Störgröße „F“. Frauenstudium und Wissenschaftlerinnen Karrieren an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin – 1892 bis 1945. Eine kommentierte Aktenedition

Herausgegeben vom Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin und der Projektgruppe Edition Frauenstudium

 

 

2010, 552 S., zahlr. Dok., ISBN 978-3-89626-895-2, 49,80 EUR
 

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Inhaltsverzeichnis

 

Einleitung             9

Editorische Notiz: Hinweise zur Dokumentenauswahl, zum Aufbau und zur Benutzung der Edition        17

Dokumentenverzeichnis     27

 

I. 1892–1933 – Von der Gasthörerin zur außerordentlichen Professorin 39

    I.1 Die Zulassungsdebatte. Wissenschafts- und frauenpolitische Auseinandersetzungen  zum Frauenstudium – Dokumentenzeitraum von 1892 bis 1905   39

I.2 Gasthörerinnen und Ausnahmepromovendinnen – Dokumentenzeitraum  von 1895 bis 1908   59

I.2.1 Die ersten Gasthörerinnen              63

I.2.2 Die ersten Promotionen von Frauen               65

I.2.3 Abgelehnte Promotionen 75

I.3 Immatrikulationsrecht für Frauen vom 18. August 1908 und dessen Auswirkungen – Dokumentenzeitraum von 1908 bis 1927               79

I.3.1 Der Ministerialerlass vom 18. August 1908 auf Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium                82

I.3.2 Abschnitt 3 des Erlasses von 1908 zum Ausschluss von Frauen von einzelnen Lehrveranstaltungen               84

I.3.3 Studienvoraussetzungen für Frauen – Diskussion zu einer notwendigen Reform des Bildungswesens      93

 

I.4. Studentinnen in den ersten zwei Jahrzehnten. Studienfinanzierung, Wohnverhältnisse und politische Organisation – Dokumentenzeitraum von 1908 bis 1932  107

I.4.1 Studienfinanzierung und politischer Alltag     112

I.4.2 Studentinnenvereine und Akademikerinnenorganisationen          122

     I.5 Die ersten Karriereschritte von Frauen zur Zeit des Kaiserreiches – Dokumentenzeitraum von 1903 bis 1918           127

I.5.1 Die ersten Assistentinnen an der FWUB       130

I.5.2 Frauen als »Kriegsvertreterinnen« 141

 

I.6 Wissenschaft als Beruf. Wege von Frauen zur Habilitation – Dokumentenzeitraum von 1907 bis 1932           149

I.6.1 Diskussion um die Zulassung von Frauen zur Habilitation            153

I.6.2 Die ersten Habilitandinnen             160

I.6.3 Abgelehnte Habilitationsanträge     170

 

I.7 Berufstätigkeit und Berufsaussichten von Absolventinnen in und außerhalb der Universität in der Zeit der Weimarer Republik – Dokumentenzeitraum von 1919 bis 1933           177

I.7.1 Von der Assistentin zur außerordentlichen Professorin 180

I.7.2 Berufsaussichten und -möglichkeiten von Akademikerinnen außerhalb der Universität               194

 

I.8 Förderung und Ehrung von Frauen – Dokumentenzeitraum von 1900 bis 1932         205

I.8.1 Finanzielle Förderung von Studierenden der FWUB und speziell von Frauen durch Stiftungen und Vereine           209

I.8.2 Wissenschaftliche Auszeichnungen und Ehrentitel für Frauen     217

 

II. 1933 bis 1945 – Frauenstudium und Wissenschaftlerinnenkarrieren im Nationalsozialismus                231

 

II.1 Ausgrenzung von Frauen aus politischen und rassenpolitischen Gründen – Dokumentenzeitraum von 1933 bis 1942          231

II.1.1 Ausgrenzung und Exmatrikulation von Studentinnen aus politischen Gründen        237

II.1.2 Ausgrenzung und Entlassung von Frauen aus dem Lehrkörper – die Paragraphen 4 und 6 des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«              250

II.1.3 Numerus Clausus für – nach NS-Definition – jüdische Studierende          269

II.1.4 Anwendung des Paragraphen 3 des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«             278

II.1.5 Aberkennung von akademischen Titeln vor dem Hintergrund der rassenpolitischen Ideologie      285

II.1.6 Einschränkung von Promotions- und Approbationsmöglichkeiten bei »nichtarischen« Frauen        286

 

II.2 Auswirkungen des nationalsozialistischen Frauenbildes auf Studien- und Karrieremöglichkeiten von Frauen – Dokumentenzeitraum von 1933 bis 1942        291

II.2.1 Studentinnen  296

II.2.2 Karrieremöglichkeiten und -hemmnisse in Lehre und Forschung –  Promovendinnen und Assistentinnen         307

II.2.3 Karrieremöglichkeiten und -hemmnisse in Lehre und Forschung – Habilitandinnen und Dozentinnen            320

II.2.4 Berufsaussichten und -möglichkeiten von Medizinerinnen und Pharmazeutinnen außerhalb der Universität               335

 

II.3 Veränderung der NS-Frauenpolitik als Folge des Zweiten Weltkrieges – Dokumentenzeitraum von 1939 bis 1946          339

II.3.1 Veränderungen der Zulassungs- und Studienbedingungen           342

II.3.2 Notpromotionen            348

II.3.3 Habilitationen nach 1939 und Ernennungen von Frauen zur außerordentlichen Professorin               352

II.3.4 Befristete Besetzung von akademischen Stellen mit Frauen als »Kriegsvertreterinnen«          376

 

II.4 Politische Positionierung von Wissenschaftlerinnen und Studentinnen  während der NS-Zeit – Dokumentenzeitraum von 1935 bis 1945               383

II.4.1 Studentinnen zwischen Anpassung und Unterstützung des NS-Regimes  388

II.4.2 Wissenschaftlerinnen zwischen Anpassung und Unterstützung des NS-Regimes           391

II.4. 3 Widerstand gegen das NS-Regime – Verhaftete und ermordete Wissenschaftlerinnen und Studentinnen                 412

 

Literaturverzeichnis            429

Biografisches Verzeichnis  452

Personenregister  525

Abkürzungen       537

Zur Entstehungsgeschichte dieser Edition     545

Verzeichnis der Projektmitarbeiterinnen        549

Danksagung          551

 

 

Einleitung

Gabriele Jähnert

Mit der vorliegenden Aktenedition wird erstmalig im deutschsprachigen Raum eine umfassende und kommentierte Quellendokumentation zur Geschichte des Frauenstudiums und der beruflichen Po­sition von Wissenschaftlerinnen an einer Hochschule veröffentlicht./1/ Es werden Dokumente des Ar­chivs der Humboldt-Universität zu Berlin im Zeitraum von 1892 bis 1945 präsentiert, welche die Ge­schichte von Frauen in der akademischen Bildung mit all ihren Erfolgen und Brüchen lebendig und die vergeschlechtlichte »Geschäftsordnung der Wissenschaft«/2/ erkennbar werden lassen.

