von Treskow, Isabella / Buschmann, Albrecht / Bandau, Anja (Hrsg.)

Bürgerkrieg – Erfahrung und Repräsentation

mit einem Geleitwort von Herfried Münkler, [= Potsdamer Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte, Bd. 4], trafo verlag 2005, 262 S., zahlr., teils farb. Abb., ISBN 3-89626-538-5, 26,80 EUR

REZENSIONEN

Besprechung von Lars Karl, Potsdam, in: Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Gesellschaftsforschung, Heft 18(2008)1, S. 141ff.:
Weitestgehend unbemerkt von der politischen Öffentlichkeit hat der Krieg in den letzten Jahren und Jahrzehnten schrittweise seine Erscheinungsform geändert: Die das Szenario des Kalten Krieges noch weitgehend dominierenden, „klassischen" Staatenkriege scheinen mittlerweile weitestgehend zu einem historischen Auslaufmodell geworden zu sein, an dessen Stelle immer häufiger militärische Auseinandersetzungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen, parastaatlichen Akteuren und teilweise sogar privaten Unternehmen getreten sind. Von lokalen Warlords und Guerillatruppen über weltweit operierende Söldnerfirmen bis hin zu internationalen Terrornetzwerken - sie alle haben dazu beigetragen, das Gewaltmonopol des Staates faktisch zurück zu drängen und den innerstaatlichen, den Bürgerkrieg zu ihrem - teilweise wirtschaftlich äußerst lukrativen - Betätigungsfeld zu machen.
Ausgehend von dieser Prämisse weist Herfried Münkler in seinem Geleitwort auf die Mannigfaltigkeit von Bürgerkriegen, die ausgeprägte Verschiedenheit ihrer Akteure sowie die Komplexität ihrer Beendigung(en) hin. In seinen Bemerkungen zur Begriffsgeschichte erläutert Münkler dabei die ausgeprägte Kontextabhängigkeit des Konzepts „Bürgerkrieg", welches in jedem Einzelfall ausgehend von der konkreten historischen Situation, unter Bezugnahme auf eine Vielzahl normativ-ethischer Wertungen und nicht zuletzt unter Berücksichtigung der ideologischen Voreingenommenheit des Betrachters - etwa in Gegenüberstellung zum Begriff der „Revolution" - neu zu definieren ist.
Die Aktualität des Phänomens „Bürgerkrieg" wird denn auch von den Herausgebern des vorliegenden, auf eine Tagung im Sommer 2004 in Potsdam zurückgehenden Sammelbandes hervorgehoben, gepaart mit dem Appell, dieses relevante Untersuchungsfeld nun endlich mittels einer interdisziplinär betriebenen, methodisch vielfältig ausgerichteten Forschung jenseits der reinen Militärgeschichte zu erschließen. Die grundsätzliche Entscheidung, das "Wechselspiel zwischen Kunst respektive Medien stärker zu fokussieren, wird einschränkend mit der Prämisse verbunden, dass es in diesem Band keinesfalls um eine Kategorisierung des Bürgerkriegskonzepts und dessen grundsätzlicher Abgrenzung von anderen Gewaltkonflikten gehen könne. So wird denn auch konsequenterweise und mit guten Gründen auf eine allzu künstliche Verbindung der neun teilweise sehr disparaten Texte verzichtet. Geographisch werden Europa, die USA, der Nahen Osten und Afrika abgedeckt, chronologisch die Zeit von der Renaissance bis zur Gegenwart.
Gewalt in räumlicher und kultureller Nähe stellt ein genuines Charakteristikum bei der "Wahrnehmung und Erforschung von Bürgerkriegen dar. „Gewalt in der Nähe" und die besondere Art der Verarbeitung von Grausamkeiten zwischen kulturell „bekannten" Gegnern nimmt daher bei der Konstitution des Forschungsfeldes „Bürgerkrieg, Kunst und Medien" einen bedeutenden Stellenwert ein. Ausgehend von dieser Prämisse widmet sich Isabella von Treskow drei Texten der italienischen Resistenza-Literatur der unmittelbaren Nachkriegszeit. In den belletristischen Berichten der (ehemaligen) Partisanen konstituiert sich das komplexe Wechselspiel von Nähe, Feindschaft und Gewalt in der „guerra civile" der Jahre 1943-1945. Der schon für sich genommen interessante Befund, dass durch die Fixierung auf den deutschen Gegner der - sehr wohl existierende - Kampf gegen die italienischen Faschisten weitestgehend ausgeblendet blieb, wird denn auch von der Autorin als Grund für die lang anhaltenden Defizite in der Erforschung dieser wichtigen Phase italienischer Zeitgeschichte angeführt.
