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Schwanitz, Wolfgang G.: “Islam in Europa, Revolten in Mittelost. Islamismus und Genozid von Wilhelm II. und Enver Pascha über Hitler und al-Husaini bis Arafat, Usama Bin Ladin und Ahmadinejad sowie Gespräche mit Bernard Lewis”, 2013 [= Amerika - Mittelost - Europa. Regionalhistorische Komparatistik: Politik, Wirtschaft, Militär und Kultur, Band 2], 2013, 783 S., 150 Abb., 100 Dok., ISBN 978-3-86464-018-6, 94,80 EUR
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Besprechung von Eckard Bieger (explizit.net) Wolfgang G. Schwanitz dokumentiert Hauptlinien der Geschichte Was wie eine islamische Naturgewalt daherkommt und für europäische Augen direkt aus dem Islam zu entspringen scheint, ist von Menschen ausgedacht und hat seine Wurzeln auch in deutschem Gedankengut, vor allem im Hass gegen die Juden. Seit dem Kaiserreich und bis in die achtziger Jahre spielt Deutschland eine entscheidende Rolle. Dabei verhalten sich Europa und Nahost wie zwei kommunizierende Röhren. Schwanitz zeigt über 120 Jahre hinweg, wie die Konflikte Europas und später der zwei Blöcke Ost und West im Kalten Krieg mit den Vorgängen in Nordafrika und Mittelost verbunden sind. Besonders ausgenutzt wurde der Jihad im 19. Jahrhundert. Das war zu einer Zeit, als die türkischen Osmanen den Nahen Osten kontrollierten, als sich bereits das saudische Königshaus zu etablieren begann und als sich ein arabischer Nationalismus formte. Die europäischen Mächte versuchten unter den benachbarten Muslimen ihre Einflusszonen abzustecken. Da Deutschland im Nahen Osten keine kolonialen Ansprüche durchsetzen konnte, war es für die Türken, Araber, Iraner und andere Muslime ein willkommener Gesprächspartner, zuerst im Ersten, dann im Zweiten Weltkrieg. Deutschland wollte dort durch Aufstände der Muslime Truppen Englands und Frankreichs binden. Wilhelm II. vereinbarte eine Kooperation mit dem Sultan der Osmanen und später mit den Jungtürken. Die Deutschen, dafür steht der Name Max von Oppenheim, bauten ein System von Lesesälen, 75 an der Zahl, im Reich der Osmanen auf, um die alten Ideen von Heiligem Krieg, konkret Aufstände und Terroranschläge, modern unter die Leute in deren Sprachen zu bringen. Die Jungtürken waren nationalistisch orientiert und damit gegen alles Nicht-Türkische. Sie wollten sowohl Armenier wie Juden aus ihrem Reich vertreiben oder besser gleich ausrotten. Deutschland nahm den Genozid an den Armeniern „in Kauf“, Wilhelm II. verhinderte den an den Juden. Die von den Deutschen gegründeten Propagandastellen arbeiteten in der Zwischenkriegszeit weiter. Hitler fand dann in dem Großmufti von Jerusalem Amin al-Husaini, einen Kooperationspartner. Dieser hatte nicht nur das Ziel, aus den englischen und französischen Mandatsgebieten einen großsyrischen Staat zu formen, sondern vor allem den Aufbau eines jüdischen Staates zu verhindern. Diese Ziele waren mit einem Vernichtungswillen verbunden, der sich nicht allein politisch erklären lässt. Es trafen sich zwei Gleichgesinnte, für die die Vernichtung der Juden erstes Ziel war. Al-Husaini hielt sich 1941 in Berlin im Hinblick auf die Wannseekonferenz auf. Der Autor zeichnete die wiederholte Um-Terminierung dieser Konferenz zur „Endlösung“ der Judenfrage minutiös nach und zeigt die weitreichenden Konsequenzen: Um den sich abzeichnenden Judenstaat nicht stark zu machen, verhinderten die Nationalsozialisten in Absprache mit al-Husaini die Ausreise der osteuropäischen Juden. Noch war Deutschland im Siegesrausch und beide Seiten erwarteten, dass die deutschen Truppen über den Kaukasus bis zu den Ölfeldern im Zweistromland vorstoßen würden. Al-Husaini blieb bis in die sechziger Jahre aktiv und ist als Ziehvater von Yasir Arafat zu sehen, der 1965 die politische Bühne betrat. Auch deutsche Diplomaten und Altnazis blieben nach dem Zweiten Weltkrieg im Nahen Osten aktiv, teils unter arabischem Namen. Das mündete organisch in die Terror-Politik der Fatah. Usama Bin Ladin ist dann kein zufälliges Ereignis mehr, sondern steht in einer Entwicklungslinie, die die Auslöschung Israel als Ziel des Islamismus deklariert. Dass dann die Staaten, die Israel unterstützen, ebenso mit Terror bekämpft werden müssen, ist eine logische Weiterentwicklung der Ursprungsidee. Diese langjährige Kooperation zwischen Deutschland und auch arabischen Vertretern des Terrors endete nicht mit der Anerkennung des Staates Israel und den Reparationszahlungen, die Konrad Adenauer vereinbarte. Im Ost-West-Konflikt war es dann vor allem die DDR, die den Terror der Fatah durch politische Anerkennung, ihre Diplomatie und Waffenlieferungen und unterstütze. Russland zeigte sich nicht viel zurückhaltender. Die Lektüre bewirkt eine erhebliche Verschiebung der Koordinaten in der Beurteilung des Nahen Ostens und seiner Terrorgeschichte, ob das Attentat bei den Olympischen Spielen in München, die Flugzeugentführungen oder die Wellen der Intifada waren – überall steckt gleichwohl deutsches Gedankengut und Kollaboration dahinter. Es ist dann nicht verwunderlich, dass deutsche Terroristen so einfach im Nahen Osten Aufnahme fanden, diplomatisch hatte die DDR den Boden gut vorbereitet. Der Leser sollte sich durch die Dokumente durcharbeiten, um erst einmal die Zusammenhänge Schwarz auf Weiß zur Kenntnis zu nehmen und sich darüber klar zu werden, dass der Nahe Osten nicht irgendwo am Rande des Mittelmeeres liegt, sondern seit der Kaiserzeit mit Deutschland gemeinsame Ziele verfolgen konnte und über Jahre, auch in Westdeutschland, Büros unterhalten konnte. Vor allem verliert die Aussage des vormaligen Präsidenten Irans ihr Überraschungsmoment, dass Israel ausradiert werden müsse. Das einigt nicht nur Araber und Iraner, es ist erstes erklärtes Ziel der Terrorakte von Jihadisten. Wenn der Autor die Ereignisse bis in die Gegenwart aufrollt, wird die ungebrochene Entwicklungslinie des Jihad deutlich. Zwar hat die Bundesrepublik die antijüdische Politik nicht offen weiter verfolgt, jedoch kaum etwas dafür getan, der Terror-Idee geistig etwas anderes als Entrüstung entgegenzusetzen. Erstaunlich ist auch der verengte Horizont deutscher Historiker, die meinen, eine deutsche Geschichte im Zusammenhang mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg schreiben zu können, ohne die Aktivitäten eines Max von Oppenheim, der die Propaganda im osmanischen Einflussbereich organsierte oder ohne al-Husaini, der seine tödlichen Gedanken noch im Kalten Krieg an die nächste Generation der Terroristen weitergeben konnte. Das als ein sehr kursorischer Überblick. Wer die Darstellung des Autors, die im Einzelnen durch Archivmaterial belegt werden, gelesen hat, ist erstaunt, welches Nahost-Bild durch die Medien täglich vermittelt wird. Die Vorgeschichte mit der Verstrickung Deutschlands in den Terror scheint auch in den politischen Diskussionen ausgeklammert zu sein, wohl nicht zuletzt deshalb, weil die Bundesrepublik die Diplomaten aus der Hitlerära weitgehend übernommen hat. Diese dürften kein Interesse daran gehabt haben, dass die Verwicklungen Deutschlands in den islamistischen Terror bekannt würden. Auch grüne oder SPD-Außenminister tragen ihre Brillen, durch die sie den Nahen Osten betrachten. Das ist besonders deshalb gravierend, weil Deutschland faktisch keine politischen Ideen entwickelt hat, wie mit dem Jihad und den Intifada-Aufständen umzugehen wäre. Mit diesem Buch dürfte es aber ein Ende damit haben, dass bei parlamentarischen Beratungen wie bei der Einschätzung der Entwicklungen durch Journalisten der islamistische Terror wie von einem anderen Stern herkommend beschrieben wird. Vor allem das Auswärtige Amt muss die Vorgeschichte aufarbeiten und es muss aufgeklärt werden, wie und durch welche deutsche Diplomaten die Aufwiegelung zum Jihad auch nach dem Zweiten Weltkrieg weiter ging. Nur wer die Entstehung des Jihad mit seinem Ziel der Vernichtung des jüdischen Staates oder der Verdrängung Andersgläubiger wie Christen kennt, wird auch Konzepte entwickeln können, wie diese überwunden werden können. Da der Terror weiter die Köpfe der Jihadisten beherrscht, zwingt das Buch, die Entwicklung gründlicher zu studieren und es nicht bei der Einhegung der Terrorgruppen zu belassen. Will man die Hinwendung zum Terror gegen Andersdenkende und die Idee, Israel zu beseitigen, aus den Köpfen wieder herauslösen, muss man erst einmal verstehen, wie sie in die Köpfe gelangt ist. Das Buch ist in einer nüchternen Sprache verfasst, es lässt sich eigentlich flüssig lesen, würde es nicht die Augen für Entwicklungslinien öffnen, die das deutsche Geschichtsbild in andere Koordinaten transformiert. Wer sich die Mühe macht, auch die Dokumente über wichtige Verhandlungen, Verträge, Vorgänge zu studieren, wird sich der Lektüre des ganzen Bandes nicht mehr entziehen können. Er wird mit der Einsicht entlassen, dass der Terror im Nahen Osten und global gar nicht so irrational ist. Dafür wird dieses Buch sicher zum Standardwerk werden und nicht als sog. Sekundärliteratur bald von neuen Publikationen überholt werden. Denn kaum jemand wird sich die Arbeit machen, die Archive nicht nur des deutschen Außenamtes sondern auch Russlands und Arabiens zu durchforsten. Das Buch gehört in jedes historische Seminar, aber auch in die politischen Redaktionen der Zeitungen. Der Auswärtige Ausschuss des Bundestages wird sich sicher dafür interessieren. Ob es den Weg bis ins Auswärtige Amt schafft, bleibt abzuwarten. Wer auf der Suche nach einem Thema für eine Dissertation ist, wird dieses Buch als Primärliteratur nutzen.
[Wir danken dem Autor für die Abdruckgenehmigung]
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Rezension von Klaus Jaschinski für geschichte.transnational und H-Soz-u-Kult von: Klaus Jaschinski,Deutsch-Ägyptische Gesellschaft Berlin e.V.
"Dieses Buch lotet den Islam in Europa und die Revolten in Mittelost aus" (S. ix), so der Einstieg des Autors. "Global ist es 'fünf vor zwölf': Demokratien sind belagert. Eine heftige Debatte dreht sich um den Islamismus, aber zu wenige äußern sich frei." (S. x) So gesehen gewiss ein Buch zur rechten Zeit angesichts der gegenwärtigen Vorgänge in Nah- und Mittelost und den mit lautem moralischen Gedöns untermalten, eher unbehol-fen und chaotisch wirkenden Reaktionen in Europa und den USA darauf. Gemessen an der Fülle von Literatur und Berichten anderer Medien, die das Geschehen in dieser Unruheregion im Laufe der Zeit in vielerlei Hinsicht beleuchteten und dabei bis hin zur Panikmache alle Register zogen, stellt sich natürlich die Frage, was lässt sich dem denn noch an wirklich Neuem hinzufügen? Direkt benannt werden drei Neuheiten: (1) Wie der Islamismus in Europa und in Mittelost in den letzten beiden Jahrhunderten aufkam und wie er in der Berliner Islampolitik gegen die Rivalen in der Welt- und Kriegspolitik in Mittelost Verwendung fand. (2) Eine Zusammenschau von 110 Jahren Interaktion von 1896 an, als Kaiser Wilhelm II. seine Berliner Islampolitik ersann, bis 2012, als das Revoltenjahr in Nah- und Mittelost im Wahlsieg der Islamisten mündete, und (3) wie überhaupt die Islampolitik der deutschen Reiche und Republiken beschaffen war und wirkte vom Kaiserreich an bis in die Zeit nach dem Kalten Krieg. Den Rahmen dafür bilden 10 Kapitel, angefangen mit einem Gesprächsecho auf eine Schlagzeile, für die Bernard Lewis 2004 Anlass gegeben hatte und die besagte: "Europa wird am Ende des Jahrhunderts islamisch sein."(S. 2) Wenn sich die Mehrheit der hier lebenden Bürger dann zum Islam bekennen würden, was soll's, könnte man meinen. Beherrschender Tenor im Gesprächsecho sind aber nicht Religionsgruppenwachstum und Migration mit daraus erwachsenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Konsequenzen schlechthin.