In der Einleitung sollen, bevor im folgenden Abschnitt der Aufbau, die Dokumentenauswahl und die Erschließungsprinzipien der Edition dargelegt werden, zwei Fragekomplexe erörtert werden:

Ist diese Edition auch für diejenigen von Forschungsinteresse, die sich nicht mit der Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität beschäftigen?

Und was ist vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungstandes die Zielstellung einer solchen Edition? Beziehungsweise – um mit Schiller zu fragen –: Wozu und zu welchem Ende soll man die Geschichte der akademischen Bildung von Frauen 100 Jahre nach Einführung des Frauenstudiums in Preußen weiter studieren, und inwieweit kann man durch eine Quellenedition über die Störgröße »F« in der Wissenschaft noch etwas Neues herausfinden?

Ein Blick auf den gegenwärtigen Forschungsstand mag bei der zuletzt genannten Frage zunächst Zweifel aufkommen lassen. Die Geschichte des Frauenstudiums, insbesondere deren Anfänge sind inzwischen für die deutschen Hochschulen umfänglich beschrieben worden./3/ Sowohl für Deutschland insgesamt/4/ als auch bezogen auf einzelne Hochschulen/5/ wurden – häufig auch im Rahmen von Ausstellungen und Ausstellungsbänden die Etappen der Zulassung von Frauen zur Alma Mater nachgezeichnet. Die Frauen- und Geschlechterforscherinnen machten die ersten Gasthörerinnen und »Ausnahmepromovendinnen«/6/ – denen eine Promotion als Externe zu einer Zeit ermöglicht wurde, als Frauen noch gar nicht als Studentinnen immatrikuliert werden durften – und die ersten regulär immatrikulierten Frauen ausfindig und untersuchten die Situation der Studentinnen und des Frauenstudiums für verschiedene Zeitepochen./7/ Sie recherchierten schon sehr früh, in welchen Fächern Frauen promovierten/8/ und habilitierten/9/ und zeichneten die einzelnen Karriereschritte der Wissenschaftlerinnen von den ersten Einstellungen als Hilfsassistentinnen bis zu den ersten (außer-)ordentlichen Professorinnen bezogen auf einzelne Universitäten nach. Es wurden die damaligen Vorurteile gegen das wissenschaftliche Studium und die Befähigung von Frauen zur wissenschaftlichen Arbeit/10/ dargestellt sowie disziplinenspezifische/11/ und statusspezifische Bedingungen von Frauen und in An­sätzen deren Netzwerke/12/ analysiert. Soziologinnen und Historikerinnen fragten danach, wie männ­lich die Wissenschaft ist/13/ und machten die vielschichtigen Barrieren für den Auftritt der Frauen auf der Vorderbühne/14/ der Wissenschaft und die Selbstpositionierungen und Handlungsstrategien der Frauen sichtbar./15/ In dem Zusammenhang wurden viele Wissenschaftlerinnen wiederentdeckt/16/, die dem »Mathilda-Effekt«/17/ zum Opfer gefallen waren, d.h. die Beispiele sind für die systematische Un­terbewertung der wissenschaftlichen Leistungen von Frauen. Gleichwohl gibt es auch im Bereich der biografischen Forschung noch viele Forschungsdesiderate und Beispiele dafür, dass Leistungen von bedeutenden Wissenschaftlerinnen immer noch unzureichend gewürdigt worden sind. Stellvertretend dafür steht die Berliner Biologin Elisabeth Schiemann, zu der hier Dokumente vorgelegt werden und über die es bislang keine wissenschaftliche Biografie gibt.

Für die Zeit des Nationalsozialismus wurden in den letzten Jahren die Biografien zahlreicher der zumeist aus rassischen Gründen vertriebenen Wissenschaftlerinnen recherchiert. Dabei wurden die nationalsozialistischen In- und Exklusionsmechanismen, insbesondere die Vertreibung der »jüdischen« Wissenschaftlerinnen und Studentinnen, sowie politische Widerstandsformen herausgearbeitet./18/ Erst in Ansätzen und unvollständig erforscht sind für diesen Zeitraum die politische Positio­nierung und Partizipation von Wissenschaftlerinnen, denen sich in der Zeit zwischen 1933 und 1945 eine – zumeist begrenzte – wissenschaftliche Karriere bot./19/

Bezogen auf die Berliner Universität und die außeruniversitären wissenschaftlichen Einrichtun­gen ist die Geschichte des Frauenstudiums sowohl aus institutionsspezifischer wie aus biografischer Perspektive für die Zeit bis 1945 inzwischen in den Grundzügen gut aufgearbeitet. Wie auch bei anderen deutschen Universitäten spiegelt sich dies bislang jedoch kaum in der Geschichtsschreibung der Humboldt-Universität (HU) wider. In den älteren Standard- und Jubiläumsbänden zur Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität (FWUB) bzw. der Humboldt-Universität (HU)/20/ spielten die Geschichte des Frauenstudiums und die wissenschaftlichen Leistungen von Frauen keine Rolle./21/

