Die Gedanken um die letzte Rede drehen sich um die Frage, wie ein wirklich würdiger, individueller Abschied am Ende eines vollendeten Lebens gelingen kann. Der Publizist G.H.W.Preuße eröffnet interessante Perspektiven zur Trauerrede aus der Sicht als eines Schriftstellers, der sich in besonderem Maße biografisch orientierter Literatur verschrieben hat. Sein Bestreben ist es, soviel als möglich aufzuspüren, aufzubewahren und zu erzählen was andernfalls ungehört geblieben oder vergessen worden wäre.
Damit setzt er einen klaren Schwerpunkt auf die Zwischenzeit zwischen Geburt und Tod. Wie kann ein Sprecher in der kurzen Zeit der persönlichen Begegnung mit den Hinterbliebenen den Stoff erfassen, aus dem die Rede später besteht? Religiöse Fragen oder die rituelle Fragen der Begräbnisfeier streift er so nur am Rande. Für ihn beschränkt sich der Auftrag des Sprechers auf die Worte in der Kapelle. Ein beschließendes Wort am Grab ist für ihn eine freundliche „Draufgabe“. Hier schlägt die Perspektive eines wortgewandten weltlichen Redners durch. Ein „ritueller Pflichtteil“ gehört für ihn nicht zu den Aufgaben des Sprechers. Doch rituelles Tun hat eine stabilisierende Funktion beim Abschiednehmen, es ermöglicht aktives Handeln in einer erlebten Ohnmacht. Rituale sind eine Grundkonstante menschlicher Gesellschaften. Der weltliche Sprecher will sich vom kirchlichen Begräbnisritual abgrenzen und setzt mögliche Rituale am Grab mit einer religiösen oder kirchlichen Handlung gleich. Damit nimmt er sich eine Möglichkeit, die Angehörigen über das Wort hinaus zu begleiten.
Doch mit seiner Fokussierung auf das Wort zeigt der Autor auch erfahrenen Trauerrednern neue Perspektiven auf. Zum einen fasziniert sein Umgang mit sprachlichen Bildern. „Der Tod hat tausend Türen! Welche tat sich dem Verstorbenen am Ende auf?“ Zum anderen beeindruckt beispielsweise die sprachlich elegant aufgegriffene Frage, wie über die mögliche Beteiligung an Gewalttaten während des Krieges umgegangen werden kann. In den letzten zehn Jahren sind viele der Männer gestorben, die noch als Soldaten im Krieg waren. „Eine Trauerrede für diese Männer umschweigt heute viel der denkbaren Wahrheit.“
Die Erkenntnis, dass nur einer, der „zuvor in eigener Zeit selber manches Dorf durchquert, einige Städte gesehen, Menschen gekannt, geliebt und verloren hat“, ein guter Redner sein kann, durchzieht das gesamte Buch. „Man sollte wissen wie es klingt wenn morgens die Tauben gurren …“
„Nekrolog“ ist keine lehrhafte sach- oder fachspezifische Abhandlung, sondern ein Essay, das über 120 Seiten hinweg die wichtigsten Themen der Trauerrede einsammelt. Der Autor führt eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem, was eine Abschiedsrede leisten sollte und leisten kann. „Eine Trauerrede soll doch nichts anderes sein. Als der Anfang Erinnerungen vor dem Verlöschen zu bewahren.“
Wie diese Erinnerung im Einzelnen rednerisch gestaltet werden kann, führt er anhand zahlreicher Zitate bekannter und weniger bekannter Menschen aus. Seine Reflexionen münden in der Forderung nach einer künstlerischen Trauerrede und für den bewussten Umgang mit den letzten Worten. Die Lektüre ist durch den von Beispielen durchsetzten essayhaften Text kurzweilig, mitunter humorvoll, wenn er über die Kuriosa einiger Trauerfeiern berichtet. Am Ende geht es darum, dass jedes Leben der Rede wert ist. Das Buch trägt dazu bei, dass diese Rede eine gute Rede wird.