LA CIUDAD DELIRANTE. ANTOLOGÍA POÉTICA
Gedichtband (spanisch),
trafo verlag 2006, 208 S., zahlr. farb. Grafiken, ISBN 3-89626-395-1, 19,80
EUR
Besprechungen
- Klaus-Dieter Schönewerk zu einer Lesung am 11.042006 in Berlin. In.
Neues Deutschland v. 13.04.06.
"Ein kleines, aber höchst gespanntes Publikum im »Cafe Sybille«, das
in der Karl-Marx-Allee längst zu einem Zentrum literarischer und
politischer Novitäten geworden ist: Überraschungsgast war der
kolumbianische Dichter Eduardo Gomez mit einem noch druckfrischen
Auswahlband aus dem trafo Verlag, vorerst allerdings nur m spanischer
Sprache.
Die Nachdichtungen sind noch in Arbeit, eine zweisprachige Ausgabe ist
demnächst zu erwarten. In seiner Heimat ein berühmter Poet, Präsident der
Goethe-Gesellschaft Kolumbiens, Iiteraturprofessor, Publizist und Essayist,
ist Gomez hierzulande kaum bekannt. Zur deutschen Sprache hat er ein
besonders enges Verhältnis. In den 60er Jahren studierte er in der DDR, in
Leipzig, Literatur Theaterwissenschaft und war ein Jahr Regieassistent bei
Helene Weigel am BE.
Die vom Autor im Original vorgestellten Gedichte, deren Übersetzungen
Verlagschef Dr. Wolfgang Weist vortrug, spiegeln vieles von den politisch
und gesellschaftlich komplizierten Verhältnissen in Kolumbien, wo seit
Jahrzehnten Regierung, Guerilla und Paramilitär, unterstützt von der Armee
und den USA, sich in erbitterten Kämpfen aufreiben, auf Kosten der
Menschen, die sich nach wenigstens ein bisschen normal-bürgerlicher
Sicherheit sehnen. Eduardo Gomez gibt ihnen Stimme, reflektiert, wie sehr
Lyrik im Angesicht von Macheten und Gewehren zum Luxusgut wird. Zugleich
aber spürt man, dass sie in diesem gebeutelten Land auch »Lebensmittel«
ist, beharrlicher Ton in den Pausen des Waffenlärms. Bei Gomez, der Goethe,
Brecht, Neruda, Garcia Lorca und die anderen großen spanischen Dichter der
Mitte des vorigen Jahrhunderts als Vorbilder sieht, schwingt eine ganz
eigene Tonlage. Seine Texte sind ein Mischung von kühner Metaphorik und
hartnäckig bewahrter Alltäglichkeit, Poesie der Prosa.
Obwohl nur einer Elite zugänglich (die Mehrzahl der Landbevölkerung sind
Analphabeten), sprechen sie zu und von den einfachen Leuten. Um die zu
erreichen, nutzt er das Medium Rundfunk und hat es immerhin zu
regelmäßigen Poesiesendungen gebracht.
Im persönlichen Gespräch lässt er ein bisschen von der Kennerschaft der
deutschen Theaterszene blicken und verhehlt nicht seine ungebrochene
Wertschätzung des DDR-Theaters. Übrigens, der Dichter sitzt an einem
Romanprojekt, vielleicht Anlass auch mal für einen Großverlag, in Richtung
Kolumbien zu blicken.