Erst durch die sich universitär etablierende feministische und Frauenforschung an der Freien Universität Berlin (FU) wurden die ersten Schritte auch zur Aufarbeitung der Frauengeschichte der FWUB in den späten 1980er Jahren/22/ unternommen. Ab Mitte der 1990er Jahre begann das damalige Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung (ZiF) an der HU systematisch mit der Erforschung der Geschichte des Frauenstudiums und der Wissenschaftlerinnenkarrieren an der HU/FWUB./23/ Im Rahmen eines archivwissenschaftlichen Drittmittelprojekts wurden die Bestände des Universitätsarchivs der HU unter frauenspezifischem Blickwinkel systematisch erschlossen und eine Datenbank/24/ erstellt, in die vorhandene biografische Daten der Wissenschaftlerinnen der FWUB/HU und alle sonstigen Schriftstücke der Universitätsgremien und -verwaltung, die Frauen direkt betreffen, auf­genommen worden sind. Das ZiF veranstaltete verschiedene Kolloquien zur Frauengeschichte der FWUB bzw. HU, aus denen erste Publikationen hervorgingen./25/ 1999 wurde im Hauptgebäude der HU die Ausstellung »Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit. Frauen an der Universität Unter den Linden«/26/ gezeigt und darauf fußend der gleichnamige Sammelband/27/ veröffentlicht, woran Mitarbeiterinnen des ZiF maßgeblich beteiligt waren. Ausstellung und Publikation sollten das Desiderat in der bisherigen Wissenschaftsgeschichtsschreibung der HU kompensieren helfen.

Komplementär und parallel wurden zumeist im Rahmen von wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten/28/ wichtige biografische sowie disziplinen- und institutionsgeschichtliche Untersuchungen geschrieben. Auch an außeruniversitären Einrichtungen, wie an der Akademie der Wissenschaften/29/ und dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (früher: Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft /30/), wurde deren Geschichte unter geschlechterspezifischem Blickwinkel – zumeist im Zusammenhang mit der der FWUB – aufgearbeitet.

Desiderate in der historiographischen und institutionengeschichtlichen Forschung bestehen im Unterschied zu früheren Perioden der Universitätsgeschichte weiterhin für die Zeit ab 1945./31/ Außer­dem mangelt es an einer Zusammenführung von wissenschafts- und institutionengeschichtlichen Forschungsergebnissen mit soziologischen, kulturwissenschaftlichen und wissensgeschichtlichen Perspektiven. An diese Lücken knüpfen die Forschungen in den Gender Studies gegenwärtig verstärkt an. Aufbauend auf dem skizzierten Forschungsstand zum lange Zeit prekären Status von Frauen in den wissenschaftlichen Institutionen, deren (Selbst-)Positionierung und ihren begrenzten Gestaltungs­spielräumen wird in der Geschlechterforschung zunehmend nach der vergeschlechtlichten Autorität von Wissen32 sowie der impliziten und expliziten Funktion von Gender in der Formierung des Wissens und in den Wissensformationen selbst gefragt./33/ Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive wird verstärkt das Geschlecht der Bildung/34/ und die Matrix des Wissens in den Blick genommen. Die Analyse der symbolischen und kulturellen Ebenen der Wissenschaftsdiskurse und der »diskursive(n) Ordnungen, in denen Wissenschaft sich artikuliert«/35/, eröffnet dabei eine neue Perspektive auch auf die institutionellen Bedingungen der Wissensproduktion und -organisation sowie auf die genderspezifischen Mechanismen von Ausschluss und Normierung. Dies weitet den Blick darauf, wie die Genderdimension in der »wissenschaftlichen Arbeitsweise und Forschungspraktik historisch Evidenz und kulturell Autorität erlangte.«/36

Was ist nun angesichts der bereits geleisteten Forschungsarbeit und der offenen Forschungsfragen das Ziel dieser Edition? Worin kann deren Gewinn für die Forschung zu Beginn des 21. Jahrhunderts liegen?

Aus meiner Perspektive sind es insbesondere vier Möglichkeiten, die sich für die künftige Forschung und Lehre eröffnen:

Erstens kann durch die bessere Zugänglichkeit von grundsätzlich bereits bekannten Dokumenten und deren (Re-)Lektüre unter Berücksichtigung der diesen zugrunde liegenden Rahmenbedingungen und Facetten eine erweiterte theoretische Perspektive auf die historischen Prozesse angeregt werden.

Zweitens werden durch die Veröffentlichung bislang öffentlich nicht bekannter bzw. schwer zu­gänglicher Dokumente Präzisierungen, Erweiterungen und Korrekturen von biografischen und hochschulvergleichenden Forschungsarbeiten möglich bzw. erleichtert.

Drittens wird Quellenmaterial für die universitäre Lehre, z.B. für quellenkritische Übungen in der Geschichts- und Kulturwissenschaft sowie in den Gender Studies bereitgestellt.

Viertens werden die Forschungsperspektiven in der Geschichtsschreibung zur FWUB und HU, auch über die gegenwärtig entstehenden Publikationen anlässlich des 200-jährigen Universitätsjubi­läums der HU hinaus erweitert.

Für den ersten und zweiten Punkt ist das Dokument 74 in diesem Band, das Negativgutachten von Carl Stumpf zur Habilitationsschrift von Mathilde Vaerting, ein prägnantes Beispiel, das hier exem­plarisch kurz betrachtet werden soll./37/

In der biografischen Forschung/38/ war lange Zeit nicht bekannt, dass Mathilde Vaerting einen Habilitationsantrag an der FWUB gestellt hatte und dass ihr Habilverfahren gescheitert war. Auch in jüngeren Forschungen, denen dieser Fakt gegenwärtig ist, wird auf die Gründe für die Ablehnung wenig Bezug genommen und das Gutachten selbst wird nicht in seiner Argumentationsstruktur analysiert./39/

