Diskussion von geschichtswissenschaftlichen Themen, Auffassungen oder Einschätzungen waren objektiv zum Scheitern verurteilt, weil es nur möglich war, vorher in verschiedenen Gremien diskutierte und damit "abgesicherte", d. h. linientreue Beiträge zu veröffentlichen. Eine Diskussion konnte es danach nicht um echte Probleme oder gravierende Meinungsverschiedenheiten geben, sondern höchstens um mehr oder weniger belanglose Varianten. Diskutiert wurde mündlich. Doch davon konnte bei der herrschenden Publikationspolitik nur wenig in die Öffentlichkeit dringen. Und die Auseinandersetzung mit konservativen und sozialdemokratischen Geschichtsauffassungen in Westdeutschland diente nicht der Diskussion, sondern der "Entlarvung".

In einem Geleitwort des Redaktionskollegiums im ersten Heft, verfaßt von Heinrich Gemkow, wurden Aufgaben und Anliegen der neuen Zeitschrift umrissen. Sie sollte sich nicht nur "an einem engen Kreis von Fachhistorikern" wenden, sondern ein Organ all derer werden, "die sowohl als Propagandisten wie in Lehre und Forschung an der Erforschung und Darstellung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung aktiv teilnehmen". Mit Bezug auf den Beschluß des Sekretariats des ZK der SED vom 29. Oktober 1958 ordneten sich die "Beiträge" bewußt und voll in die ideologische Arbeit der Partei ein, was mit der mehrmaligen Verwendung des Begriffs Parteihistoriker und der Konzentration auf die Parteigeschichte zusätzlich unterstrichen wurde. Das zeigt übrigens auch die für ein Geleitwort ungewöhnliche Aufnahme einer selbstkritischen Bemerkung über die falschen Auffassungen der meisten Mitarbeiter des Instituts für Marxismus-Leninismus über den Charakter der Novemberrevolution, die durch die Partei und Walter Ulbricht persönlich widerlegt worden seien. In diesem Zusammenhang sah die Zeitschrift ihre Aufgabe darin, das theoretische Niveau der Geschichtswissenschaft der DDR zu heben und die marxistische Weltanschauung zu verbreiten. Ein erster Schritt dazu sollte wohl die Aufnahme der Rede Walter Ulbrichts auf der Festveranstaltung anläßlich des 40. Jahrestages der Novemberrevolution am 9. November 1958 in Berlin als Spitzenbeitrag in die Nummer 1 der BzG sein.

Das Echo auf die ersten Hefte der BzG war gut, die Auflage wurde schon nach wenigen Monaten abgesetzt. Als ein Hauptabnehmer erwies sich das Parteischulsystem der SED. Neben Historikern der DDR abonnierten auch viele der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kommissionen zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei den Kreis- und Bezirksleitungen der SED die Zeitschrift. Sicher hat dazu beigetragen, daß die Redaktion eine extra Rubrik für diese Kommissionen in den "Beiträgen" eingerichtet hatte, in der sie sowohl ihre Erfahrungen als auch ihre Ergebnisse veröffentlichen konnten. Besonders breite Zustimmung erhielt die Rubrik Dokumente und Materialien. Sie war zweifellos das Beste, was die Zeitschrift zu bieten hatte. Sie war zumindest anfallsweise in der Lage, das Bedürfnis nach authentischen Materialien aus der Geschichte der Arbeiterbewegung zu befriedigen. Das dem Institut angegliederte Zentrale Parteiarchiv bildete ein unerschöpfliches Reservoir für diese Rubrik, selbst wenn man berücksichtigt, daß größere Bestände für eine Veröffentlichung gesperrt blieben. International besonders begrüßt wurde, daß die BzG sich auch als Organ der Marx-Engels-Forschung zu profilieren begann. Hier wirkte sich das persönliche Interesse Heinrich Gemkows an dieser Forschung positiv aus.

