Erstmalige Übersetzung aus dem Englischen, [= Edition Morgenland; Band 1], trafo verlag 2004, 181 S., zahlr. Abb., darunter 24 Farbfotos, Hardcover, ISBN 3-89626-401-2, 27,80 EUR
Rezension von Günter Barthel in: Wiener Zeitschrift
für die Kunde des Morgenlandes, Wien 2006, 96. Band, S. 524-527:
"Dem durch sein
Entdeckerlexikon Arabische Halbinsel schon weithin als Fachmann für die
Geschichte der europäischen Reiselust in die Gefilde des Mittleren
Ostens bekannten Uwe Pfullmann ist mit der Edition vorliegenden Bandes
wiederum ein guter Wurf gelungen. Er stellt dem deutschsprachigen
Publikum erstmalig einen Mann vor, der selbst unter Orientalisten nur
wenig geläufig ist. Georg August Wallin (1811-1852) war - nach den
Worten von W. R. Mead - „ein schwedisch sprechender Alander im
russischen Großherzogtum Finnland" (S. 121), dem erst kurz vor
seinem Tod eine gewisse Aufmerksamkeit und Anerkennung zuteil wurde
und der danach relativ schnell in Vergessenheit geriet. Er kann
getrost als hochgebildet bezeichnet werden, verbrachte er doch - um
nur zwei Beispiele für seine Gelehrsamkeit anzuführen - zwei Jahre am
Orientalischen Institut der Universität von St. Petersburg unter
unmittelbarer Anleitung eines persischen Mirza sowie des später berühmt
gewordenen Scheichs Muhammad al-Tantawi von der Al-Azhar in Kairo und
promovierte 1839 mit einer in Latein abgefassten Dissertationsschrift Über
die Hauptunterschiede zwischen klassischem und modernem Arabisch. Mitte
der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts erfüllte er sich mit
bescheidener Unterstützung renommierter Institutionen und
Gesellschaften seinen Lebenstraum: er reiste in den Orient und lebte
monatelang bei den Beduinen. Als Muslim durchstreifte er unter den Namen
Abdu-el-Wali respektive Abdolwali bzw. Ab-dol Maula gemeinsam mit Angehörigen
verschiedener Stämme die Wüsten der unwirtlichen Arabischen Halbinsel.
Seine Erlebnisse und Erkenntnisse sind
der Nachwelt in nur zwei englischsprachigen Artikeln erhalten
geblieben, die in ihrer deutschen Übersetzung nunmehr auch in
Deutschland, der Schweiz und in Österreich ihre Bewunderer finden
werden. G.A. Wallins „Narrative of a journey from Cairo to Medina and
Mecca, by Suez, Arabä, Tawilä, al-Jauf, Jubbe, Hau, and Nejd, in
1845" erschien 1854 nach seinem Tod im Journal ofthe Royal
Geographical Society \n London. Und ein Jahr später wurde sein
„Narrative of a journey from Cairo to Jerusalem, via Mount Sinai"
in der gleichen Zeitschrift veröffentlicht. Beide Artikel liegen jetzt
in Buchform vor und harren ihrer Entdeckung. Doch vor einem Fehlschluss
sei gleich vorab gewarnt. Wer auf der Suche nach spannender
Abenteuerliteratur oder nach romantisierender Schilderung des
Wüstenlebens
ist, wird nicht auf seine Kosten kommen. Denn es meldet sich sehr
profund
und sachlich ein Linguist zu Wort, dessen ursprünglicher Gegenstand ja
ein sprachwissenschaftlicher und kein geographischer und schon gar kein
belletristischer war. Seine Abhandlungen zu den Beduinen und zu den
gestreiften Landschaften verdienen Lob und Anerkennung, aber sein
Ausdruck und sein Stil lassen viele Wünsche offen. Kurz und klar bringt
es M. Trautz auf den Punkt, wenn er schreibt, dass „ein unpersönlicherer
Reisebericht ... bestimmt niemals geschrieben (wurde)" (S. 134).