Die Veröffentlichung dieses Gutachtens könnte jedoch weit über den biografischen Kontext von Mathilde Vaerting hinaus für Forschungsarbeiten interessant sein, die sich aus kulturwissenschaftlicher und gendertheoretischer Perspektive mit dem Zusammenhang von Wissen(-schaft) und Geschlecht, mit den Mechanismen von Normierung und Autorisierung von Wissen und der symbolischen Geschlechterordnung in der Weimarer Republik beschäftigen. Denn Mathilde Vaerting hatte in ihren Arbeiten und ihrer Habilitationsschrift zur »Neubegründung der vergleichenden Psychologie der Geschlechter« die Ursache für den Ausschluss von Frauen aus der symbolischen Geschlechterordnung nicht nur in der männlichen Hegemonie in der Gesellschaft gesehen, sondern auch unmittelbar auf den Zusammenhang von Geschlecht, Männlichkeit und wissenschaftlicher Erkenntnis hingewiesen./40/ Dabei geht sie wiederholt darauf ein, wie sich die »Tagesmeinung« von der Inferiori­tät der Frau in das psychologische Wissen einschreibt und dieses unreflektiert durchdringt. Die mit diesem theoretischen Ansatz formulierte Grundsatzkritik am Wissenschaftsverständnis der vorherr­schenden Psychologie führte – wie nicht anders zu erwarten – zu einer geschlossenen Abwehr von Seiten der Professorenschaft der Philosophischen Fakultät und zur Ablehnung ihrer Habilitations­schrift. Das abgedruckte Gutachten von Carl Stumpf und die Kommentare der anderen Professoren zeigen die argumentativen Abwehrstrategien, mit denen dies geschah, und zwar wird ihr zum einen die wissenschaftliche Kompetenz abgesprochen und zum anderen wird sie als Person diskreditiert.

Wissenschaftlich wird ihr methodische Inkompetenz und Mangel an wissenschaftlichem Urteils­vermögen vorgeworfen und explizit auch die Innovativität des Forschungsansatzes bestritten. Ihr wissenschaftlicher Stil wird scharf kritisiert, indem ihr »Verworrenheit des Denkens«, Übertreibungen und Wiederholungen angelastet werden. Dabei wird sie immer wieder nicht als Wissenschaftlerin, sondern als Frau, d.h. aufgrund ihres weiblichen Geschlechts, attackiert und sexualisiert. Im Falle Stumpfs geschieht dies nicht nur durch massive Distanzierung über den Konjunktiv II, sondern durch Ironisierung und Lächerlichmachen im Stil des Gutachtens selbst, bei Gustav Roethes ergänzenden Bemerkungen durch offene sexuelle Diskriminierung. Das Gutachten von Stumpf wirft einen bezeichnenden Blick auf die Verunsicherung, die die wissenschaftliche Position einer Frau, die sich mit Geschlechterfragen auseinandersetzt, bei den Männern der Wissenschaft auslöste. Die im Gutachten mehrfach als befremdlich wahrgenommene »Art ihres Selbstbewußtseins« lässt deutlich werden, welche Störgröße Vaertings Ansatz in der universitären Ordnung war. Die persönliche Kränkung, die der Gutachter Stumpf empfindet, resultiert aus der Infragestellung seines wissenschaftlichen Selbst­verständnisses und seiner wissenschaftlichen Autorität durch Vaerting, indem sie eine mündlich ge­äußerte Kritik seinerseits nicht dankbar aufnahm, sondern zu einer weiteren wissenschaftlichen Aus­einandersetzung nutzte und ihr Manuskript durch eine »Kritik (ergänzte), die zugleich gegen mich gerichtet ist«. Am Beispiel dieses Gutachtens ließe sich im Zusammenhang mit den publizierten wissenschaftlichen Texten Vaertings – in Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Universitäten – selbst hervorragend zeigen, wie der Eintritt der Frauen in die Wissenschaft und die von ihnen formulierte Kritik am Wissenschaftsbegriff selbst zu einer »Störung der bis dato homogenen homo­sozialen Kommunikation des Wissenschaftsbetriebs« /41/ wird und neue heterosoziale Kommunikati­onsbedingungen entstehen. »Es lässt sich beobachten, dass als Begleitphänomen oder Effekt in den damaligen Wissenschaftskreisen eine aktivierte Wahrnehmung von Geschlecht entstand, wobei wiederum die Attribuierung von Geschlecht(lichkeit) zunächst ausschließlich den Störfaktor Frau betraf – die männlichen Agenten der Wissenschaft wurden weiterhin als non-gendered wahrgenommen.«/42/ Im Falle Vaertings war jedoch nicht nur die Autorin Gegenstand der Auseinandersetzung, sondern die sich ungeschlechtlich verstehende Wissenschaft wird direkt auf ihre männliche Geschlechtlich­keit verwiesen und reagiert darauf entsprechend mit außergewöhnlicher Schärfe.

Diese knappe Analyse des Gutachtens zeigt exemplarisch auf, welches Potenzial die vorliegenden Dokumente der Edition für die weitere wissenschaftstheoretische und wissenschaftsgeschichtliche Fundierung der Wissenschafts- und Genderforschung eröffnen.

Andere Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus bieten Hinweise für die Selbstpositionierung von Wissenschaftlerinnen im NS-System, die gegenüber der bisherigen biografischen Forschung in einigen Fällen zu einer differenzierteren Bewertung führen können. Beispielsweise belegen diese für Paula Hertwig eine politische Distanz zum NS-System aufgrund ihrer universitären Schwierigkeiten, als außerplanmäßige Professorin berufen zu werden. Verschiedene Selbstzeugnisse sprechen dafür, dass ihre wissenschaftliche Beschäftigung mit der Vererbungslehre nicht in einem engen Zusammenhang mit der Rassenpolitik des NS steht/43/, sondern nach ihrer eigenen Darstellung hat sie sich zwar wissenschaftlich mit der Vererbungslehre, aber nicht mit den politischen Implikationen und der Rassenpolitik beschäftigt. Das Dokument 227 zeigt jedoch, dass Hertwig offensichtlich auf eigene Initiative um die Erlaubnis bat, neben ihrer Vorlesung zur Vererbungslehre auch den Teil zur Rasselehre selbst lesen zu dürfen, vermutlich um den Anschuldigungen gegenüber ihrer politischen Unzuverlässigkeit entgegen zu arbeiten.

