Klappentext
Die Gegenwart nimmt für sich in Anspruch,
eine Informations- und Wissensgesellschaft zu sein, und in der Tat verfügte
keine historisch bekannte Periode über mehr faktologisches Wissen, das
zugleich über das Internet so demokratisch wie nie zuvor zugänglich ist.
Dieser Sachverhalt stellt für die mit Texten arbeitenden Wissenschaften eine
neue Herausforderung dar. Ursprünglich war die Beschäftigung mit Werte
setzenden Basistexten der Gesellschaft (Bibel, Tora, Koran, Texte aus der
Antike) eine ganzheitliche kreative Interpretation zum Zwecke der Anpassung
dieser Werte an veränderte historische Bedingungen. Sie umfasste z.B. in der
Übersetzung, der Erstellung von Konkordanzen, Wörterbüchern, Enzyklopädien
einen rein sprachlichen, meist lexikalischen Teil, der jedoch in eine
Reflexion über die Stellung im Ganzen des jeweils geltenden Welt- und
Menschenbildes eingebunden war. Heute bietet die moderne Datenverarbeitung
die Möglichkeit, immense Textmengen nach objektiven statistischen Methoden
auszuwerten.
Dem steht von Seiten der Philosophie wie von philosophisch inspirierten
linguistischen Theorien von Humboldt bis Chomsky entgegen, dass die
Beschäftigung mit Sprache sich nicht auf eine rein quantitative Untersuchung
von Textkorpora einschränken lässt, vielmehr Erklärungs- und Deutungsmodelle
entwickelt werden müssen, die die Wertebefragung des akkumulierten Wissens
leiten könnten. Anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens des Germanistischen
Instituts an der Universität Opole unterbreitet die Festschrift für Maria
Katarzyna Lasatowicz sprach- und kulturwissenschaftliche Deutungsangebote.
Inhalt
Zum 60. Geburtstag von Kollegin Maria Katarzyna Lasatowicz,
Professorin und Leiterin der Germanistik an der Universität Opole 11
Franciszek Grucza
Interview mit der Jubilarin Maria Katarzyna Lasatowicz 15
I. Raum und Zeit in Sprache und Text. Schlesien 27
Welche Sprachen kannten die ersten schlesischen Piastenherzöge?
Von Wladislaus II. (* 1105) bis Heinrich IV. († 1290) 29
Norbert Morciniec
„Ohne Sprache gibt es kein Recht.“ Überlegungen zu Geschichte,
Kultur und Recht anhand einer Handschrift des Kaiserrechts aus dem
Jahre 1449 in der Universitätsbibliothek Wrocław/Breslau 43
Ilpo Tapani Piirainen
Historische Linguistik – ein veraltetes Diskursfeld? Zur Aufdeckung mittel-
alterlicher Kommunikation in den Handschriften am Beispiel Schlesiens 59
Marek Biszczanik
Personennamen in Oberschlesien als Spiegel sozialgeschichtlichen und
politischen Wandels am Beispiel der Sprachinsel Kostenthal/Gościęcin 73
Felicja Księżyk
Ein Heiligenentwurf unter den Bedingungen reflektierter Modernität.
Anmerkungen zu Eichendorffs Hedwig-Fragment 87
Gabriela Jelitto-Piechulik
Die katholische Kirche in Schlesien und nationale Minderheiten 101
Marcin Worbs
Aspekte der Multikulturalität und Mehrsprachigkeit im Roman Baba und
ihre Kinder von August Scholtis 111
Daniela Pelka
Die Feier zum hundertjährigen Jubiläum der Befreiungskriege in
Breslau und Gerhart Hauptmanns Festspiel in deutschen Reimen (1913)
in ausgewählten Pressereaktionen 125
Marion George
Moderne Massenmedien im Wandel. Die Schlesische Funkstunde
(1924–1933) 141
Daniela Ploch
Günther Anders’ Besuch im Hades 157
Helmut Peitsch
„Stark aus dem ehern Gesteine der schärfsten Erkenntnis“. Auferstehen
aus Ruinen in Appell-Texten Ilse Langners 177
Andrea Rudolph
Horst Bienek trifft Bertolt Brecht 197
Daniel Pietrek
Wer war die Frau, der Goethe in Breslau einen Antrag machte?
