trafo verlag 2006, 267 S., Hardcover, ISBN 978-3-89626-476-3, 29,80 EUR
Rezensionen
Ausführliche
Vorstellung des Buches bei Spiegel online.Zeitgeschichte:
http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/1248/grausame_taeuschung.htmll
Rezension von
Carl-Wilhelm Reibel, in: Historische Zeitschrift, Band 286 (2008), S.
121ff.:
Die Arbeit befaßt sich mit der Geschichte
jüdischer Soldaten in deutschen Armeen von der Emanzipation im 18.
Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Wer von dem Titel eine ähnlich
fundierte Studie wie die zuletzt von Bryan M. Rigg vorgelegte Arbeit über
„Hitlers jüdische Soldaten" erwartet, wird enttäuscht. Um die große
Zeitspanne bewältigen zu können, hat der Autor - Hauptmann der Bundeswehr
und Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes - die Form einer
Überblicksdarstellung gewählt. Methodisch verflechtet Berger die Erzählung
immer wieder mit der Schilderung von Einzelschicksalen und langen Auszügen
aus zeitgenössischen Publikationen sowie edierten Quellen. Der Hauptadressat
des Buches ist die interessierte, nicht-wissenschaftliche Öffentlichkeit.
Dies äußert sich vor allem im Fehlen jeglicher Anmerkungen, was bei der
Vielzahl der benutzten Quellen sowie der zitierten Literatur einem
ärgerlichen Versäumnis gleichkommt.
Sieht man von den angesprochenen Mängeln ab, gelingt Berger eine souveräne
Darstellung des Themas. Vor allem in der Beschreibung der Situation
jüdischer Soldaten im Kaiserreich kann er verdeutlichen, daß die bis ins 19.
Jahrhundert in weiten Teilen gelungene Integration der Juden in die deutsche
Gesellschaft nicht bis in die Armee reichte. Gerade die Politik der
preußischen Armeeführung war bestimmt durch antisemitische Ausgrenzung, denn
es wurde Juden nicht erlaubt, eine Offizierslaufbahn einzuschlagen. Selbst
der preußische Kriegsminister Karl von Einem und Kaiser Wilhelm II.
höchstpersönlich scheiterten an der Generalität, diesen Mißstand zu beheben
und den verfassungsmäßigen Grundsatz der konfessionellen Gleichberechtigung
auch auf die preußische Armee zu übertragen.
Nach 1918 änderte sich an diesem Sachverhalt nichts, denn trotz Revolution
und der uneingeschränkten Gleichstellung der Juden blieben doch die
Strukturen der Reichswehr weitgehend die gleichen wie noch zur Kaiserzeit.
Da noch immer die Armeeführung bestimmte, wer Offizier wurde und wer nicht,
konnte selbst gesellschaftlich anerkannten Juden die Ernennung zum
Reserveoffizier verweigert werden. Wegen der durch den Versailler Vertrag
vorgeschriebenen Beschränkung der Armeestärke, der Abschaffung der
Wehrpflicht und der Verbindungen der Reichswehr zu
rechtsradikal-antisemitisch geprägten Freicorps fanden die Juden letztlich
in der Weimarer Republik schwerer Zugang zur Armee als noch im Kaiserreich.
Diese Entwicklung radikalisierte sich schließlich in der Zeit des
Nationalsozialismus. Parallel zur Ausgrenzung der Juden aus der deutschen
Gesellschaft wurden der „Arierparagraph" und die „Nürnberger Rassegesetze"
auch auf die Wehrmacht ausgedehnt. Während nach Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht nach der perfiden Definition des Regimes noch „Mischlinge 1. und
2. Grades" eingezogen werden konnten, wurden im Zuge der durch die
Wannsee-Konferenz forcierten „Endlösung" 1942 auch die „50%igen Mischlinge"
aus der Wehrmacht ausgeschlossen: „Damit war jeder aus der Wehrmacht
entlassene, in diese Kategorie fallende Soldat und Wehrmachtsbeamte der
Deportation und Ermordung preisgegeben" (S. 219).
Die Arbeit schließt mit einem Blick auf den „demokratischen Neuanfang" der
Bundeswehr nach 1945 und einem für das ganze Thema höchst sinnvollen
historischen Vergleich der Situation jüdischer Soldaten in den Armeen
Frankreichs, Österreich-Ungarns, Rumäniens und Italiens.
