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Alfred Hirschenberger, Die Welt, ein System von Annahmen. Eine lustvolle Hinterfragung des Systems „Kapitalismus“,

edition Wortmeldung, Bd. 4., Berlin: trafo Wissenschaftsverlag 2008, ISBN 978-3-89626-807-5, 128 Seiten.

 

Rezensionen

1. Besprechung von Herbert Hörz, 2012

"Über die Macht des Wortes - Eine kritische Analyse des kapitalistischen Systems -

In vielen Lesungen hat der Autor vor unterschiedlichem Publikum sein Werk vorgestellt. Das Interesse ist groß, denn es werden aktuelle Probleme angesprochen, die viele bewegen. Die Einordnung der Überlegungen zur kapitalistischen Wirtschaft in einen philosophischen Kontext, der die Beziehungen von Sprache und Wirklichkeit betrifft, erweitert die Sicht. Die kritische Analyse des kapitalistischen Systems wird mit der Macht des Wortes verbunden. In einem Bericht im Internet über die Präsentation des Buches in Wien im PolDi – Politik direkt in die Leopoldstadt - heißt es: „Es ist nicht zu überhören, täglich berichtet die Presse: Riesengewinne der Konzerne, enorme Abfindungen für gekündigte Manager, Nahversorgung schwindet, Betriebe wandern ab, Teuerungswelle. Den Bürgern zerrinnt das Geld, die Löhne werden gedrückt: verlängerte Arbeitszeiten bei gleichem Lohn, Leistungssteigerungen usw. Die Klagen werden goutiert, man stimmt ihnen zu und läßt es dabei sein. Die Hinweise werden nicht zu Ende gedacht. Man blockt ab, scheut vor den hochkommenden Konsequenzen. Die Medien berichten von den Mißständen, nicht fragend, einer unerwünschten Antwort vorbeugend. Die Kooperation der Frage mit der Antwort wird in dem Buch beschrieben und in Gang gesetzt. Es gliedert das Kapital in ein Gebilde von Vorstellungen, das im Gebrauch einen mythischen Sanctus erhält, der als unabänderlich akzeptiert wird.“

Es ist gerade die dargelegte Verbindung zwischen der sprachlich formulierten Gesellschafts- und Weltsicht und dem realen Kapitalismus in seiner modernen globalisierten Form, die das Buch des 1919 geborenen Autors interessant macht. Als Werkzeugmacher und Betriebsleiter hat er Erfahrungen mit der kapitalistischen Warenproduktion, mit dem Verhältnis von Lohn und Kapital, von Angebot und Nachfrage, gesammelt. Politische Auseinandersetzungen in mehreren Jahrzehnten formten sein Gesellschaftsbild: „Demokratie perfektioniert die Unterwerfung, überträgt formal die ‚Macht‘ dem Volk. Diese erfüllt sich, Aufruhr bindend, in einer ablenkenden freien Auseinandersetzung, in einem periodisch zur Schau gestellten Auswechseln von, demokratisch nicht legitimierten Vorgaben nachkommenden, Akteuren.“ (S. 127) Er meint: „Wäre es nicht an der Zeit, der Arbeit das Stigma zu nehmen, daß sie Kosten sei?“ (S. 128)

In einem philosophischen Diskurs befasst sich der Autor im ersten Teil seiner Ausführungen mit dem Thema „Die Welt, ein Mosaik von Annahmen“. Es geht ihm um die Sprache, die uns mit Wörtern hilft, die Welt zu differenzieren und zu erkennen, damit sie nach unseren Vorstellungen gestaltet werden kann. Wir ordnen das Geschehen nach unseren Interessen. Durch Vergleiche bewerten wir Objekte und Prozesse. Der Wert entstehe dann in der Sprache, so der Autor: „Die Differenzierungen, aus denen alles hervorgeht, sie sind nicht zu finden, formuliert werden sie festgelegt, erfunden. … Die Natur kennt keine Gesetze, keine Vorschriften, nicht einmal Gegebenheiten, sie werden ihr aufgedrängt.“ (S. 26) Darüber ist sicher weiter zu diskutieren. Doch es gilt: „Das Bewußtsein bedarf der Symbole. … Die Sprache ist es, die Dinge vom bloßen Sein ins Bewußtsein bringt. … Ohne das Wort ist die Welt, die unsere, nicht.“ (S. 28) Die Sprache ist sicher Repräsentation (Widerspieglung) der Wirklichkeit, indem sie uns Nachrichten über die Außenwelt, über Natur, Gesellschaft, Kultur und uns selbst vermittelt, Sie ermöglicht es den Menschen, zu kommunizieren, um Erkenntnisse, Absichten, Wertungen, Vorschriften usw. allen anderen zu vermitteln. Doch zugleich bilden sich, wenn man die Differenzen zwischen dem Namen und der Realität nicht beachtet, Sichtweisen heraus, die entstandene Systeme als natürlich gegeben sehen und sie nicht mehr nach ihrer Entstehung und Entwicklung, ihrem Sinn und ihrer möglichen Umgestaltung befragen. Es bilden sich, letzten Endes, durch die Sprache gefördert, Urteile über das Geschehen aus, die deshalb zu Vorurteilen werden, weil sie das Weiterfragen oder besser das In-Frage-Stellen verhindern.