Und weiter: „Er ist nie glänzend; er ist immer wahrheitsgemäß."
(ebenda). Drastischer formulierte es nur der Brite W.H. Smyth, der
„das Lesen von ihm wie ,das Kauen von Sand' machte." (S. 125).
Dank seines eisernen Willens gelingt G.A. Wallin etwas, was vor ihm noch
keinem Europäer gelungen war, er betrat als erster die Stadt Hail, er
durchquerte als erster die nördliche Wüste von Maan nach Jauf durch
das Wadi Sirhan und anschließend die Nafud, und er war der erste, der
einen umfassenden Bericht über das Leben der Beduinen unterbreitete.
Diesen Erfolg verdankt er ausschließlich seiner unbeugsamen und
wissensdurstigen Persönlichkeit sowie der Tatsache, dass er nach
Auffassung des britischen Konsuls in Bagdad, Major H.C. Rawlinson, „so
vollständig das Idiom, Aussprache und kleinste Eigenheiten der Sprache
der Araber" ... meisterte ... „als wäre er wirklich ein
Beduine." (S. 126).
Es wäre müßig, im Rahmen einer
Besprechung die einzelnen Etappen seines mühevollen Weges
nachzuvollziehen oder gar einzelne Begebenheiten zu referieren. Dies möge
dem geneigten Leser vorbehalten bleiben. Nur so viel sei gesagt, der
Reisende und Forscher spürt jede Differenz des von ihm Gesehenen und
Gehörten mit dem damals zugänglichen Schrifttum auf, er schildert
jeden Höhenzug und jedes Tal mit großer Akribie, er lauscht den
Nomaden jeden Zungenschlag ab und er beobachtet Tun und Lassen der
Beduinen mit dem Spürsinn eines Kriminalisten. Besondere Aufmerksamkeit
widmet er Fragestellungen wie der Bevölkerungsmigration, den
Stammesbeziehungen, der alten Geschichte, den überkommenen
Verwaltungsstrukturen, der Landwirtschaft und der Bewässerung sowie
beständig und mit Nachdruck der Archäologie. Einmal schwingt er sich
gar zum Hellseher auf, wenn er den Bau des Suezkanals in einer Vision
vorwegnimmt und von einer „Überlandkommunikation" träumt,
„falls in irgendeinem künftigen Jahrhundert die Landenge von Suweis
durchschnitten würde" (S. 69).
Natürlich konnte G.A. Wallin nur über das berichten, was dem damaligen
Stand seines Wissens entsprach, was seine absolut unvollständige Ausrüstung
an Beobachtungen ermöglichte und was seine Angst vor Aufdeckung seiner
Maskerade erlaubte. Immerhin bildeten die Beobachtungen und
Schilderungen Wallins für rund drei Dezennien die Basis der
geographischen Kenntnis Zentralarabiens in Mitteleuropa. Es blieb
Richard Burton und Charles Doughty vorbehalten, seine Erkenntnisse zu
bestätigen, sie aber auch partiell zu relativieren und im Einzelfall zu
korrigieren. Aus diesem Grunde versagt sich auch der Rezensent gezielte
Hinweise auf Fehler, Missverständnisse und Oberflächlichkeiten in den
beiden Artikeln, sie sind Zeitzeugnisse der Vergangenheit, die sich
durch einmalige Stärken und Schwächen auszeichnen. Nur im Fall von
zwei Problemkreisen sei eine Ausnahme gemacht, weil sie evtl. doch des
gesonderten Nachdenkens wert sind. Erstens geht es um den erstaunlichen
Aspekt, dass G.A. Wallin keine Gelegenheit verstreichen lässt, ohne auf
die beduinischen Fellachen aufmerksam zu machen, deren „Art am
augenscheinlichsten syrisch (ist), aber oft von sehr hervorstechenden jüdischem
Schlag." (S. 29). Im Falle der Suboot (Subüt) weist er darauf hin,
dass andere Reisende angenommen haben, dass diese „jüdischen
Ursprungs ... sein und noch dem Judaismus an...hängen." (S. 101).
Und „in den Gesichtszügen der 'Eneze ('Anazeh) ist ein syrischer, und
gelegentlich ein vollständig jüdischer Schlag klar wahrnehmbar"
(S. 115). Warum der Autor diese Dinge hervorhebt, ohne sie zu belegen
oder zu beweisen, wäre schon interessant zu wissen. Zweitens geht es um
die Positionierung zum Wahhabismus. Hier scheint er seine Formulierungen
nicht bis zum Ende durchdacht zu haben. Beispielsweise bilden auf S. 38
„die Wahhabiten indessen ... keine Sekte aus sich selbst heraus,
sondern folgen der orthodoxen Doktrin des Imams Ahmad Alhanbaly",
avanciert eben dieser „Ahmad Alhanbaly" ... zum ... „Gründer
der orthodoxen Sekte der Wahhabiten" (S. 67). Schließlich findet
sich auf Seite 115 die Sentenz: „Einige moderne Autoren haben
behauptet, dass die Wahhäbiye das hanafitische Glaubensbekenntnis
angenommen haben; andere, dass sie ein ihr eigenes Glaubensbekenntnis
geschaffen haben und eine gesonderte Sekte bilden. Beide Behauptungen
sind gleich unbegründet. Die Wahhäbiye sind lediglich Reformer und
folgen dem Ritus al-Hanbalys." Es darf bezweifelt werden, dass G.A.
Wallin damit der Rolle des Begründers des Wahhabismus, Muhammad Ibn Abd
Al-Wahhab, und dem Platz seiner Lehre im Gebäude des Islams gerecht
wird.
Das Buch klingt mit mehreren Anhängen, die Leben und Werk des Forschers
plastischer werden lassen, mit einer Auswahlbibliographie der Werke G.
A. Wallins sowie von Arbeiten über den Skandinavier und weiteren nützlichen
Hilfsmitteln aus. Bereichert wird das Ganze mit einem Bildanhang, der dem
Leser einen Eindruck von Land und Leuten vermittelt, jedoch nicht
ersichtlich werden lässt, wer als Fotograf zeichnet. Auf Grund der
Aktualität der Bilder kann allerdings angenommen werden, dass der
Herausgeber seine Urheberschaft bescheiden verschweigt. So löblich
diese Art von Zurückhaltung sein mag, sie lässt allerdings Fragen
offen. Diese Feststellung gilt auch für eine Reihe von anderen
Aspekten, Beispielsweise wäre es mit Blick auf die Schreibweise von
geographischen sowie von Personennamen angeraten gewesen, einen Verweis
auf die heute allgemein übliche Form oder die streng wissenschaftliche
Transkription zu geben. Und Fehler und Irrtümer des Autors hätten in
einem Anmerkungsapparat eine Richtigstellung erfahren sollen, um den mit
der Materie nicht vertrauten Leser vor der Rezeption falscher
Zungenschlage zu bewahren.
Insgesamt ein Werk, das dem
deutschsprachigen Lesepublikum einen der größten Entdecker der
Arabischen Halbinsel näherbringt, dessen strapazenreiche Durchquerung
Nordwestarabiens zu den Pionierleistungen des 19. Jahrhunderts zählt.
