trafo verlag 2006, 416 S., zahlr. Tab. und Abb., Anhang, ISBN 3-89626-549-0, 39,80 EUR
REZENSIONEN
Besprechung von Dr.sc.med. Kay Blumenthal-Barby, März 2006:
Die im trafo Verlag publizierte sozialwissenschaftliche Studie von Jens
Kaluza und Gabriele Töpferwein ist das Ergebnis landesweiter Untersuchungen
in Sachsen „ Zur Praxis der Begleitung Sterbender durch Ärzte und
Pflegende“.
Auf über 400 Seiten gelingt es den Autoren mit Hilfe einer straffen
Gliederung, einem gut lesbaren Text sowie über 150 Tabellen und graphischen
Darstellungen einschlägig Beschäftigten wie auch „ Laien“ Einblick in
die Sterbebegleitung in Sachsen zu geben.
Ein Vergleich der geschilderten Situation mit der Lage in den siebziger
Jahren des XX. Jahrhunderts ergibt Erfreuliches. Beispielhaft seien die
Hospize angeführt. Damals kaum bekannt und als Sterbekliniken bezeichnet
sind sie heute ein unersetzlicher Bestandteil in der ambulanten wie stationären
Sterbebegleitung. Ähnliches trifft für die Palliativmedizin zu.
Ferner sei die einschlägige Aus- und Weiterbildung angeführt. Früher kaum
angeboten gibt es heute Gesprächskreise, Supervision und Ethikkommissionen.
So kommen die Autoren zu dem Schluß, daß Teilnehmer an
Weiterbildungsveranstaltungen sich tendenziell bessere Kommunikationsfähigkeiten
mit sterbende Patienten zu
schreiben.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch die Patientenautonomie und
damit verbunden die Patientenverfügung. Es wird mehr und mehr „ auf
gleicher Augenhöhe verhandelt.“
Eigene Untersuchungen zum „Sterbeort Krankenhaus“ für den Zeitraum von
1960 bis 1990 ergaben für die beiden Deutschen Staaten das folgende
Ergebnis: Wie in allen untersuchten Ländern stieg in diesem Zeitraum der
Anteil im Krankenhaus Verstorbener an den Verstorbenen insgesamt in der BRD
bis 1980 an um dann leicht ab zu fallen. Anders in der DDR. Hier blieb der
Anteil bis 1980 relativ konstant bei 43% um dann anzusteigen Jetzt ist auf
Seite 27 zu sehen, daß Sachsen sich in dieser Beziehung von 1995 bis 2002
ähnlich entwickelt wie Deutschland.
Wichtiger noch ist der Sterbeort „ eigenes Heim“. Eine 29 jährige
Krankenschwester wird dazu zitiert: „Die Hälfte verstirbt allein, also in
der Regel dort, wo keine Angehörigen sind. Man kommt in die Wohnung und sie
liegen dort tot, schrecklich.“ Offensichtlich ist hier noch größere
gesellschaftliche Verantwortung gefordert.
Problemlos ist auch nicht immer die Situation mit den Angehörigen
Sterbender. Zum Einen fällt ihnen das Loslassen schwer, weiter fürchten
sie mit der Begleitung nicht fertig zu werden und bestehen deswegen –
nicht selten gegen den Willen des Sterbenden- auf einer
Krankenhauseinweisung.
Fast 100 Seiten widmen die Autoren der „ Sterbebegleitung in
Pflegeheimen.“ Das liegt sicher daran, daß angenommen wird, daß dieser
Sterbeort künftig noch an Bedeutung gewinnt. Es wäre wünschenswert wenn
die für Sachsen ermittelten Werte für alle Bundesländer zu träfen. So
kann beispielsweise berichtet werden, daß nach Angaben der Pflegekräfte
bei 83 % der Heimbewohner Voraussetzungen für ein würdevolles Sterben
gegeben sind und was ebenso wesentlich ist, daß für 90 % der Patienten
Schmerzfreiheit gewährleistet ist! Andererseits wird berichtet, daß bei 63
% der Sterbenden zu lange lebenserhaltende Maßnahmen angewendet werden.
Diese, wie die meisten der untersuchten Fragen sind von hohem Praxisbezug.
Das ist eine Voraussetzung dafür, daß „ Sterben begleiten “ in der
Aus- und Weiterbildung empfohlen und besprochen wird. Anregend ist auch die
große Zahl der wiedergegebenen Äußerungen der Ärzte und Pflegenden.