Ein solches gesellschaftliches System ist für den Autor der Kapitalismus, dem er den zweiten Teil seiner Darlegungen unter dem Thema „Die Münze Dreifaltigkeit“ widmet. Die Münze, Hinweis auf das Geld, umfasst die Beziehungen zwischen Kapital, Lohn und Angebot. Seine „lustvolle Hinterfragung“ hat den ernsten Hintergrund, sich mit dem entstandenen Vorurteil auseinanderzusetzen, der Kapitalismus sei die beste aller möglichen Wirtschaftsformen, die solche Leistungen herausfordere, in deren Ergebnis es allen besser gehe. Er stellt fest: „Das System ist nicht erfunden worden, hat sich geschichtlich ergeben, wird Gewinn abwerfend benutzt und ist zu einem nicht wegzudenkenden Brauchtum geworden. In wirtschaftswissenschaftlichen Abhandlungen werden die in Rechnung gestellten Zahlen korrekt abgerechnet. In der Formel ist die Arbeitskraft, als auch das Kapital, nebeneinander als Zahl, sich verrechnend, eingesetzt. Wertung ist keine mathematische Größe!“ (S. 7) Wer also in diesem System lebt, es als gegeben hinnimmt, seine Mechanismen befürwortet und alles mit seinem Geldausdruck berechnet, wird in dem Wortgefüge gefangen bleiben, das nur danach fragt: Welche Kosten entstehen? Welcher Profit ist zu erreichen? Rechnet sich das? Der Mensch mit seiner Arbeitskraft ist eben ein Kostenfaktor, wie auch der Profit. Sie werden gegeneinander verrechnet. Effektivitätskriterien überlagern mögliche Humankriterien. In diesem Gedankengebäude kann man lange gut leben, bis einen eventuell die Wirklichkeit mit Arbeitslosigkeit, Bildungsdefiziten, Armut und Diskriminierung einholt. Das wird der, der keine Systemkritik kennt, als eigenes Versagen gegenüber dem funktionierenden System werten, unterstützt durch die Systempropaganda.

Wie verinnerlicht bei vielen Menschen die Sicht ist, dieses kapitalistische System sei naturgegeben, gottgewollt oder ohne Alternative und dürfe nicht in Frage gestellt werden, denn die Arbeit könne sich nicht vom Lohn befreien und Lohnsklaven werde es immer geben, wird deutlich, wenn der Autor den Erzbischof Don Helder Camara, Brasilien, zitiert: „Wenn ich den Armen Brot gebe, nennt man mich einen Heiligen. Aber wenn ich frage, warum die Armen kein Brot haben, nennt man mich einen Kommunisten.“ (S. 84) Es sind die üblichen Killerphrasen der Kapitalismusverteidiger, Systemkritik mit Schlagworten wie „Utopisten“, „Fantasten“, „unbelehrbare Sozialisten“ u.a. abzuschmettern. Der Autor meint dazu: „Es wird ja noch erlaubt sein, ein bißchen an dem weltweit kapitalorientierten Wirtschaftsgefüge zu kratzen? Die Ansicht, daß dem ‚Tüchtigen‘ der erarbeitete Gewinn zusteht, wo zuletzt er doch allen zugute kommt, ist aus der Sicht der ‚Untüchtigen‘ zu hinterfragen.“ (S. 65) Das macht er gründlich.

