Franziska Trauth

 

Der Kranichring

 

Besprechungen

2019, Novelle, 113 S., ISBN 978-3-86465-119-9, 12,80 EUR

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Besprechung von Günther H.W. Preuße, Mai 2019

 

In einer mystischen Deutung des Kranichs heißt es, er sei der Vogel, der den Menschen ins Jenseits bringt, und als Storch bringe er ihn wieder ins Leben. Er begleitet den Menschen durch die Zeit. Jede Begegnung mit ihm ist von hoher Bedeutung.

So erlebte es auch Alma, die Protagonistin des neuen Buches von Franziska Trauth. Alma - gleichsam wohl ihr Alter Ego.                                                

Angelangt am Anfang ihrer Sechziger Jahre, findet sie sich während einer Reise noch einmal in Budapest. Der Gellertberg, die Fischerbastei, die Donau, der nahe Zauberort Szentendre Hier, so erinnert Alma, fand sie einst ihren Kranich. In Gestalt eines Ringschmuckes, Verehrt damals von ihrer ungarischen Sommerliebe Laszlo Im letzten unbeschwerten Jugendsommer

Es ist die beunruhigende Ähnlichkeit mit ihm, die nun von diesem Reiseführer heute ausgeht, den Alma beobachtet, beargwöhnt. Der ihren zögernden Blicken ausweicht. Ist er der Mann von damals? Um mehr als 40 Jahre gealtert? Seine Stimme, die Gestalt, manche Gestik Vieles stimmt. Steckte er ihr diesen Kranichring damals an den Finger? Mit ihm sollte das Lebensglück seinen Lauf nehmen. Auch die Liebe. Vor allem aber der Weg in ihren künftigen Beruf als Schauspielerin.

Es ist der Novellen eigen, ein nur kurzes Stück Literatur zu sein. Insofern verbietet sich hier eine ausladend fast gänzliche Wiedergabe der stimmungsvollen Erzählung. Die immer wieder vom Heute ins Gestern und zurückführt.

Der Kranich jedoch steht durchgängig als Metapher für das, was einmal Heute war und zur Vergangenheit wurde. Ein Zugvogel, der zweimal im Jahr in gegensätzliche Richtungen reist. Immer schenkt er uns die Phänomene der Hoffnung, des Mutes, der Freude und der Trauer. Sein Erscheinen, sein Verschwinden weckt unsere Erinnerungen an gelebtes und die Freude auf noch erwartetes Leben.

Dies vermag er, wie Franziska Trauth es in ihrer Novelle nachfühlsam schildert, selbst als Gravur, als schmückende Kunstfigur an einem Fingerring. Als ein von ihr, wie sich zeigte, nur unzureichend gehüteter schützender Begleiter.

Jedes Ding, so heißt es, hat nur jene Bedeutung, die wir ihm zumessen. Oder geht die Bedeutung doch von den Dingen selber aus? Fast will es so scheinen, bei Almas Deutungen seines Verschwindens und nun unerklärlichem Wiedereintritt in ihre Gegenwart, am Finger dieses Reiseführers.

Weckt er diesen ungerufenen Gedankenstrom aus Rückschau, Bilanz und Vorausblick Jede Leserin, jeder Leser kennt dieses Seelengeschehen von sich selbst, soweit bereits zwei Drittel der für sich erhofften Spanne gelebt sind. Die Erinnerung an unvergessenen Orte ferner Jugendlieben, die nicht von Bestand sein konnten. Duft und Klang jener Stunden und Tage              

Die Autorin unternimmt manchen wunderbaren Kameraschwenk der aus diesem fernen lichten Jugendjahr ihrer Alma, über manches Kopfsteinpflaster nachfolgender Wege, zu einigen Plätzen und Menschen führt, die hiesig beheimateten Leserinnen und Lesern nicht fremd sind. Letztlich wird ein Leben erzählt.

Dieses lesend zu begleiten lohnt immer. Besonders DER KRANICHRING vermag dies auf besondere Weise. Bewahrt er sein Geheimnis bis zum Schluss? Die brodelnde, düstere Donau gibt die Antwort nicht.                     Vielleicht steckt sie ungedeutet in den geheimnisvollen Illustrationen von Teresa Trauth. Womöglich ist SIE Alma?

Wieder ein typisches, gar spannendes Franziska-Trauth-Buch!                   

Was vom Rezensenten durchaus als herzliches Kompliment gemeint ist. 

 

 

Besprechung von Silvia Friedrich, Mai 2019

 

Magische Reise

 

Man wird sofort hineingezogen. Schon auf der ersten Seite im "etwas anderen Vorwort" bleibt der Leser hängen, um dem dort Gesagten zu folgen. Was hat es mit den drei Nonnen auf dem Fahrrad auf sich, die verfolgt werden von einem jungen Mann mit Kreuztätowierung auf dem Rücken? Die in der Nähe von Weimar geborene Autorin und ehemalige Studiendirektorin eines Berliner Gymnasiums, Franziska Trauth, legt mit ihrer Novelle "Der Kranichring" aus dem Trafoberlin Verlag eine mitreißende Erzählung vor, in der der Leser mitgenommen wird auf eine Flussreise die Donau entlang. Die Protagonistin Alma glaubt unterwegs einem Menschen ihrer Vergangenheit wieder zu begegnen, ist sich jedoch nicht sicher. Diese denkwürdige Begegnung führt zu einer Reise durch die Zeit und durch die Jugend, ja das gesamte Leben Almas. Nach und nach fächern sich die Lebensabschnitte Almas auf. Welche Rolle der geheimnisvolle Kranichring dabei spielt, muss der Lesende selbst herausfinden. Verfügt er tatsächlich über magische Kräfte? Dass die Autorin in der deutschen Literaturgeschichte zuhause ist, spürt man fast auf jeder Seite. So ist es auch eine Exkursion durch Szenen der bedeutendsten Werke der deutschen Literatur, die geschickt mit der Handlung verwoben wurden. Die Tochter der Autorin, Teresa Trauth, illustrierte das Werk mit symbolträchtigen Aquarellbildern.

Vielleicht ergeht es den Lesenden wie der Hauptfigur Alma, denn diese wird durch die Reise verändert. Eine poetische Exkursion in die Vergangenheit, zu Jugendträumen und magischen Situationen im Leben, die jeder bei sich selbst erinnern wird.