[= Abhandlungen der Leibniz-Sozietät, Bd. 8], trafo verlag 2002, 216 S., Abb. und Dok., Register, ISBN 3-89626-345-5, 22,80 €
Deutsches Ärzteblatt, Ausg. A, 8.11.2002, S. A3009, Rez. v. Detlef Ganten:
Auszug: “Es gibt wenige Länder, in denen politische Entwicklungen sich so
direkt in Inhalten und Strukturen der Wissenschaft sowie besonders auch in
Lebensläufen von Forschern ablesen lassen wie in Deutschland. Wer die
Wiedervereinigung bewusst miterlebt hat, hatte häufig Gelegenheit, auf
Menschen zu treffen, deren wissenschaftliches und persönliches Schicksal
vom dramatischen Wechsel der politischen Systeme geprägt war. Es ist
wichtig, diese Besonderheiten unserer Geschichte festzuhalten und so zur
Bewahrung der Traditionen in der deutschen Wissenschaftsgeschichte
beizutragen.
Diesem Anliegen hat sich das Buch in lebendiger und nachvollziehbarer Weise
angenommen. Mit Friedrich Jung wird ein deutscher Mediziner und dessen
Lebensweg durch fünf Gesellschaftsformationen vorgestellt. ...Die Autoren
berichten über Jungs Verdienste in seinem Fachgebiet, der Pharmakologie,
und in der Molekularbiologie. Gleichfalls schildern sie Jung als einen
engagierten Gesundheitspolitiker, der das Gesundheitswesen der DDR
wesentlich geprägt hat. Dabei unterschlagen sie auch nicht, dass die
Wirrungen und Wendungen der deutschen Geschichte um Jung keinen Bogen gemacht
haben.
Der Rezensent ist mit Friedrich Jung nach der “Wende” auf dem
traditionsreichen Biomedizinischen Campus Berlin-Buch mehrfach
zusammengetroffen und hat ihn als einen stets kritisch hinterfragenden,
nicht immer bequemen Zeitgenossen kennen gelernt. ...
Das Buch zeigt uns diesen Friedrich Jung, stets voller origineller Gedanken,
mit all seinen Stärken Und auch seinen Schwächen. Dabei kann der Leser zum
einen aus dem Lebensweg Friedrich Jungs zahlreiche Anregungen entnehmen. Zum
Zweiten sprechen die zahlreichen, in vielen Fällen noch nicht
veröffentlichten Bilder und Dokumente ... eine eigene Sprache. Deshalb ist
das Buch als ein Stück deutscher Medizingeschichte für den älteren Leser
interessant, der diese Zeit erlebt hat. Zum anderen kann es den jüngeren
Leser anregend gelegentlich einen Blick in die deutsche
Wissenschaftsgeschichte zu werfen mit ihrem “wenig glatten Verlauf” und
ihren zahlreichen Verwerfungen.”
Besprechung von Manfred
Stürzbecher in: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte, Bd.
56(2005), S. 258:
Zwei Schüler des streitbaren Pharmakologen und Molekularbiologen
in der DDR Friedrich Jung (1915-1997), einem Schüler von Wolfgang Heubner,
legen eine gut dokumentierte und reich illustrierte Biographie dieses
unabhängig denkenden Arztes des 20. Jahrhunderts vor. Jung, der von der
katholischen Jugendbewegung Süddeutschlands der Weimarer Republik geprägt
war, hat am Pharmakologischen Institut der Friedrich-Wilhelms-Universität
seine wissenschaftlich Erziehung seit Mitte der dreißiger Jahre erhalten.
Sehr aufschlussreich sind die Ausführungen über das wissenschaftliche und
politische Klima an diesem Institut in der NS-Zeit mit den Charakteristiken
des Verhältnisses der damaligen Mitarbeiter - zu denen u.a. Hermann
Druckrey, Hans Herken, Robert Havemann und Fritz von Bergmann gehörten. Am
Institut lernte er auch seine Ehefrau, die Tochter eines mecklenburgischen
Pastors der Bekennenden Kirche kennen. Zur Wehrmacht einberufen, konnte er
als Truppenarzt an der Front in Finnland seine Habilitation an der
Medizinischen Fakultät erreichen. Die Darstellung macht deudich, dass Jung
ein Gerechtigkeitsfanatiker war. Den Autoren gelingt es, nicht nur aus den
Schriften und Dokumenten - sie konnten u.a. seinen wissenschaftlichen
Nachlass einschließlich der nicht vollendeten Autobiographie benutzen -
sondern auch aus eigenem Erleben eine differenzierte Charakteristik dieses
Forschers, der maßgeblichen Einfluss auf das Arzneimittel- und Apothekenwesen
in der DDR genommen hat, vorzunehmen.
Diese aufschlussreiche Darstellung, die durch einen Anhang mit 19 Dokumenten
ergänzt wird, ist ein sehr detailreicher Beitrag zur
Wissenschaftsgeschichte in Berlin in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts aus dem Blickwinkel von ehemaligen DDR-Bürgern. Zu bedauern
ist, dass Register, die ein schnelles Nachschlagen nach Personen und
Problemstellungen ermöglichen, fehlen.