In einem Dreierschritt untersucht er, gespeist auch aus den eigenen Erfahrungen, erst die zwei Seiten Lohn und Kapital, dann Nachfrage (Lohn) und Angebot, um dann auf Angebot (Ware) und Kapital einzugehen. Alle Kosten sind eben Löhne. Das Kapital selbst verändert sich nicht. Doch die Arbeit schafft Mehrwert. Den Profit hat der Eigentümer des Kapitals. Die Mechanismen des Kapitals sind seit dem Werk von Karl Marx „Das Kapital“ in seinen Grundlagen bekannt. Der Verfasser baut darauf auf und geht auf die neuen Bedingungen der Globalisierung ein, betrachtet die Erhöhung der Nachfrage durch die ständig wachsende Werbebranche, zeigt, dass Investitionen von den Arbeitenden doppelt bezahlt werden, über die Löhne, die sie dazu bringen, die Amortisation der Investition durch Arbeit voranzutreiben, und über die Löhne, die dann der Arbeiter als Konsument ausgibt, um die produzierten Waren zu erwerben. „Die Arbeitskraft wird derart zweimal in die Pflicht genommen, einmal eben, um die Investition, durch das Ausscheiden als Kosten aus dem Arbeitsprozeß, zu realisieren, zum zweiten, dass sie als Konsument, die im Preis enthaltene Investition begleicht.“ (S. 80) Arbeitslose sind, wie der Autor durch Stellungnahmen belegt, Bestandteil des Systems, in dem der Gewinn keineswegs an die Produzierenden geht. Arbeitssuchende sind wichtiger Ersatz für andere und kostengünstiger als „Humankapital“ zu verwerten. Die virtuelle Finanzwirtschaft ist ebenfalls genannt, in der kein Kapital verloren geht. Es wird jedoch unter den Besitzenden umverteilt. Viele Anregungen werden im Buch gegeben, um über das global wirkende kapitalistische Wirtschaftssystem, seine Mechanismen und seine humanen Grenzen weiter nachzudenken.

Mit dem Computer hat sich das Denken und Sprechen verändert. Das Problem wird nach Meinung des Autors mit noch folgenden Computergenerationen weiter verschärft. Wo der Mensch fragt und nach Antworten sucht, habe der Computer schon die Antwort auf die noch gar nicht gestellte Frage. „Das Wahrgenommene wird nicht mehr assoziiert mit dem, das ihm das Wort gab. An der Zahl verkommt das Wort und das Bewußtsein, mit ihm verliert sich die Welt. Für den Aufschrei kann es nie und nimmer eine Nummer geben, zu Herzen geht die nicht. … Sprachverlust, das ist nicht weniger als Weltverlust.“ (S. 51) Die Folgen werden ausgemalt: „Vereinsamung, Sinnkrisen, seelische Verarmung. Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Solidarität verlieren sich. Soziale Kontakte und Bindungen werden entbehrlich. Sexuelles Erleben, das Zusammensein wird per Computer implantiert. Eine virtuelle Eigenwelt baut sich auf.“ (S. 53) So schrecklich ein solches Szenario auch anmutet, Anfänge davon machen sich schon bemerkbar. Es gibt eine zu behandelnde Computersucht. Mit der Trennung von Ereignis- und Informationswelt, die durch den Computer verschärft wird, kann man in einer Welt schöner Bilder oder mit Verschwörungstheorien leben, die Wirklichkeit, soweit es möglich ist, aus dem Denken ausschließen, Motive für Kurzschlusshandlungen aus der Informationswelt nehmen, um in der Wirklichkeit anderen zu schaden. Dagegen ist vorzugehen. Doch die negativen Seiten sollten die positiven nicht überwuchern. Dialektik verlangt, die Einheit der Gegensätze zu sehen, um nicht einseitige Erklärungen zu finden, die nicht weiter helfen.

Der Computer hat zu einer Revolution der Denkzeuge geführt, die wie jede dieser Revolutionen, denken wir etwa an den Buchdruck, unterschiedlich genutzt werden kann. So stehen sich mit dem Internet mögliche Demokratisierung des Wissens und Manipulierung von Meinungen gegenüber. Computer erweitern unsere Problemlösungskapazitäten. Das schließt Kreativitätsbremsen durch ihre Nutzung nicht aus. Emails beschleunigen auf jeden Fall unsere Kommunikation und erleichtern damit die Organisation. Sie können jedoch auch eine weitere Schluderei im Sprachgebrauch mit sich bringen. Nicht die intelligente Technik ist das Problem, sondern deren Einsatz unter bestimmten Rahmenbedingungen. Darüber ist sicher weiter zu debattieren.