Rezension von Rolf Faber, Wiesbaden/Erfurt, in: Nassauische Annalen 119,
2008, S. 676ff.:
Nach internen Schätzungen dienen derzeit etwa 200 jüdische Soldaten in der
Bundeswehr. Mit Michael Fürst war im Oktober 1966 der erste Jude in die
Bundeswehr eingetreten. Vor etwa zwei Jahren gründeten einige von ihnen den
„Bund jüdischer Soldaten (RjF) e.V." Ganz bewußt wählten sie die
Zusatzbezeichnung „RjF" („Reichsbund jüdischer Frontsoldaten"), um damit an
jenen Soldatenbund der jüdischen Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges zu
erinnern, der 1919/20 zur „Wahrung der Ehre der jüdischen Frontsoldaten" ins
Leben gerufen worden war. Dem „Reichsbund" gehörten einmal etwa 40.000
Mitglieder an. Nach der Pogromnacht 1938 wurde er aufgelöst. Die
Nationalsozialisten wollten die Erinnerung an jüdische Soldaten komplett
löschen, ihre Leistungen wurden geleugnet, ihre Namen sogar von Denkmalen
entfernt.
Die Mitglieder des neu gegründeten Bundes in der Bundeswehr wollen das
Andenken an alle jüdischen Soldaten in den deutschen Armeen wach halten.
„Der Schild" lautet der Titel der neuen Zeitschrift, die von dem Bund
herausgegeben wird. Der Vorsitzende des Bundes, Hauptmann Michael BERGER,
Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam, beschäftigt
sich seit 1997 mit diesem wichtigen Bestandteil deutsch-jüdischer
Geschichte. Er ist mit zahlreichen Vorträgen zu diesem Thema in und
außerhalb der Bundeswehr hervorgetreten. Nunmehr hat er die Ergebnisse
seiner Forschungen zur Geschichte jüdischer Soldaten in deutschen Armeen in
einer Monographie vorgelegt. Die Präsidentin des Zentralrates der Juden in
Deutschland, Charlotte KNOBLOCH, deren Vater auch zu denjenigen gehörte,
"die ihrem Vaterland gedient haben", und der Inspekteur der Luftwaffe,
Generalleutnant Klaus-Peter STIEGLITZ, leiten das Buch durch Grußworte ein.
BERGER schlägt für sein Thema einen weiten Bogen, der beginnend mit dem 18.
Jh. von der Stellung der Juden vor der Emanzipation über die ersten
Aufnahmen jüdischer Männer in die Preußische Armee bis zum Einsatz im Ersten
Weltkrieg, in dem ca. 12.000 jüdische Soldaten ihr Leben ließen, bis zur
Zeit des Dritten Reiches, in dem die jüdischen Frontsoldaten trotz Orden und
Ehrenzeichen nicht von Entrechtung und Ermordung verschont blieben. An
zahlreichen Beispielen belegt er, wie die Juden gerade im 19. Jh. hofften,
mit Hilfe des freiwilligen Militärdienstes endlich anerkannt und in die
bürgerliche Gesellschaft voll integriert zu werden. Doch wurden sie trotz
militärischer Erfolge stets als Bürger zweiter Klasse behandelt.
Abschließend beschreibt er die Stellung der jüdischen Soldaten in der
Bundeswehr.
In den Befreiungskriegen gegen Napoleon wurden erstmals jüdische Bürger zum
Militärdienst verpflichtet. Einer von ihnen, der Berliner Fuhrunternehmer
Simon Kremser, erhielt sogar den „Pour le Merite", den höchsten preußischen
Militärorden. Doch auch nach den Befreiungskriegen blieb ihre Rechtlosigkeit
bestehen. Jüdische Soldaten, die auf den Schlachtfeldern Leib und Leben für
Preußen riskiert hatten, erhielten nicht die sonst üblichen
Versorgungsansprüche zuerkannt. Zwar waren Juden in den folgenden Jahren
weiterhin wehrpflichtig wie die übrigen Bürger, sie blieben jedoch
weitgehend von höheren Stellen ausgeschlossen, weil man den Juden das Fehlen
von Mut und Tapferkeit unterstellte. Wie BERGER belegt, gab das
Justizministerium sogar einmal bekannt, „daß auch zeitweilige Tapferkeit im
Dienste für das Vaterland kein Ausgleich für die niedrige Moral der Juden"
sei. Nur dem Artillerieoffizier Meno Burg war es gelungen, bis zum
Stabsoffizier aufzusteigen — dem einzigen im gesamten 19. Jh. Doch wurde er
bei Auszeichnungen und Beförderungen stets zu Gunsten getaufter Offiziere
übergangen. Auch im Krieg gegen die Franzosen 1870/1871 bewährten sich
jüdische Soldaten erneut. Doch auch im neu gegründeten Deutschen Reich blieb
Juden der Zugang zu höheren Stellen verwehrt. Es machte sich sogar ein
moderner Antisemitismus breit.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges hofften die deutschen Juden, endlich
ihre Gleichberechtigung zu erreichen. Hunderttausend jüdische Männer zogen
in den Krieg, Tausende wurden ausgezeichnet — mehr als jeder dritte jüdische
Soldat —, 12.000 verloren ihr Leben. Doch bereits während des Krieges wurde
den Juden „Drückebergerei" nachgesagt. Die sogenannte Judenzählung von 1916
stellte den Höhepunkt antisemitischer Kampagnen gegen jüdische Soldaten dar.
