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Cognoscere Historias, Bd. 15], trafo verlag 2005, 125 S., zahlr. Abb., ISBN
3-89626-131-2, 21,80 EUR
Rezensionen von Wolfgang
G. Schwanitz in: Süddeutsche Zeitung vom 11.01.2006, zitiert bei: http://www.perlentaucher.de/buch/23225.htmll
"Dem Rezensenten Wolfgang G. Schwanitz gefällt, mit welch differenziertem Blick der Autor Julius Waldschmidt das Schicksal der arabischen Prinzessin Salima schildert, die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts der Liebe wegen gegen den Willen ihrer Familie nach Deutschland floh und später auch ein politisches Pfand für die Politik Bismarcks wurde - auch wenn der bekennender Anti-Kolonialist blieb. In seiner Besprechung rekonstruiert Schwanitz die Geschichte recht detailliert und kommt zu dem Ergebnis, dass die Biografie der Prinzessin ein Beleg für die Ausgewogenheit von Bismarcks Politik ist: "Eine ausgewogene Politik, die Deutsche von den Imperienerbauern trennte. Salimas Schicksal ist ein Beispiel dafür, das Julius Waldschmidt in seiner Komplexität sehr gut erhellt."
Neues Deutschland, 17.–20.
März 2005,
Beilage zur Leipziger Buchmesse, S. 13. Rezension von Susanne Statkowa:
"Es gibt in der Geschichte viele Beispiele von Frauen, die
zwischen die Mühlsteine von Macht, Politik und Liebesabenteuern gerieten.
Julius Waldschmidt stieß auf ein solches Schicksal bei einem Besuch im
kleinen Stadtmuseum von Sansibar. Neben persönlichen Gegenständen,
Kleidern, Schmuck usw., entdeckte er dort ein Buch in deutscher Sprache:
»Die Memoiren einer arabischen Prinzessin«. Das weckte die Wissbegierde
des an historischen Vorgängen schon immer interessierten Journalisten. Wer
war diese arabische Prinzessin?
Auf alle Fälle keine schillernde Märchenfigur aus »Tausend und einer
Nacht«, wie der Autor nachweist, sondern eine Frau aus Fleisch und Blut. Er
entführt den Leser auf die am Westufer des Indischen Ozeans gelegene Insel
zur Zeit des damaligen ebenso geachteten wie gefürchteten Herrschers von
Oman und Sansibar Sayyid Said bin Sultan. Dort, wo ewiger Sommer herrscht,
zur Erntezeit die Luft vom schweren Duft der Gewürznelken erfüllt ist und
ein reges Seefahrer-Leben pulsiert, der Handel mit Elfenbein, Gewürzen,
Kokosprodukten, aber auch mit Sklaven blüht, wurde 1844 die Tochter des
Sultans geboren. Damals trug sie noch den Namen Salima (Salme) bint Said.
Sie war gebildet, beobachtete ihre Umwelt aufmerksam und wurde schon als
junges Mädchen nach dem Tod des Vaters in die innerfamiliären Machtkämpfe
einbezogen. Schließlich verliebte sie sich in den Hamburger
Überseekaufmann Heinrich Ruete, wurde von diesem praktisch entführt,
heiratete ihn und konvertierte zum christlichen Glauben. Fortan hieß sie
Emily Ruete. Entsetzen herrschte im Herrscherhaus in Sansibar. Wie konnte
eine Prinzessin dem Leben in feudaler Gesellschaft, mit Bediensteten, allen
Annehmlichkeiten des Reichtums und der Aussicht, erste Dame im Harem eines
islamischen Gatten zu werden, zu Gunsten eines ungläubigen Kaufmanns den
Rücken kehren?
Emily Ruete erfuhr viele Enttäuschungen und Bitternis in ihrem »anderen
Leben«. Sie gebar in der Ehe mit Ruete drei Kinder. Der Kaufmann starb
jedoch bald nach einem Straßenbahnunfall. Am 29. Februar gab auch Emily im
80. Lebensjahr in Jena ihr Leben auf, ohne dass es ihr gelungen war, ihre
Sehnsucht nach Sansibar stillen zu können.