Ebenso wie von Treskow stellt der Romanist Albrecht Buschmann die Frage nach kultureller Identität und Erinnerung an Bürgerkriegsgewalt in den Mittelpunkt seiner Untersuchung. Buschmann thematisiert am Beispiel der spanischen Literatur bei Max Aub und Javier Cercas den Wandel des Verständnisses von Soldaten- und Heldentum und illustriert dabei einleuchtend, wie in den Jahrzehnten nach Ende des Spanischen Bürgerkriegs dominante Deutungs- und polarisierende Erinnerungsmuster zunehmend dekonstruiert und in Frage gestellt wurden. Eine Bereicherung zur filmhistorischen Erforschung dieses wohl paradigmatischsten Bürgerkriegsereignisses im Europa des 20. Jahrhunderts bildet der Beitrag von Christian von Tschilschke. Ausgehend von der Prämisse, dass es sich beim Spanischen Bürgerkrieg von Anfang an (auch) um ein Medienereignis gehandelt habe, werden die kulturellen Kategorien von „Held" und „Heldentum" anhand dreier Spielfilmproduktionen chronologisch analysiert - angefangen von Andre Malrauxs berühmtem Bürgerkriegsepos „Sierra de Teruel" (1939) über das während der Franco-Diktatur produzierte Werk „La caza" (1965) von Carlos Saura bis hin zur Verfilmung der „Soldaten von Salamis" durch David Trueba (2003). Der dabei konstatierte Dreischritt aus Fundierung/Konstruktion, Kritik/Destruktion und Rehabilitierung/Reflexion veranschaulicht dabei sehr konkret den Wandel der kulturellen Repräsentation(en) des Spanischen Bürgerkriegs und dessen Akteuren vor dem Hintergrund einer sich zunehmend auch international an filmisch vermittelten Geschichtsbildern orientierenden Öffentlichkeit.
Auch die Medienwissenschaftlerin Claudia Kloock widmet sich am Beispiel von Martin Scorseses „Gangs of New York" (2002) der aktuellen filmischen Repräsentation bürgerkriegsartiger Gewalt. Die vor dem Hintergrund der „Drafts Riots" in dem von Bandenkriegen zerrissenen Manhattan des Jahres 1862 angesiedelte Handlung bietet zweifellos zahlreiche Möglichkeiten zur Analyse von Visualisierungsstrategien gewalttätiger Narrative im Film - sich einprägsam manifestierend etwa im asymmetrischen Kampf einzelner mit Messern kämpfender Zivilisten gegen die mit Feuerwaffen ausgestatteten Truppen der Union. Kloocks Bildanalysen bilden so für sich genommen eine interessante Ergänzung des von den Herausgebern umrissenen Forschungsfeldes. Ebenfalls auf der Ebene visueller Repräsentationen bewegt sich der Beitrag des Kunsthistorikers Godehard Janzing zur „Bildlogik von Gewaltexzessen" am Beispiel des Motivs des Fenstersturzes. Der Lynchmord an zwei israelischen Soldaten in Ramallah am 12. Oktober 2000 fällt hier ebenso in den Blick des Betrachters wie die Pariser Bartholomäusnacht im August 1572, Picassos Monumentalgemälde „Guernica" vom Mai 1937 und der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001. Auch wenn die einzelnen Teilanalysen dem übergeordneten Erkenntnisinteresse des Aufsatzes - der Suche nach kulturellen Repräsentationsinstanzen, welche das Gewaltgeschehen selbst nachträglich mit Bedeutung füllen — stringent folgen, ist eine gewisse Unscharfe der Fragestellung hier nicht von der Hand zu weisen. Trotz der Prämisse des Autors, dem es in diesem Beitrag nicht um das Phänomen des Bürgerkriegs im engeren Sinne geht, wäre eine stärkere Fokussiemng auf das Leitmotiv des Sammelbandes oder - in umgekehrter Konsequenz - zumindest in erster Linie die Untersuchung des wohl emblematischsten Fenstersturzes in der europäischen Geschichte (Prag 1618) wünschenswert gewesen.
