Klappentext
Der Südosten Berlins umfaßt das weite und reizvolle Gebiet des Müggellandes sowie die in der Eiszeit geprägten Formen des Urstromtales der Spree. Dabei entstanden die Müggelberge und der Müggelsee als die höchste Erhebung und die größte Wasserfläche Berlins.
In vorgeschichtlicher Zeit zeigte sich auf Grund des Fischreichtums der Gewässer eine starke Häufung der Siedlungen an den Ufern der Flüsse und Seen. Das betraf vor allen Dingen das Spreetal zwischen dem Dämeritzsee und dem Müggelsee. Eine Dünenanwehung am Ostufer des
Müggelsees bestimmte die Entwicklung des Ortes Rahnsdorf zur Fischersiedlung. Westlich des Dorfes, am Fredersdorfer Fließ, und auf dem sandigen Nordufer des Müggelsees entstanden später eine Getreide- und eine Schneidemühle sowie eine Teerschwelerei.
Das Wachstum Berlins und seine Aufgaben als Hauptstadt des Deutschen Reiches trieben auch die weitere Besiedlung in der Umgebung des Fischerdorfes Rahnsdorf voran. Es bildeten sich die Vorstadtkolonien Rahnsdorfer Mühle, Hessenwinkel und Wilhelmshagen heraus. Als Ortsteil Rahnsdorf gingen schließlich alle in die im Oktober 1920 gebildete Einheitsgemeinde Groß-Berlin ein. Die junge bürgerliche Demokratie förderte den Siedlungsbau, brachte aber vielen Bewohnern die Mängel der Arbeitslosigkeit und Inflation. Die Beseitigung der Weimarer Republik und die nachfolgende Hitlerdiktatur mit Krieg und der folgenden Besatzungsmacht verschlimmerten die Lebensumstände. Einen Weg in eine neue Gesellschaftsordnung sollte der demokratische Sozialismus weisen. Nach der Eingliederung der DDR in die Bundesrepublik Deutschland schloß die erneut einsetzende Bautätigkeit die letzten Lücken in den Ortschaften.
Inhalt
Vorbemerkungen 7
Ein Fischerdorf in der Kurmark 11
Die Entstehung der Landschaft 11
Die frühgeschichtliche Besiedlung 21
Die Entwicklung des Fischerdorfes 29
Der Kurfürst und die Kriegstribute 39
Die Fehden mit den Cöpenicker Fischern 47
Die Dorfgemeinschaft 58
Die Mühlen und die Teerschwelerei 70
Von Gutsfischern zur Fischergemeinde 81
Das Gutsdorf und die Fischergüter 81
Das abgabenfreie Eigentum 95
Der Post-, Bahn- und Schiffsverkehr 115
Die Fischerwirtschaften 133
Die Bildung der Fischerinnung 152
Die Vorstadtkolonien 165
Die Vorortsiedlung Rahnsdorf Mühle 165
Die Kolonie Hessenwinkel 182
Die Kolonie Neu-Rahnsdorf 197
Die Ortschaft Wilhelmshagen 212
Der Erste Weltkrieg und die Revolution 227
Ein Ort im Südosten von Groß-Berlin 239
Die Einheitsgemeinde und die Inflation 239
Die großstädtischen Einflüsse 252
Das Ende der Weimarer Republik 271
Der Zwang zur Anpassung 283
Der Krieg und die Rationierung 305
Der totale Krieg 315
Die Russen kommen 329
Der Neubeginn 1945 346
Die Nachkriegsjahre 374
Der demokratische Sozialismus und die bürgerliche
Demokratie 399
Die ersten demokratischen Schritte 399
Die Kollegen und die Genossen 415
Der Sandmann ist da 433
Das Wohnen und Erholen 454
Die sozialistische Demokratie 471
Das Hinderliche und das Ärgerliche 484
Der Vereinigungsprozeß 506
Die Villen und die Residenzen 533
Hinweise zu den Straßennamen 552
Literatur und Quellenverzeichnis 573
Bildnachweise 578
Vorbemerkungen
Geschichtsschreibung ist die
Summe der Lügen, auf die sich die Mehrheit einigt.
Napoleon 1810
Die Ortschronisten beschrieben die bemerkenswerten Ereignisse ihres Dorfes
oder ihrer Stadt. Sie erarbeiteten eine Chronik, die die Vorkommnisse in
bestimmten Zeitabschnitten darstellte. Die sich beruflich damit
beschäftigten, nannten sich Historiker. Sie bezogen größere Landesteile und
die Einflüsse der Herrschenden in ihre Beschreibungen mit ein. Die heutigen
Geschichtsforscher erklären die Geschichte aus den politischen Vorgängen und
verwenden Dokumente, Berichte und Bilder. Sie fühlen sich der Staatstheorie
verpflichtet.
Das Wirken der Herrscherhäuser bestimmte stets die historischen
Aufzeichnungen. Sie stellen eine idealistische Geschichtsbetrachtung dar.
Mit dem Durchbruch des historischen Materialismus begann die
materialistische Geschichtsschreibung. Sie betrachtet die Entwicklung der
Gesellschaft als Gesetzmäßigkeit und beurteilt die menschliche Entwicklung
in ihrer Abhängigkeit von den Naturgesetzen. Eine Ortsgeschichte sollte also
die natürlichen Bedingungen, das ökonomische Wachstum und die
Herrschaftsstrukturen als Grundlage für die Entwicklung der
Lebensbedingungen seiner Bewohner beachten.