Obwohl bewiesen wurde, daß die Angriffe haltlos waren und „die deutschen
Juden in vollstem Maße ihre Pflicht erfüllt hatten", blieben weitere
antisemitische Kampagnen nicht aus. Auch die Reichswehr hielt sich in der
Weimarer Republik gegenüber jüdischen Offiziersaspiranten bedeckt.
Schließlich kam es im „Dritten Reich" zum vollständigen Ausschluß der
deutschen Juden aus der Wehrmacht. Ihre Verdienste um das Vaterland hatten
sich nicht ausgezahlt.
Die Bundeswehr hat sich zu den jüdischen Soldaten in der deutschen Armee
bekannt. Sie hat Kasernen nach jüdischen Offizieren benannt, um so an ihr
Schicksal zu erinnern, zum Beispiel an den Arzt Julius Schoeps, der im
Ersten Weltkrieg verwundete Soldaten versorgte. 1942 wurde er nach
Theresienstadt verschleppt, wo er starb. Oder an den hervorragenden Flieger
Wilhelm Frankl, der 23-jährig 1917 als Träger des Ordens „Pour le Merite"
fiel. In diesem Zusammenhang kann auch an den aus Massenheim stammenden
Matrosen Ludwig Schwarzschild erinnert werden, den einzigen jüdischen
U-Bootfahrer. Er überlebte den Weltkrieg. In der Nazizeit konnte er
rechtzeitig in die USA emigrieren. Er hatte Hitlers „Mein Kampf gelesen und
wußte, was auf die deutschen Juden nach der sog. Machtergreifung zukommen
würde.
Wenn sich heute Mitbürger jüdischen Glaubens für den Dienst in der
Bundeswehr entscheiden, so beweist dies, daß inzwischen eine Generation
herangewachsen ist, die dies als „Normalität" ansieht. BERGER hat mit seiner
durch zahlreiche Beispiele aufgelockerte Monographie eine Lücke im Kapitel
der deutsch-jüdischen Militärgeschichte geschlossen.
Rezension von Diana Nusko in: Wiss.
Literaturanzeiger v. 09.10.07 http://www.wla-online.de/artikel-detail.php?artikelid=488&schnellsuche=Michael%20Berger
"Die deutsch-jüdische
Geschichte ist von jeher auch eine Geschichte des fortlaufenden Kampfes der
Juden um Gleichberechtigung und Anerkennung. In einer Gesellschaft, in der
Juden stets als Bürger zweiter Klasse betrachtet wurden, hofften diese,
durch den Eintritt in den Militärdienst, ihren gesellschaftlichen Stand
aufzuwerten.
Obwohl sich jüdische Soldaten in verschiedenen Kriegen (Befreiungskriege,
Krieg gegen die Franzosen 1870/71) als patriotische Kämpfer erwiesen,
verloren sie mit dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen erneut
jegliche Anerkennung. Die Entwicklungen um Voraussetzungen und Zulassungen
von Juden für den militärischen Dienst in den deutschen Teilstaaten, der
Armee des Kaiserreichs und der Weimarer Republik sind wechselhaft. Eine
Offizierslaufbahn blieb ihnen jedoch fast ausschließlich verwehrt, da man
den Juden das Fehlen von Mut, Tapferkeit und der prinzipiellen Eignung zum
Vorgesetzten unterstellte. Auch hatte der militärische Erfolg jüdischer Bürger
keinen positiven Einfluss auf die Möglichkeit, in den Staatsdienst
einzutreten, denn „auch zeitweilige Tapferkeit im Dienste fürs Vaterland
[sei] kein Ausgleich für die grundsätzlich niedrige Moral der Juden“ (S.