Weniger auf die Ebene der reinen Repräsentation als vielmehr auf das direkte Wechselspiel zwischen „realer" Gewalt und ihrer kulturellen Abbildung zielt Anja Bandau in ihrem — dem einzigen afrikanischen Fallbeispiel im Band gewidmeten - Beitrag. Die den zum Völkermord eskalierenden Bürgerkrieg in Ruanda begleitenden Vergewaltigungen, denen wahrscheinlich Hunderttausende Frauen zum Opfer fielen, widmet sich Bandau mit Blick auf ihre sprachliche Vermittlung in Erlebnisberichten und Medien fiktionaler Gestaltung. Nach erhellenden Ausführungen über das Entstehen und den Stellenwert von Vergewaltigungsstrategien in Bürgerkriegssituationen gibt der Beitrag einen gelungenen Einblick in die Schwierigkeiten - und damit verbundenen Vieldeutigkeiten — bei der verbalen Artikulation und Kommunikation eines gesellschaftlich hoch tabuisierten Gewaltakts.
Sowohl methodisch als auch inhaltlich etwas schwerer fassbar sind die Beiträge des Soziologen Erhard Stölting und des Germanisten Helmut Peitsch. Während Stölting in seinem Beitrag „Gewalt als Fest" den Beginn von Bürgerkriegen als primär ekstatische Gewaltentladung interpretiert und diese etwas kurzschlüssig in die Nähe von Pogromgewalt rückt, widmet sich Peitsch einem Phänomen, das augenscheinlich erst durch dessen Abwesenheit untersuchungsrelevant geworden ist - den „ausgebliebenen Bürgerkrieg" in der frühen deutschen Nachkriegsliteratur. Die These vom „totalitären Bürgerkriegsmythos in der westdeutschen Restaurationskritik" (S. 155) macht ein anfangs von Seiten der Herausgeber prägnant umrissenes Forschungsfeld zunehmend unscharf. Vielversprechender hingegen scheint dagegen der Versuch des Musikwissenschaftlers Rainer Bayreuther zur kroatischen Musikszene im Kontext des beginnenden Bürgerkriegs zu Beginn der frühen neunziger Jahre. Ausgehend von der Prämisse des Bürgerkriegs als „Kulturkampf wird hier die Logik abstrakter Zeichensysteme in einem konkreten Konfliktzustand aufgedeckt. Die Arbitrarität kultureller Identifikationsleistungen war im Falle des jugoslawischen Bürgerkriegs besonders virulent, bedingt durch die an Einheit grenzende Nähe der Konfliktparteien. Die heteronome Deutungsarbitrarität von Bürgerkriegsereignissen lässt sich folglich besonders deutlich an Werken (populärer) Musik als Mittel kultureller und kollektiver Identifikationsstiftung analysieren, deren Zeichensysteme aufgrund des gegebenen Abstraktionsniveaus zweitrangig bis willkürlich sind.
Alles in allem fällt es auch dem interdisziplinär geschulten Leser nicht einfach, die einzelnen Texte zu einem großen Ganzen zusammen zu führen. Auf die (nachträgliche) Konstruktion und Sinngebung von Bürgerkriegsereignissen — oder bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im weiteren Sinne — und die daraus resultierenden kulturellen Repräsentationen wird im vorliegenden Sammelband immer wieder Bezug genommen, wobei jedoch die Analysen mit Blick auf die Umsetzung des vorgeschlagenen Forschungskonzepts unterschiedlich tiefgründig ausfallen. Jede für sich leistet jedoch zweifellos einen interessanten Beitrag zum jeweiligen Thema, so dass der Band in der Vielfalt der gewählten Methoden verschiedene Ansätze für ähnliche Fragestellungen oder zumindest interessante Einzelerkenntnisse bietet.
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Martin Baumeister, Historisches Seminar - Abteilung für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität. <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-2-077>.

Was verbindet einen Lynchmord an zwei israelischen Soldaten im Jahr 2000 mit der Pariser Bartholomäusnacht 1572, was die Bombardierung Guernicas 1937 mit dem 11. September 2001 in New York? Der Kunsthistoriker Godehard Janzing hat eine klare Antwort auf diese Frage. Der Zusammenhang dieser in Raum und Zeit weit auseinander liegenden Gewaltakte liegt kaum in einer wie auch immer gearteten phänomenologischen Verknüpfung, auch nicht in der Logik des Geschehens selbst, sondern in einer Logik, die durch bestimmte Formen kultureller Repräsentationen erzeugt wird: im vorliegenden Fall durch das Motiv des Fenstersturzes, festgehalten in visuellen Medien wie der Druckgraphik, der Pressefotografie oder einem monumentalen Gemälde Picassos, die Gewaltexzesse in einem Moment der Initiation und Kulmination „einfrieren“ und einem anonymen Massenpublikum vor Augen führen. Zwischen den außerbildlichen Formen physischer Gewalt und ihrer bildlichen Darstellung, so betont Janzing zu Recht, müsse man genau unterscheiden. Künstlerische Bezugnahmen auf Kriegsereignisse hätten oft mehr mit den expressiven Mitteln des Autors oder der Autorin zu tun als mit konkreten Formen „realer“ Gewalt. Und dennoch könne ihre Darstellung eine effektivere kommunikative Dynamik entfalten als vermeintlich illustrative Repräsentationen.
