trafo verlag 2007, 268 S. mit mehr als 140, davon 40 farb. Abb., Hardcover, ISBN 978-3-89626-275-2, 59,80 EUR
Besprechung
von Dr. Frank Wernitz in: Zeitschrift
für Heereskunde Nr. 427, 2008
Der uns mittlerweile gut bekannte Verfasser zweier Bände zur Geschichte der
preußischen Fußgarden in friderizianischer Zeit widmet sich in seiner
neuesten Publikation einem Truppenkörper, der wie kein anderer in der militärgeschichtlichen
Überlieferung, im Traditionsdenken, in der historischen Belletristik sowie
mit der Geschichte der Stadt Potsdam verankert
ist, obwohl er formell gerade einmal 23 Jahre bestanden hatte. Die Rede ist
von „Sr. Königl. Maj. rothe Grenadirer“, eher bekannt als die „Langen
Kerls“. Anno 1674 als märkisches Landesaufgebot gegen die schwedischen
Invasoren aufgestellt und ein Jahr später
bereits zu einem hohenzollernschen Hausregiment zu zwei Bataillonen
unter dem Kommando des damaligen Kurprinzen Friedrich avanciert, übernimmt
es 1711 der spätere König Friedrich Wilhelm I. Ab 1713 mit dem Prädikat
„königliches“ versehen, wird es im denkwürdigen Jahr 1717 mit der
bislang aus der Privatschatulle des Regenten unterhaltenen „Wusterhausener
Jagdgarde“ um ein weiteres Bataillon verstärkt. Kaum aufgestellt sorgte
das nunmehrige Leib- und Garderegiment des jungen Königs im In- und Ausland
für Gesprächsstoff, bei dem verständnisloses Kopfschütteln wie auch
bewunderndes Erstaunen gleichermaßen vertreten waren. Speziell die beinahe
an Besessenheit grenzende Passion des ansonsten als sparsamen und
„Plusmacher“ apostrophierten König Friedrich Wilhelms I., ohne Ansehen
der Kosten möglichst groß gewachsene Männer für sein Regiment zu
gewinnen, von denen keiner kleiner als 188 cm sein durfte und der Größte
217 cm maß, erregte europaweit Aufsehen. Dabei spielten zweifellos auf
der einen Seite praktische Erwägungen eine Rolle, da nur hoch gewachsene Männer
in der Lage waren, die 165 cm bis 175 cm lange Flinte in jeder Lage sicher
zu handhaben. Auf der anderen Seite muss das Bestreben nach einer
eindrucksvollen und repräsentativen Gardetruppe aber auch als Ausdruck
einer damals weit verbreiteten barocken Attitüde angesehen werden.
Nach der Monographie von Kurt Zeisler aus dem Jahre 1993 wurde es –
abgesehen von diversen Aufsätzen – ruhig um die Potsdamer
„Grenadiers“. Erst zehn Jahre später rückte diese Truppe durch ein
thematisch gegliedertes Regestenwerk wieder in das öffentliche Bewusstsein.
Jürgen Klosterhuis, Direktor des Geheimen Preußischen Staatsarchivs zu
Berlin, legte erstmalig eine breite Auswahl archivalischer Quellen, Kirchenbücher
und Quellenbearbeitungen, die im Original nicht mehr zur Verfügung stehen,
zum Königsregiment vor, die nicht nur als Grundlage für eine
Auseinandersetzung mit diesem Truppenteil, sondern für das Militärwesen
unter Friedrich Wilhelm I. im allgemeinen dienlich war. Volker Schobeß
reiht sich nun mit seiner Arbeit in diese Auseinandersetzung mit ein. Obwohl
das Werk gleich eingangs als „überarbeitete und erweiterte Fassung der
1997 erschienen „Potsdamer Wachtparade“ deklariert wird, ist es alles
andere als ein Aufguss von bereits Bekannten. Dem Autor ist es wieder einmal
gelungen, mit leichter aber kundiger Hand ein Kaleidoskop zu erstellen, dass
uns zeigt, wie dieses sonderbar anmutende Regiment von nun an als Lehr- und
Mustertruppe erzieherisch wirkte und zu einem nicht geringen Teil den späteren
Gefechtswert der preußischen Infanterie im 18. Jahrhundert maßgeblich begründen
sollte. Die preußischen Exzerzierreglements von 1714, 1718 und 1725 wurden
hier auf ihre Feldverwendungsfähigkeit erprobt. In 24 Kapiteln wird dem
geneigten Leser aber nicht nur ein Einblick in die Regimentskultur gewährt,
Kurzbiographien ausgewählter Offiziere näher gebracht oder zwei bislang
unbekannte Aufmarschpläne aus dem Jahre 1715, die zum ersten Mal den militärischen
Einsatz von zwei Bataillonen des Königsregiments vor Stralsund belegen,
vorgestellt, sondern auch eindrucksvoll aufgezeigt, dass die wesentlichen
sozialen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Entwicklungsimpulse Potsdams
untrennbar mit der Anwesenheit militärischer Formationen verbunden waren.
Dieser Prozess wurde ab 1713 mit der Zusammenziehung
der 3 650 starken Leibtruppe Friedrich Wilhelms, die bislang in
verschiedenen Standorten disloziert war, in Gang gesetzt. Die Darstellung
schließt wiederum mit einem nützlichen Quellenanhang und einem Glossar
militärischer Termini des 18. Jahrhunderts.
Man kann den Autor, dem Herausgeber und Verlag zu diesem opulent
ausgestatteten Werk nur wieder beglückwünschen und ermuntern, den
eingeschlagenen Weg, historische Sachverhalte in einer ansprechenden Art und
Weise aufzubereiten, weiterzufolgen. Diese Methode wird dann ihre Bestätigung
finden, wenn spezialisiertes Wissen gezielt verwertet werden kann im Gefolge
eines großen Gedankens, sprich der dramaturgischen Klammer einer „erzählenden
Geschichtsdarstellung“. Volker Schobeß vermochte es, das komplexe Phänomen
der „Langen Kerls“ in diesem Sinne zusammenzufassen und in eine packende
Schilderung einzufügen. Hierzu tragen selbstverständlich auch das
ausgesuchte Bildmaterial und zweifellos die eine oder andere Anekdote bei.
Damit erfüllt aber das Werk den hehren Anspruch einer dringend benötigten
Geschichtsaufbereitung, die sich primär an den großen Kreis der Leserinnen
und Leser wendet, die nur wenig über unsere Vergangenheit im allgemeinen
und das Thema im besonderen wissen und gerne mehr erfahren möchten. Möge
dem Buch deshalb eine große Nachfrage beschieden sein!