70), so eine Bekanntgabe des Justizministeriums. Weiter dokumentiert die
Geschichte auch den Antagonismus des ungebrochenen Integrationsstrebens der
Juden einerseits und des aufkeimenden Antisemitismus andererseits. Die
zahlreichen historischen Fakten und Daten werden von Auszügen aus
verschiedenen Textsorten (Feldpostbriefe, offizielle Schreiben,
Zeitungsausschnitte) begleitet. Das Werk endet mit einem Blick auf die
Bundeswehr und ihre jüdischen Angehörigen, zu denen auch der Autor gehört.
Hauptmann der Bundeswehr Michael Berger legt mit „Eisernes Kreuz und
Davidstern. Die Geschichte der Jüdischen Soldaten in Deutschen Armeen“
erstmals ein monographisches Werk zu diesem Thema vor. Beginnend mit dem
ausgehenden 18. Jahrhundert verfolgt die 250 Seiten umfassende Arbeit den
militärischen Einsatz jüdischer Soldaten bis hin zur Zeit der Weimarer
Republik sowie der anschließenden Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten.
Berger stellt dieses dunkelste Kapitel deutsch-jüdischer Geschichte jedoch
nicht in den Mittelpunkt; so widmet er diesem Teil gerade einmal zehn
Seiten. Vielmehr geht es ihm um den Konflikt einer Bevölkerungsgruppe, die
gegen jeden Widerstand versucht, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.
Berger beschreibt dabei die äußeren Bedingungen der jüdischen Bevölkerung
in Deutschland und skizziert die Auswirkungen diverser Ereignisse wie dem
Wiener Kongress 1814/15, der Märzrevolution 1848 oder der rechtlichen
Gleichstellung 1869-71. Die mit einem Militärdienst einhergehende
Reputation blieb den jüdischen Soldaten jedoch stets versagt und daher ist
es umso erfreulicher, dass Berger ihnen mit seinem Werk die Beachtung
verschafft, die ihnen gebührt.
Dem Autor ist es gelungen, eine Fülle von Daten und Fakten informativ zu bündeln.
Enttäuscht wird der Leser jedoch durch die fehlenden bibliographischen
Angaben, die eine gezielte Vertiefung einzelner Themen durch weiterführende
Literatur verhindert. Lediglich ein drei Seiten umfassendes
Literaturverzeichnis sowie ein Personenregister stehen dem Leser zur Verfügung.
Dennoch ist Michael Bergers Buch ein willkommener Beitrag zu dieser Thematik.
Rezension von Thomas Hajduk für Berliner Literaturkritik.de,
9.5.2007.
http://www.berlinerliteraturkritik.de/index.cfm?id=14336
"Waffengang ungedankt. Michael Bergers Buch über jüdische deutsche Soldaten
Auszug: "Die Traditionspflege deutscher Armeen bleibt schwierig. Wenn es um geeignete Leit- und Vorbilder geht, so fiel in der Vergangenheit die Wahl zu oft auf militärisch geschickte, aber moralisch verstrickte Persönlichkeiten. Durch jahrzehntelange Aufklärungsarbeit von Historikern wie Manfred Messerschmidt und Wolfram Wette sowie die Öffentlichkeitswirksamkeit der Wehrmachtsausstellungen sind deutsche Militärs sensibler für ihre Geschichte geworden: Manch eine Kaserne trägt seitdem nicht mehr den Namen eines militärischen Technokraten, sondern eines Widerstandskämpfers oder couragierten Befehlsverweigerers.
Doch nicht nur die Aussonderung von Altlasten gehört zu dem Bemühen um ein demokratisch akzeptables Geschichtsbild der Bundeswehr. Ebenso wichtig ist die positive Traditionspflege. Dazu gehört neben der Militärreform Scharnhorsts, dem deutschen Widerstand und dem demokratischen Neuanfang nach 1945 ein eher unbekanntes Kapitel deutscher Militärgeschichte: Jüdische Soldaten in deutschen Armeen.