Rezension von Dieter Vieweger, 05.01.2005
Georg August Wallin (*1811) war bereits in seiner Jugend davon überzeugt,
dass er berufen sei, die arabischen Halbinsel zu erforschen. Er schrieb eine
Doktorarbeit in Latein über die „Hauptunterschiede zwischen klassischem
und modernen Arabisch" und erhielt dann ein Stipendium für eine
vergleichende Studie der arabischen Dialekte. Er war entschlossen, sich als
Arzt und Impf-Mediziner auszugeben. So reiste er 1844 nach Kairo, wo er ein
Jahr blieb, um Kalligraphie und Theologie zu studieren. Der Gelehrte – der
Herkunft nach Schwede, aber in Finnland geboren – unternahm zwei Reisen
nach Nordarabien, die erste 1845 und die zweite 1847/1848 und beeindruckte
die gelehrten Kreise Europas. In seinem Reisebericht ging er auf solch
unterschiedliche Themen wie Stammesmigrationen, Stammesbeziehungen, alte
Geschichte, die einheimische Regierung und Verwaltung, Landwirtschaft, Bewässerung,
Archäologie und Plätze von archäologischem Interesse ein.
Wallin kehrte nach Kairo zurück und nahm seine Studien wieder auf. Drei
Jahre später landete er an der Küste des Roten Meeres an, südlich des
Sinai. Seine nun folgende Durchquerung Nordwestarabiens war eine
Pionierleistung. Nach beschwerlicher Reise mit dramatischem Ende ging er
1850 als Professor für orientalische Sprachen an die Helsingfors-Universität.
Zwei Jahre später, als er gerade einen weiteren Besuch in Arabien plante,
starb er. Zweifellos gehört, er zu den größten Entdeckern der arabischen
Halbinsel.
Die beiden Bücher [Band 1 und Band 2
der Reihe] wie die im Entstehen begriffene Reihe insgesamt sind dem an Palästina
und seinen südlichen Nachbarn interessiertem Publikum wärmstens zu
empfehlen.
Rezension von Horst Kopp in: Die Erde, Heft
1/2005, S. 37ff.
Es ist wenig bekannt, dass große Teile der Arabischen Halbinsel noch
bis ins späte 19.Jahrhundert „unentdeckt" geblieben sind, d.h. von
Europäern noch nicht erkundet worden waren. Uwe Pfullmann verdanken
wir schon zahlreiche Bücher, die die spannende Entdeckungsgeschichte dieser
Region erhellen, u.a. ein im gleichen Verlag 2001 erschienenes
„Entdeckerlexikon arabische Halbinsel". Mit den hier anzuzeigenden Büchern
werden zwei dieser Entdecker ausführlicher gewürdigt. Im Mittelpunkt
stehen in beiden Fällen deren Reiseberichte. Da ist zunächst der weithin
vergessene Wallin (1811-1852) mit Berichten von zwei Reisen
durch Nordarabien (1845 und 1848). Die erste Reise führte ihn von Kairo über
Ma'an im heutigen Südjordanien in den Dschof, durch die Nefud-Wüste nach
Ha'il und über Mekka nach Dschidda; die zweite Reise war eine Durchquerung
Nordwestarabiens vom Rotmeerhafen Muwailih über Tabuk nach Basra. Wallin
war ein sprachbegabter, umfassend gebildeter Gelehrter, den alles
interessierte, was ihm auf der Reise begegnete und wovon er hörte:
Stammespolitik, Topographie, Botanik, Landwirtschaft, alte Inschriften,
Lebensweise der ihn begleitenden Beduinen, archäologische Funde. Wie manche
andere Reisende seiner Zeit gab er sich als Muslim aus, blieb aber stets
bescheiden und zurückhaltend - sicher auch das ein Grund dafür, dass seine
überaus materialreichen Berichte kaum bekannt geworden sind. Umso größer
ist das Verdienst des Herausgebers, nicht nur diese Berichte erstmals in
deutscher Übersetzung zu veröffentlichen, sondern auch akribisch viele
weitere Informationen über Wallin zusammenzutragen. ...
Rezension
von Andreas Dittmann in:
Erdkunde, Bd. 59,
Heft 2, Jg. 2005.