Die 1935 zwangsweise in den Ruhestand versetzte Rhoda Erdmann ist dagegen offensichtlich nicht frei von antisemitischen Ressentiments gegenüber ihren »jüdischen« Kollegen gewesen, wie Dokument 130 zeigt, bzw. sie instrumentalisierte die antisemitische Politik für ihre persönlichen Ziele. Die Publikation dieser und weiterer Dokumente aus der NS-Zeit könnte, so begrenzt der Aussage­wert einzelner Dokumente in Bezug auf die politische Positionierung in dieser Zeit auch ist, dazu bei­tragen, die weitere Forschung zu diesem wichtigen Kapitel der deutschen Geschichte zu befördern.

Wir hoffen, dass die vorliegende Edition über das anstehende Universitätsjubiläum hinaus auch der zukünftigen Erforschung der Geschichte der FWUB und der HU weitere Impulse verleiht, zum einen, weil es sich um eine Aktenedition von Dokumenten aus dem Universitätsarchiv der HU handelt. Mit dieser Edition ist aus der Perspektive des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudi­en zum anderen die Hoffnung verbunden, dass die Geschichtsdarstellung, wie es u.a. Walter Erhart fordert, insgesamt »gegendert« wird, d.h. dass »gender als implizites Element im Vorgang der disziplininternen Generierung und Organisation von Wissen« analysiert wird/44/, und über die Darstellung der Geschichte des Frauenstudiums, der institutionellen Barrieren, denen sich Wissenschaftlerinnen lange Zeit gegenüber sahen, sowie ihrer Leistungen im Wissenschaftsbetrieb hinausgehen.

Ist diese Edition auch für diejenigen von wissenschaftlichem Wert, die sich nicht speziell mit der Ge­schichte der Humboldt-Universität bzw. Friedrich-Wilhelms-Universität beschäftigen? Drei Grün­de sprechen dafür: erstens die Bedeutung der Berliner Universität als herausragendes Wissen­schafts­zentrum Deutschlands, zweitens die große Anzahl der hier tätigen Wissenschaftlerinnen und drittens die Quellenlage des Universitätsarchivs.

Die FWUB gilt seit ihrer Gründung nach dem Prinzip der Humboldtschen Reformen mit ihrer Ori­entierung auf die Einheit von Forschung und Lehre als Mutter der modernen Universitäten. Sie hatte wissenschaftspolitisch in der Zeit des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und des Nationalsozialis­mus als hauptstädtische Universität eine exponierte Stellung im nationalen Kontext. Die Entwick­lung und Geschichte der Universität bzw. einzelner Fakultäten im 20. Jahrhundert erscheint dabei noch heute als fast ausschließlich von Männern bestimmt./45/ Hier lehrten und forschten so renommierte Forscher wie z.B. Albert Einstein, Otto Hahn, Ferdinand Sauerbruch, Karl Bonhoeffer und Robert Rössle. Obwohl die FWUB als preußische Universität Frauen als eine der letzten zum Studi­um zuließ, nahm sie, was die Förderung von Wissenschaftlerinnen betraf, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufig eine Spitzenposition ein. An der FWUB promovierten und habilitierten sich im deutschen Vergleich mit Abstand die meisten Frauen./46/ Auch in der NS-Zeit lehrten und forschten hier 11 von damals deutschlandweit insgesamt 34 Privatdozentinnen./47/ Das Archiv der Humboldt-Universität verfügt über einen sehr umfangreichen und für die deutsche Universitätsgeschichte reprä­sentativen Bestand sowohl an biografischen Dokumenten von Frauen als auch an Verwaltungsvorgängen und wissenschaftspolitischen Diskussionen, die exemplarisch die universitären Ausschluss- und Teilhabemechanismen, die Strategien und Verstrickungen von Frauen im Universitätssystem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen. Das Universitätsarchiv der HU ist zudem das größte deut­sche Universitätsarchiv, es ist forschungsmäßig gut nutzbar und es verfügt in Bezug auf die hier be­handelte Thematik über einen geschlossenen Bestand ohne große Kriegsverluste, der durch das oben genannte Archivprojekt des ZiF bereits unter frauenspezifischen Gesichtspunkten tiefenerschlossen wurde.

Die somit verfügbaren Archivalien erlaubten es daher, eine für die Geschichte des Frauenstudiums und von Wissenschaftlerinnenkarrieren in Deutschland interessante und repräsentative Auswahl zu treffen, die hiermit vorgelegt wird, um weitere Forschungen anzuregen und zu bereichern.

 

Fußnoten

1       Lediglich die Bände zur Geschichte des Frauenstudiums in Münster (»›Lasst sie doch denken!‹: 100 Jahre Studium für Frauen in Münster«, hrsg. von Sabine Happ und Veronika Jüttemann, 2008, S. 189–251) und Jena (»Die Töchter der Alma mater Jenensis: 90 Jahre Frauenstudium an der Universität Jena«, hrsg. von Gisela Horn, 1999, S. 263–299) enthalten unkommentierte Quellen­teile mit Text- und Bilddokumenten. Darüber hinaus beinhalten Ausstellungsdokumentationen wie die zum Frauenstudium an der Universität Greifswald (Herrmann/Ritthaler 1999; Pieper 2007) zwar ebenfalls Faksimile von Dokumenten, diese haben dort jedoch lediglich illustrativen Charakter. In der Wissenschaftsgeschichte sind universitäts- oder wissenschaftshistorische Aktenedi­tionen, wie der von Anne Christine Nagel 2000 herausgegebene Band mit Dokumenten zur Geschichte der Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus, generell sehr selten.
Bezogen auf die allgemeine Bildungs- und Berufsgeschichte von Mädchen und Frauen liegt eine kommentierte Quellensammlung von publizierten autobiographischen, journalistischen und wissenschaftlichen Texten vor in Kleinau/Mayer 1996a,b.

2       Hassauer 2003, S. 52. Hassauer formuliert: »Die Geschäftsordnung der Wissenschaft ist eine Geschlechterordnung, der in drei­tausend Jahren abendländischer Zunftsordnung eine geschlechtsabstinente symbolische Ordnung nicht gelingen will.«  Zum Zusammenhang von Weiblichkeit, Wissen und Wissenschaft vgl. auch Hassauer 1994.