Dieser erhellende Beitrag findet sich in dem hier zu besprechenden Band, der auf eine interdisziplinäre Tagung in Potsdam vom Sommer 2004 zurückgeht. An Janzings Ausführungen lassen sich die Relevanz, aber auch die Problemzonen des Themas des Tagungsbandes „Erfahrung und Repräsentation von Bürgerkriegen“ in mancher Hinsicht genauer erkennen als in den einleitenden Bemerkungen der Herausgeber. Janzing analysiert in eindringlicher Weise die Wirkungsmacht kultureller Repräsentationen in der Geschichte von Krieg und Gewalt, konzediert jedoch zugleich, dass es ihm dabei nicht um das Phänomen des Bürgerkriegs im engeren Sinn gehe. In der Unschärfe des Fokus liegt eine Schwäche der Aufsatzsammlung. Diese manifestiert sich in Beiträgen wie dem des Soziologen Stölting, der Bürgerkrieg als vorgeblich spontane, quasi ekstatische Gewaltentladung in durchaus verzerrender Form mit Pogromgewalt und dem Massendiskurs in Verbindung bringt; des Germanisten Peitsch, der die These eines – wie er es nennt – totalitären Bürgerkriegsmythos im westdeutschen Restaurationsdiskurs an frühen Texten der deutschen Nachkriegsliteratur überprüfen möchte; oder der Medienwissenschaftlerin Kloock, die eine für sich genommen durchaus interessante Analyse der Gewaltdarstellungen in Martin Scorses Film „Gangs of New York“ vornimmt. Hier lässt sich der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit in der Streuung der Themen und mehr noch in Fragestellungen und methodischen Herangehensweisen nicht von der Hand weisen.
Das Thema „Bürgerkrieg“ trägt allerdings bereits eine ausgeprägte Tendenz zur Offenheit in sich. Herfried Münkler verweist in seinem Geleitwort auf die Vielgestaltigkeit von Bürgerkriegen, die Unterschiedlichkeit der an ihnen beteiligten Akteure und die Komplexität ihrer Beendigung. „Bürgerkrieg“ sei kein rein sachlich-fachlicher Begriff der politischen Sprache, den man durch möglichst präzise Definitionen unter Kontrolle bringen könne. Münkler illustriert in seinen Bemerkungen zur Begriffsgeschichte die Kontextabhängigkeit des Konzepts, das entscheidend von der jeweiligen historischen Situation wie von unterschiedlichen, mit einer Fülle ethischer Wertungen verbundenen politisch-ideologischen Perspektiven bestimmt wird – man denke nur an die Gegenüberstellung von „Bürgerkrieg“ und „Revolution“. Münkler, selbst einer der Protagonisten in der Debatte um die „neuen Kriege“ der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vertritt die These, der Bürgerkrieg, begrifflich eng verwandt mit dem transnationalen Krieg, sei mit dem allmählichen Verschwinden der zwischenstaatlichen Kriege zum dominierenden Kriegstypus am Ende des 20. Jahrhunderts geworden. Die Herausgeber beziehen sich auf die Aktualität des Phänomens und berufen sich mit guten Gründen darauf, dass Bürgerkriege lange Zeit kein Objekt einer umfassenden, methodisch ausgerichteten Forschung, sei es in der Militärgeschichte, sei es in der Sozial- und Politikwissenschaft, gewesen seien. Ihre Entscheidung, das Verhältnis zwischen Bürgerkrieg, Kunst und Medien ins Visier zu nehmen, verbinden sie mit der Aussage, es könne hierbei nicht um die Kategorisierung des Bürgerkriegs und seine Unterscheidung von anderen Gewaltkonflikten gehen. Vielmehr wolle man fragen, wie Erfahrung und Wahrnehmung eines Konflikts durch den Begriff „Bürgerkrieg“ dynamisiert und welche Deutungen kulturelle Medien rückwirkend liefern würden.