Der Autor hat die Stationen ihres Lebens verfolgt und mit vielen
interessanten Fakten und Dokumenten belegt. Er bietet ein lebendiges.
Porträt, das gleichzeitig ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte
widerspiegelt, in dem die Prinzessin von der kaiserlichen Regierung auch als
Spielball für den Erwerb von Kolonialland benutzt wurde. Schließlich macht
die Erinnerung an Salima deutlich, dass es zu allen Zeiten Menschen gab, die
durch ihre Kontakte zu anderen Kulturen zu Vermittlern zwischen den Welten
wurden."
Rezension
von Klaus Polkehn in Junge Welt, 14.3.2005, S. 13
"Prinzessin aus Sansibar. Julius Waldschmidt berichtet über
eine unbekannte Episode der deutschen Kolonialgeschichte.
Daß die schöne Insel Helgoland erst seit 105 Jahren zu Deutschland gehört
und bis dahin englisch war, nun gut, davon könnte man schön mal gehört
haben. Aber daß sich im Vorfeld des britischdeutschen
Sansibar-Helgoland-Vertrages vom 1. Juli 1890, mit dem ein hochpolitisches
Tauschgeschäft besiegelt wurde, ein romantischer Fast-Krimi ereignete, das
dürfte weitgehend unbekannt sein. Die Geschichte findet sich in einem
Büchlein mit dem eher zurückhaltenden Untertitel »Ein Frauenschicksal
zwischen Orient und Okzident«. Erzählt wird die Lebensgeschichte einer
Tochter des Sultans von Sansibar, die sich in den Repräsentanten eines
Hamburger Handelshauses verliebte, 1866 mit ihm durchbrannte und zum
Christentum konvertierte. Für die frommen Moslems der Sultansdynastie
geradezu ein Staatsverbrechen. Salima bint Sultan lebte nun in Hamburg und
hieß Emily Ruete.
Als die Kolonialpolitik des Deutschen Reiches nach Ostafrika griff, als man
vom Sultan von Sansibar die Anerkennung deutscher »Schutzgebiete«
verlangte und deshalb gar ein Kreuzer-Geschwader in den Indischen Ozean
schickte, fand sich die Witwe des 1870 verstorbenen Kaufmanns Ruete für
einen Moment als »Bauer auf dem Schachbrett der großen Politik« wieder.
Mit ihren Kindern reiste sie nach Jahrzehnten wieder ins heimatliche
Sansibar. Sie wollte Anteil an ihrem Erbe, einige deutsche Beamte erhofften
sich über sie einen Zugriff auf die wichtige Insel. Doch die
Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft bemächtigte sich bereits des
Hinterlandes, da brauchte man die Prinzessin nicht mehr. Den Anspruch auf
Sansibar tauschte man schließlich gegen Helgoland ein.
Die Prinzessin aus Sansibar starb 1924 in Jena. Für den Historiker ist ihre
Rolle in der afrikanischen Kolonialgeschichte sicherlich nur marginal.
Blickt man aber auf ihr Leben, entdeckt man eine – besonders wenn man
Herkunft und Zeitläufte bedacht werden – erstaunlich selbstbewußte und
selbstbestimmte Person. Der Autor, Julius Waldschmidt kennt nicht nur die
Akten und die Memoiren, er kennt auch Sansibar aus eigener Anschauung. So
weitet er in seinem Büchlein den Blick auf Menschen, Orte und Zeiten und
informiert uns über ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte.
Dr. Uwe Pfullmann in: Comparativ
15(2005)4, S. 141ff.:
"Das
Thema "Frauen aus der islamischen Welt" stößt nicht erst seit
den Ereignissen in Berlin, wo eine Türkin der sogenannten
"Familienehre" wegen ermordet wurde, auf vermehrtes Interesse der
Allgemeinheit. Zunehmend deutlicher wird, dass "Multi-Kulti"
weniger für das Verständnis
fremder Kulturen, als vielmehr für Gleichgültigkeit und romantische
Vorliebe des Fremdsein steht. Fehlende oder mangelhafte Integration führte
ja besonders in Berlin zur Ghettobildung; die Schattenseiten fremder
Kulturen wurden von großen Teilen der deutschen Öffentlichkeit und den
Medien ausgeblendet. Um so verdienstvoller ist das Buch von Julius
Waldschmidt, der anhand eines Frauenschicksals aus dem vorletzten und
letzten Jahrhundert die weite Kreise ziehenden Probleme einer Beziehung
zwischen den verschiedenen Kulturen detailliert und einfühlsam beschreibt.
