[= Biographien europäischer Antifaschisten, Bd. 8], trafo verlag, Berlin 2000, 177 S., Abb. u. Dok., geb., Namensregister, ISBN 3-89626-175-4, 16,80 €
Rezensionen:
IWK, Heft 3/2000,
Berlin, S. 406, Rez. v. Michael Uhl
Auszug: Bis vor kurzem wußte man
nur sehr wenig über das Leben von Manfred (Moses) Stern. Der aus der
Bukowina stammende Sohn eines jüdischen Kleinbauern hatte in den zwanziger
und dreißiger Jahren zu den Militärexperten der Komintern gehört. 1923
nahm er hinter den Kulissen an dem Aufstandsversuch der KPD in Hamburg teil.
Von 1929 bis 1932 hielt er sich mit geheimdienstlichen Aufträgen in den
Vereinigten Staaten auf. Anschließend war er zeitweilig als Militärberater
beim illegalen ZK der KP Chinas in Schanghai tätig.
In der Weltöffentlichkeit wurde Manfred Stern durch seine Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg bekannt. Unter dem Decknamen "Emilio Kleber" befehligte er im November 1936 die erste aufgestellte internationale Brigade, die während der Schlacht um Madrid der bedrohten spanischen Republik zu Hilfe eilte. Nachdem die franquistischen Truppen von den republikanischen Verteidigern der Hauptstadt hatten zurückgeschlagen werden können, wurde Manfred Stern alias General Kleber von der Weltpresse rasch als "Retter von Madrid" gefeiert. Vergeblich wandte er sich gegen diese Stilisierung seiner Person, die ihm später vom NKWD zur Last gelegt werden sollte. Ein Jahr später wurde Manfred Stern nach Moskau zurückbeordert, wo er im Dunkel der Stalinschen Säuberungen verschwand. Auf der Grundlage von erstmals der Forschung zugänglichen Dokumenten sowie Erinnerungen von Manfred Sterns Verwandten zeichnet der russische Historiker Walerij Brun-Zechowoj mosaikartig ein Lebensbild dieses Mannes. Wie die Provenienz der Publikation erwarten läßt, erscheint Manfred Stern als "Sohn seiner Zeit", als treugläubiger Bolschewik, der sein Leben für eine pervertierte gute Sache einsetzte, bis sie ihm schließlich selbst zum Verhängnis wurde. Insbesondere die "Enthüllungen" aus dem ehemaligen KGB-Archiv sorgen für eine spannende Lektüre. Da einige Akten nach der Sperrfrist unterliegen, bleibt die Vorgeschichte der Repressalien, die nach Sterns Rückkehr aus Spanien folgten, indes unklar. Immerhin ist bekannt, daß der NKWD 1935 eine Untersuchung gegen Stern aufgrund seiner Tätigkeit in China begann. In Spanien bildeten dann Meinungsverschiedenheiten mit russischen Militärberatern und Diplomaten (die selbst alle bald Opfer der Säuberungen wurden) eine fatale Intrigenebene. Stern hatte es gewagt, den spanischen Ministerpräsidenten Largo Caballero und den Chef der Zentrumsarmee des republikanischen Heeres, Asensio, zu kritisieren, und zwar zu einem Zeitpunkt, als Stalin zumindest dem Anschein nach noch auf diese gesetzt hatte. Die Kritik kam einige Monate zu früh. Als 1937 Caballero abtreten mußte und auch Asensio abgesetzt wurde, war Stern bereits diskreditiert. Verschärfend hinzu kamen Friktionen mit einzelnen Personen in der Leitung der Interbrigaden und im Generalstab des spanischen Volksheeres. Manfred Stern kehrte im Oktober 1937 nach Moskau zurück. Im Juli 1938 wurde er vom NKWD verhaftet. Im Mai 1939 verurteilte ihn das Militärkollegium des Obersten Gerichts der Sowjetunion wegen angeblicher Spionagetätigkeit für den deutschen Nachrichtendienst und Mitgliedschaft in einer antisowjetischen trotzkistischen Vereinigung zu fünfzehn Jahren Lagerhaft. Im November 1945 wurde er zu weiteren zehn Jahren Haft verurteilt. Er starb 1954 in Sibirien in einem Lager des Gulag. Die Aktivitäten und das Verhalten Sterns in Spanien spielen in den Verhörprotokollen eine wichtige Rolle. Sein Biograph vermutet, daß Stalin und der NKWD Stern bei der beabsichtigten Konstruktion einer Verschwörung unter den sowjetischen Militärberatern und Diplomaten in Spanien benutzten. Dies würde erklären, warum Stern so ausführlich nach seinen Verbindungen zu diesen Personen, die zu "selbständig" geworden waren, befragt wurde. ... Bereits vor dem Spanischen Bürgerkrieg stand Sterns Namen auf den letztendlich dem Prinzip der Willkür unterliegenden Abschußlisten des NKWD und der Komintern. Sein tragisches Schicksal war somit vorprogrammiert.