Was verbindet jedoch die charakterisierte wachsende Macht der Computer mit dem kapitalistischen System? Beide entfernen sich vom Menschen, machen ihn zum Objekt ihrer Existenz. „Während der Mensch das Erdachte erleben, aufzeichnen, ausleben muß, bevor den nächsten Schritt zu machen vermag, ist der ‚Denkvorgang‘ der Computer von unabsehbarer Weite. Der Computer hat die Lösung, bevor der Mensch sie begreift.“ (S. 52) Das kapitalistische System funktioniert zwar nicht ohne Menschen. Sie sind jedoch als Arbeitskraft ersetzbar. Die Befriedigung ihrer Bedürfnisse ist nicht mehr der eigentliche Zweck der Wirtschaft, sondern das Mittel, um den Profit zu steigern. „Die Wirtschaft, entfremdet, ist nicht mehr wirtschaftlich, sie hat, zum Selbstzweck sich erhaltend, gewinnbringend zu sein.“ Dabei habe man dem Regelwerk, das sich dafür herausgebildet habe, nachzukommen. Es erfordere: „Gewandtheit, Geschick, Voraussicht, Umtriebigkeit, Organisationstalent, Risikofreude, Wagemut, Einsatzbereitschaft, Tatendrang, Zielstrebigkeit, Beharrlichkeit, Spiellust und auch Verzicht.“ Das sei eine Menge von Fähigkeiten, die nicht jeder habe. Die Entsprechenden würden nicht auf dem freien Markt für Arbeitskräfte gefunden, sondern mit höherem Einkommen eingekauft. „Reichtum stellt sich durch ihr alleiniges Tun nicht ein, erst dann werken Lohnempfänger ihnen zu. Reichtum (Kapital) kommt durch zugeflossene Arbeit, Mehrwert zustande.“ Gute Manager fallen auf und werden gut bezahlt. „Diese überdimensionalen Einkommen, zur Dekoration abgelagert, werden dem Umlauf entwertend entzogen.“ (S. 82) In diesem Zusammenhang, sicher der lustvollen Hinterfragung geschuldet, wird auf ein Experiment verwiesen, in dem die Intelligenz von Hühnern getestet wurde. Doch die Sitzordnung (Hackordnung) der Hühner entspreche keineswegs, wie man erwarten könnte, der Intelligenz, sondern der Robustheit des einzelnen Huhns.

Die Entwicklung der Technik, die Rolle des Marktes, die durch Marketing entwickelten Bedürfnisse, das Ausweichen in Billiglohnländer u. a. Mechanismen des gegenwärtigen kapitalistischen Systems werden analysiert. Doch zugleich geht es dabei um die Sprache. Was wird von der Obrigkeit den Untertanen, etwa vor der Wahl, versprochen? Was sagen Manager den Lohnsklaven vor der Lohnkürzung? Welche Weltsicht wird von wem zu wessen Nutzen mit welchen Bannerworten vertreten? Wie verteidigen die Mächtigen in der Wirtschaft, und in ihrem Gefolge die dem Neoliberalismus ergebenen Politiker, das entstandene Regelwerk? Der Autor verweist auf den Präsidenten der Wirtschaftskammer, der „ohne Umschweife, gerade heraus“ sage: „Geht es (uns) der Wirtschaft gut, dann geht es allen gut. Er kuppelt die Allgemeinheit, die Mehrheit an eine Minderheit, undemokratisch, einfach an, sie dem Wohlergehen seiner Wirtschaft unterordnend. Eine Unfreiheit! Es könnte ja – einmal nur angenommen, - auch umgekehrt laufen: Geht es der Allgemeinheit gut, geht es auch der Wirtschaft gut! Das wäre Demokratie. Diese seine Formulierung bringt zu Tage, worum es dem Boß eigentlich geht. Die Wirtschaft, sie ist den demokratischen Regeln nicht unterworfen, entzieht sich, agiert niemandem verantwortlich, privat.“ (S. 89)

Der Unterschied von Sprache und Wirklichkeit wird deutlich. „Und so wie der Gottesbegriff – der des Wortes – empfunden wird, um zurecht zu kommen, so unterliegt die Welt, die der Warenproduktion (Mehrwert – Kapitalismus) einer Wortfolge (Wortnetz), wie alles andere auch und die erscheint als gegeben, unabänderlich. … Es bildet sich eine weltumspannende Übereinkunft, in die sich sowohl religiöses Empfinden, als auch das Wirtschaftssystem (Mehrwert) einbetten und als naturgegeben, bewußten Entscheidungen entzogen, hingenommen werden. Das Wort trennt die Menschheit von der Welt, in der sie wurde.“ (S. 47) Eine vom Wort geschaffene Scheinwelt entstehe.