Ein – allerdings kritisches Echo auf die "Beiträge" kam auch aus der Historikerschaft der Bundesrepublik Deutschland. In Heft 13/1960 des "SBZ-Archivs" meldete sich Hermann Weber zu Wort. Er zeigte sich enttäuscht, daß das nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 in der UdSSR einsetzende "Tauwetter" keine Widerspiegelung in der neuen Ostberliner Zeitschrift gefunden hatte. Im Gegenteil, der Kampf gegen den "Revisionismus", wie er sich nach Chruschtschows Kritik am Personenkult um Stalin in der kommunistischen Bewegung entwickelt habe, sei die Hauptaufgabe der Zeitschrift. Sie befasse sich weniger mit der Geschichte der Arbeiterbewegung als mit der Geschichte des deutschen Kommunismus und diene dem Nachweis, daß "die Partei immer recht hat". Sie übermittele den Historikern die Direktiven der Partei und degradiere sie zu Parteihistorikern, zu Hilfskräften der Partei. Positiv bewertet wurde allein die Veröffentlichung von bisher unbekannten Dokumenten, wenn auch hier die "parteiliche Auswahl" moniert wurde. Im Zusammenhang mit dem Redaktionskollegium gab es einige Spekulationen über den politisch-ideologischen Standort einzelner Mitglieder, die weit von der Wirklichkeit entfernt waren. Aber sonst trafen Webers Einschätzungen im Kern zu. Seine Kritik wurde allerdings im Institut und in der Redaktion in Umkehrung des Bebel-Wortes "Wenn dich deine Feinde loben..." als Bestätigung dafür aufgefaßt, auf dem richtigen Weg zu sein.

Der Arbeitsaufwand in der Redaktion war bei der zahlenmäßig schwachen Besetzung in den ersten Jahren enorm. Die heute im Zeitalter des Computers nicht mehr vorstellbaren Korrekturarbeiten an Druckfahnen und Umbruchseiten fraßen sehr viel unserer Zeit. Zum Glück hatten wir mit Gisela Nitsch bald eine tüchtige Sekretärin bekommen, die mit ihrer großen Erfahrung Ordnung in unsere Papierberge brachte und einen rationellen Arbeitsablauf organisierte.

Zur Arbeit der Redaktion gehörte auch die Organisierung des Vertriebs der BzG nach Westdeutschland außerhalb der normalen Abonnements. Die Zeitschrift wurde z. B. gratis an alle sozialdemokratischen Bundes- und Landtagsabgeordneten in Westdeutschland gesandt. Der Bundesvorstand des FDGB schickte die Hefte an Gewerkschaftsfunktionäre, das Pädagogische Zentralinstitut an bestimmte Geschichtslehrer, die FDJ an Funktionäre der Falken usw. Bald erfuhren wir, daß viele Empfänger die Zeitschrift gar nicht erhielten. Der Absender "Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED" bewirkte wohl, daß viele Sendungen von den bundesdeutschen Grenzbehörden aus dem Verkehr gezogen wurden. Daraufhin richteten wir uns ein Postschließfach bei einem Postamt in der Französischen Straße ein, das aus gesamtberliner Zeiten noch die Bezirksbezeichnung W(West) 8 trug. Ein Grafiker zeichnete uns ein Logo mit der Abkürzung des Instituts IML. Die drei Versalien wurden in die drei Seiten eines auf die Spitze gestellten Würfels plaziert, und mit diesem technisch wirkenden Logo und Berlin W 8, Postschließfach 231, hatten wir einen Absender, mit dem unsere Hefte die Grenze ungehindert passieren konnten. Allerdings nur bis zum 13. August 1961, dann wurden diese gesamtdeutschen Initiativen eingestellt.

Eingeschränkt wurden sie schon früher, als wir die Antworten auf einen Brief erhielten, in dem wir die Abgeordneten gefragt hatten, ob sie Wert auf die weitere Lieferung der Zeitschrift legten. Die Antworten waren – soweit überhaupt reagiert wurde – sehr differenziert, aber im ganzen niederschmetternd.4 Sie reichten von einer Interesse bekundenden Zustimmung über Verzicht (weil keine Zeit zum Lesen), bis zu drastischer Ablehnung – "wandert stets mit Schwung in den Papierkorb" oder "geben Sie das Geld für die Hefte lieber ihren darbenden Rentnern". Ein kleiner Trost war uns, daß Helmut Schmidt, der spätere Bundeskanzler, um die weitere Zusendung bat, weil er sich über unsere "Art der Geschichtsbetrachtung" informieren möchte.

1962 vollzog sich am Institut ein Generationswechsel. Jüngere, wissenschaftlich ausgebildete Gesellschaftswissenschaftler übernahmen die Leitungsfunktionen. Neuer Direktor des Instituts und gleichzeitig Chefredakteur der Zeitschrift wurde Lothar Berthold. Heinrich Gemkow übernahm eine Leitungsfunktion in der Geschichtsabteilung des IML und schied aus der Redaktion aus. Nach kurzer Übergangszeit mit Wilhelm Eildermann kam Walter Wimmer als stellvertretender Chefredakteur in die Redaktion. Die Zeitschrift wurde nun voll in den Dienst der Ausarbeitung der achtbändigen Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung gestellt.