Alfred
Klahr Gesellschaft – Mitteilungen, Nr. 2/2001, S. 8f., Rez. v. Gerhard
Oberkofler
Auszug: Der Abdruck
zahlreicher Dokumente machen den hohen Wert des Büchleins von Brun-Zechowoj
aus, der noch nicht vollständig geöffnete Aktenbestände der früheren
UdSSR benützen konnte. Es ist nicht bekannt, ob ... [Sterns] Bittgesuche
[zur Rehabilitierung] Stalin vorgelegt wurden, er sich mit Manfred Stern,
der 1937/38 im Revolutionsmuseum in Moskau noch groß herausgestellt wurde
und dessen Brüder Leo Stern (1901-1982) und Wolf Stern (1897-1961) in
verantwortlichen Positionen in den Reihen der Kommunistischen Partei und der
Roten Armee kämpften, beschäftigen konnte. Manfred Stern verstarb als
Gefangener noch vor seiner Rehabilitierung.
Das Schicksal von Manfred Stern gibt für Materialisten allerdings keinen
Anlass zur Traurigkeit und Melancholie, vielmehr spiegelt das Leben von
Manfred Stern und in der Haltung seiner der KPdSU treu verbunden gebliebenen
Brüder den Heroismus, die Prinzipienfestigkeit und Energie der revolutionären
Arbeiterbewegung wider. Wiederholt und geduldig unternahm Leo Stern
verschiedene Aktivitäten, um die objektive historische Wahrheit über
seinen Bruder durchzusetzen. Dabei ging Leo Stern davon aus, dass innerhalb
der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und ihrer verzweigten Apparate
eine Unzahl von Parasiten und stillen Agenten des mörderischen
Klassenfeindes tätig war. Eine ihrer Zielsetzungen war, in der sich in
einem historischen Ausnahmezustand befindlichen Sowjetunion ein
denunziatorisches Klima der allgemeinen Repression durch Organe der
Sowjetunion zu verbreiten. Dabei kam dem Klassenfeind gelegen, dass unter
Stalin eine Säuberung der Kader der KPdSU objektiv notwendig geworden war,
weil ein bloß geistiger Kampf gegen rechte und pseudolinke
Parteigruppierungen deren organisatorische Festigung nicht verhindern
hätte können. Georg Lukacs hat bei der Erörterung des Gegensatzes
zwischen Rosa Luxemburg und Lenin solche Parteifragen im Kern
herausgearbeitet und analysiert. Es empfiehlt sich bei dieser Gelegenheit,
einen historischen Blick nach vorne in die Fünfziger- und Sechzigerjahre
der Sowjetunion zu machen. Es sind Jahre, in denen sich die KPdSU
tendenziell zu einem bürgerli- chen Staatsapparat rückentwickelte und das
sozialpolitische Vorfeld für die massenhafte Ausbreitung von bei nächster
Gelegenheit zum Klassenfeind überlaufenden oder von diesem korrumpierten
Funktionäre wie Boris Jelzin und Michail Gorbatschow schuf. Aus
dialektisch-revolutionärer Sicht stellt sich Manfred Stern als ein Opfer
von Organen der Sowjetunion unter Stalin dar, vor allem aber als Opfer des
Klassenkampfes, speziell jener verdeckten Agenten des Klassenfeindes, welche
die historische Situation der KPdSU unter Stalin dazu benützen konnten, um
herausragende Revolutionäre wie Manfred Stern durch Verleumdungen
auszuschalten. Erst wenn diese Zusammen- hänge historisch-dialektisch
aufbereitet werden und von der derzeit politisch korrekten Historiographie
nicht nur als "Stalin-Opfer" angeboten werden, sind solche
Schicksale von Herausragenden Kämpfern der revolutionären Arbeiterbewegung
wie Manfred Stern begreifbar...
China Quarterly, 2001, Cambridge
University Press, S. 759ff., Rez. v. Manfred Kampen