Der Name Rahnsdorf zwang weniger die Leute als vielmehr die
Sprachwissenschaftler zu Erklärungen, die meist nicht befriedigen konnten.
In Akten und Urkunden ist die viel ältere Schreibweise Radensdorf zu finden.
Den gleichen Ortsnamen gibt es in Brandenburg mehrmals. Er weist auf die
Eroberung der südöstlichen Landesteile Brandenburgs durch die sächsische
Dynastie der Wittelsbacher hin. Um 1157 gründeten sie im südlichen Fläming
mehrere Dörfer. Eines nannten sie Radensdorf. Etwa hundert Jahre später
wurde Radensdorf am Müggelsee erwähnt und ebenso vier weitere Orte östlich
von Berlin, deren Namen im Südfläming noch heute vorhanden sind. Ganz gewiß
sind die Radensdorfer am Beginn des 13. Jahrhunderts im Zuge der
Ostkolonisation aufgebrochen, um besseres Land zu finden. Mit ihnen zogen
auch die Leute aus Woltersdorf, Schönefeld und Marzahn nach Norden und
gründeten auf dem Barnim neue Siedlungen, denen sie die gleichen Namen gaben
wie im Fläming.
Die in Rahnsdorf und seinen Siedlungsteilen lebenden Einwohner nehmen viele
Bezeichnungen in ihren Orten an, deren Namensherkunft es zu erfragen lohnt.
Neben der Bezeichnung ‚Großer Müggelsee‘ sucht der Kartenleser vergebens
‚Großer Müggelberg‘. Das aus der germanischen Sprache stammende Wort ‚Müggel‘
bezeichnet bereits die Größe einer Sache. Weil man einen Teil im Osten des
Sees ‚Kleiner Müggelsee‘ nannte, sollte der große See ‚Großer Müggelsee‘
heißen. Aber woher kommt der Name Dämeritzsee?
Urkunden und Akten sind die verläßlichsten Dokumente der
Geschichtsforschung. Sie liegen noch in vielen Archiven verwahrt und sind
nicht leicht zugänglich. Noch heute sind Dahlwitzer Gerichtsakten auf dem
Boden der Gastwirtschaft ‚Zum großen Hecht‘ in Rahnsdorf in der Dorfstraße
18, die lange Zeit Versammlungsort der Fischerinnung Rahnsdorf war, gefunden
worden. Andere sind in den Archiven in Köpenick, Berlin und Potsdam
einzusehen. Eine wichtige Quelle stellen die Pläne und Karten dar, auf denen
Rahnsdorf und das den Rahnsdorfern gehörende Umland verzeichnet sind.
Ein Tagebuch des Fischers Wilhelm Lupe, das uns von der Urenkelin zur
Verfügung gestellt wurde, enthielt wichtige Aufzeichnungen. Es begann im
Jahre 1833 mit den ersten Eintragungen. Nach seinem Tode führte es sein Sohn
weiter. Eine letzte Eintragung nach Beendigung des Ersten Weltkrieges 1919
lautete: „Möge doch der liebe Gott dem Unheil ein Ende bereiten, sonst gehen
wir einer bösen Zeit entgegen.“
Die zahlreichen Presseerzeugnisse um die Jahrhundertwende sind eine wahre
Fundgrube für die Historiker. In ihrer Vielseitigkeit berichten sie über die
jeweiligen Begebenheiten unter den gesellschaftspolitischen
Betrachtungsweisen und sind dabei dem Anliegen der Herausgeber verpflichtet.
Gerade in der Zeitungsstadt Berlin ließen viele Parteien in den
verschiedenen Tageszeitungen den Lesern die Nachrichten vermitteln, die sie
für wichtig und bedeutsam hielten. Die örtlichen Lokalblätter, wie zum
Beispiel die ‚Rahnsdorfer Nachrichten‘, lieferten zuverlässige Angaben über
die Geschehnisse in der Gemeinde während der Weimarer Zeit.
Die persönlichen Erinnerungen und die gezielten Befragungen ermöglichten ein
konkretes Eingehen auf die Erlebnisse der Rahnsdorfer Bürger. Dabei sind die
‚Zeitzeugen‘ in ihren Erzählungen manchmal widersprüchlich, und bisweilen
ergibt es sich, daß ein Erlebnis nur das von der Presse veröffentlichte
Geschehen wiedergibt. Die besten Ergebnisse erbrachten die Befragungen zu
besonderen historischen Vorgängen in unseren Ortsteilen. Briefe, die
aufgehoben worden waren, enthielten oft sehr konkrete Angaben zum
Zeitgeschehen. Eine gute Quelle stellten oftmals die aufgeschriebenen
Lebenserinnerungen und die Erfahrungen der älteren Bewohner aus Rahnsdorf,
Wilhelmshagen und Hessenwinkel
dar.
Aufrichtiger Dank gebührt den tüchtigen Mitarbeitern und den vielen
liebenswürdigen Leuten aus den Rahnsdorfer Siedlungen sowie dem Leiter und
den Mitarbeitern des Heimatmuseums Köpenick als auch den Beratern des
Märkischen Museums in Berlin. Mit ihrer Hilfe ist die vorliegende Schrift
eine nahezu vollständige Heimatgeschichte von den Anfängen der Besiedlung an
der Müggelspree bis in die gegenwärtigen Tage des historischen Umschwungs
geworden. Sie kann dazu beitragen, die Kenntnisse der Bürger über die
Entwicklung der Ortschaften Rahnsdorfs zu ergänzen und zu vertiefen.
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