Mit dieser Aufgabe nahm die Geschichtswissenschaft der DDR zur Arbeiterbewegungs- und Parteigeschichte einen raschen Aufschwung. Detaillierte, auf Archivalien gegründete Vorarbeiten entstanden, die der BzG angeboten wurden. Diese Lage veranlaßte uns, zum zweimonatigen Erscheinen überzugehen. Neben den sechs Heften im Jahr gaben wir noch zusätzliche Sonderhefte heraus. Die Qualität der Artikel stieg, viel neues Material wurde erschlossen, bisher nicht oder nur schwach behandelte Geschichtsabschnitte wurden untersucht, Ansätze gemacht, über die reine Parteigeschichte hinauszugehen. Natürlich wurde der Rahmen der vorgegebenen politisch-ideologischen Konzeption, einen Beitrag zur Begründung der führenden Rolle der Partei zu leisten, nicht überschritten. Auch ein Anliegen des Achtbänders, die Rolle Walter Ulbrichts, der Vorsitzender des Autorenkollektivs war, in allen geschichtlichen Perioden im hellsten Licht erstrahlen zu lassen, wurde in der Zeitschrift nachvollzogen. Zahlreiche Artikel künden davon, die vor allem der Chefredakteur, der gleichzeitig Sekretär des Autorenkollektivs der "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" war, schrieb.

Mit dem Ausscheiden Lothar Bertholds 1968 aus dem Institut war auch die Funktion des Chefredakteurs vakant. Der neue Direktor, Günter Heyden, stand auf dem Standpunkt, wer die Arbeit macht, soll auch den Titel tragen, und Walter Wimmer wurde Chefredakteur, ich sein Stellvertreter. In der Arbeit der Redaktion gab es dadurch keine Veränderungen, da nur der faktische Zustand legalisiert worden war. Wimmers Engagement ist es zu danken, daß die Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung und dabei vor allem der Kommunistischen Internationale in der BzG stärker in Erscheinung trat. Dabei wurden wir vom Kollegium tatkräftig unterstützt. Diese inhaltliche Erweiterung führte 1969 zum Wegfall des Adjektivs "deutsch" im Titel der Zeitschrift.

1972 eröffnete mir Walter Wimmer in seiner nonchalanten Art mit den Worten "zwei so gute wie uns braucht die Zeitschrift nicht", daß er die Absicht habe, in die Geschichtsabteilung zurückzugehen und sich dort der Erarbeitung der Thälmann-Biographie zu widmen. Sprach’s und räumte drei Tage später seinen Schreibtisch in der Redaktion. Den verwaisten Chefredakteursessel durfte ich einnehmen. Zum stellvertretenden Chefredakteur wurde Wolfgang Kießling ernannt. Mit ihm kam ein äußerst produktiver Wissenschaftler in die Leitung der Redaktion, der sehr viel Wert auf materialgestützte akribische Detailforschung legte. Da auch ich leitartikelähnliche allgemein-historische Beiträge nicht gerade liebte, nahm diese Form der Artikel in der Zeitschrift deutlich ab. Natürlich bedeutete das nicht, daß wir nicht bestrebt gewesen wären, die politisch-ideologisch begründete Geschichtskonzeption der Partei in der Zeitschrift umzusetzen.

Im Gegenteil. Wir waren nur der Meinung, daß bestimmte vordergründige, agitatorische Formen der Geschichtsdarstellung in einem wissenschaftlichen Fachorgan, wofür wir die BzG hielten, möglichst wenig in Erscheinung treten sollten.

Gerade diese Formen aber dominierten in den Sonderheften der BzG, die in den Jahren zuvor regelmäßig zu historischen Jahrestagen erschienen waren: 20. und 25. Jahrestag der Gründung der SED, 50. Jahrestag der Oktoberrevolution, 50. Jahrestag der Novemberrevolution, 20. Jahrestag der DDR, 100. Geburtstag W. I. Lenins. Deshalb waren wir froh, daß nach dem Erscheinen des Sonderheftes zum 25. Jahrestag der Gründung der DDR 1974, das an den gleichen Schwächen wie die Sonderhefte vorher litt, aus Papiermangel keine Sonderhefte mehr produziert werden durften. Auch der Verlag war erleichtert, weil sich die Sonderhefte, die außerhalb des Abonnements erschienen, schlecht verkauften.

