Böhm, Thomas:

The Great Fuck-Up. Gewalterfahrungen der britischen Soldaten in der Schlacht an der Somme 1916.

2009, [= Hochschulschriften, Bd. 28], ISBN 978-3-89626-887-7, 193 S., 29,80 EUR

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Klappentext

Neben den Schlachten von Verdun und Ypern gehört die britische Offensive an der Somme 1916 zu den großen Tragödien des Ersten Weltkriegs. In ihr verdichtet sich der industriell fabrizierte Massen-Tod der neuen Zeit zu einem Gewaltexzess von bis dahin ungekanntem Ausmaß. Allein in den Monaten von Juli bis November sollten mehr britische Soldaten umkommen als während des gesamten zweiten Weltkriegs, und nach dem bis dahin größten Trommelfeuer der Geschichte rollten die ersten Panzer übers Schlachtfeld.
Für die vorliegende Studie werden gemäß den programmatischen Vorgaben der Historischen Anthropologie nicht nur die Geschichtswissenschaften, sondern auch die Wahrnehmungs- und Evolutionspsychologie und die Kulturanthropologie in die Analyse mit einbezogen. Dabei werden die herkömmliche Militär- und Operationengeschichte genauso wie die ethnologische Theoriebildung des Kriegs einer kritischen Revision unterzogen. Dabei zeigt sich alsbald, dass Tod und Todesangst keineswegs die einzigen Gewaltformen waren, denen sich die Soldaten während der Sommeschlacht ausgesetzt sahen. Die Gewalt fand vielmehr auf vielen verschiedenen Ebenen sinnlicher Wahrnehmungsfähigkeit ihre Angriffspunkte. Die Soldaten fanden sich im Laufe der Schlacht auf in einer schier endlosen Schlammlandschaft wieder, sie hatten ohrenbetäubenden Lärm und den Gestank von verwesenden Kadavern und Giftgas zu ertragen. Die Wahrnehmung der Zeit, von Landschaft und die verschiedenen Formen sozialen Miteinanders wurden gewaltsam umstrukturiert. Wie diese Gewaltformen von den britischen Soldaten wahrgenommen und in einer Vielzahl von Selbstzeugnissen deutend in Sprache gefasst wurden, wird in dieser Studie herausgearbeitet.
Nicht zuletzt wird aber auch mit dem Fokus auf einen fast ausschließlich englischsprachigen Quellenkorpus  – von Autobiographien über Tagebucheinträge, Gedichte, Briefe und Lieder – der deutschen Leserschaft ein Themenfeld nähergebracht, das bis heute an prominenter Stelle in der britischen Erinnerungskultur steht.
 


Inhalt

1  Einleitung
2  Von „The Big Push" zu „The Great Fuck-Up": Die Sommeschlacht 1916
3 Historische Anthropologie - eine Standortbestimmung
3.1  Der konkrete Mensch und Körperlichkeit
3.2  Alltag und Wiederholungsstrukturen
3.3  Eine Standortbestimmung
3.4  Zu einer Historischen Anthropologie des Kriegs
3.5  Zu einer Historischen Anthropologie der Gewalt
3.5.1 Gewalt als amorphes Konzept
3.5.1.1   potestas und violentia
3.5.1.2   Kulturelle Codierung und subjektives Empfinden
3.5.1.3   Anthropologische Grundlagen der Uneindeutigkeit der Gewalt
3.6 Der menschliche Körper im Zentrum der Gewaltanalyse
3.6.1 Soziale und psychische Gewalt und ihre Rückwirkungen auf den Körper
3.6.2 Zerstörung der Sinne
4 Interdisziplinäre Spurensuche - die historisch-anthropologische Methode
4.1   Interdisziplinarität
4.2   Dichte Beschreibung
5 Problemstellung und Vorgehensweise
5.1   Problemstellung
5.2   Die Akteure
5.3   Schriftquellen
5.3.1 Kriegserinnerungen und Autobiographien
5.3.2   Gedichte
5.3.3   Soldatenlieder
5.3.4   Tagebücher
5.3.5   Feldpostbriefe
5.4 Analysemethode
5.4.1   Heterogenität der Quellen
5.4.2   Die Sprache der Waffe und der Verletzung
5.4.3   Konstellationen der Topoi. Lärm, Gestank und Schlamm
5.4.4 Lärm, Gestank und Schlamm als mehrdimensionale Topoi
6 Töten und Sterben
6.1  Remarque und die Bilder vom Töten
6.2  Bajonettkampf und Maschinengewehre: Modi des Tötens
6.2.1 Töten aus der Nähe: Bajonettkampf
6.2.1.1   Penetration
6.2.1.2   Bajonettkampf als Atavismus: Leidenschaften und Barbarentum
6.2.2 Töten als Handwerk: Maschinengewehre und Artillerie
6.3 Sterben: Todesangst und Überlebenszufall
7 Lärm
7.1   Donnern und Kreischen: Die Richtung des Lärms
7.2   Körperverlust und Erschöpfung: Somatische Dimensionen des Lärms
8 Gestank
8.1 Krankheit, Vergiftung und Ansteckung
8.2. Panik
8.3 Erinnerungen
9 Schlamm
9.1 Kontagiosität, Vergiftung und die Angst vor dem Verborgenen
9.2 Verlorenheit und Distanz
10  Kriegslandschaften
10.1 Zwei Landschaftstypen
10.1.1   Das Grabensystem
10.1.2   Das Niemandsland
10.2  Die Mülllandschaft
10.3  Die bewegte Kriegslandschaft
10.3.1  Die entfesselte Kriegslandschaft
10.3.2  Auseinanderreißen und Auflösung
11  Zeitlichkeit
11.1  Frontalltag und Langeweile
11.2  Stillstand
11.3  Das Plötzliche
11.3.1  Wirkweisen des Plötzlichen: Tumult und Panik
11.3.2  Wirkweisen des Plötzlichen: Das Lächerliche
11.4 Artefakte der Verteidigung
12  Neuordnung und Zerfall sozialer Aggregationen
12.1  peer groups und militärische Hierarchie
12.2  Im Bombenkrater: Die Fokusgemeinschaft
13  Schlussfolgerungen
Literaturnachweis

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