Mit einer leicht lesbaren Einführung hat Michael Berger vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt nun diese Lücke geschlossen. Mit „Eisernes Kreuz und Davidstern“ zeichnet Hauptmann Berger die Geschichte jüdischer Soldaten in deutschen Armeen von den Befreiungskriegen bis zur Gegenwart nach. Diese ist vor allem eine Geschichte der jüdischen Emanzipation: Der Dienst an der Waffe war über die Jahrhunderte stets mit der Hoffnung auf gesellschaftliche Gleichstellung verbunden.
In seinem Buch gelingt es Berger, die Dialektik von Militärdienst und bürgerlicher Gleichstellung überzeugend herauszuarbeiten, welche die Geschichte jüdischer Soldaten bis 1945 im Wesentlichen ausmacht. Damit geht der schmale Band weit über die Militärgeschichte hinaus und lässt sich durchaus als knappe Darstellung der jüdischen Emanzipationsgeschichte lesen. Auch wird der Verzicht auf Fußnoten sowie ein Quellen- und Literaturverzeichnis dem aufklärerischen Impetus des Autors gerecht, eine möglichst große Leserschaft anzusprechen.
... Berger [hat] einen wichtigen Beitrag zur Traditionspflege der Bundeswehr und dem Andenken an Deutschlands jüdische Soldaten geliefert. Es stimmt zuversichtlich, am Ende des Buches zu erfahren, dass heute wieder eine Handvoll jüdischer Soldaten in Deutschlands Armee dient. Während des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan ist sogar Geschichte geschrieben worden: Die Verpflegung des jüdischen Soldaten war koscher.
ekz-INFORMATIONSDIENST. ID 42/06 - BA 12/06 - 136.248.6:
"Dieses Buch zeichnet die Geschichte der jüdischen deutschen
Soldaten von der Zeit der Emanzipation bis zur Gegenwart nach. Es zeigt,
dass Juden den Militärdienst im 19. Jahrhundert und im 1.Weltkrieg auch -
jedoch vergeblich - als Mittel zur Erlangung der Gleichstellung ansahen. Im
2. Weltkrieg waren sie vom Wehrdienst ausgeschlossen, Soldaten teilweise
jüdischer Abstammung wurden nach und nach aus der Wehrmacht
herausgedrängt. Die jüdischen Soldaten des 1. Weltkriegs hat ihr Einsatz
nicht vor der Vernichtung geschützt. In der Bundeswehr werden junge Männer
aus jüdischen Familien mit Verfolgungsgeschichte auf Antrag vom Wehrdienst
freigestellt, dennoch haben einige auch in der Bundeswehr gedient. Die
Darstellung, die auch ausführliche Quellenzitate enthält, richtet sich an
ein allgemeines Publikum...." (2) LK/HAM: Wilms
Rezension von Michael J. Becker in: Zs. Y, Ausgabe
10/2006, S.120:
"Opferbereitschaft. Jüdische Soldaten.
Sie haben sich tief eingegraben im kollektiven Gedächtnis, die Bilder
deutscher Juden und ihrer Peiniger. Die Täter waren meist uniformiert:
braun vor den boykottierten Läden jüdischer Inhaber, schwarz die
KZ-Aufseher in ihren SS-Uniformen.
Doch Mitglieder jüdischer Gemeinden in Uniform, als Soldaten in deutschen
Armeen? Sie waren uns bis zum Erscheinen von Michael Bergers Buch „Eisernes
Kreuz und Davidstern" schlechterdings nicht präsent. Der Autor legt
die erste umfangreiche Monographie der Geschichtejüdischer Soldaten in
deutschen Armeen vor, beginnend im Zeitalter Friedrichs des Großen, endend
mit der systematischen Verfolgung und Ermordung der Juden im Dritten Reich.
Berger veranschaulicht die dauerhaft gültigen Bedingungen, unter denen
deutsche jüdische Soldaten dienten: Ihr Bemühen um gesellschaftliche
Integration und Akzeptanz, um das Recht, Soldat und Offizier sein zu
dürfen, um ihre Anerkennung als vollwertige deutsche Bürger.
Zu diesen Bedingungen gehörten die antisemitischen Stimmen in den
Offizierkorps. Sie sprachen jüdischen Soldaten Mut, Tapferkeit und die
grundsätzliche Eignung zum Vorgesetzten ab. Auch der Erweis des Gegenteils
verhinderte nicht die Diskriminierung bewährter Frontsoldaten: Berger
erinnert unter zahlreichen anderen an Meno Burg und Wilhelm Frankl. Burg,
königlich preußischer Major der Artillerie, konnte, weil er Jude war, nur
auf Umwegen Offizier werden. Bei Auszeichnungen und Beförderungen wurde er
stets zu Gunsten getaufter Offiziere übergangen und blieb trotz
beispielhafter Leistungen der einzige jüdische Stabsoffizier im
preußischen Heer des 19. Jahrhunderts. Frankl, nach dem die
Luftwaffenkaserne in Neuburg an der Donau benannt ist, meldete sich 1914
freiwillig zur Fliegertruppe. Er wird als mutiger, tollkühner Flieger
beschrieben, galt als liebenswürdiger und bescheidener Kamerad. 1917 fiel
der 23-jährige Frankl nach 20 Luftsiegen als Träger des Ordens „Pour le
Merite".
Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland
und Laudatorin, erinnert in ihrem Grußwort an die eigene Familie: „Mein
Vater gehörte auch zu denen, die ihrem Vaterland gedient haben." Sie
spricht von der „Opferbereitschaft jüdischer Soldaten, die einige Jahre
später nichts mehr wert war". In der Vergegenwärtigung dieser Opfer
gibt Michael Bergers Buch ihnen den Wert, der ihnen von jeher zukam.
Besprechung von Simone Grün in: Zs. Bundeswehr online,
11.9.2006
"Eisernes Kreuz und Davidstern" erzählt die packende Geschichte jüdischer Soldaten in deutschen Armeen. Autor des neu erschienenen Buches ist der Bundeswehroffizier Michael Berger. Für Geschichtsinteressierte eine echte Empfehlung.
Anhand zahlreicher Beispiele belegt der Autor den Integrationswillen deutscher Juden in die Gesellschaft mit Hilfe des freiwilligen Militärdienstes im 19. und 20. Jahrhundert. Allein im Ersten Weltkrieg fielen 12.000 jüdische deutsche Soldaten, mehr als 10.000 hatten sich zu Beginn des Krieges freiwillig gemeldet. Diese Soldaten standen ihren christlichen Kameraden weder in ihren patriotischen Gefühlen für Deutschland noch in ihrer persönlichen Leistung nach: So gelang es trotz latenter Diskriminierung 200 jüdischen Soldaten in die exklusive fliegende Truppe des Feldheeres aufzusteigen. Das waren 1918 vier Prozent der fliegenden Truppe; mehr als 50 dieser jüdischen deutschen Flieger sind gefallen. Mehr als jeder dritte jüdische Soldat wurde im ersten Weltkrieg ausgezeichnet.
Die Nationalsozialisten unterbrachen mit brutaler Gewalt den Integrationswillen der deutschen Juden in Staat und Gesellschaft. Weder Tapferkeit noch persönlicher Einsatz, Orden oder Ehrenzeichen schützten die jüdischen Soldaten und ihre Familien vor Demütigung und Ermordung in Konzentrationslagern. Auch ihr Andenken sollte systematisch ausgelöscht werden: So wurden Gedenktafeln mit den Namen der gefallenen jüdischen Soldaten vom NS-Regime zerstört.
Dieses Andenken an die jüdischen Soldaten und ihre Leistungen ist heute dagegen ein fester Bestandteil der Traditionslinien der Bundeswehr: 1961 wurde im Auftrag des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß das 1935 erstmals erschienene Buch "Kriegsbriefe gefallener deutscher Juden" neu aufgelegt und in der Bundeswehr verteilt. Damit war ein Grundstein für die Wiederherstellung von Ansehen und Ehre der jüdischen Soldaten und der jüdischen Mitbürger insgesamt gelegt.
1973 erhielt die Kaserne des Jagdgeschwaders 74 in Neuburg an der Donau den Namen Wilhelm-Frankl-Kaserne, in Erinnerung an diesen hervorragenden jüdischen Offizier des Ersten Weltkriegs. Wer sich heute über die eindrucksvolle Geschichte des Integrationswillens deutscher Juden, der Tapferkeit und Opferbereitschaft dieser Männer, ihr Schicksals in der Zeit des Nationalsozialismus sowie ihr Wirken in der Bundeswehr informieren möchte, wird sich für Michael Bergers Buch interessieren."
Rezension in: Die Bundeswehr, Ausg. Oktober 2006, Rubrik Bücher:
"Eisernes Kreuz und Davidstern
Der fortwährende Kampf um Integration und Anerkennung - dies kennzeichnete
das Leben der deutschen Juden über Jahrhunderte hinwcg. Sie waren
unterprivilegiert, von vielen Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen.
Das galt auch und in besonderem Maße für den Militärdienst. Doch gerade durch
eine Laufbahn in der Armee hofften viele Juden die gesellschaftliche
Gleichberechtigung zu erlangen. Dazu trat - trotz der vielfältigen Ausgrenzung
ein ehrlicher Patriotismus. Den Weg der jüdischen Soldaten in den einzelnen
Teilstaaten und im Kaiserreich zeichnet Michael Berger in seinem Werk „Eisernes
Kreuz und Davidstern. Die Geschichte Jüdischer Soldaten in Deutschen
Armeen" nach.
Trotz des aufklärerischen Geistes, der das Europa des späten 18.
Jahrhunderts durchwehte, gab es nur in Ansätzen Bestrebungen, die jüdische
Bevölkerung den Menschen christlichen Glaubens gleich zu stellen. Mit den
Franzosen unter Napoleon hielten jedoch neue Ideen auch in die deutschen Teil
Staaten Einzug. So ließ etwa Napoleons Bruder Jeróme für das Königreich
Westfalen eine Verfassung ausarbeiten, in der die vollständige
Gleichberechtigung der Juden verankert war, was ihre bürgerlichen Rechte
angeht. Dieses Beispiel machte Schule, wenn auch zahlreiche Gesetze
einschränkende Passagen enthielten, die in den Jahren nach den
Befreiungskriegen zu einer Revision der Rechtsstellung der jüdischen
Bevölkerung führte. So zogen die jüdischen Soldaten mit Begeisterung in die
Befreiungskriege, unterlagen auch (beispielsweise in Preußen seit dem 3.
September 1814) der allgemeinen Wehrpflicht. Doch nach dem Wiener Kongress und
der Neuordnung Europas mussten die Juden erleben, wie die gerade errungenen
Fortschritte von den Herrschern der Teilstaaten und ihrer Administration schnell
wieder zunichte gemacht werden. Besonders Preußen tat sich hier unrühmlich
hervor. So verfugte das preußische Staatsministerium im August 1818 etwa, dass
Juden keinesfalls zu Staatsämtern zugelassen werden dürften. Weiter seien
Trägern des Eisernen Kreuzes nicht die sonst üblichen Versorgungsanspruche zu
gewahren und an Juden auch keine Zivilversorgungsscheine auszugeben. Die
Soldaten, die auf den Schlachtfeldern Leib und Leben für Preußen riskiert
hatten, mussten dies wie eine Demütigung empfinden.
In der Folgezeit durften die Juden in Preußen weiterhin Militärdienst
leisten, seit Ende 1845 sogar zum Unteroffizier befördert wurden. Auch
erhielten sie 1847 Zugang zum Staatsdienst. Doch von Gleichberechtigung konnte
nicht die Rede sein. Juden war der Zugang zum Offiziersrang verschlossen. Noch
nicht einmal die Offiziere wurden weiter befördert, die in den Armeen der
Befreiungskriege gedient hatten. Nur zweien gelang dies. Einer davon war
zugleich der einzige preußische Stabsoffizier jüdischen Glaubens im gesamten
19. Jahrhundert.
Im Krieg gegen die Franzosen 1870/71 bewährten sich die jüdischen Soldaten
erneut. Nun durften sie angesichts ihrer Leistungen auch wieder in den Offiziersrang aufrücken. Doch wie in ähnlichen Fällen zuvor war es mit dieser
Anerkennung nach dem Ende des Waffengangs vorbei. Nur wenigen gelang es, ihre
militärische Karriere in der aktiven Armee fortzusetzen Ein jüdischer Soldat
brachte es in der bayerischen Armee immerhin bis zum Oberstleutnant.
In rechtlichem Sinne verzeichnete die Emanzipation der Juden im Kaiserreich
Fortschritte. Von 1869 bis 1871 erlassene Gesetze hatten die bürgerliche
Gleichstellung garantiert, etwa im Norddeutschen Bund (3. Juli 1869). Doch der
Aufstieg des jüdischen Geld- und Bildungsbürgertums verbesserte nur
geringfügig die Aussichten, in den Staatsdienst einzutreten. Hier blieb den
Juden der Zugang in weiten Teilen verwehrt. Vor allem Preußen war erneut
zurückhaltend. Gegen Ende des Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten
Weltkriegs breitete sich zudem noch eine Zeitströmung aus, die Autor Berger als
„modernen" Antisemitismus bezeichnet. Der diffuse, eher religiös
motivierte Antisemitismus früherer Zeiten wich einer rassisch begründeten
Diskriminierung, die sämtliche Menschen jüdischer Abstammung erfasste, auch
dann noch, wenn diese konvertiert waren und sich hatten taufen lassen. Hetzpublizisten wie der Hofprediger Adolf Stoecker und der
Geschichtsprofessor
Heinrich Treitschke waren die Wortführer dieser Bewegung.