In "Statt eines Vorwortes" (7-10) schildert die Autor die
Anziehungskraft Sansibars und die Einflussnahmen europäischer Kolonialmächte
unter dem Deckmantel der Bekämpfung des Sklavenhandels. Behutsam führt der
Autor im Kapitel "Sansibar vor und um die Zeit von Said bin
Sultan" an die Interessenkonflikte in und um Sansibar heran und
geleitet den Leser auf eine fiktive Reise zum Museum der Insel-Hauptstadt,
wo die "Memoiren einer arabischen Prinzessin" liegen, "die
ihrer Heimat, ihrer angestammten Welt entfloh, um die Frau eines Hamburger
Überseekaufmanns zu werden. Von welcher Welt hatte sie Abschied genommen,
Abschied von Familie, Religion und Tradition? Schien nicht der Lebensweg
einer Sultanstochter, die, von Scharen von Bediensteten und Arbeitern (meist
Sklaven) umsorgt, in Land- und Stadtvillen höchst angenehm wohnte, in einer
islamisch-feudalen Gesellschaft vorherbestimmt?" (11)
Die Antwort darauf gibt der Autor nicht sofort. Zunächst geht er auf
die Geburt der Prinzessin als Tochter Said bin Sultans und seiner
tscherkessischen Nebenfrau Djifân ein und skizziert im nötigen Umfang die
geschichtliche Entwicklung Omans und Sansibars. Der Herrscher bekämpfte
Sezessionsbestrebungen seiner Untergebenen an der ostafrikanischen Küste,
machte sich für den Gewürznelken-Anbau in Sansibar stark und verpflichtete
sich ab 1839 vertraglich, den Sklavenhandel zu bekämpfen. Aber erst nach
dem Tode von Said bin Sultan (1856) entwickelte sich die Hauptstadt des
Inselreiches Sansibar zu einem Knotenpunkt des Welthandels. So führte der
britische Forscher und Diplomat Richard F. Burton u.a. vier Millionen kg
Sesam-Saaten, 800 000 kg Kokosnüsse, 240 000 kg Elfenbein und 2.5 Millionen
kg Nelken an. Burton lernte auch jenen Hamburger Kaufmann kennen, der die
Flucht der Prinzessin Salima nach Aden auslöste, "ein Entschluß,
diktiert von einer sensationellen Liebe zu dem Kaufmann Heinrich Ruete und
von Angst vor gewaltsamen Tod." (17) Im Kapitel "Ausbruch aus der
alten Welt" (19-26) schildert Julius Waldschmidt zunächst den Tod des
Vaters Said und die darauf folgenden Thronrivalitäten seiner Söhne.
Prinzessin Salima nahm an diesen Streitigkeiten aktiv Anteil. Madschid bin
Said veranlasste schließlich ihren Umzug von der Plantage Bububu in die
sogenannte Steinstadt von Sansibar, wo sie den 27jährigen Kaufmann Ruete
kennenlernte. Hatte ihr Bruder die Verbindung toleriert, so änderte
sich dies, als die Prinzessin von Heinrich Rudolph Ruete ein Kind
erwartete. "Die Verbindung mit einem Christen und deren Folgen machten
nach islamischer Anschauung die junge Frau todeswürdig." (21) Eingehend schildert der Autor dann den Verkauf des Eigentums
Salimas und ihre Flucht im Jahr 1866, sowie die Befürchtungen der europäischen
Händler, die Flucht der Prinzessin könnte ihren Geschäften mit ihrem
Bruder Madschid schaden. Doch der Sultans Sansibars und Omans
erwies sich als großzügig. Er gestattete seiner Schwester, den Erlös
ihres Erbes nach Deutschland zu transferieren. Ruete folgte seiner
Geliebten nach Abwicklung seiner Geschäfte in Sansibar nach Aden nach. Der
Tod ihres Sohnes Heinrich überschattete die Hochzeit, die in einer
englischen Kapelle nach anglikanischem Ritus stattfand. Salima oder Bibi
Salme konvertierte noch vor der Hochzeit zum Christentum. Doch ihre ersten
Erfahrungen mit Europa sind zwiespältig. Nach der Geburt ihrer Kinder
Antonie, Said und Rosalie verstarb am 2. August 1870 plötzlich ihr Ehemann
bei einem Verkehrsunfall. Salima, nunmehr Emily Ruete war auf sich allein
gestellt. Doch erst 12 Jahr nach dem Tod ihres Ehemanns wurde sie
Staatsan-gehörige des Deutschen Reiches. Das geltende Recht bestimmte,
"die Witwe unter Vormundschaft zu stellen und im Fall Ruete soagr die
Personen- und Vermögensfürsorge auszuüben." (26) Im Kapitel "Im
Räderwerk der Großen Politik" schildert J.W. die Bemühungen von
Salme-Emiliy Ruete, für sich und ihre Kinder ein Auskommen zu finden.