WALLIN, GEORG AUGUST: Reisen in Arabien 1845~l848. Hrsg. und übers. von UWE
PFULLMANN. 181 S. und Bildanhang. trafo Verlag, Berlin 2004, € 32,80
GEORG AUGUST WALLIN gehört zweifellos zu den besonders beeindruckenden
Orientforschern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er wurde 1811 auf
einer finnischen Insel im Bottnischen Meerbusen geboren und war von Herkunft
und Sprache her Schwede. Finnland gehörte damals zum zaristischen Russland.
Nachdem WALLIN in Helsinki und in St. Petersburg Orientalistik studiert
hatte, wurde er an der Universität Helsinki mit einer in Latein abgefassten
Arbeit über die "Hauptunterschiede zwischen klassischem und modernem
Arabisch" promoviert. Früh erkannte er für sich in der Erforschung
Arabiens seine eigentliche Bestimmung. Von der Universität Helsinki erhielt
WALLIN eine Forschungsförderung für eine Vergleichsstudie von arabischen
Dialekten, die zunächst in Kairo beginnen sollte. Bevor er aufbrach eignete
sich WALLIN medizinische Grundkenntnisse an, da er entschlossen war sich auf
seinen Reisen als Arzt und Impf-Mediziner auszugeben. 1844 kam er in Kairo
an und studierte hier zunächst Kalligraphie und islamische Theologie. In
Kairo soll WALLIN vom ägyptischen Außenamt angesprochen worden sein, das
seine Arabienreise finanzieren wollte und im Gegenzug Informationen über
die politischen Entwicklungen auf der Arabischen Halbinsel erwartete.
WALLIN unternahm insgesamt zwei Reisen nach Arabien. Die erste 1845 in den
zentralen Norden Arabiens und die zweite von 1847 bis 1848 in den Nordwesten
der arabischen Halbinsel. Seit dem ägyptischen Rückzug aus Arabien im
Jahre 1821 war es, abgesehen von iranischen Pilgern, keinem Ausländer mehr
erlaubt worden, das Innere Arabiens zu betreten. Mitte des 19.
Jahrhunderts war die europäische Kenntnis der Arabischen Halbinsel noch
ausgesprochen fragmentarisch und meist auf die unmittelbaren Küstenbereiche
beschränkt, wie etwa die Reiseaufzeichnungen von Sadlier oder die Karte von
Karl Ritter (1852) belegen. Die Machtverhältnisse im Inneren Arabiens waren
Ägyptern, Türken und Europäern weitgehend unbekannt, gleichwohl vielfache
imperiale Begehrlichkeiten bestanden. In dieser hoch brisanten
geopolitischen Situation reiste GEORG AUGUST WALLIN als Muslim und entgegen
seinen ursprünglichen Plänen nicht als Arzt, sondern als Pferdehändler
verkleidet. Die erste Reise führte ihn über den Sinai, das Bergland von
Midian und die Wüste Nefud in den zentralen Norden Arabiens. Im Laufe der
Zeit entwickelte WALLIN eine bemerkenswerte Technik, unbemerkt
Aufzeichnungen anzufertigen. Ihm verdanken wir die erste detaillierte
Beschreibung der Stadt al-Dschof (später auch: Dschof as-Sirhan), deren
Wohnquartiere er akribisch analysiert. Der weitere Weg führte ihn bis Mekka
und Medina, bevor er Arabien fluchtartig Richtung Irak verlassen musste, als
ruchbar geworden war; dass er ein Christ sei. Die zweite Reise unternahm
WALLIN in den Hedschas, von wo er über Landstriche berichtete, die vorher
noch von keinem anderen europäischen Reisenden beschrieben worden waren.
WALLIN hatte sich für seine Forschungsreisen vier Hauptziele gesetzt. Zunächst
galt es, allgemeine topographische Informationen von Gebieten zu sammeln, über
die in Europa nur eine unzureichende Kenntnis herrschte. Darüber hinaus lag
WALLINs Interesse aber auch im ethnographischen Bereich. So plante er eine
umfangreiche Bestandsaufnahme beduinischer Rechtssysteme, ein Unterfangen,
dessen Anspruch als für die damalige Zeit weit fortgeschritten gelten kann
und das vor allem aus WALLINs Bewunderung für die patriarchalischen
Kulturen der nördlichen Arabischen Halbinsel entsprang. Außerdem widmete
sich WALLIN mit Begeisterung der Aufnahme oraler Traditionen der lokalen
Poesie und plante schließlich, die historischen Migrationsbewegungen der
arabischen Stämme zu dokumentieren.