Weit mehr heben die Reaktionen auf eine konfrontative Wahrnehmung ab, wo der Gewinn des einen nur den Verlust des anderen bedeuten kann, wo Gefahr lauert und Bedrohung an der Tagesordnung ist. Vieles von dem, was da an Gedankengängen in den letzten Jahren so ins Kraut schoss und für Furore sorgte, lässt der Autor hier Revue passieren, betont aber zugleich, dass daneben auch eine seriöse Debatte in Gang gebracht worden sei, die ergebnisorientiert geführt werden kann. Im zweiten Kapitel wird auf "Wilhelm Islampolitik" eingegangen. Islampolitik - eine Bezeichnung, die ziemlich hochgegriffen scheint für die kaiserliche Orientpolitik speziell gegenüber dem Osmanischen Reich. Die deutsche Hinwendung nach Konstantinopel resultierte schließlich nicht so sehr aus strategischer Weitsicht, sondern mehr aus strate-gischer Not heraus. Erste Wahl als Verbündeter war der osmanische Sultan und sein im Niedergang begriffenes Reich für Wilhelm II. ganz gewiss nicht gewesen. Und auch der Sultan griff auf das zurück, was er bekommen konnte, zumal eine Koalition wie im Krimkrieg zur Abwehr der zaristischen Territorialgier nicht mehr zu bilden war. Folglich war das, woran man in Berlin Interesse zeigte, nicht der Islam als solcher, sondern eigentlich die "Islam-Waffe"; der Jihad also. Ihn unter Ausnutzung der gege-benen Botmäßigkeitsstrukturen für sich im Falle kriegerischer Auseinandersetzung zu nutzen, stand oben auf der Agenda. Sicherlich hatte es einen Reiz, 300 Millionen Muslime als Gefolgschaft des Sultans auf seiner Seite zu wissen. Man dachte simpel: Der Islam bot sozusagen die Beschwörungsformeln und der Sultan-Kalif die erforderliche Autorität, um mit dem Jihad eine Art Wunderwaffe zum Einsatz zu bringen. Gefrönt wurde dem Gedanken, einfach so einen Schalter umlegen zu können, um aus Massen von Muslimen eine fanatische Totschlägertruppe rekrutieren zu können. Dass das am Ende kriegsentscheidend sein könnte, daran glaubten jedoch weder der Kaiser noch seine Generäle. Schließlich wollten sie die Entscheidung nicht im Orient, sondern anderenorts erzwingen.
Wie der Autor einschlägig belegt, war man sich in Berlin aber auch darüber im Klaren, dass man damit eine Büchse der Pandora öffnen konnte, was gerade christliche und andere nicht-islamische Minderheiten im islamischen Einzugsbereich arg in Mitleidenschaft zu ziehen drohte. Ein Risiko, das man dennoch zu wagen gewillt war, vor allem nachdem der Blitzkrieg als gescheitert betrachtet werden konnte. Religiöse und ethnische Minderheiten, Muslime eingeschlossen, zu rekrutieren und mit solchen "Mordbuben aus Busch und Steppe" auch gegen gute Christenmenschen zu Felde zu ziehen, war bei den Entente-Mächten längst gängige Praxis. Wie sehr man sich in Berlin in die Jihad-Idee hineinsteigerte und in welchen Größenordnungen man schwelgte, zeigt u.a. der vorgestellte Jihad-Plan von Max von Oppenheim. Die Praxis sorgte allerdings schnell für Ernüchterung. Der Einsatz der "Islam-Waffe" beeinflusste den Kriegsverlauf kaum. Überdies erschien der Obersten Heeresleitung bald eine andere Wunderwaffe erfolgversprechender - die "Bolschewismus-Waffe". Und in der Tat zeitigte sie Resultate, die sich politisch und militärisch handfest verwerten ließen. Allerdings in puncto der gehegten Befürchtungen enttäuschte die "Islam-Waffe" nicht, wie den Darstellungen zum entfesselten Massenmord an der armenische Minderheit zu entnehmen ist.