Die Wirtschaft als Mehrwertproduktion richte sich nicht nach den Bedürfnissen, sondern schaffe im Selbstlauf selbst Nachfrage. Sind andere Modelle möglich? Tiere hörten nach der Befriedigung ihrer Bedürfnisse auf zu „arbeiten“. Sie „geben sich der Körperpflege, dem Miteinander, dem Spiel, dem Träumen, dem Nichtstun, hin. Dem Menschen ist dieses wirtschaftliche Idyll gestört, oder hat so nie bestanden, aber es ist der Ausgangspunkt der Betrachtung, denn so sollte es eigentlich sein, leben, nicht um zu arbeiten, sondern um zu leben.“ (S. 90) Interessant ist der Hinweis darauf, dass die glücklichsten Menschen sich nicht in den hochindustrialisierten Ländern finden, sondern in anderen, meist ärmeren, Regionen. Nicht die Armut sei entscheidend, so der Autor, sonst könnte uns jemand damit glücklich machen wollen, sondern sie sind glücklicher „aufgrund des von ihnen gepflegten Umgangs in der Familie, der Verwandtschaft, und aufgrund der Tatsache, daß sie solidarisch miteinander leben.“ (S. 81)

Es ist vielleicht interessant, wenn man die Entwicklung der DDR mal nicht unter dem in der derzeitigen offiziellen Darstellung der BRD geforderten und geförderten diffamierenden Bild betrachtet, sondern die Herausbildung eines Solidargefühls ihrer Bürger untersucht, dann wird man merken, dass das Erreichte unter dem Einfluss der neuen Verhältnisse, in denen sich Jeder gegen Jeden profiliert, um als „Tüchtiger“ oder nur als „Robuster“ wahrgenommen zu werden, damit er in der Hackordnung weiter oben sitzen kann, nun nach und nach wieder verloren gegangen ist oder weiter geht. Eine Leistungsgesellschaft, ohne Solidargemeinschaft zugleich zu sein, ist antihuman.

Der Verfasser fragt: „Woran mag es liegen, daß ein von der Natur geformtes Versorgungssystem (Ameisen, Bienen) störungsfrei funktioniert, nicht aber das der Menschen?“ Seine Antwort ist: „ Es funktioniert unter dem Grundsatz der Fürsorge, es wird von keinem, dem Umlauf entzogenen Profit, und dem Aufwand (Rechnungswesen), ihn zu verwalten, belastet.“ Daraus seien Schlüsse zu ziehen, die sicher manchen zu weit gingen. „Das Wirtschaftsgeschehen kommt der von der Natur vorgegebenen, unumkehrbaren Selektion nach. In der Konkurrenz, der Gegenüberstellung, bewährt sich das Fähige, der Warenpreis wird, sozial, allen zukommend, nieder gehalten. Eine leistungsorientierte Gesellschaft, den oder das Tüchtige als Vorbild und Ansporn dargestellt, weitet befruchtend sich aus.“ (S. 99)

Mancher Spezialwissenschaftler mag sich mit der Darstellung des Autors nicht befreunden können, wenn er der engen Sicht seines Gebiets verfallen ist. Die Leibniz-Sozietät verweist mit der Inter- und Transdisziplinarität auf ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber fachlich spezifischen wissenschaftlichen Einrichtungen. Sie orientiert auf eine übergreifende Sicht in den Wissenschaften und in den Beziehungen von Wissenschaft und Gesellschaft. Solche Zusammenhänge zeigt der Verfasser auf, so zwischen Sprache und Wirklichkeit, zwischen Lohnarbeit und Kapital. Er regt damit an, über unsere Zukunft weiter nachzudenken. Generell gilt, was der Rezensent in einem Buch belegt: Die materialistische Dialektik ist ein aktuelles Denkinstrument zur humanen Zukunftsgestaltung."