Das anzuzeigende Werk beinhaltet jedoch weitaus mehr als die Übersetzungen
der beiden Reiseschilderungen von GEORG AUGUST WALLIN ("Bericht einer Reise von Kairo nach Medina und Mekka",
S. 15-87, und "Die während
einer Reise durch einen Teil des nördlichen Arabien im ]ahr 1848
aufgenommenen Notizen"; S. 89-120). Mit großer Sorgfalt hat der
Herausgeber, UWE PFULLMANN, außerdem weitere Texte und Notizen
zusammengestellt, die in der Synopse deutlich werden lassen, warum WALLIN
zwar zu den aussichtsreichen, aber auch zu den weniger bekannten
Arabienreisenden gehört. Die als Anhang beigefügten Erklärungen von W R.
MEAD zu WALLINs "English
Connection" und die Erläuterungen
von M. TRAUTZ über einen "vergessenen
Forscher von Arabien" machen
klar; dass es wohl vor allem zwei Umstände waren, die WALLIN weniger populär
werden ließen als andere Entdeckungsreisende seiner Zeit. Ein
offensichtlicher Grund liegt im frühen Tod von WALLIN, der mit knapp 41
Jahren 1852 in Finnland während der Vorbereitungen für eine weitere
Arabienreise starb. Hervorgehoben werden muss aber auch, dass es WALLIN an
ausreichenden Fördermitteln fehlte, mit deren Hilfe er seine Reisen
ergebnisorientiert hätte umsetzen können. Einerseits war zwar die Royal
Geographical Society in London an Informationen aus dem Inneren Arabiens
sehr interessiert andererseits hatte sie keinerlei Erfahrung mit der
Forschungsreisenförderung für Ausländer. Die seinerzeit noch junge
Geographische Gesellschaft hatte sogar vorgeschlagen, dass WALLIN eine
kombinierte Förderung durch die Royal Geographical Society und deren
russisches Gegenstück in St. Petersburg anstreben solle. Letztere verwirrte
und beleidigte WALLIN nach einigen Missverständnissen jedoch schließlich
mit dem Vorschlag, anstelle von Arabien doch besser die Bereiche von Buchara
und Samarkand in Zentralasien zu erforschen. Grundsätzlich hätten beide
Gesellschaften eine kombinierte Förderung durchaus befürwortet, was aus
heutiger Sicht als ein überaus interessantes Kapitel von Kooperation im
historischen Great Game gewertet werden könnte, jedoch beendete der Tod
WALLINs die sich anbahnenden Vereinbarungen.
Der Herausgeber vervollständigt den Band mit einer Literaturübersicht, die
sowohl von WALLIN verfasste Texte auflistet, als auch solche die über ihn
geschrieben wurden. Dabei kommen dem Herausgeber die Erfahrungen zugute, die
er mit früheren Editionen thematisch vergleichbarer Werke gesammelt hat.
Genannt seien hier nur die Reiseberichte von JULIUS EUTING (Rezension in
ERDKUNDE 50, 1996, S. 165), von JOHANN LUDWIG BURCKHARDT (Rezension in
ERDKUNDE 50, 1996, 5. 76-77) und die von CHARLES MONTAGUE DOUGHTY (Rezension
in ERDKUNDE 51, 1997, S. 331-332) sowie die Analyse der politischen
Strategien Ihn Sauds (Rezension in ERDKUNDE 57, 2003, S. 69). Eine Auswahl
von Fotos wichtiger Reisestationen WALLINs rundet das überaus gelungene
Werk ab.