Schroeter, Ulrich

(05.06.2018)

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Zum Tod von Dr. Ulrich Schröter – Moderator der Zwie-Gespräche

 

Am 24. Mai 2018 verstarb in Berlin der Theologe und Autor Dr. Ulrich Schröter kurz vor seinem 79. Geburtstag. Er arbeitete als Oberkonsistorialrat der Evangelischen Kirchein Berlin und wurde 1990 im Auftrag von Bischof Gottfried Forck Beauftragter der Kirche bei der Auflösung der Staatssicherheit.

Die hierbei erworbene Einsicht in die Struktur und Funktionsweise des Ministeriums, seine stete Neugier führte zu dem Wusch, thematisch weiter im Gespräch zu bleiben. Deshalb initiierte und moderierte er von 1990 bis 1999 den in dieser Art einmaligen Diskussionskreis „Zwie-Gespräch“, dessen Geist und Probleme dann auch 1991 bis 1995 in 31 Heften der gleichnamigen Zeitschrift dokumentiert wurden.

Die persönlichen Interessen und politischen Positionen der Teilnehmer waren so unterschiedlich und gegensätzlich wie ihre Biografien. Und gerade das machte den besonderen Reiz aus. Da sprach der aus politischen Gründen verurteilte Bautzen-Häftling mit dem letzten Minister für Staatssicherheit, der entschiedene Gegner der DDR mit Funktionären im Partei- und Regierungsapparat und da waren Interessierte aus der Bundesrepublik. Als Christ ließ er sich von niemandem beirren und sah in dieser Art Dialog die Möglichkeit, die Vergangenheit von allen Beteiligten akzeptiert kritisch aufzuarbeiten.

Dazu er selbst:

„Erstens, mit der Fehlbarkeit des Menschen ist zu rechnen. Und zweitens, Vergebung ermöglicht einen Neuanfang. Deshalb darf ich auf den anderen zugehen. Er verdient nicht den Fußtritt. Er verdient meine Zuwendung, denn wir wissen immer noch zu wenig voneinander. Ich weiß, der Mensch ist fehlbar, und ich bin es selbst auch. Aber was mich manchmal stört, ist, dass diejenigen, die öffentlich urteilen, dies oftmals im Ton der Selbstgerechtigkeit tun und über jeden Zweifel erhaben scheinen. Der andere ist ein ganz Schlimmer und der, der urteilt, wusste und weiß alles. Das erscheint unbarmherzig und passt überhaupt nicht mit unserer Auffassung von der Möglichkeit der Vergebung und Versöhnung zusammen. Der Gedanke der Bergpredigt muss politikfähig sein und bleiben.“

 

In diesem Sinne gelang es ihm, die teilweise heftigen und emotional bis an die Grenze gehenden Diskussionen so zu leiten, dass jeder ausreden und sich gegenseitig aushalten konnte. Diese seine Art, die Vergangenheit aufzuarbeiten, ist nach wie vor aktuell und beispielgebend.

Die Thematik Staatssicherheit der DDR ist längst nicht zur Ruhe gekommen. Auch die grundsätzliche  Problematik eines jeden Geheimdienstes steht häufig auf der Tagesordnung. Interessenten aus Japan, Norwegen, USA berichteten über das Projekt „Zwie-Gespräch“, Südkoreaner, die sich für eine Wiedervereinigung mit Nordkorea einsetzen, haben intensiv nachgefragt, ob es auch für sie von Bedeutung sein könnte. Und obgleich es bei „Zwie-Gespräch“ nie gerichtsrelevante Vergebungsmomente wie bei dem Vorgehen der „Wahrheits- und Versöhnungskommission“ 1994-1996 in Südafrika gab, ist der Gesprächskreis, der sich wesentlich aus christlichen Wurzeln speiste, sehr gegensätzlicher, ja verfeindeter Personen damit in Beziehung gesetzt worden. Und auch in der Bundesrepublik Ost und West fand dieser Kreis Beachtung. Bis heute wird immer wieder nach den gewonnenen Erfahrungen gefragt.

 

Hierzu hinterlässt uns Ulrich Schröter ein nachahmenswertes Vermächtnis und einen bleibenden Auftrag.

 

Dr. Dieter Mechtel (Autor)

Dr. Wolfgang Weist (Verleger)

 

 

 

Hierzu im trafo Verlag erschienen:

 

Dieter Mechtel, Ulrich Schröter (Hrsg.):

Beiträge zum Thema Staatssicherheit und Kirche. Dokumentation einer Diskussion in der Zeitschrift „Zwie-Gespräch“ zwischen 1991 und 1995. Berlin 1995.

ISBN 978-3-89626-093-2

 

Dieter Mechtel, Ulrich Schröter (Hrsg.):

Beiträge zum Umgang mit der Staatssicherheits-Vergangenheit. Dokumentation einer Diskussion in der Zeitschrift „Zwie-Gespräch“ zwischen 1991 und 1995. Berlin 1996.

ISBN 978-3-89626-094-9.

 

Dieter Mechtel

Zwie-Gespräch  ein Modellprojekt zur Vollendung der inneren Einheit.

Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 41. Jahrgang Juni 1999