Namentlich benannt wird eine ganze Reihe von Personen - Deutsche, Türken, Araber und andere - , die als Protagonisten der "Islam-Waffe" in Erscheinung traten und bei jeder nur passenden Gelegenheit ins Räderwerk der großen Politik zu greifen suchten. Auch wenn der Ausgang des Krieges ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack war, die Gege-benheiten der Nachkriegsordnung entzogen ihnen mitnichten den Boden. Das Osmanische Reich als Krisen- und Konfliktherd war wohl untergegangen und mit dem Sultan-Kalif eine wichtige Autorität und Institution verschwunden, doch taten sich umgehend neue Krisen- und Konfliktfelder auf, die das Wirken dieser Protagonisten geradezu befeuerten. Wie dies geschah, welche Neuerungen auftraten, wo Kontinuitäten in Denk- und Handlungsweisen zu verzeichnen waren und zu welchen extremen Auswüchsen es weiterhin kam, wird in den nachfolgenden Kapiteln erhellt von der Versailler Nachkriegsordnung an über das Dritte Reich, den zweiten Weltkrieg, den Kalten Krieg bis hin zum "Arabischen Frühling" und die von ihm bewirkten Turbulenzen. Deutlich wird, dass die hier involvierten Protagonisten bei allem Zulauf und Abgang einen ziemlich exklusiven Klub bilden, der, wie anpassungs- und wandlungsfähig er auch immer wahrgenommen werden mochte, stets im Vorhof der Macht agieren konnte. Und bei allem heilsbringerischen Getue versäumten sie es nie, auch ihr eigenes Süppchen zu kochen. Sehr gelegen kam ihnen dabei der Umstand, dass es nie an Politikern, Militärs und sogenannten Experten mangelte, die glaubten, mit ein und der selben Tour dort Erfolg haben und "gute Deals" machen zu können, wo andere vor ihnen schon zig Mal gescheitert waren. Das aktuelle Geschehen in und um Afghanistan führt dies deutlich vor Augen.
Im letzten Kapitel werden Leben und Werk von Bernard Lewis vorgestellt und gewür-digt. In der Tat ein Grandseigneur der modernen Orientalistik, der das Wissen um Vor-gänge und Verstrickungen in Nah- und Mittelost nicht nur merklich bereicherte, sondern stets auch weiterführende Diskussionen anzustoßen wusste.
Gestützt auf zahlreiche Dokumente gewährt der Autor insgesamt einen tiefen Einblick in das Phänomen "Islamismus" unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Ver-strickung damit. Er leuchtet eine Vielzahl von Facetten aus, verweist auf Akteure und ihre Handlungen, entwirft und beurteilt Szenarien und macht Herausforderungen kennt-lich, denen es sich künftig zu stellen gilt. Wer aber soll's nun richten? Appelle an die Politik erscheinen durchaus opportun, wirken aber ebenso abgedroschen. Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich doch einmal mehr bewahrheitet, was man in der Antike schon wusste: Mit Leuten, die dem Alten verhaftet sind, lässt sich halt kaum Neues bewerkstelligen! Vielmehr sollte sich hier wohl die Zivilgesellschaft gefordert sehen und ein neues Betätigungsfeld bekommen. Allemal besser, als einer abendländischen Schulterschlusslo-gik zu huldigen, wie einst, als darum ging, die Türken vor Wien abzuwehren.
Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:Katja Naumann knaumann@uni-leipzig.deDiese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums geschichte.transnational geschichte-transnational.clio-online.net, German, Regionaler Schwerpunkt: Europa, Vorderasien, 1871-1914, 20. Jahrhundert, 1990-, Vergleichende Geschichte, Kulturgeschichte und -wissenschaft, Religionsgeschichte und -wissenschaft, Politikgeschichte und -wissenschaft http://geschichte-transnational.clio-online.net/rezensionen/id=21142 Copyright (c) 2013 by H-Net, Clio-online, geschichte.transnational, and the author, all rights reserved.
