2008, 208 S., zahlr. Fotos und Dok., ISBN 978-3-89626-787-0, 14,80 EUR
Artikel in der Märkischen
Oderzeitung v. 14.04.2008:
"Auf den Spuren Hugo Distlers. Till Sailer stellte bei Kunersdorfer
Konzertlesung sein neues Buch über den Komponisten vor.
Musikschriftsteller Till Sailer lebte bereits einige Jahre in Strausberg, als er
feststellte, dass in einem Haus in unmittelbarer Nachbarschaft Hugo Distler mit
seiner Familie gewohnt hatte. Keine Gedenktafel erinnerte an den Komponisten,
der im Alter von 34 Jahren 1942 den Freitod gewählt hatte.
Für Sailer, Jahrgang 1942, bekam Distlers Haus in der Ernst-Thälmann-Straße 53
eine besondere Bedeutung. Es stand sehr robust und geheimnisträchtig für ein
Stück Musikgeschichte, das ihn mehr und mehr gefangen nahm. Seit Anfang der 80er
Jahre beschäftigt sich Sailer mit Leben und Schaffen Distlers. Er sprach mit
dessen Witwe, mit den Kindern und Freunden des Komponisten und sucht
Gelegenheiten, an dessen Wirken zu erinnern. Der 100. Geburtstag Distlers am 24.
Juni dieses Jahres war ihm Anlass, das gesammelte Material zu sichten und in
Buchform zu bringen (Till Sailer: „Hugo Distler in Strausberg", trafo
Literaturverlag. Berlin 2008,208 S., 14,80 Euro).
Vor rund 50 Musikinteressierten hatte das Buch am Sonnabend in der Kunersdorfer
Kirche Premiere, Margot Prust und Inge Bärisch, die Frauen vom benachbarten
Musenhof, veranstalteten die Konzertlesung. Till Sailer und seine Tochter
Juliane lasen, Organist Armin Thalheim spielte aus den „30 Spielstücken für die
Kleinorge!" (1938). Der Bärenreiter Musikverlag, der Distlers Werke verlegt,
hatte eine Neuauflage der selten aufgeführten Miniaturen geplant, war aber in
Verzug geraten. So spielte Thalheim aus den Korrekturfahnen des Verlages.
Distler hatte mit diesen Stücken die Orgel als Hausmusikinstrument wiederbeleben
wollen, war aber damit am konservativen Musikgeschmack der Nationalsozialisten
gescheitert. Kein Wunder. Was Thalheim zum Tönen brachte, klang überaus modern:
minimalistische Strukturen, „hinkende" Rhythmen mit Grüßen vom Balkan, einfache
Motive, gewandelt in feurig-freier Improvisation - eben Musik wie ein frischer
Frühlingswind.
Die Texte der Lesung - zum Teil hatten Vater und Tochter Sailer die Interviews
mit den Distler-Verwandten nachgestellt - ließen keinen Raum für Zweifel an der
politischen Harmlosigkeit des Musikers, der der Naziideologie anfangs, 1933,
bedenkenlos gegenübergestanden hatte, die ihn aber neun Jahre später in den
Selbstmord trieb.
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