Leider blieb das nicht die einzige Sparmaßnahme. Ab 1977 mußten wir den Umfang der Zeitschrift von 12 auf 11 Bogen (176 Seiten) verringern, 1978 auf 10 und 1984 auf 9 Bogen. Es war schon bezeichnend für den Zustand der Volkswirtschaft der DDR, daß die Partei ihre ideologische Arbeit wegen Papiermangel einschränken mußte. Außer uns waren auch fast alle anderen Organe betroffen. Allerdings gelang es uns mit Hilfe einer Sondergenehmigung, nach dem ersten Registerheft für die Jahrgänge 1959 bis 1973, 1989 noch ein zweites Register für die Jahrgänge 1974 bis 1988 herauszubringen.

Als 1989 die Wende in der DDR heranreifte und wir kritisch die vorliegenden 30 Jahrgänge der Zeitschrift betrachteten, konnten wir nicht leugnen, daß die "Beiträge" ihren Platz in der politisch-ideologischen Arbeit der Partei ausgefüllt und ihren Beitrag zur Legitimierung der herrschenden Verhältnisse in der DDR geleistet hatten. Es zeigte sich aber auch bei der Betrachtung der Jahrgänge 1988 und 1989, daß im Zusammenhang mit sowjetischer Perestroika und Glasnost in Ansätzen gewisse Veränderungen im Profil der Zeitschrift und auch vorsichtige neue Sichten auf alte Themen zu finden sind. Das trifft besonders zu auf eine sachlichere Behandlung der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und einen faireren Umgang mit führenden Sozialdemokraten, wie er sich ausdrückte in biographischen Arbeiten über Philipp Scheidemann, Adolf Reichwein, Georg Ledebour, Max Sievers und andere. Auch eine stärkere Behandlung von sozialgeschichtlichen Themen ist in diesen Jahrgängen zu finden, so über die soziale Lage und Struktur der Arbeiterklasse in verschiedenen Ländern und zu unterschiedlichen Zeiten, über Migrationsprozesse der Arbeiter und Fragen der elementaren Arbeiterbewegung. Schließlich weist auch der Dokumententeil – schon immer die interessanteste Rubrik der BzG – dieser Jahrgänge neue Facetten auf, wie sie in früheren Jahren nicht denkbar gewesen wären. Genannt seien Briefe Wilhelm Piecks an Georgi Dimitroff und D. S. Manuilski von der Kominternführung aus den Jahren 1937 bis 1942 mit der Bitte, sich für die Freilassung in der Sowjetunion zu Unrecht verhafteter deutscher Kommunisten einzusetzen, oder der Zehnjahresbericht der Präsidialkanzlei Wilhelm Piecks von 1959 über die etwa 1,5 Millionen Briefe und Eingaben von Bürgern der DDR an den Präsidenten, vorwiegend mit Beschwerden über Bürokratismus, Gleichgültigkeit und menschliche Kälte von Mitarbeitern des Staatsapparates.

Das war wohl ein Grund mit, daß, als Ende 1989 auf Veranstaltungen der DDR-Historiker mit dem Herausgeber der Zeitschrift, dem Institut für Marxismus-Leninismus, scharf abgerechnet wurde wegen seiner mit dem Begriff "Leitinstitut" getarnten Bevormundung der Historiker zur Geschichte der Arbeiterbewegung in der DDR, die BzG von dieser Kritik ausgenommen wurde. Niemand erhob die Forderung, das Erscheinen der Zeitschrift einzustellen, ihren Titel zu ändern oder eine neue Redaktion einzusetzen. Hingegen wurde die Leitung der Herausgeberinstituts aufgelöst und für dessen Umstrukturierung zu einem sehr viel kleineren Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung ein Arbeitsausschuß gebildet. Während die Hefte 1-3/1990 der BzG ohne Herausgeber im Impressum erschienen, wurde ab Heft 4/1990 das Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung als Herausgeber genannt.

In Heft 1/1990 publizierte die Redaktion ein Editorial "In eigener Sache", in dem sie versuchte, die Zeitschrift auf die neue gesellschaftliche Situation einzustellen. Wenn auch nicht frei von Illusionen, was die Erneuerung des Sozialismus und des gesellschaftlichen Lebens in der DDR betrifft (der Beitrag wurde von mir Anfang November verfaßt), so wurde die deutliche Selbstkritik der Redaktion – "Einengung der Arbeiterbewegung auf die Parteigeschichte", "Mißachtung entscheidender eigener historischer Erfahrungen und Traditionen" der deutschen Arbeiterbewegung, "widerspruchsfreie und konfliktlose Erfolgsbeschreibung" der Geschichte der SED, Tabuisierung der "verheerenden Auswirkungen des Stalinismus auf die deutsche Arbeiterbewegung" – und die Schlußfolgerungen daraus zustimmend zur Kenntnis genommen. Auch ihre Orientierung auf "einen konzeptionellen Neubeginn" der Erforschung, Darstellung und Propagierung der Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung wurde akzeptiert, wozu als wichtiges Element die Entwicklung der BzG "zu einem Diskussionsforum der Geschichte der Arbeiterbewegung" gehörte. Als notwendig dafür wurde betrachtet, "sich in den Artikeln nicht auf allgemein abgesicherte und von allen akzeptierte Einschätzungen zu beschränken, sondern – gestützt auf eine breite Quellenbasis – neue Fragen aufzuwerfen, manches Gewohnte in Zweifel zu ziehen, eigene Standpunkte prononciert vorzutragen".