[Wir danken dem Autor für die Abdruckgenehmigung] |
Besprechung von Lionel Gossman is the M. Taylor Pyne Professor of Romance Languages emeritus, Princeton University. Islam in Europe, Revolts in the Middle East There are few people in the world today better informed about the politics and culture of the modern Middle East than Wolfgang G. Schwanitz. In this, he is a worthy associate of his friend and mentor Bernard Lewis, to whom, on his ninety-seventh birthday, the present volume[*] is dedicated and to whom generous tribute is paid in the form of a thirty-page intellectual biography appended to the end of the book and based on both Lewis's written work and conversations with him. Working on my own recent study (2013) of Max von Oppenheim, the German archaeologist, ethnologist and would-be diplomat of part-Jewish background, I constantly had recourse to Schwanitz's many probing articles on German policies and activities in the Middle East both during the Wilheminian period (notably in the years leading up to and including the First World War) and under the National Socialists. In addition, Schwanitz had published two documents that were of vital importance to my work. The first was Oppenheim's notorious 1914 "Memorandum on the fomenting of rebellions among the Muslim subjects of our enemies" – a report to the Kaiser recommending that, as part of Germany's war strategy, the Sultan, the Kaiser's ally in the War, be persuaded to declare a jihad, in which all Muslims would be required to participate, against the infidel colonial rulers of Muslim peoples in North Africa, the Middle East, the Caucasus, and India (i.e. the Entente powers Britain, France and Russia). It is Schwanitz's view – a view adopted by other Middle East experts — that by exploiting Muslim religious fervor for secular ends, Wilhelminian Germany contributed to the development of modern Islamism, that is, a political ideology that Schwanitz is careful to distinguish throughout his book from Islam as a religion and culture. The second was a memorandum submitted to the Nazi Foreign Ministry in July 1940 containing revised proposals for undermining British and French power in the Middle East, cutting off supplies of oil to the Germany's enemies from the Persian Gulf, and threatening British dominion in India. Schwanitz, who is a visiting professor at the Gloria Center in Herzliya and an associate fellow of the Middle East Forum in Philadelphia, PA, is also the author, in the online German journal Explizit.net, of regular up-to-date reports on the upheavals in the Middle East today. These reports are based on close observation of the rapidly changing situation and a deep understanding of the historical and the contemporary politics and culture of the Islamic world. The present volume, a massive tome of almost 800 pages, – truly several books in one, – deals with virtually every aspect of a problematic situation brought about by the Western presence in the Middle East, revolution in the Arab countries themselves, and tensions in the West in the wake of massive and unforeseen immigration from Muslim lands and the radicalization of segments of that immigrant population, notably the young. The complex history of Germany's connections with political movements in the Middle East and influence in the Islamic lands (and during the post-WWII period, the competition for influence between East and West Germany) is explored with special thoroughness, – "exposed" might be a better term, for the judgment of this German-born scholar is fearless and severe. The response of the German political leadership to the massacres of Armenian Christians before and during World I and to attempted pogroms against Jews is scrutinized unsparingly. Likewise, the role of the National Socialists in promoting anti-Jewish fanaticism among Muslims rising up against British and French dominance of the Middle East is thoroughly investigated, as are, the links between the politics and ideology of Amin al-Husseini, the so-called "grand" Mufti of Jerusalem, and those of the ruling National Socialists, and between Husseini and Hitler himself. Brought up in Cairo as the son of an East German diplomat before studying Arabic and Economics at the University of Leipzig and then heading the Near and Middle East Research Team at the Akademie der Wissenschaften in the former German Democratic Republic, Schwanitz (who now lives with his family in New Jersey) follows this line of inquiry right into the time of the Cold War. The range of his book is astounding. It covers the entire period from the beginning of the Twentieth Century to the ongoing Syrian uprising. As it does so topically, rather than chronologically, the reader has the option of informing him-or-herself about different specific problems separately. As suggested above, it would not be an exaggeration to describe this volume as consisting of several books in one, even though all the sections are bound together and unified by the author's overarching view and deep knowledge of the Middle East. Not least of the attractions of this monumental work are the copious visual illustrations the author has provided: not only photographs of individuals and groups, important meetings of leading statesmen and activists, political posters, and cartoons, but documents and archival materials, all of which receive detailed explanation and commentary. The range and abundance of the materials provided have in fact made the book a physical as well as an intellectual heavyweight. Still, if not in the hands, it belongs on the desk of everyone interested in the current Middle East. Lionel Gossman is the M. Taylor Pyne Professor of Romance Languages emeritus, Princeton University. ______________ [*] The volume reviewed here is vol. 2 of a set devoted to Europe-Middle East-America relations. It was preceded by the author's Gold, Bankiers und Diplomaten: Zur Geschichte der Deutschen Orientbank, 1906-1946 (Berlin: trafo Verlag, 2002). [Wir danken dem Autor für die Abdruckgenehmigung]
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