Rosa, João Guimarães: Mein Onkel der Jaguar

Erzählung. Aus dem brasil. Port. von Curt Meyer-Clason.

Vorwort von Ligia Chiappini und Marcel Vejmelka. Nachwort: Walnice Nogueira Galvão: Die unmöglich Rückkehr (O impossivel retorno), A. d. bras. Port. von Marcel Vejmelka.

Berlin: trafo, 2009. trafo taschenbuch. 136 S., kt., ISBN 978-3-89626-825-9, 11,80 €

O: Meu Tio Iauaretê

João Guimarães Rosa wurde am 27. Juni 1908, in Cordisburgo, im Bundesstaat Minas Gerais geboren. Er studiert Medizin und praktiziert als Arzt im Landesinneren von Minas Gerais. Gleichzeitig erscheinen seine  ersten Erzählungen. Ab 1934 ist Guimarães Rosa im diplomatischen Dienst. Von 1938 bis 1942 ist er Generalkonsul seines Landes in Hamburg. Zusammen mit seiner zweiten Frau Aracy verhilft  er zahlreichen verfolgten Juden zur Flucht aus Nazideutschland. Nach Brasiliens Kriegserklärung gegen die Achsenmächte war er mehrere Monate in Baden-Baden interniert. Neben seiner diplomatischen Tätigkeit (zuletzt als Botschafter im Außenministerium) veröffentlicht er zahlreiche Romane und Erzählungen, darunter sein berühmtes Epos Grande Sertão. Veredas, das ihn weltberühmt machte. Drei Tage nach seiner Antrittsrede in Academia Brasileira de Letras stirbt Guimarães Rosa an einem Herzinfarkt. „ ... man stirbt, um zu beweisen, daß man gelebt hat. Die Menschen sterben nicht, sie werden verzaubert. Die Welt ist magisch“, hatte er in dieser Rede gesagt. 

„Hum? Eh-eh ... Ja. Doch, Nhor. Aha, Sie wollen reinkommen, kommen Sie rein ... Hum, hum.“ So beginnt der Monolog des Gastgebers, der einen Besucher in seine einsame Hütte bittet, der sich offensichtlich verlaufen hat. Er war Jaguar-Jäger, erzählt er dem Gast, hatte viele Jaguare im Auftrag der Fazendo-Besitzer gejagt. Zu einer anderen Arbeit war er nicht geeignet und doch, „ich hätte es nicht tun sollen.“ Der Schnaps des Besuchers, von dem der Jäger reichlich trinkt, löst ihm mehr und mehr die Zunge und so wird immer mehr deutlich, dass sich im Verhältnis zwischen Jäger und Jaguar im Laufe der Zeit eine Veränderung vollzogen hatte. So erzählt er dem erstaunten und allmählich ängstlich werdenden Besucher von dem Jaguarweibchen Maria-Maria, zu dem er eine besondere Beziehung, ja fast eine Liebesbeziehung hat. „Hören Sie zu, nhem? Merken sie was? ... Ich bin ein Jaguar, hab ich´s nicht gesagt?“ – Die Erzählung erreicht mit diesen Sätzen ihren dramatischen Höhepunkt ... 

„Guimarães Rosa zu lesen bedeutet, an einem Abenteuer im magischen Reich der Wörter teilzuhaben.“ (Nilce Sant’Anna Martins) Er schrieb in einer eigenwilligen Syntax, erfand eine Fülle neuer Wendungen und Wörter, setzte Begriffe aus verschiedenen Wurzeln und Sprachen zusammen (Ray-Güde Mertin). „Diese Methode könnte das Risiko der Unverständlichkeit in sich bergen, doch der Schriftsteller vollbringt das Wunder, die unverfälschte Frische der verbalen Ausdruckskraft freizusetzen, ohne etwas von der Klarheit, dem plastischen Erscheinungsbild der Dinge, das bereits in der Poesie der Namen ins Auge springt, zu opfern“ (Claudio Magris). Guimarães Rosa sprach und las ca. ein Dutzend Sprachen, verstand einige deutsche Dialekte und studierte über zehn Grammatiken anderer Sprachen.

Der Kölner Verleger schrieb 1964 an seinen Autor: „So wie die Dinge heute auf dem internationalen Buchmarkt liegen, muß eben sehr viel Lärm gemacht werden, damit das Ungewöhnliche sich überhaupt noch Gehör verschaffen kann in der fast tödlichen Menge des Durchschnittlichen.“ Leider machen die Nachfolger des Verlegers schon lange keinen Lärm mehr um einen ihrer wichtigsten Autoren; und so wurden die Rechte schon vor Jahren zurückgegeben und seine Übersetzungen sind seit langem vergriffen.

Danken wir also dem kleinen trafo-Verlag, der die Novelle aus Anlaß des 100. Geburtstags von Guimarães Rosa dem Vergessen entrissen hat.

Rezension von Klaus Küpper. Archiv für übersetzte Literatur aus Lateinamerika und der Karibik (2012)

Wir danken dem Rezensenten für die Abdruckgenehmigung

 

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