Isabella von Treskow führt diese Vorgehensweise an der Analyse dreier Texte der italienischen Resistenza-Literatur aus der unmittelbaren Nachkriegszeit vor. Die Fixierung auf den deutschen Feind und das weitgehende Ausblenden des Kampfes gegen italienische Faschisten, die „anderen Italiener“, in Erinnerungstexten von Partisanen, so eine etwas kurzschlussartige These ihrer Ausführungen, sei auch ein Grund für die jahrzehntelangen Defizite in der italienischen Erforschung der „guerra civile“ der Jahre 1943-45. In Treskows Beitrag wie in einer Reihe anderer in diesem Band versammelten Artikel wird die Untersuchung der Darstellung von Bürgerkriegsgewalt eng verknüpft mit Fragen kultureller Identitäten und der Erinnerung, so in zwei Aufsätzen, die sich mit dem Nachwirken des Spanischen Bürgerkriegs, vielleicht des emblematischen Bürgerkriegskonflikts des 20. Jahrhunderts schlechthin, beschäftigen. Albrecht Buschmann zieht eine Verbindungslinie von einer noch vor der Niederlage der spanischen Republik erschienenen Bürgerkriegserzählung Max Aubs bis zum 2001 publizierten Erfolgsroman von Javier Cercas „Soldaten von Salamis“: An der Thematisierung von Soldaten- und Heldentum illustriert er, wie das in Kriegs- und Nachkriegszeiten dominante polarisierte Deutungs- und Erinnerungsmuster unterlaufen und in Frage gestellt wird. Cervantes’ in der Römerzeit spielendes Drama „La Numancia“ sollte man allerdings nicht wie Buschmann für den in der Interpretation des Bürgerkriegs reaktivierten Gegensatz Christen – Mauren in Anspruch nehmen. Christian von Tschilschke wendet sich dem Film als Medium der Erinnerung zu und analysiert ebenfalls die Motive von Held und Heldentum, um einen tief greifenden Wandel in der Repräsentation des spanischen Bürgerkriegs angefangen von André Malraux’ berühmtem „Sierra de Terual“ (1938) über Sauras unter den Bedingungen der Franco-Diktatur gedrehten Film „La caza“ (1965) bis hin zur Verfilmung der „Soldaten von Salamis“ durch David Trueba von 2003 zu konstatieren. Während sich diese Beiträge ganz auf der Ebene der Untersuchung kultureller Repräsentationen bewegen, nimmt Anja Bandau das Wechselspiel zwischen „realer“ Gewalt und ihrem Ausdruck in Erlebnisberichten wie im Medium fiktionaler Gestaltung am Beispiel der Massenvergewaltigungen während des im Genozid eskalierenden Bürgerkriegs in Ruanda von 1994 in den Blick. Ihr gelingt es, die Vieldeutigkeit in der Artikulation eines hoch tabuisierten Gewaltaktes zwischen Sichtbarmachen, Erinnern und seiner politischen Funktionalisierung zu verdeutlichen.
Auch wenn sich die genannten Artikel immer wieder bemühen, das Besondere von Bürgerkriegskonstellationen und –dynamiken zu fassen, bleiben die Befunde über Fragen wie Gewalt, Erinnerung und Identität meist zu unspezifisch, um einen Beitrag zur methodischen Neuorientierung der Bürgerkriegsstudien aus kulturwissenschaftlicher Sicht zu leisten, wie dies die Herausgeber in der Einleitung für sich in Anspruch nehmen. Eine mögliche Richtung weist eine anregende Fallstudie des Musikwissenschaftlers Rainer Bayreuther, der die kroatische Musikszene im Kontext des Jugoslawienkrieges zu Beginn der 90er Jahre analysiert. Bürgerkriege, so Bayreuther, seien immer auch „Kulturkämpfe“: In gewaltsamen Auseinandersetzungen, die sich auszeichnen durch eine große Nähe oder gar die Einheit der Konfliktparteien sei die Herstellung kultureller Identifikation und Differenz von eminenter Bedeutung. Die Arbitrarität, die in diesen Prozessen immer mit im Spiel ist, lässt sich besonders deutlich an der Musik als Mittel kultureller und sozialer Identifikationsstiftung illustrieren, deren Semantisierung aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades sekundär oder ganz willkürlich ist. In einer solchen Analyse, die die Logik von Zeichensystemen in einem konkreten Konfliktzusammenhang aufdeckt, zeigen sich die Stärken und Möglichkeiten einer kulturwissenschaftlichen Bürgerkriegsforschung, die einen wichtigen Beitrag leisten kann zur Konzeptionalisierung und Konturierung eines wichtigen, aber noch wenig erschlossenen Forschungsfeldes."