Rezensionen zu
Schobeß, Volker: "+++
EILMELDUNG: DER FÜHRER ADOLF HITLER IST TOT
Besprechung von Dr. Frank Wernitz in der "Zeitschrift für Heereskunde", Nr. 489 Juli/September 2023
Das gescheiterte Attentat vom 20.Juli und die sich
daran anschließende Hinrichtungswelle sind bekanntermaßen unauflöslich mit einer
preußisch geprägten Führungsschicht verbunden, obwohl längst nicht alle, die ihr
angehörten, Preußen waren. Diese heterogene Gruppe ziviler und militärischer
Oppositioneller hatte sich unter Einsatz des Lebens einer sittlichen ldee
verschrieben, die das Wohl der Gesellschaft über das eigene stellt.
Wohl kein Ereignis der Zeitgeschichte steht bis heute
so im Mittelpunkt bundesrepublikanischen Erinnerungskultur und -politik, so dass
zu Recht die Frage erlaubt ist, ob zu den zahlreichen Büchern, die zum 20. luli
1944 bereits erschienen sind, noch ein weiteres hinzukommen muss? lst dieses
Thema immer noch nicht ausreichend erforscht? Offensichtlich nicht!
Volker Schobeß wählte zwar einen griffigen Titel, der
vermuten ließ, dass der wohl bekannteste militärische Umsturzversuch der
deutschen Geschichte wiederum im Mittelpunkt der Betrachtung liegt, überrascht
aber den Leser mit einer neuen Perspektive. Er nimmt einerseits die gesamte
politische Entwicklung seit Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Attentat in den
Blick, konzentriert andererseits seine „Spurensuche“ aber auf Potsdam, in der
der militärische, aber auch der zivile Widerstand gegen das NS-Regime besonders
ausgeprägt waren.
Die Regimegegnerschaft aus dem Militär war zweifellos
verbunden mit der jahrhundetalten Garnisonsgeschichte dieser Stadt. Der
Widerstand gegen den Nationalsozialismus kann aber nicht allein darauf
beschränkt werden, vielmehr verweist Volker Schobeß auf ein Milieu, das durch
eine signifikante Weltsicht, durch ein ganz spezifisches Weltverständnis und
durch eine ganz charakteristische Weltdeutung geprägt war. Der verlorene Erste
Weltkrieg, der Sturz der Monarchie und die sich daran anschließenden
revolitionären Ereignisse lösten Erschütterungen aus, die die Zeit der Weimarer
Republik nicht nur als eine Phase der radikalen Zuspitzung und Frontstellung im
historischen Dreieck von Konservatismus, Sozialismus und Liberalismus begreifen
lässt, sondern die auch den Aufstieg der NSDAP begünstigte.
Der Autor lenkt den Blick deshalb auf die Akteure, die
sich schon vor 1933 dem Aufstieg Hitlers und seiner Gefolgsleute
entgegenstellten. Bereits vor der „Machtübernahme” hatten sich Kommunisten,
Sozialisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftsmitglieder gegen Hitler und die
NSDAP zur Wehr gesetzt. Eine gemeinsame Abwehrfront kam jedoch nicht zustande,
weil die Gegensätze zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten unüberbrückbar
blieben. Die Gewerkschaftsführung suchte zuletzt sogar einen Kompromiss mit der
Regierung Hitler. Dem Widerstand jener bekannten, aber auch weniger bekannten
Menschen in Potsdam, die mit Hartnäckigkeit und Zivilcourage dem NS-Staat
trotzten, widmet sich diese Arbeit in einer informativen und spannend zu
lesenden Gesamtschau. Ob Militärs, Zivilisten, Adlige, Gewerkschafter,
Nationalkonservative, Liberale, Christen, Sozialidemokraten oder Kommunisten,
sie alle haben ihren Widerstand mit Benachteiligung, Haft, Ausweisung, Folter
oder gar mit dem Tod bezahlen müssen. Diese von Volker Schobeß nacherzählten
Schicksale verdeutlichen noch einmal die Gewaltherrschaft des l\lS-Regimes und
bieten durch ihren dokumentarischen Wert eine überzeugende Ergänzung zur
regionalgeschichtlichen Aufarbeitung. Dem Autor sowie dem Verlag gebührt
Hochachtung für dieses wichtige wie gelungene Unterfangen.
[Abdruck mit freundlicher Genehmigung des
Verlages]