Henriette von Schuckmann, geborene Freiin von Lüttwitz – eine
Spurensuche mit Heinz Piontek und Giacomo Casanova 211
Hartmut Scheible
Zur Integration der Notizentechnik in den Studiengang Germanistik
mit Schwerpunkt Translatorik am Institut für Germanistik der Universität
Opole und Vorschläge zur Didaktisierung 241
Dennis Scheller-Boltz
Wolf Wondratscheks Werke als Vorlagen für die Übersetzung ins
Polnische 257
Małgorzata Jokiel
Das deutsch-polnische Problem in der oberschlesischen Literatur
der 20er und 30er Jahre. 273
Grażyna Barbara Szewszyk
II. Sprache und Text. Weitere Themenfelder 287
Marian Adam Kleczkowski – unser germanistischer Vorgänger in Krakau 289
Maria Kłańska
Konsonantencluster im Deutschen und Slowakischen. Phonologische
Restriktionen ihres Vorkommens in Wörtern und Silben beider Sprachen 305
Miloš Chovan
Der lexikalische und semantische Wandel innerhalb der zeitrelativen
Temporaladverbien, die einen Sachverhalt kurz vor dem Sprechzeitpunkt
lokalisieren 321
Józef Wiktorowicz
Zum deutsch-polnischen Sprachkontakt: Das Wort szlachta –
ein besonderer Entlehnungsfall aus dem Deutschen 331
Tomasz Czarnecki
Officia oratoris 341
Iwona Bartoszewicz
Über Priameln in der deutschen Gegenwartssprache 355
Stanisław Prędota
Steckbrief – Versuch einer holistischen Darstellung eines Rechtstextes 367
Jarosław Bogacki
„Ich entscheide mich für die Sprachkunst“. Zur Metrik und Rhythmik
im Zyklus Vom Rhythmus Josef Weinhebers 383
Katarzyna Grzywka, Lech Kolago
Chronik des Lodzer-Gettos als Zeitung für zukünftige Leser 401
Krystyna Radziszewska
Jadwiga von Franz Theodor Csokor 417
Irena Światłowska
Die Genderstruktur in Arno Geigers Familienroman Es geht uns gut (2005) 427
Joanna Ławnikowska-Koper
Intertextuelle Bezüge in Wieland Försters Der Andere. Briefe an Alena 439
Hans-Christian Stillmark
Autorenverzeichnis 453
Zum 60. Geburtstag von Kollegin Maria
Katarzyna Lasatowicz,
Professorin und Leiterin der Germanistik an der Universität Opole
Wer sich heiter zu erhalten sucht, der sorgt nicht bloß für
sein Glück,
sondern er übt wirklich eine Tugend. Denn die Heiterkeit,
selbst die wehmütige, macht zu allem Guten aufgelegter
und gibt dem Gemüt Kraft, sich selbst mehr
aufzuerlegen und mehr für andere zu leisten.
WILHELM VON HUMBOLDT
Es ist mir eine große Ehre und Freude zugleich, auf Wunsch der Herausgeber
dieser Festschrift, ein Grußwort zum 60. Geburtstag von Kollegin Maria
Katarzyna
Lasatowicz schreiben zu dürfen. Ich erfülle den Wunsch sehr gerne. Zum einen
deshalb, weil ich ebenso fest wie die Herausgeber dieser Festschrift davon
überzeugt bin, dass Frau Maria Katarzyna Lasatowicz, Professorin der
Universität Opole, gleichermaßen als Wissenschaftlerin, Hochschullehrerin
und langjährige Leiterin des Instituts für Germanistik der Universität Opole
sich hoch verdient gemacht hat und dass es in jeder Hinsicht gut und richtig
ist, sie aus Anlass ihres 60. Geburtstages mit einer Festschrift zu
beschenken und ihr in dieser Festgabe zu ihren Leistungen zu gratulieren.
Keine Frage, dass die Jubilarin heute zu Recht einen durchaus verdienten
positiven Ruf genießt, der nicht nur in Opole, sondern in ganz Polen und
auch außerhalb der Grenzen Polens vernehmbar ist. Und auch keine Frage, dass
dem vor allem deshalb so ist, weil es inzwischen weit und breit bekannt ist,
dass wir es vor allem ihrem unermüdlichen Einsatz zu verdanken haben, dass
die Germanistik in Opole binnen einer relativ kurzen Zeit zu einem
wesentlichen Standort nicht nur der polnischen Germanistik qua einer
Auslandsgermanistik, sondern auch der Germanistik überhaupt – der
internationalen Germanistik – geworden ist. Auf eine recht deutliche Art und
Weise belegen diesen Aufstieg der Germanistik in Opole die vielen, von ihren
Vertretern, in erster Linie von der Jubilarin vorbereiteten
wissenschaftlichen Tagungen sowie die Liste der in Zusammenarbeit mit
bedeutenden polnischen und/oder ausländischen Partnern realisierten
Forschungs- sowie Lehrprojekte.