Inhaltlich nahm die Zeitschrift, beginnend mit den Jahrgängen 1990 und 1991, einen erfreulichen Aufschwung. Es erfolgte ein radikaler Bruch mit der früheren politisch und ideologisch ausgerichteten Geschichtsschreibung, Tabus galten nicht mehr. Die Freigabe von bisher gesperrten Archivmaterialien, besonders im Zentralen Parteiarchiv der SED, stellte die Arbeiterbewegungsgeschichtsschreibung auf eine neue Grundlage. Gewichtige, oftmals als sensationell empfundene Dokumentationen entstanden und fanden Aufnahme in der BzG. Historiker, vor allem auch jüngere, aus den anfangs noch nicht abgewickelten Instituten und wissenschaftlichen Einrichtungen der DDR bewiesen mit fundierten Aufsätzen – befreit von ideologischer Bevormundung – ihre Fähigkeiten zu differenzierter historischer Analyse. Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundesländern entdeckten die BzG als Publikationsorgan und bereicherten mit ihrer methodologisch oft anderen Herangehensweise an die Geschichte ihren Inhalt.

Im Ergebnis dieser Arbeit wurde die frühere starke Konzentration auf die kommunistische Parteigeschichte und deren geschönte und geglättete und damit gefälschte Darstellung überwunden. Innerparteiliche Auseinandersetzungen und Machtkämpfe in Komintern, KPD, Kominform und SED wurden aufgedeckt, strategische Fehlleistungen analysiert, weiße Flecken getilgt. Die Geschichte der sozialdemokratischen Bewegung fand größere Beachtung und entgegen einer einseitig kritischen Betrachtung dominierte nun eine abgewogene Beurteilung der Sozialdemokratie, wurde versucht, ein objektives Bild ihrer Stärken und Schwächen zu zeichnen. Zum eigentlichen Schwerpunktthema der BzG entwickelte sich die kritische Behandlung der Geschichte der SED und der DDR. Neue Materialien und neue konzeptionelle Sichten wurden eingebracht besonders zum Vereinigungsprozeß von KPD und SPD 1945/46, zur Umstrukturierung der SED zu einer stalinistischen "Partei neuen Typus", zum Demokratiedefizit in der DDR, zur Abhängigkeit der SED von der KPdSU. Erstmalig wurde in der Zeitschrift über sowjetische Internierungslager auf deutschem Boden geschrieben.

Trotz dieser positiven inhaltlichen Entwicklung nahm die Abonnentenzahl rapide ab. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Der Hauptgrund dürfte in der einsetzenden Verödung der Wissenschaftslandschaft im Osten durch die Abwicklung zahlreicher wissenschaftlicher Einrichtungen zu suchen sein. Die Geschichtsinstitute der Akademie der Wissenschaften und der SED wurden geschlossen und ihre Mitarbeiter zu Hunderten in den Vorruhestand, in die Rente oder in die Arbeitslosigkeit geschickt. Auch das gesellschaftswissenschaftliche Grundstudium an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen, das zahlreiche Abonnements der Zeitschrift gesichert hatte, wurde eingestellt. Eine feste Größe unter den Abnehmern der Zeitschrift war bis zur "Wende" das Parteischulsystem der SED und die Kommissionen zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung. Damit war Anfang 1990 Schluß. Schließlich konnten nach der Einführung der D-Mark in der DDR am 1. Juli 1990 unsere zahlreichen Abonnenten in den osteuropäischen Ländern und vor allem in der Sowjetunion wegen Devisenmangel die BzG nicht mehr beziehen. Im wesentlichen stabil blieb die Abonnentenzahl nur im "westlichen" Ausland und in den alten Bundesländern. Hier hatten auch die zahlreichen organisatorischen Veränderungen beim Bezug, die notwendigen Preiserhöhungen und Veränderungen im Format, bei der Umschlagsgestaltung und in der Erscheinungsweise keinen negativen Einfluß.