3       Vgl. hierzu das Literaturverzeichnis bzw. den Bericht über die diesbezügliche Forschungsliteratur bei Budde 2002 und Vogt 2007a.

4       Soden von/Zipfel 1979, Mertens 1991, Costas 1992, 1997, Schlüter 1992, Lohschelder 1994, Kleinau/Opitz 1996a, Soden von 1Bleker 1998, Huerkamp 1996, Wobbe 1999, Dickmann 2000.

5     Die Geschichte des Frauenstudiums und der Wissenschaftlerinnenkarrieren sind z.B. dokumentiert von den Universitäten Zü­rich (Verein fem. Wiss. Schweiz 1988; Stump, Graf-Nold, Gillioz u.a. 1988), Wien (Heidl/Tichy 1990), Tübingen (Glaser 1992; Schneider/Stelly/Neubauer 2007), München (Bußmann 1993, Fuchs 1994), Bonn (Kuhn 1996), Kiel (Fischer 1996), Graz (Kernbauer 1996), Basel (Brandscheidt 1996), der TU Wien (Mikoletzky 1997), der Universität Göttingen (Costas 1997, 2002), Marburg (Lemberg 1997, 2006), Greifswald (Herrmann/Ritthaler 1999, Pieper 2007, Clemens/Schneikart 2008), Würzburg Ausstellungen und Ausstellungsbänden die Etappen der Zulassung von Frauen zur Alma Mater nach­gezeichnet. Die Frauen- und Geschlechterforscherinnen machten die ersten Gasthörerinnen und »Ausnahmepromovendinnen«6 – denen eine Promotion als Externe zu einer Zeit ermöglicht wur­de, als Frauen noch gar nicht als Studentinnen immatrikuliert werden durften – und die ersten regulär immatrikulierten Frauen ausfindig und untersuchten die Situation der Studentinnen und des Frau­enstudiums für verschiedene Zeitepochen.7 Sie recherchierten schon sehr früh, in welchen Fächern Frauen promovierten8 und habilitierten9 und zeichneten die einzelnen Karriereschritte der Wissen­schaftlerinnen von den ersten Einstellungen als Hilfsassistentinnen bis zu den ersten (außer-)ordent­lichen Professorinnen bezogen auf einzelne Universitäten nach. Es wurden die damaligen Vorurteile gegen das wissenschaftliche Studium und die Befähigung von Frauen zur wissenschaftlichen Arbeit10 dargestellt sowie disziplinenspezifische11 und statusspezifische Bedingungen von Frauen und in An­sätzen deren Netzwerke12 analysiert. Soziologinnen und Historikerinnen fragten danach, wie männ­lich die Wissenschaft ist13 und machten die vielschichtigen Barrieren für den Auftritt der Frauen auf der Vorderbühne14 der Wissenschaft und die Selbstpositionierungen und Handlungsstrategien der Frauen sichtbar.15 In dem Zusammenhang wurden viele Wissenschaftlerinnen wiederentdeckt16, die dem »Mathilda-Effekt«17 zum Opfer gefallen waren, d.h. die Beispiele sind für die systematische Un­terbewertung der wissenschaftlichen Leistungen von Frauen. Gleichwohl gibt es auch im Bereich der biografischen Forschung noch viele Forschungsdesiderate und Beispiele dafür, dass Leistungen von bedeutenden Wissenschaftlerinnen immer noch unzureichend gewürdigt worden sind. Stellvertre­(Hessanauer 1998), Jena (Horn 1999), Rostock (Beese 1999), Wien (Bischof 1999, 2002, 2004, Wendler/Zwickies 2009), Gießen (Oberschelp 1999, 2008), Freiburg (Scherb 2002), der TU Dresden (Zachmann 2003), der Berliner Universität (Bode/Jar 1990, Ausstellungsgruppe 2003), Leipzig (Nagelschmidt 2007), Münster (Happ 2008), Heidelberg (Richter 2008) oder auch, bezogen auf einzelne Bundesländer, von Bayern (Häntzschel 1997) oder Baden-Württemberg (Fellmeth 1998, Schneider 2007).

6       Vogt 2003a.

7       Junginger 1991, Benker/Störmer 1991, Lohschelder 1994, Biastoch 1996, Hilpert-Fröhlich 1996, Huerkamp 1996, Manns 1997, Koerner 1997, Martin 1997, Burchardt 1997, Zettelbauer 1998, Rogger 1999, Costas 2000, Mazon 2001, Lund 2003, Stockmayer 2004, Weiershausen 2004, Vogt 2005, Harders 2005, Pieper 2007.

8       Boedecker 1939, Lohschelder 1994, Bertram 1998, Soden 1997c, Vogt 1997a, d, 2003a, b, 2005, 2007a,b, Kästner 2007.

9       Boedecker 1974, Marggraff 2001, Vogt 2003a,d, 2005, 2007a, Richter 2005.

10     Glaser 1996, Mazon 2003, Lehnert 2003a,b, Gerhard 2007.

11     Historische und biographische Untersuchungen sind bspw. erschienen zur Mathematik und den Naturwissenschaften (Meinel/Renneberg 1996, Tobies 1997a,b, 2009), zur Physik (Scheich 1993, Hinterberger 1996, Thulmann 1997, Bischof 2004, Heinsohn 2005), zur Medizin (Cohors-Fresenborg 1989, Bleker 1998, Richter 2005, Brinkschulte 1994, 2006, Bleker 2000), zur Germa­nistik (Harders 2004a,b, 2005, Tischel 2005), zu den Wirtschaftswissenschaften (Schöck-Quinteros 1999, Carl 2008), zu den Ingenieurwissenschaften (Zachmann 2003), Astronomie (Schiebinger 1993, Vogt 2000b), Biologie (Pomata 1983), Soziologie (Wobbe 1997), Pädagogik (Brehmer 1990, 1993, Schlüter 2008, Glaser/Andresen 2009), Psychologie (Jahnke 2006), Rechtswis­senschaft (Rust 2000), Kulturwissenschaft (Hahn 1994), Volkskunde (Alzheimer-Haller 1994, Smetschka 1997), Literaturwis­senschaft (Weigel 1990a,b), Philosophie/Theologie (Schiebinger 1993, Appich 1993, Jeggle-Merz 2007).