An einfachen Zahlen lässt sich ablesen, wie es mit der Gleichstellung der
Juden im Kaiserreich aussah, was den Staatsdienst anging: Im Jahre 1907 gab es
unter insgesamt 33 607 Offizieren und Beamten im Offiziersrang nur 16 Juden, die
vermutlich alle der bayerischen Armee angehörten.
Das hinderte die Juden jedoch nicht, im August 1914 mit der gleichen
Begeisterung zu den Waffen zu eilen wie viele ihrer Landsleute. Rund 100 000,
davon 80 000 Frontkämpfer, nahmen am Ersten Weltkrieg teil 12 000 fielen, 35
000 erhielten Auszeichnungen. Unter allen jüdischen Soldaten gab es lediglich
rund 3000 Offiziere oder Militärbeamte im Offiziersrang. Zum Vergleich: In der
österreichisch-ungarischen Armee brachten es von 300 000 jüdischen Soldaten
immerhin 25 000 bis zum Offizier, darunter Stabsoffiziere und Generale.
In der Weimarer Zeit sahen sich diese jüdischen Soldaten vor die
Notwendigkeit gestellt, ihre Leistungen im Weltkrieg nachweisen zu müssen.
Während das politisch-gesellschaftliche Leben von einer fortschreitenden
Radikalisierung geprägt wurde« versuchte die politische Rechte, die Juden
immer mehr in den Mittelpunkt ihrer „Dolchstoßlegende" zu rücken.
Dieser Prozess gipfelte in den Verbrechen des Dritten Reiches, in dem der
vollständigen Entrechtlichung und Ausgrenzung der Juden die systematische
Ermordung folgte. Auch vor den verdienten Kämpfern des Ersten Weltkriegs
machten die Schergen des Nazi-Regimes nicht Halt.
Michael Berger benutzt diese düsterste Episode der Geschichte nicht als
Ausgangspunkt seiner Betrachtungen. Vielmehr spinnt er den Faden chronologisch
vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, um den Weg der jüdischen Soldaten zu
beleuchten. Und er tut gut daran. Denn tatsächlich ist der Menschen verachtende
Antisemitismus der Nationalsozialisten nicht vom Himmel gefallen. Antijüdische
Ressentiments sind in mehr oder minder großer Ausprägung in allen Epochen seit
dem Ende des 18. Jahrhunderts nachweisbar. Spätestens seit dem Ende des 19.
trat auch die rassische Komponente hinzu. Die brutale Unterdrückung und
Vernichtung unter dem Nazi-Regime nimmt wenig Raum ein im Werk von Berger. Ihm
geht es darum, vor allem das Dilemma der jüdischen Bevölkerung aufzuzeigen,
die trotz Unterprivilegierung und Ausgrenzung versuchte, ihren Platz in dem Land
einzunehmen, das sie als ihr Vaterland verstand. Der bisweilen verzweifelte
Kampf um Anerkennung erstreckte sich vor allem auf den stets hoch angesehenen
Staatsdienst. Genau hier jedoch errichtete die vorurteilsbeladene Obrigkeit die
höchsten Hürden. In Kriegszeiten waren die jüdischen Soldaten willkommene
Helfer. Ging es aber um die gesellschaftliche Reputation, die sonst jedem
Bürger selbstverständlich gewährt wurde, der an den Kriegen teilgenommen
hatte, fielen Staat und Verwaltungsapparat beinahe reflexartig in die
antijüdische Haltung zurück.
Berger schließt mit einem positiven Ausblick: In der Bundeswehr dienen,
obwohl dies lange undenkbar schien, wieder jüdische Soldaten. Michael Berger
ist einer von ihnen.
Das lesenswerte Buch gibt tiefe Einblicke in das Selbstverständnis der
jüdischen Bevölkerung. Auszüge aus Feldpostbriefen und offiziellen Schreiben
runden die Schilderung über die historischen Fakten hinaus ab. Sehr
empfehlenswert. fh