Im Gegensatz dazu dürften diese organisatorischen und technischen Probleme nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, daß die Zahl der Abonnenten und sonstigen Käufer der Zeitschrift auf dem Gebiet der DDR von einigen Tausend auf einige Hundert zurückging, obwohl die Qualität des Inhalts gestiegen war. Seit Gründung der BzG 1959 hatte der Dietz Verlag, Berlin, die Zeitschrift betreut. Er setzte das auch 1990 über die Währungsumstellung vom 1. Juli hinaus fort. Der Wegfall von Subventionen zwang ihn, den Preis der Zeitschrift von 2 Mark auf 5 DM zu erhöhen. Auch dieser höhere Preis deckte bald nicht mehr die Herstellungskosten. In große Schwierigkeiten geriet der Verlag, als ab 1991 der Postzeitungsvertrieb, der bisher die Abonnenten bedient und die Zeitschrift an seinen Kiosken verkauft hatte, seine Arbeit einstellte. Die Umstellung auf eine private Vertriebsfirma, die mit einer faktischen Neubestellung verbunden war, brachte große Einbrüche in den Abonnentenstand. Der Verlag erklärte sich mit Heft 2/1991 außerstande, die Arbeit mit der Zeitschrift fortzusetzen.

Kurzfristig übernahm der Zeitschriftenverlag "Demokratie und Recht", Hamburg, die Zeitschrift. Die Redaktion stellte sich auf die neuen Bedingungen ein. Sie hatte ihren Personalbestand schrittweise auf drei Mitarbeiter reduziert und sich einen Computer angeschafft. Dieser, rasch von unserer neuen Sekretärin Ilse Scholz beherrscht, ermöglichte es, Satz und Umbruch der Zeitschrift in der Redaktion herzustellen, was die Herstellungskosten in der Druckerei enorm verringerte. Das Engagement des Verlages dauerte trotzdem nur ein Jahr. Mit der Schließung des Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung am 31. März 1992, dem Herausgeber der Zeitschrift, kündigte der Verlag kurzfristig die Zusammenarbeit. Außer der Umstellung auf ein verlagsinternes Vertriebssystem, was wiederum mit einer Abnahme der Abonnements verbunden war, hatte der Verlag ab Heft 1/1992 aus finanziellen Gründen das Format verkleinert, den Umfang verringert und den Umschlag neu gestaltet. Geblieben war der Titel.

Die Zeitschrift befand sich in einer existentiellen Krise. Die Redaktion war mit der Schließung des Herausgeberinstituts entlassen, der Verlag hatte sich zurückgezogen. Sollten die hoffnungsvollen Ansätze der letzten beiden Jahre jäh zu Ende sein? Das Bedürfnis nach der Zeitschrift, vielleicht weniger bei den Abonnenten, dafür aber viel mehr bei den Autoren, war groß. Viele Historiker, die in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden waren, wollten gern weiterarbeiten. Es kam ihnen auf Publikationsmöglichkeiten an, nicht auf ein Honorar, das seit 1990 sowieso nicht mehr gezahlt werden konnte.

Gab es noch einen Weg, die BzG am Leben zu erhalten? Der Chefredakteur, der in den Vorruhestand ging, und sein neuer Stellvertreter, Helmut Heinz, dem die Arbeitslosigkeit bevorstand, erklärten sich bereit, die Zeitschrift ehrenamtlich zu redigieren. Auch eine sich im Vorruhestand befindliche ehemalige Sekretärin des Instituts, Helga Brangsch, konnte für eine unbezahlte Tätigkeit in der Redaktion gewonnen werden. Der Bundesvorstand der PDS stellte der Redaktion unentgeltlich einen Büroraum mit Telefon im Karl-Liebknecht-Haus zur Verfügung. Der Ende 1991 auf Initiative von Helmut Heinz gebildete Förderverein der Zeitschrift sicherte der Redaktion eine kleine finanzielle Basis für den Kauf von Büromaterial, für Erstattung von Reise- und Fahrtkosten usw. Es fehlte nur noch ein Verlag mit Druckerei. Der konnte schließlich dank des Engagements und Organisationstalents von Helmut Heinz im bayerischen Kösching bei Ingolstadt gefunden werden. Sein Inhaber war aus Interesse an der Geschichte der Arbeiterbewegung bereit, die Zeitschrift ohne Druckkostenzuschuß (natürlich auch ohne Finanzierung der Redaktion) herzustellen und zu vertreiben. Nach einer fast halbjährigen Pause konnte nach Heft 2/1992 im März im neuen Verlag mit gleichem Outfit im September Heft 3/1992 erscheinen. Redaktion und Verlag hatten sich darauf geeinigt, statt sechs nur noch vier Hefte im Jahr herauszugeben.

