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Bsprechung von Dr. Frank Wernitz (25.11.2022)
Das gescheiterte Attentat vom 20. Juli und die sich
daran anschließende Hinrichtungswelle sind bekanntermaßen unauflöslich mit einer
preußisch geprägten Führungsschicht verbunden, obwohl längst nicht alle, die
ihr angehörten, Preußen waren. Diese heterogene
Gruppe ziviler und militärischer Oppositioneller hatte sich unter Einsatz des
Lebens einer sittlichen Idee verschrieben, die das Wohl der Gesellschaft über
das eigene stellt.
Wohl kein Ereignis der Zeitgeschichte steht bis heute so im Mittelpunkt
bundesrepublikanischen Erinnerungskultur und -politik, so dass zu Recht die
Frage erlaubt ist, ob zu den zahlreichen Büchern, die zum 20.Juli 1944
bereits erschienen sind, noch ein weiteres
hinzukommen muss? Ist dieses Thema immer noch nicht ausreichend erforscht?
Offensichtlich nicht!
Volker Schobeß wählte zwar einen griffigen Titel, der vermuten ließ, dass der
wohl bekannteste militärische Umsturzversuch der deutschen Geschichte wiederum
im Mittelpunkt der Betrachtung liegt, überrascht aber den Leser mit einer neuen
Perspektive. Er nimmt einerseits die gesamte politische Entwicklung seit Ende
des Ersten Weltkrieges bis zum Attentat in den Blick, konzentriert andererseits
seine „Spurensuche“ aber auf Potsdam, in der der militärische, aber auch der
zivile Widerstand gegen das NS-Regime besonders ausgeprägt waren.
Die Regimegegnerschaft aus dem Militär war zweifellos
verbunden mit derjahrhundetalten Garnisonsgeschichte dieser Stadt. Der
Widerstand gegen den Nationalsozialismus kann aber nicht allein darauf
beschränkt werden,
vielmehr verweist Volker Schobeß auf ein Milieu, das durch eine signifikante
Weitsicht, durch ein ganz spezifisches Weltverständnis und durch eine ganz
charakteristische Weltdeutung geprägt war.
Der verlorene Erste Weltkrieg, der Sturz der
Monarchie und die sich daran anschließenden revolitionären Ereignisse lösten
Erschütterungen aus, die die Zeit der Weimarer Republik nicht nur als eine Phase
der radikalen
Zuspitzung und Frontstellung im historischen Dreieck von Konservatismus,
Sozialismus und Liberalismus begreifen lässt, sondern die auch den Aufstieg der
NSDAP begünstigte. Der Autor lenkt den Blick deshalb auf die Akteure, die sich
schon vor 1933 dem Aufstieg Hitlers und seiner Gefolgsleute entgegenstellten.
Bereits vor der „Machtübernahme” hatten sich Kommunisten, Sozialisten,
Sozialdemokraten und Gewerkschaftsmitglieder gegen Hitler und die NSDAP zur Wehr
gesetzt. Eine gemeinsame Abwehrfront kam jedoch nicht zustande, weil die
Gegensätze zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten unüberbrückbar blieben. Die
Gewerkschafts-
führung
suchte zuletzt sogar einen Kompromiss mit der Regierung Hitler. Dem Widerstand
jener bekannten, aber auch weniger bekannten Menschen in Potsdam, die mit
Hartnäckigkeit und Zivilcourage dem NS-Staat trotzten,
widmet sich diese Arbeit in einer informativen und
spannend zu lesenden Gesamtschau. Ob Militärs, Zivilisten, Ad lige,
Gewerkschafter, Nationalkonservative, Liberale, Christen, Sozialidemokraten oder
Kommunisten, sie alle
haben ihren Widerstand mit Benachteiligung, Haft, Ausweisung, Folter oder gar
mit dem Tod bezahlen müssen.
Diese von Schobeß nacherzählten Schicksale
verdeutlichen noch einmal die Gewaltherrschaft des NS-Regimes und bieten durch
ihren dokumentarischen Wert eine überzeugende Ergänzung zur
regionalgeschichtlichen Aufarbeitung. Dem Autor sowie dem Verlag gebührt
Hochachtung für dieses wichtige wie gelungene Unterfangen.