Einen recht ausführlichen Bericht darüber kann der interessierte Leser in
dem von dem Verband Polnischer Germanisten herausgegebenen Band der
Materialien der internationalen wissenschaftlichen Konferenz zum Thema
Germanistische Wahrnehmungen der Multimedialität, Multilingualität und
Multikulturalität nachlesen, die anlässlich der Jahrestagung 2007 des
Verbandes in Zusammenarbeit mit dem Institut der Germanistik in Opole
vorbereitet und in der Zeit vom 11. bis zum 13. Mai 2007 in der Aula der
Universität Opole abgehalten wurde (siehe: F. Grucza u.a., eds.,
Germanistische Wahrnehmungen der Multimedialität, Multilingualität und
Multikulturalität, Warszawa 2007, 293–307).
Institutionalisiert wurde die Germanistik in Opole erst 1990. Bereits 1994
wurde die Leitung der Germanistik in Opole der Jubilarin anvertraut. Sie hat
sich der damit verbundenen Herausforderung gestellt, obwohl sie damals noch
über keine akademische Leitungserfahrung verfügte. Sie musste aber damals
auch deshalb Pionierarbeit leisten, weil Opole zu jener Zeit eine Stadt
nicht nur ohne eine germanistische, sondern auch noch ohne eine universitäre
Tradition war. Jedenfalls: Als Leiterin der Germanistik in Opole musste sie
in den 90er Jahren zunächst lernen, mit vielen unerwarteten Aufgaben fertig
zu werden und vielen verschiedenen Aufgaben zu gleicher Zeit nachzugehen.
Aufgrund meiner diesbezüglichen langjährigen Erfahrung weiß ich nur allzu
gut, dass das Hauptproblem eines jeden Hochschullehrers, dem binnen der
akademischen Welt Leitungsfunktionen anvertraut werden, darin besteht, seine
Zeit und Energie derart einzuteilen, dass ihm nach wie vor wenigstens ein
Teil davon für die Realisierung eigener Forschungsinteressen übrig bleibt.
Sowohl die Liste der Publikationen als auch der von ihr vorbereiteten und in
Opole durchgeführten wissenschaftlichen Tagungen sowie ihrer Teilnahmen an
von anderen organisierten Konferenzen und/oder Kongressen bezeugen deutlich,
dass es der Jubilarin gelungen ist, auch während der Zeit, in der sie die
Germanistik in Opole leitete, die eigenen Forschungen recht intensiv
voranzutreiben und für ihre Ergebnisse ein Interesse der Fachwelt zu wecken.
Besonders oft werden in der Fachwelt die Ergebnisse ihrer Forschungen zu
historischen wie aktuellen Kommunikationsproblemen beachtet und zitiert, auf
die Mitglieder verschiedener Minderheitengemeinschaften, insbesondere aber
in Oberschlesien, stoßen.
Dass es der Jubilarin gelungen ist, binnen einer so kurzen Periode feste
Grundlagen für die Fortentwicklung der Germanistik in Opole zu legen, die
sie prädisponierten, sich mit ihren Leistungen in der wissenschaftlichen
Welt Polens und darüber hinaus Geltung zu verschaffen, und nichtsdestotrotz
auch ihre eigenen Forschungen wesentlich voranzutreiben, ist meines
Erachtens darauf zurückzuführen, dass sie ihr praktisches Denken, Planen und
Handeln gleichermaßen wie ihre Forschung und Lehrtätigkeit stets mit
Heiterkeit anging und weiterhin angeht – mit Heiterkeit, die den von Wilhelm
von Humboldt verfassten und oben als Motto dieses Grußwortes angeführten
Sätzen zufolge Menschen zu allem Guten aufgelegter macht und ihren Gemütern
Kraft gibt, „sich selbst mehr aufzuerlegen und mehr für andere zu leisten“.
Ich denke, dass man dieser Behauptung von Wilhelm von Humboldt allein
deshalb ein besonders Vertrauen schenken darf, weil er, wie wir wissen,
nicht nur als Sprachwissenschaftler und Sprachphilosoph, sondern auch als
praktischer Manager außerordentlich viel geleistet hat. In Kürze: die
zitierte Behauptung von ihm ist eine Schlussfolgerung, die er aufgrund
seiner eigenen Erfahrung formulierte. Sicherlich profitierte er von seiner
Heiterkeit unter anderem zu jener Zeit, in der er als Mitbegründer der
Berliner Universität, die heute einfach die Humboldt-Universität genannt
wird, wirkte.
Als dem langjährigen Präsidenten des Verbandes Polnischer Germanisten ist es
mir ein besonderes Anliegen, mich bei Frau Kollegin Maria Katarzyna
Lasatowicz an dieser Stelle vor allem für all die Energie und Zeit besonders
herzlich zu bedanken, die sie, zum einen, für den erwähnten Auf- und Ausbau
der Germanistik in Opole und zum anderen für die Intensivierung der
deutsch-polnischen und polnisch-deutschen wissenschaftlichen sowie
kulturellen, aber auch alltäglichen, Kontakte aufbrachte. Auf eine besondere
Art und Weise habe ich aber in der erwähnten Eigenschaft der Jubilarin auch
für ihren außerordentlichen Beitrag in Sachen Ausbildung junger Germanisten
in Opole zu danken – insbesondere dafür, dass sie immer zur Mithilfe bereit
war, dass sie stets für ein Wohlergehen des Hochschulbetriebs, für ein
freundliches Verhältnis zwischen Dozenten und Studenten sorgte und sowohl
den Doktoranden als auch Habilitanden eine großzügige Förderung zu sichern
wusste.
Ich sage es in aller Deutlichkeit: als Präsident des Verbandes Polnischer
Germanisten gratuliere ich Kollegin Maria Katarzyna Lasatowicz an dieser
Stelle nicht nur zu ihrem Jubiläum – ich gratuliere ihr auch, ja – sogar vor
allem, zu ihren Arbeitsergebnissen und dabei in erster Linie zu ihren
Leistungen in Sachen Entwicklung der Germanistik in Opole. Ich gratuliere
ihr zu dem, was sie bereits erreicht hat, und wünsche zugleich ihr und uns,
dass sie ihre diesbezügliche Entwicklungsarbeit möglichst lange mit der ihr,
wie ich meine, angeborenen Heiterkeit fortsetzt.
Ich wünsche es mir/uns, weil ich glaube, dass die Germanistik in Opole unter
ihrer Leitung die Chance hat, zu einem besonderen Standort der polnischen
Germanistik zu werden – zu ihrem Standort, dessen Besonderheit sich daraus
ergibt, dass sie sich darum bemüht, zum einen das lokale (wie ich es nenne)
Deutsch vor Ort, und dabei sowohl das historische als auch das gegenwärtige,
vor allem das Deutsch der lokalen deutschen Minderheit, und zum anderen die
lokale multilinguale sowie multikulturelle Tradition im Sinne eines festen
Bestandteils ihres Forschungs- und Lehrgegenstandes zu behandeln. Ich
erinnere, dass auf die besagte multilinguale sowie multikulturelle Tradition
von Opole auf eine besondere Art und Weise unter anderen der damalige Rektor
der Universität Opole, Prof. Dr. Stanisław Nicieja, in seiner 2007
gehaltenen Ansprache anlässlich der feierlichen Eröffnung der erwähnten
internationalen Konferenz des Verbandes Polnischer Germanisten hingewiesen
hat.
Doch selbstverständlich wünsche ich Kollegin Maria Katarzyna Lasatowicz
nicht nur in ihrer Tätigkeit als Wissenschaftlerin und Hochschullehrerin,
sondern auch in ihrem privaten Leben nach wie vor viel Glück und Erfolg.
Liebe Frau Lasatowicz – ich wünsche Ihnen, mir und uns allen, dass Sie nie
von Ihrer Heiterkeit im Stich gelassen werden und dass Sie auch künftig alle
Ihre Projekte mit Elan angehen. Ad multos annos!
Warszawa, November 2010
Prof. Dr. Franciszek Grucza
Präsident des Verbandes Polnischer Germanisten
Ehrenpräsident der Internationalen Vereinigung für Germanistik
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