12     Huerkamp 1996, Oertzen 2000, 2007a,b, 2010a,b.

13     Hausen/Nowotny 1986, Wetterer 1992, Wobbe 1997.

14     Um den Prozess der Teilhabe von Frauen in der Wissenschaft zu beschreiben, wird häufig die Hausmetapher (Vogt 2007) oder die Bühnenmetapher (Wobbe 2003) genutzt. Wobbe, S. 15, bezieht sich dabei auf die Bühnen-Metapher des Sozialen nach E. Goff­man (1983/1959). Danach findet auf der Vorderbühne die formal-strukturelle Anpassung an das Gleichberechtigungsprinzip statt, während auf der Hinterbühne die Differenzsemantik fortexistiert.

15     Vgl. Wobbe 2003, S. 13–38.

16   Vgl. hierzu z.B. Christmann 1980, Feyl 1981, Berghahn 1984, Fölsing 1990, Schiebinger 1993, Brehmer 1993, Volkmann-Raue 2002, Kuhlmann 2007, Fischer 2009.

17     Rossiter 2003.tend dafür steht die Berliner Biologin Elisabeth Schiemann, zu der hier Dokumente vorgelegt werden und über die es bislang keine wissenschaftliche Biografie gibt.

18     Vgl. dazu Huerkamp 1993, Mehrwald/Wagner 1993, Timm 1992, 1996, Manns 1997, Wobbe 1997, Häntzschel 1999, 2000, Schneck 2000, Oertzen 2000, Vogt 2001a, Bott 2002, Scherb 2002, Vogt/Walther 2003a,b, Hirsch 2005, Harders 2005, Vogt 2005 sowie Vogt 2007a, S. 260–411.

19     Vgl. Koch 1985, Deichmann 1997, Vogt/Walther 2003c, Gerstengabe 2006, Vogt 2000c, 2007.

20     Die Universität wurde 1810 als Königliche Universität zu Berlin gegründet, von 1828 bis 1945 hieß sie (Königliche) Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, bis 1949 Universität Berlin, seitdem Humboldt-Universität zu Berlin. In diesem Band wird entspre­chend des zeitgeschichtlichen Rahmens von der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (FWUB) gesprochen.

21     Vgl. insbesondere M. Lenz: Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, 4 Bde., Halle/S. 1910–1918; M. Lang: Die Universität Berlin, Wien/Düsseldorf 1931; Forschen und Wirken: Festschrift zur 150. Jahrfeier, Bd. I, Berlin 1960; Die Humboldt-Universität gestern-heute-morgen, Berlin 1960; Die Rektoren der Humboldt-Universität, hrsg. von der Universi­tätsbibliothek der HUB, Halle 1966; Idee und Wirklichkeit einer Universität, hrsg. von W. Weischedel, Berlin 1960; Humboldt-Universität zu Berlin. Überblick 1810–1985, hrsg. von H. Klein, Berlin 1985; Humboldt-Universität zu Berlin. Dokumente 1810–1985, hrsg. von H. Klein, Berlin 1985.

22     Bock/Jank 1990. Anlässlich 10 Jahre Frauenförderbeschluss durch den Akademischen Senat der FU wurden dort durch die Zen­traleinrichtung zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung im Sommer 1990 eine »Wissenschaftlerinnen-Ausstel­lung« aus Zürich sowie eine Buchausstellung zur Geschichte des Frauenstudiums gezeigt. Dagmar Jank beschäftigte sich im ersten Teil des Ausstellungsführers auch mit einigen Aspekten des Frauenstudiums an der FWUB.

23     Näheres zur Entstehungsgeschichte dieser Edition s. S. 545.

24     Informationen zur Datenbank finden sich im Netz unter http://www.gender.hu-berlin.de/forschung/hu_frauengeschichte/ada­datenbank/ (17.11.2009)FWUB bzw. HU, aus denen erste Publikationen hervorgingen.25 1999 wurde im Hauptgebäude der HU die Ausstellung »Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit. Frauen an der Universität Unter den Linden«26 gezeigt und darauf fußend der gleichnamige Sammelband27 veröffentlicht, woran Mitar­beiterinnen des ZiF maßgeblich beteiligt waren. Ausstellung und Publikation sollten das Desiderat in der bisherigen Wissenschaftsgeschichtsschreibung der HU kompensieren helfen.

25     Vgl. Zur Geschichte des Frauenstudiums und weiblicher Berufskarrieren an der Berliner Universität (Workshop 1995), Berlin 1996; Frauen an der Humboldt-Universität 1908–1998, hrsg. vom Rektor der Humboldt-Universität (Vorträge 1998), Berlin 1999; An ihnen wird Geschichte deutlich: sieben Porträts ehemaliger Wissenschaftlerinnen der Humboldt-Universität, hrsg. von Simone Kreher, Berlin 1999.

26     Die Ausstellungstafeln sind im Netz verfügbar unter http://www2.gender.hu-berlin.de/ausstellung/ (17.11.2009).

27     Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit: Frauen an der Berliner Universität Unter den Linden, hrsg. von der Ausstellungsgruppe an der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung, Berlin 2003.

28     Bspw. zu Rahel Hirsch: Brinkschulte 1993, zu Lise Meitner: Kerner 1986/1998, zu Liselotte Richter: Wenzel 1999, zu Hilda Pollaczek-Geiringer: Vogt 1998a, zu Elsa Neumann: Vogt 1997d, 1999b, zu Elena Timofeeff-Rossovsky: Vogt/Satzinger 1999, zu Rhoda Erdmann: Koch 1985, Schneck 2000, zu Margot Sponer: Tobies 1996a,b, Maushardt 1997, Vogt 2001a, zu Margarete Woltner: Brang/Bräuer 1967, Bott 2002, zu Hedwig Hintze: Walther 2003, zu Gertrud Kornfeld: Vogt 2003e, zu verschiedenen Germanistinnen: Harders 2004a,b, zu Paula Hertwig: Deichmann 1997/2008, Gerstengabe 2005, 2006, zu Alice Salomon: Zeller 1990, Hering 2005.