Obwohl damit die organisatorischen Turbulenzen der ersten Nachwendejahre erstmal beendet waren, gelang es nicht, eine, wenn auch geringe Abnahme der Abos zu verhindern. Es mangelte der BzG weniger an Autoren, wohl aber an Lesern, genauer an Abonnenten und Käufern. Sicher lag das auch an der unprofessionellen Arbeit der Redaktion, die seit dem Ausscheiden von Helmut Heinz Mitte 1995 wegen eines fernen Arbeitsplatzes nur noch von Helga Brangsch und mir besetzt war. Es fehlte an Zeit, Kraft und Geld für eine wirksame Werbearbeit. Auch die Gewinnung neuer Autoren mit interessanten Themen, besonders aus den alten Bundesländern, litt unter dieser Situation. Der Verlag sah sich nach fünf Jahren wegen gestiegener Kosten außerstande, die Zeitschrift weiter herzustellen. Er kündigte zum 31. Dezember 1997 die Zusammenarbeit.

Glücklicherweise fand sich rasch eine neue Lösung. Der trafo verlag Berlin, mit seinem initiativreichen, Risiken nicht scheuenden Verleger Wolfgang Weist und seinem Mitarbeiter Michael Bastian übernahm 1998 Zeitschrift und Redaktion. Es gelang inzwischen, den Abonnentenstand zu stabilisieren. Klar ist, daß die schwierige Lage der BzG in erster Linie kein hausgemachtes Problem ist. Die Hauptursache dürfte in der schwachen Position des Gegenstandes der Zeitschrift selbst liegen.

Seit Mitte der achtziger Jahre mehren sich solche Titel von Büchern und Aufsätzen wie "Abschied vom Proletariat" oder "Das Ende der Arbeiterbewegung". Sie spiegeln – wenn auch stark zugespitzt – eine objektive Tendenz wider. Die traditionelle Arbeiterklasse schrumpft, mit ihrem zahlenmäßigen Rückgang nimmt auch ihre Bedeutung ab. Offensichtlich wird ihr Klassenbewußtsein schwächer. Die Arbeiterbewegung verliert an Kraft. Das Scheitern des Parteikommunismus und der Zusammenbruch des von ihm getragenen Staatensystems in Europa hat diesen Prozeß noch beschleunigt. Der mit der klassischen Arbeiterbewegung eng verbundene Marxismus hat an Autorität eingebüßt. Ihm wird mit wachsender Skepsis begegnet. So unbestritten die Leistungen der Arbeiterbewegung in der Geschichte auch sind, wenn ihre Rolle in der Gegenwart so rapide abnimmt, hat das Konsequenzen für das heutige Interesse an ihrer Geschichte. Nur noch an wenigen Universitäten gibt es kleine Arbeitsgruppen, die sich mit Geschichte der Arbeiterbewegung befassen. Die Verlage, die Literatur zur Geschichte der Arbeiterbewegung herausbringen, haben Absatzprobleme. Sie haben daraus ihre Schlüsse gezogen. Desto wichtiger erscheint mir die Existenz solcher Zeitschriften wie der BzG, die auch in Zeiten der Flaute im Publikumsinteresse Historikern Publikationsmöglichkeiten bieten, damit das Reservoir an Spezialisten zur Geschichte der Arbeiterbewegung nicht noch weiter schrumpft.

Natürlich wirken auch gewisse Tendenzen gegen diese Entwicklung. Die Umwälzung 1989/90 hatte und hat eine befreiende Wirkung auf die Geschichtsschreibung über die Arbeiterbewegung in den betroffenen Ländern. Sie kann nun ohne politisch-ideologische Vorgaben wirken und auch die Geschichte dieser Vorgaben aufarbeiten. Davon lebt die BzG zur Zeit in erster Linie. Aber für die Zukunft ist es unabdingbar, sich stärker den neuen sozialen Bewegungen zuzuwenden und sich auch mit der neuen, elementaren Arbeiterbewegung zu befassen, wie sie sich vor allem in ehemaligen sogenannten Entwicklungsländern herausbildet. Der Artikel von Hyan Back Chung über die "Arbeiterinnenbewegung in Südkorea in den 70er Jahren" in Heft 2/1998 ist dafür ein verheißungsvoller Anfang. Je größer die Bedeutung der neuen und alten sozialen Bewegungen im Ringen um Reformen oder gar um Alternativen zu den bestehenden Gesellschaftsordnungen wird, desto mehr wird schließlich auch das Interesse an ihrer Geschichte wachsen.

