Monkey Business
Was verbindet Kafkas Rotpeter und King Kong? Die vorliegende Studie
konzentriert sich im Bestiarium tierischer Kollektivsymbolik auf den Affen
als nach wie vor beliebtester menschlicher Spiegelfigur im Reich der Natur
und verfolgt die Kulturgeschichte unseres prominentesten anthropologischen
Sparringspartners aus einer doppelten Perspektive. Ausgehend von
Schlüsseltexten der Naturgeschichte und Primatologie wird der symbolische
Gebrauchswert von Affenfiguren seit 1800 einerseits in interdiskursiven,
historisch situierten Wirkungszusammenhängen verfolgt. Als mimetisch begabte
Tiere eignen sich Affen aber nicht nur für politische und psychologische
Projektionen. Literarische Texte von beispielsweise E. T.A. Hoffmann, Poe
und Flaubert, von Kafka, I. McEwan, G. Vizenor und J. M. Coetzee haben Affen
vielmehr auch immer wieder als Schlüsselfiguren poetologischer Reflexion
eingesetzt, so daß eine vergleichende Betrachtung der Funktionalisierung von
Affen als satirische Gegenbilder, groteske Stellvertreter, primitivistische
Wunschfiguren oder interkulturell begabte Trickster auch erhellt, wie
Inszenierungen anthropologischer Spiegel- und Verwandtschaftsverhältnisse
nicht allein die Grenzen des Menschlichen, sondern auch die Möglichkeiten
der Imagination ausloten.
Inhalt
Danksagung 9
1 Einleitung 10
1.1 Prolog im Zoo 10
1.2 Affen als Material und Denkfiguren einer anthropologisch ausgerichteten
Literaturwissenschaft 11
1.2.1 Methodologisches Programm 11
1.2.2 Aufbau der Arbeit 16
1.3 Archive I: Vom Einzug des Affen in die Spielräume anthropologischer
Reflexion 18
1.4 Archive II: Affen in kulturellen Figurationen von Identität und
Alterität 24
1.4.1 Dichotomische Modelle 25
1.4.2 Hybride Gegen-Modelle 31
1.5 Inszenierungen: Ästhetische Verfahren 36
1.5.1 Die Alterität des Literarischen 36
1.5.2 Mimesis 39
1.5.3 Narrativität und Performanz 46
2 Vom Affen als Mensch zum Menschen als Affe: Erzähltexte des 19.
Jahrhunderts 51
2.1 Satirische und sentimentale Affen-Figuren in der romantischen Ära 51
2.1.1 Das Erbe der Aufklärung: Der Orang-Utan zwischen Maske und Vorurteil
51
2.1.2 Affen-Briefe: Rétif de la Bretonnes »Lettre d’un Singe« und E.T.A.
Hoffmanns »Nachricht von einem gebildeten jungen Mann« 56
2.1.3 Edle und unedle Stellvertreter:
Thomas Love Peacocks Melincourt und Wilhelm Hauffs »Der Affe als Mensch« 62
2.1.4 Ein Orang-Utan als Agent der Geschichte: Walter Scotts Count Robert of
Paris 69
2.1.5 Heroische Affen und Evolutionstheorie 75
2.2 Unheimliche Mischungen: Variationen des Grotesken in Erzähltexten der
viktorianischen Ära 78
2.2.1 Viktorianische Debatten: Der Gorilla zwischen Evolutionstheorie und
Rassenkonflikt 78
2.2.2 Das Phantasma rassen- und speziesüberschreitender Sexualität 88
2.2.2.1 Edgar Allan Poes »The Murders of the Rue Morgue« 88
2.2.2.2 Gustave Flauberts »Quidquid volueris« 95
2.2.3 Biographische und poetologische Deutungsspielräume in »Quidquid
volueris« und Edgar Allan Poes »Hop-Frog« 102
2.2.4 Internalisierung und Regression: Affen-Figuren in britischen
Erzähltexten des späten 19. Jahrhunderts 112
2.2.4.1 Unterdrückte mimetische Konfusion im imperialen Abenteuerroman 112
2.2.4.2 Affen als alter egos in Arthur Conan Doyles »The Creeping Man«,
Sheridan Le Fanus »Green Tea«
und Robert Louis Stevensons Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde 115
2.2.4.3 Die Problematisierung kolonialer Mimikry in Rudyard Kiplings »The
Mark of the Beast« 124
2.3 Resumé und Ausblick: Zwei exemplarische Affen-Figuren bei Wilhelm Raabe
130
3 Spielarten des Primitivismus: Modernistische Affen 137
3.1 Zoologische Spektakel: Primatologische Volkserziehung und Unterhaltung
zu Beginn des 20. Jahrhunderts 137
3.2 Die Affen-Figuren in King Kong und Franz Kafkas »Ein Bericht für eine
Akademie« 144
3.2.1 King Kongs Opfer 144
3.2.2 Rotpeters List 154
3.3 Primitivismus und Gender 165
3.3.1 Im Gefängnis primitivistischer Maskulinität: Fatale Stereotypen 170
3.3.1.1 Leonhard Steins »Der Gorilla« 170
3.3.1.2 Eugene O’Neills The Hairy Ape 175
3.3.1.3 Richard Wrights Native Son 184
3.3.2 In der Maske primitivistischer Weiblichkeit: Subversive Requisiten 195
3.3.2.1 Josephine Baker und die Tradition animalisierter femmes fatales 195
3.3.2.2 John Colliers His Monkey Wife 201
3.3.2.3 Josef von Sternbergs Blonde Venus 207
3.3.2.4 Isak Dinesens »The Monkey« 214
4 Postmoderne Primaten: Erzählungen und Romane zwischen 1960 und 2000 223
4.1 Speziesübergreifende Dialogversuche: Primatologische Tendenzen nach 1960
und das Great Ape Project 223
4.2 Spannende Wissenschaft: Primatologie als Thriller 235
4.2.1 Michael Crichtons Congo 235
4.2.2 William Boyds Brazzaville Beach 244
4.3 Weltuntergang und Retro-Viktorianismus: Affen-Figuren in apokalyptischen
und idyllischen Schöpfungsgeschichten 253
4.3.1 Bernard Malamuds God’s Grace 253
4.3.2 Liz Jensens Ark Baby 262
4.4 Körperkunst im Käfig des Anthropomorphismus: Perspektivische
Erzählexperimente 270
4.4.1 Ian McEwans »Reflections of a Kept Ape« 270
4.4.2 Peter Goldsworthys Wish 278
4.4.3 Will Selfs Great Apes 287
5 Postkoloniale Affen: Die Wiederkehr der Trickster 302
5.1 Affen als Vehikel kulturtheoretischer Reflexion: Hybride und dialogische
Figurationen 302
5.2 Afrikanische Aneignungen: Synkretistische Spielräume 317
5.2.1 King Kong in Johannesburg und The Chimp Project 317
5.2.2 Derek Walcotts Dream on Monkey Mountain 323
5.3 Dialoge mit Indien: Interkulturelle Brückenschläge 336
5.3.1 Variationen des Hanuman 336
5.3.2 Octavio Paz’ Der sprachgelehrte Affe 341
5.4 Jenseits von Ost und West: Amerikanische Aktualisierungen des
chinesischen Monkey Kings 352
5.4.1 Gerald Vizenors Griever: An American Monkey King in China 355
5.4.2 Maxine Hong Kingstons Tripmaster Monkey: His Fake Book 364
5.5 Kafkas Bestiarium und der globalisierte Literaturbetrieb: J.M. Coetzees
Selbstreflexion in Elizabeth Costello 374
6 Zusammenfassung 391
Literatur 397
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