29     Wobbe 2002, Jonker 2002, Hoffmann 2010a,b.

30     Vogt 2007a.

31     Die Geschichte der HU nach 1945 wurde – wie auch die der übrigen ostdeutschen Hochschulen – wissenschaftlich lange Zeit kaum aufgearbeitet. Erst in der aus Anlass des Universitätsjubiläums vorbereiteten sechsbändigen Publikation zur »Geschichte der Universität zu Berlin 1810–2010: Biographie einer Institution, Praxis ihrer Disziplinen«, die von Rüdiger vom Bruch und Heinz-Elmar Tenorth herausgegeben wird und 2010 erscheint, werden hierzu in Band 3: »Von 1945 bis zur Gegenwart« erste systematische Forschungsergebnisse publiziert.
Unter frauen- und geschlechterspezifischen Gesichtspunkten steht eine detaillierte wissenschaftliche Analyse noch aus. Eine er­ste Annäherung an die DDR-Zeit stellen die Arbeiten von Hildebrandt/Stein 1992, Burkhardt/Stein 1996, Budde 1997/2003, Zachmann 1997, 2004, Maul 2002a,b, Pasternack 2002, die Artikel von Walther, Ruschhaupt, Wenzel, Reinsch und Jähnert in dem Band: Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit. Frauen an der Universität Unter den Linden, hrsg. von der Ausstellungsgruppe 2003 dar sowie zum besonderen Aspekt der Frauen an der Arbeiter- und Bauern-Fakultät Miethe 2007, Miethe/Schiebel 2008. Der Band 3 der »Geschichte der Universtät zu Berlin 1810–2010« wird sich im Rahmen der dort behandelten Fragestellungen auch auf Frauen an der Humboldt-Universität nach 1945 beziehen, verfolgt dieses Thema aber nicht systematisch.

32     Hassauer 1994, 2003, Hark 2005.

33     Ablesbar ist eine stärkere wissenschaftstheoretische Ausrichtung der wissenschaftsgeschichtlichen Geschlechterforschung bspw. in dem Forschungsschwerpunkt des Graduiertenkollegs »Geschlecht als Wissenskategorie« der Humboldt-Universität Berlin oder des Symposiums »Academia’s Gendered Fringe – A Historical Perspective 1890–1945«. (Vgl. Kauko 2005)

34     Eine Filmreihe und ein wissenschaftliches Kolloquium des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien (ZtG) anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Frauenstudium in Preußen widmeten sich diesem Thema. (Vgl. Auga 2010)

35     Greber 2005, S. 20.

36     Wobbe 2003, S. 16.

37     Vgl. auch die Einleitung zu Kap. I.6, S. 149.

38     Kraul 1987, Wobbe 1997. Im Universitätsarchiv Bielefeld befindet sich ein noch nicht bearbeiteter Teilnachlass von Mathilde Vaerting, der Materialien aus ihrem familiären und persönlichen Umfeld sowie Material (Lebensdokumente, Korrespondenzen, Manuskripte) aus der Zeit nach 1945 enthält.

39     Vogt 2007a, S. 165–166. Das Gutachten wurde im Anhang des Aufsatzes von Tobies 1997a, S. 51–55, abgedruckt, aber inhaltlich ebenfalls nicht analysiert. Auf das Gutachten ein geht lediglich Kraul 2000, S. 135–136.

40   Vaerting 1931, S. 9 (Vorwort zur zweiten Auflage): »Wir haben aber gezeigt, dass die heute angenommenen Unterschiede [zwi­schen Mann und Frau] sich zu einem Teil aus der verschiedenen Machtlage von Mann und Weib erklären lassen, zu einem andern Teil auf Irrtümern der wissenschaftlichen Geschlechterpsychologie beruhen.«
S. 13: »Mit jeder Vorherrschaft, ganz gleichgültig, wer die Träger sind, geht das Bestreben einher, Unterschiede zwischen den Herrschenden und den Beherrschten nicht nur in der Praxis auszubilden, sondern auch in der Theorie festzulegen.«
S. 1: »Die Wissenschaften, nicht nur die Psychologie allein, gaben sich alle erdenkliche Mühe, diese Tagesmeinung [der Inferiori­tät der Frau] zu begründen.«

41     Greber 2005, S. 13, formuliert hier »Theoretische Grundüberlegungen zur Wissenschaftsgeschichtsschreibung und -forschung unter der Perspektive der Geschlechterdifferenz«, wie sie vom DFG-Verbundprojekt »Frauen als innovative Kraft/Heterosoziale Kommunikation in den Literatur- und Kulturwissenschaften 1890–1945« dargestellt worden sind.

42     Ebd.

43     Brill 2005, S. 92f., Schleiermacher 2005, S. 74, Gerstengarbe 2006, S. 75–97.

44     Erhart 2005, S. 41.

45     Vgl. Liebmann 1910, Lenz 1910, Lang 1931, Autorenkollektiv 1960a,b, Weischedel 1960, Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität 1966, Klein 1985.
Auch in den »Beiträgen zur Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin«, die in unregelmäßiger Folge von der Forschungs­stelle Universitätsgeschichte 1978 bis 1990 veröffentlicht wurden (Hrsg. Rektor), sowie in Dissertationen und Publikationen zu einzelnen Fachdisziplinen, wie z.
B. bei Liebmann 1910 (Jura) oder Biermann 1988 (Mathematik), wurden die Geschichte des Frauenstudiums und die Leistungen von Frauen nicht aufgearbeitet.

46     Vgl. Boedeker 1939, Boedeker 1974 sowie Vogt 2007a. Bei Vogt, S. 465, findet sich die Tabelle 1 zu den Habilitationen von Wis­senschaftlerinnen an deutschen Universitäten im Zeitraum von 1918–1945. Während an allen anderen deutschen Universitäten 1 bis 3 Frauen habilitierten, waren es an der FWUB in der Weimarer Republik 14 und in der NS-Zeit 11 Wissenschaftlerinnen.

47     Ebd., S. 321.