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Die BzG im 21. Jahrhundert
(vom Herausgeber Dr. Wolfgang Weist)

Die Perspektiven des Themas "Geschichte der Arbeiterbewegung" sind ambivalent zu beurteilen. Prof. Fritz Zimmermann hat dazu bereits zahlreiche Fakten genannt. Diese Einschätzungen sollen durch einige weitere Fakten zu den Entwicklungen aus den letzten drei Jahren ergänzt werden.

Was die Verbreitung betrifft, können sich Redaktion, Herausgeber und Autoren über ein stetig wachsendes weltweites Interesse an der BzG freuen. Sie ist zur Zeit z.B. allein  in mehr als 30 US-amerikanischen Bibliotheken und ebensovielen japanischen Universitäten zu finden, wobei die Zahlen seit 1998 stetig wachsen. In Europa verschieben sich die Gewichte der Abonnements zwischen der Bundesrepublik und dem übrigen Europa stärker zu Gunsten des Auslandes. Besonders erfreulich ist, daß auch osteuropäische Abonnenten sich zurückmelden.

Insgesamt wird die Verbreitung zunehmend von  institutionellen Nachfragern - Universitätsbibliotheken und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie Archiven und Vereinen zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung, bestimmt. Trotz  leicht sinkender Absatzzahlen hat sich das Gewicht der Abonnenten mit stark multiplikativer Wirkung in den letzten Jahren damit bedeutend erhöht, wobei die Verbreitung in basisnahen Institutionen, wie den Gewerkschaften und gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen, Heimatmuseen oder kommunalen Bibliotheken fast zusammengebrochen ist.

In dieser Entwicklung der Verbreitung der BzG wiederspiegeln sich adäquat die derzeitigen Trends der Entwicklung des Forschungsthemas. Geschichte der Arbeiterbewegung verschwindet aus dem allgemeinen geschichtlichen Bewußtsein bzw. wird  verdrängt und/oder in den rein akademischen Bereich abgeschoben. Zugleich wird Arbeiterbewegung immer stärker als nur eine, wenn auch wichtige, in der Gesamtheit sozialer  Bewegungen, verstanden. Dies kann man bedauern. Es scheint mir jedoch gerechtfertig, diese Korrektur eines über Jahrzehnte vor allem in den realsozialistischen Staaten erhobenen Absolutheitsanspruchs der Rolle der Arbeiterbewegung im 20. Jahrhundert zu akzeptieren und dies als Aufforderung zu einer stärkeren Untersuchung der Interdependenzen zwischen der Arbeiterbewegung und den anderen sozialen Bewegungen  anzunehmen. Zugleich ist auch der eurozentristische Ansatz der Forschungen zu überwinden, wenngleich es für eine deutschsprachige und europäische Zeitschrift dieser Forschungsgegenstand naheliegend ist und bleibt.

Unsere langjährigen Leser kennen die Bemühungen von Redaktion und Herausgeber, entsprechend diesen hier nur zu skizzierenden Problemlagen die inhaltliche Orientierungen der BzG weiterzuentwickeln.

Seit Januar 1998 haben wir den Umfang der BzG von 128 S. auf 166 S. erhöht. Damit konnten mehr Autoren als in den Vorjahren zu Wort kommen. Besonders gestiegen ist der Anteil ausländischer Autoren.
Auch die  Themenbreite hat zugenommen. Beiträge zur Rolle von Frauen in der internationalen Arbeiterbewegung, zur Arbeitersportbewegung, zur Friedensbewegung usw. verdeutlichen das. Im Jahr 2001 wird einen Schwerpunkt der Beiträge dem Thema 'Arbeiterbewegung und Religion' gewidmet sein.

Mit der Konstituierung eines wissenschaftlichen Beirates mit internationaler Ausrichtung werden wir die wissenschaftliche Kompetenz und Kommunikation weiter ausdehnen und uns weiteren Autoren aus vielen Regionen der Welt öffnen können.

Die Präsenz im Internet wird weiter ausgebaut. Dazu gehört das einerseits das BzG-Internet-Supplement als auch die neue, nun eigenständige Web-Site der BzG mit dem Titel 'geschichte-der-arbeiterbewegung'. Sie soll zu einer Anlaufstelle für aktuelle Informationen und der Vernetzung der weltweiten Forschungen zum Thema ausgebaut werden.

Redaktion und Herausgeber freuen sich über Ihren Kontakt auf dies Web-Seiten und wünschen Ihnen einen ergebnisreichen Aufenthalt.

© BzG / trafo verlag 2001