[= Autobiographien, Bd. 23], trafo verlag 2005, 133 S., Abb., Tb, ISBN 3-89626-276-9, 13,80 EUR
Junge Welt v. 9.5.2005:
"Eine autobiographische Erzählung« nennt Hermann-Ernst Schauer, Jahrgang 1923, seine Erinnerungen, die soeben unter dem Titel »Bleib aufrecht, mein Sohn« im Berliner trafo-Verlag erschienen sind. »Bleib aufrecht, mein Sohn«, gibt Vater Schauer, selbst ein reaktivierter Offizier des Ersten Weltkrieges, im Jahr 1941 dem 18jährigen Absolventen der Kriegsschule mit auf den Weg, als der sich zu Hause in Rostock verabschiedet, um seinen Beitrag zum Endsieg zu leisten. Doch es soll anders kommen – die väterliche Mahnung bleibt dabei dennoch oberste Richtschnur. Noch im Sommer 1941 gerät der junge Leutnant in sowjetische Kriegsgefangenschaft, in der er beginnt, die bisherigen Maximen zu hinterfragen. Zwei Jahre später nimmt er an der Gründungsversammlung des Nationalkomitees »Freies Deutschland« teil. Die neu gewonnenen Überzeugungen drängen zur Tat – zum aktiven Kampf gegen Hitler und den Krieg. Dem stellt sich der Leutnant gemeinsam mit anderen deutschen Antifaschisten an der Seite sowjetischer Partisanen in Belorußland. Ein eingangs zitierter Brief zum 60. Jahrestag des Sieges, abgesandt im einstigen Partisanendorf Saretschi, steht für Freundschaften, die den Krieg überdauerten.
Besprechung von Raisa Violenti, Saretschi, in der: Kreiszeitung von Logoisk
„Heimatliche Gefilde" vom 6. Juli 2005Besprechung von Kurt Pätzold in: Ossietzky,
Heft 20, 1.10.2005, S. 751f.:
"Später Bericht.
Ein junger Deutscher, der Landessprache mächtig, aber als Ausländer durch
seinen Akzent erkennbar, fährt an einem Wintertag 1943/1944 allein in einem
Vorortzug von der Siedlung Malachowka vor den Toren Moskaus zu einer zwei
Stationen entfernten anderen, ihm unbekannten, um dort einen Abend zu
verbringen, und gelangt in einen Raum, in dem Russen, winterlich verpackt,
musizieren und tanzen. Er mischt sich unter sie, lernt dabei ein Mädchen
namens Julia kennen, freundet sich mit ihr an ... -
Würde die Episode in einem Roman oder einer Novelle erzählt, könnte das
dem Autor den Vorwurf allzu weit schweifender, sich von jeder
geschichtlichen Wirklichkeit entfernender Phantasie eintragen. Berichtet hat
von diesem Abend Hermann-Ernst Schauer, der damals mit ordentlicher
Genehmigung seiner Ausbilder einen Abstecher von der Stätte unternahm, an
der er auf einen besonderen Einsatz vorbereitet wurde.
Der in Rostock geborene Sohn eines dekorierten Offiziers des Ersten
Weltkrieges, in gutbürgerlichem Hause aufgewachsen, Absolvent einer
Kriegsschule der Wehrmacht, war, nur Tage nachdem er als junger Leutnant mit
der 6. deutschen Armee in die Sowjetunion eingefallen war, in
Kriegsgefangenschaft geraten. Die einstigen Klöster in Jelabuga und Oranki
wurden Stationen seines weiteren Weges, auf dem er rasch zu neuen Einsichten
und Erkenntnissen gelangte. Er wandte sich von der Naziideologie ab und fand
Anschluß an die erste Gruppe gefangener deutscher Offiziere, die sich von
Hitler und ihrem Eid lossagte und darob von der Mehrheit der Mitgefangenen
isoliert, verachtet und auch gewalttätig angegangen wurde. Nach dem Besuch
eines mehrmonatigen Lehrgangs in Krasnogorsk entschloß sich der
Antifaschist zur Teilnahme an einem Einsatz hinter der Front in einem von
Partisanen beherrschten Gebiet. Im März 1944 sprang er als Angehöriger
eines Spezialkommandos 60 Kilometer nördlich von Minsk mit dem Fallschirm
ab. Der Auftrag lautete, in den rückwärtigen Standorten der Wehrmacht
mittels Flugblättern und Plakaten antinazistische Propaganda zu treiben,
deutsche Soldaten zur Aufgabe des Kampfes, zum Überlaufen oder zum Schritt
in die Gefangenschaft zu bewegen.
Schauer erzählt seine Geschichte konzentriert, ohne Ausschmückungen,
zuweilen in einer an den Stil eines verlangten Lebenslaufes erinnernden
Sprache. Der Bericht läßt an Vorläufer denken, Bücher, die zu DDR-Zeiten
im Verlag der Nation erschienen; »Gewissen im Aufruhr« und »Der schwere
Entschluß« wurden zu Bestsellern. Eine ähnlich weite Verbreitung wäre
dieser Herausforderung zum Nachdenken über Krieg und Frieden zu wünschen.
BESPRECHUNG von Raisa Violenti aus Saretschi, in: Kreiszeitung von Logoisk „Heimatliches Gefilde" vom 6. Juli
2005: