Klappentext
Selten hat eine politische Theorie derartig polarisiert, wie Huntingtons „The Clash of Civilizations“. Bis heute dient sie als Erklärungsmuster für internationale Konflikte. Sind Identität und Kultur tatsächlich politische Faktoren? Werden internationale Konflikte stets entlang kultureller Grenzen gezogen?
Dieser Disput geht auf einen alten Weltordnungsdiskurs zurück und lässt sich auf zwei Lager reduzieren: Die Universalisten, die Kultur in einer globalisierten Welt nur einen marginalen Raum zugestehen und die Partikularisten, die in Kultur die Basis für eine de facto multipolare Welt sehen.
Welchen Weg schlägt folglich die Weltgesellschaft ein: Den Weg der Einheit oder den Weg der Chaotisierung?
Inhalt
I. Einleitung
1. Vorwort
2. Was ist Kultur?
II. Clash of Civilizations
1. Wissenschaftliche Methode
2. Huntingtons Thesen
2.1. Kulturelle Zentren und Grenzen
2.2. Der Westen und der Rest – westliche Identität
2.3. Huntingtons Geschichtsverständnis
2.4. Kultur als sozialhistorischer Monlith?
2.5. Zivilisation als politischer Akteur?
3. Huntingtons Ideengenese
3.1. Vom Universalismus zum Partikularismus
3.2. Ein nationalistischer Ansatz?
3.3. Zurück zum Isolationismus / Protektionismus
4. Huntingtons Vorgänger
5. Resumée
III. Die Debatte
1. Globale Deutungsmuster versus Differenzierte Deutungs-
muster
1.1. Die universalistische Ebene
1.2. Die partikularistische Ebene
2. Exkurs
2.1. Die soziale Ebene
2.2. Die politische Ebene
2.3. Die ökonomische Ebene
3. Resumée
IV. Konfrontation oder Kooperation?
1. Die Welt im Chaos
2. Die Welt als Unität
3. Der Mittelweg
4. Resumée
V. Ein neues Zeitalter? Zukunftsperspektiven
und Alternativen
Über die Autorin
Vorwort
Es „[…] fließen in die Theorien über den Menschen immer auch Erfahrung und Selbstbeobachtung, Wünsche und Ängste mit ein, die rückwirkend zur Selbstmodellierung beitragen. Theorien über menschliches Verhalten erklären nicht nur, sie formen auch.“
Das Prinzip der Selffulfilling Prophecy wird, wie es in diesem Zitat angeschnitten wird, zum Motor von Samuel P. Huntingtons umstrittensten und bekanntesten Werk „Clash of Civilizations and the Remaking of World Order“.
Viele wissenschaftliche, medienwirksame sowie populistische Texte haben diese Schlagwörter zu ihrem Gegenstand gemacht und sind damit auf offene Ohren gestoßen – haben sogar oft hohen Anklang gefunden. Die Häufigkeit der Verwendung dieser These und ihrer Derivate wird deutlicher, wenn man im Internet nach Kampf der Kulturen oder Clash of Civilizations recherchiert. Es ergeben sich bei der wohl bekanntesten Suchmaschine Google etwa 562.000, bzw. 822.000 Treffer.
Selten geschieht es, dass ein kurzer Beitrag und dessen markanter Titel in dem wohl einflussreichsten amerikanischen Politmagazin, wie Foreign Affairs es repräsentiert, zu einem Schlagwort der Weltgeschichte avanciert. Da diese Zeitschrift seit 1922 zu den Think Tanks der amerikanischen Außenpolitik gehört, fand dieser provokante Artikel Huntingtons so viel Gehör, dass es sich für ihn lohnte, diesen ausführlicher in einer Monografie zu behandeln.
Dieser Artikel, und dessen folgender „Relaunch“ in Buchform, prägten den postbipolaren Diskurs über Weltordnungsprinzipien wie kaum ein anderes Werk unserer Zeit. Wie es Jan Assmann im obigen Zitat formuliert, kam es in diesem Falle a priori nicht zu einer Erklärung des menschlichen Verhaltens, sondern eher zu einer Formung dessen. Der von Huntington interpretierte Konflikt der Zivilisationen wurde in die Disziplin der internationalen Beziehungen integriert und fand durch seine Simplizität hohe Resonanz. So ist zu überlegen, ob es sich bei diesem Theorem um eine empirisch belegbare Studie handelt, da sich die Öffentlichkeit in ihr widergespiegelt fühlt, oder ob lediglich Assmanns „psychologischer Faktor der Selbstformung“ Huntingtons Idee Auftrieb verlieh.
Huntington wurde als Albert J. Weatherhead III. am 18. April 1927 in New York geboren. Seine akademische Laufbahn begann er 1950 mit einer Dozentur an der Harvard University in Cambridge. 1962 erhielt er dort einen Lehrstuhl für „Internationale Beziehungen“. 1963 wurde er Mitarbeiter am renommierten „Center for International Affairs“ der Universität und leitete dieses Institut von 1978 bis 1989. Von 1989 bis 2000 war er an der Harvard University Direktor des „John M. Olin Institute for Strategic Studies“ und übernahm 1995 den „Albert J. Weatherhead III“-Lehrstuhl. Dort etablierte er den „Huntington-Preis“ für das beste Buch des Jahres zum Thema nationale Sicherheit. Seit 1996 hatte er den Vorsitz der „Harvard Academy for International and Area Studies“ inne. Neben seinen Lehr- und Forschungstätigkeiten arbeitete Huntington unter anderem am „Institute for War and Peace Studies“ der Columbia University (1958–1959), war als Berater mehrerer US-Regierungen tätig und gehörte von 1977 bis 1978 dem Nationalen Sicherheitsrat als Koordinator an. 1985 wurde er an das „Institute for Defense Analysis“ berufen.
Als Autor, Co-Autor oder Herausgeber veröffentlichte er insgesamt 17 Bücher und 90 wissenschaftliche Artikel, insbesondere über US-Politik, Militärstrategie und Entwicklungspolitik. Am 24.12.2008 verstarb Huntington auf der Insel Martha’s Vineyard an der US-Ostküste. Er gilt als einer der einflussreichsten Politikwissenschaftler unserer Zeit.
Sein erstes Werk „Political Order in Changing Societies“ verfasste er bereits 1969. Vorher wirkte er an Zbginiew Brzezinskis Buch „Political Power“ mit. Weitere bedeutende Werke waren dann „The Third Wave“, „Clash of Civilizations“ und „Who Are We“. Die beiden Letztgenannten riefen enorme Kritik hervor und zogen Frontlinien durch die politikwissenschaftlichen Debatten.
Einem Text, der nicht als wissenschaftlicher Text vorgesehen war, mit wissenschaftlichen Maßstäben zu begegnen, ist fragwürdig. Jedoch in Anbetracht des widerstreitenden Anklangs, den „The Clash of Civilizations“ in der interdisziplinären Profession ausgelöst hat (vom Kulturwissenschaftler über den Soziologen und Historiker bis zum Theologen), sowie der immer wiederkehrenden subjektiven Akzeptanz und Massenpublizität weltweit, müssen die Aussagen dieses Werkes weiter analysiert und kontextuell untersucht werden. Seine Skizzenhaftigkeit und starke Generalisierungskraft sind vermutlich der Grund, warum er nach 15 Jahren weiterhin intensiven Diskursbedarf bietet.
Im Wesentlichen lässt sich der Disput über Huntingtons Zivilisations-Thesen auf zwei Lager reduzieren: das der Universalisten, bzw. Relativisten, die der jeweiligen Kultur durch die erfolgreiche Globalisierung nur wenig Raum beimessen und das der Partikularisten, die in jeder Kultur und gruppendynamischen Separasierungserscheinung eine multipolare Welt zu identifizieren glauben. Die erstgenannte Gruppierung erklärt den Clash of Civilizations zu einem fragmentierenden Mythos, der der heutigen zusammenrückenden Welt nicht gerecht werde, quasi ein Derivat des Nationalismus des 20. Jahrhunderts, oder auch ein Ersatz für den sozialistischen Kollektivismus.
Es handelt sich also um einen alten Diskurs: Aufklärung (Vernunft) versus Gegenaufklärung (Religion / Mythos).
In dieser Arbeit liegt die Priorität weder bei der Auflistung von Thesen und Antithesen, noch bei der Darstellung aller Kritikpunkte an Huntingtons Werk oder einer Entdeckungsreise neuer Angriffspunkte. Diese Aspekte werden zwar auch aufgegriffen, jedoch nur mit der Intention der Schaffung einer Übersichtlichkeit über die bestehenden Diskursfronten und deren Weltverständnis.
Fokussiert wird zunächst der Kultur- bzw. Zivilisationsbegriff, um so Huntingtons Kultur- und Identitätsverständnis zu erfassen. Des Weiteren wird auf den Begriff der Identität eingegangen werden, der als zweites wesentliches Schlagwort nach Kultur für Huntingtons Weltverständnis relevant ist. Dessen Bedeutung für ihn hinsichtlich zukünftiger globaler Entwicklungen wird in Bezug auf die Genese der internationalen Beziehungen dargestellt. Sind Identität und Kultur politische Faktoren? Werden Konflikte und Krisen entlang dieser beiden Begriffe ausgetragen? Schließlich wird Huntingtons Ideengenese von einem scheinbar ambitionierten Universalisten zu einem vermeintlich kritischen, resignierenden Partikularisten aufgezeigt. Herangezogen wird dabei sein frühes Werk „The Third Wave“, das sich mit seinem letzten Werk „Who are We“ in einem deutlichen Antagonismus befindet, den es darzustellen gilt. Gleichzeitig sind jedoch auch Parallelen zwischen seinem Frühwerk „Political Order in Changing Societies“ und „Clash of Civilizations“ zu erkennen. Schließlich wird auf Huntingtons geistige „Vorgänger“ rekurriert, die seinen Thesen Modell standen. Seine Überlegungen bezüglich einer neuen Weltordnung und zivilisatorischer Sphären sind kein neuer Denkansatz.
Im dritten Kapitel wird schließlich auf die Debatte um Huntington eingegangen. Es werden dabei die Kernaussagen der Diskursgegner Universalisten und Partikularisten begutachtet und schließlich ergänzt ein vertiefender Exkurs, der soziologische, politische und wirtschaftliche Überlegungen formuliert, die Kritik an Huntingtons Zivilisationsmodell und dessen argumentativen Schwachstellen.
Abschließend ist zu überlegen, welchen Weg die globale Entwicklung nimmt: den Weg der Chaotisierung oder den Weg der Unität? Ist der Universalismus lediglich Fiktion, oder sind partikularistische Weltanschauungen nur pessimistische Ideologien, die der idyllischen Gemeinschaft den Vorzug vor der aufgeklärten, individualisierten Gesellschaft geben? So werden diese beiden Standpunkte reflektiert, die sich anhand von Huntingtons Thesen widerstreiten. Zuletzt wird ein Mittelweg aufgezeigt, der dieser Dichotomisierung entgehen will – der Weg des interkulturellen Dialogs. |