Rucksackschwimmer. Reisebilder lieferbar => Zu den Leseveranstaltungsinformationen von Franziska Trauth
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2017, 169 S., mit Illustrationen von Teresa Trauth, ISBN 978-3-86465-083-3, 12,80 EUR |
Rezension zu
RUCKSACKSCHWIMMER von Günther H. W. Preuße, 10.05.2017
Der
Titel – tatsächlich ein Wort, das ich zeitgemäß googelnd bislang nur im
Zusammenhang mit Franziska Trauth fand. Sie ist die
Wortschöpferin und Autorin ihres gleichbetitelten neuen Buches.
Der RUCKSACKSCHWIMMER aus der letzten Geschichte ihrer Sammlung
wird zur Metapher für jede Lebens- oder Erfahrungslast, die ihre
Protagonisten in den übrigen Kapiteln durch die Zeit tragen.
Es ist ein ganz typisches Franziska Trauth-Buch.
Goethe und Menschen seines Umkreises erscheinen, zumindest schattenhaft,
immer wieder in den Erzählungen der Autorin. So auch hier. Statt eines
Vorwortes eröffnet sie ihren Band RUCKSACKSCHWIMMER - Reisebilder
mit einer wahren Begebenheit, dem nächtlichen Sturz der alten
heimatlichen Goethe-Eiche im Frühjahr 1989. Ein Zeichen? Dafür, dass
sich mit ihrem Niedergang bald auch alles andere ändern wird?
Immer wieder also Franziska Trauths Affinität zu Goethe. Im
Fortgang des Buches meint sie den Dichter (fast als Zeitenwanderer nach
Ahasver‘scher Manier) gar im Gesicht eines Priesters in Rom zu erkennen. Und
wie sehr ähneln die ihm aufgebürdeten heutigen Lasten jenen von seinen
Weimarer Nöten Geflohenen damals. Wie sehr, so durchschimmert es das ganze
Buch, gleichen unsere durchlittenen Nöte überhaupt immer auch denen der
anderen. Das Panorama des Lebens ist rund und irgendwo befindet sich die
nicht fassbare Stelle, ab der sich alles wiederholt, um uns und mit uns.
RUCKSACKSCHWIMMER
erschien mir lesend wie eine Gedanken-Furt durch Zeitstrudel. Ein Durchgang
aus einer Lebensepoche heraus – hin zur nächsten. Ein Reflektieren und
Resümieren dabei von Erlebnissen aus Jahren vor- und nach der WENDE im Osten
Deutschlands.
In ihrem Vorgängerbuch (Wahlverwandt) schildert Franziska
Trauth das entschlossene Aufräumen einer Lehrerin an einem
Spätsommervormittag, als nahezu erste pragmatische Handlung im erreichten,
noch ungewohnten Ruhestand. Skripte, Notizen, vieles fliegt in die Tonne.
Aber – welche Macht lässt sie innehalten und eine Handvoll Seiten zum
Darstellenden Spiel
in der Hand behalten? Ein von ihr einst verfasstes Schülerstück. Nicht
von allem gilt es sich zu befreien.
Der Bewältigungsprozess des eigenen und des höheren Zeiten- und
Weltenwechsels gewinnt in RUCKSACKSCHWIMMER weiter an Fahrt. In
Reisenotizen, Beobachtungen, Erinnerungen reflektiert die Autorin in Gestalt
ihrer Protagonisten das Phänomen der seltsamen Revolution mit Mauerfall, die
bald folgenden Wiederbegegnungen lange getrennter Menschen, ihr so ganz
verschiedenes Wahrnehmen von Wertigkeiten. Sie übt sich auf lang versperrten
Wegen und Wassern in der Sicht des Neuen – aus dem Blick derselben Augen.
Sie tut dies, beladen mit ihrem Rucksack Erfahrung aus bisher gelebtem
Leben.
Den Leser dieses Buches beschleicht manches Bild eigener Jahre und
Assoziationen. Erste Reisen nach 1989, erste Begegnungen und Gespräche mit
Westdeutschen. Neugier und Enttäuschungen. Ja – dieses Resümieren ist noch
lange nicht vorbei. Mir stellte sich plötzlich die Frage: Welches
merkwürdige, magische oder katastrophale Ereignis wird Deutschland
irgendwann erneut auf den Kopf stellen? Und mit welchen Folgen dann?
Die Rucksackschwimmer der Franziska Trauth legen
selbstbetrachtend ihre Lasten offen. Aber sie legen sie nicht ab. Sie
schultern sie neu und ziehen weiter. Hinein in den Rest ihrer Zeit. Auf –
wie es im Buch heißt –
ihren Reisen zu sich selbst.
Franziska Trauth
schuf in ihren Reisebildern beeindruckende Miniaturerzählungen, die aus
einem in frühen Jahren vielleicht oft gezügelten, nun frei möglichen
Tiefenblick entstanden. Unbeirrt von falschem Glanz und Show erkennt sie auf
dem Rücken ihrer Zeitgenossen immer ihren Rucksack, ohne den niemand ist.
Das Buch ist von Teresa Trauth begleitend schön bebildert und
erfährt zwischen den Geschichten aus Kindheit und Gegenwart in zahlreichen
Gedichten von Franziska Trauth besondere lyrische Wegmarken.