Umfassend werden die Bemühungen der Prinzessin dargestellt, ihre Ansprüche
an ihre Verwandten in Sansibar durchzusetzen. Offensichtlich ist, dass Emily
Ruete alle Register ziehen konnte. Die Kaiserin, Kanzler Bismarck, den
Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha und andere spannte sie in ihre Bemühungen
ein. Im Kapitel "Fährten - Foscher - Faktoreien" und im
nachfolgenden Text zeichnet der Autor ein Bild deutscher Kolonialpolitik in
Ostafrika von den sechziger bis zu den neunziger Jahren des 19.
Jahrhunderts. In "Vorspiel zu einem Flottenaufmarsch" (45-51) bemühte
sich Emily Ruete erneut, "ihre Ansprüche im Interesse einer
gesicherten Zukunft ihrer Kinder ‘höheren Ortes‘ in Erinnerung zu
rufen. ... Dem Reichskanzler war, wie man unter den Eingeweihten allmählich
wußte, der Vorschlag zugetragen worden, den deutsch-arabischen Enkelsohn
des legendären Sultans Said bin Sultan als Thronprätendenten ins
politische Kartenspiel zu mischen." (45) Diese Überlegungen führten
fast zu einem Flottenaufmarsch der deutschen Kriegsmarine.
Die Kapitel "Die Reichsinteressen und ein Paar schöne Augen"
(53-62), "Kapitän Herbig in geheimer Mission" (63-68) und
"Keine Kanonade vor dem Sultanspalast" (69-80) umreissen die
kolonialen Ambitionen des Deutschen Reiches, die schließlich 1885 vom
Erfolg gekrönt sind. Im Jahr 1888 besuchte Emiliy Ruete ein letztes Mal
ihre Heimat Sansibar. "Als Frau Ruete wieder in der Heimat ankommt und
die Schritte, die sie zu tun gedenkt, nochmals erwägt, ist ihr familiäres
Problem im Berliner Auswärtigen Amt eigentlich zu den Akten gelegt worden.
... Die arabische Dame, einst ein ‘nützliches Argument‘ für
Landerwerb, ist zum Störfaktor geworden, den man am besten
neutralisiert." (83) Den Fall erneut aufzugreifen, widersprach der Rücksichtnahme
gegenüber Großbritannien in kolonialen Angelegenheiten. Frau Ruete, die
lange in der Politik mitgemischt hatte, war lästig geworden. "Das
leise Finale eines Lebens" (95-99) beschreibt die letzten
Lebensjahrzehnte der Prinzessin und ihren Tod am 29. Februar 1924 in Jena.
Es folgen Anmerkungen, ein Personenverzeichnis, Literaturhinweise und der
Bildnachweis. Wie alle Cognoscere Historias-Bände ist das Werk von Julius
Waldschmidt bestens mit Fotos, Zeichnungen und Dokumentenreproduktionen
illustriert. Fazit: Ein sehr empfehlenswertes, mit Liebe zum Detail
recherchiertes Buch über ein Frauenschicksal in der Fremde und im Räderwerk
der Großen Politik.