Phantastischer Roman, 375 S., Tb, ISBN 978-3-89626-818-1, 17,80 EUR
Deutschland
liegt im Mittags-Koma. Wird es die letzte Mahlzeit sein? Denn keiner
weiß – dreimal hunderttausend Reiter lagern vor Berlin. An der Spitze
professionelles Führungspersonal: ein Kaiser namens Rotbart, ein Herr
Batu-Chan, eine schöne Madame (die einst Marlene hieß) und ein grimmiger
Feldherr namens Subudai, der mit Blut und Eisen wieder einmal ewigen
Frieden und Wohlbefinden für unseren gebeutelten Planeten erkämpfen
will. – Oder das, was er darunter versteht … |
I
Madame, die außer Kameras auch
Flüsse, Bäche und Wälder liebte, saß spöttisch lächelnd auf einem weißen Ross.
Sie genoss die Situation, obwohl es vermutlich ums Leben ging. Warum nicht!
Angetan war sie mit einer silbrig glänzenden Rüstung, wozu vielleicht nicht ganz
die filterlose französische Zigarette passte, die in ihrem rechten Mundwinkel
klemmte. Ihr tatsächlich golden schimmerndes Haar flatterte im sommerlichen
Wind, was den Verdacht der Produktion einer Kitschpostkarte hätte nahe legen
können, wenn die Dinge nicht so ernst gewesen wären. Sie wirkte um so
eindrucksvoller, da sie umgeben war von Männern auf schwarzen Pferden. Mackie
Messer hatte auf Zivil bestanden, seine Melone aber wegen der bevorstehenden
Ereignisse mit einem Band um den Hals gesichert. Herr Kurt Müller fehlte aus
unbekannten Gründen, wurde aber nicht sonderlich vermisst. Der Kaiser sah fast
so imponierend aus wie Madame. Majestätisch ruhte seine gepanzerte Hand auf dem
Griff des langen Schwertes an seiner Hüfte. Seine blauen Augen strahlten trotz
der vergangenen Jahrhunderte wie die eines jungen Mannes und in der Stunde der
Wahrheit, mittags kurz vor zwölf Uhr, verschonte ihn gnädig sein rheumatisches
Leiden. Der Chan und Subudai, der ruhmreichste aller Bahadure, wirkten eher
bescheiden. Sie trugen nur leichte Panzerung, die Brust, Hals und Kopf schützte,
den Rücken aber frei ließ, da man ehrlos gewesen wäre, dem Feind den Rücken zu
zeigen. Die Hufe ihrer Pferde scharrten allerdings unruhig, da sie spürten, was
kommen würde.
Auf der Tiefebene unweit der Stadt Berlin hatte sich ein Heer von dreimal
hunderttausend Mann versammelt und als der Kaiser gerade mit vorher
einstudierter Geste sein schweres Schwert ziehen wollte, gerieten die Dinge
außer Kontrolle. Batu-Chans Krummsäbel blitzte in der mittäglichen Sonne und der
Feldherr Subudai krächzte: »Bis zum letzten Meer!«
II
Am letzten Brunnen vor dem
letzten Tore, da stand der letzte Lindenbaum. Zwei Männer betrachteten
nachdenklich seine grüne Krone und nach längerem Schweigen fragte der weitaus
Ältere der beiden: »Bist du zufrieden, Chan? Das Land der Wälder und Sümpfe
existiert nicht mehr und vor dir steht der letzte Lindenbaum.«
»Fällen wir ihn«, seufzte der Chan und stieg von seinem Pferd. »Nicht einmal die
letzte Linde soll stehen bleiben, das letzte Tor wird nieder gebrannt und der
letzte Brunnen zugeschüttet.«
»Hören heißt gehorchen«, murmelte Subudai und hob die rechte Hand. Die Geste
wirkte gebieterisch und friedvoll zugleich. Er wollte, dass dieser letzte
Lindenbaum ein ehrenvolles Ende findet. Keine grobe Axt, sondern die
Krummschwerter seiner besten Tausendschaft sollten ihn fällen. Das brauchte
seine Zeit, während das Niederbrennen des letzten Tores schnell vor sich ging
und auch der Brunnen keine sonderliche Arbeit bedeutete.
»Sangesfreudige barbrüstige Jungfrauen wären jetzt angebracht«, versuchte der
Chan zu scherzen. »Ich habe das Lied noch im Ohr und es geht mir einfach nicht
aus dem Sinn.«
»Steig auf dein Pferd, Chan«, mahnte Subudai, der noch immer im Sattel saß. »Wir
haben nicht mehr viel Zeit.«
»Und Madame?«, fragte der Chan. »Der Kaiser und der Messerwerfer?«
»Wir haben kaum noch Zeit!«, schrie Subudai.
Als nur noch aus der Ferne die Hufschläge eines dreimal hunderttausend Mann
starken Heeres dumpf zu vernehmen waren, setzte sich ein Mann, der eine
halbgeleerte Wodkaflasche in der Hand hielt, auf den Stamm der von tausend
Krummsäbeln gefällten Linde. Die fehlende Rasur in seinem bemerkenswert
zerknitterten Gesicht deutete darauf hin, dass er es nicht gewohnt war, morgens
von einer weiblichen Stimme darüber belehrt zu werden, wie man auszusehen habe.
Die tiefen Falten auf seiner etwas zu groß geratenen Stirn und die noch tieferen
um die
Mundwinkel erweckten den Eindruck, dass er seit langem mit sich und der Welt
unzufrieden war. Sein billiger Stangenanzug jenseits der Sphäre der Schönen und
Reichen hätten samt der Schnapsflasche in seiner unmanikürten Hand darauf
hinweisen können, dass hier auf dieser gefällten Linde ein drittklassiger
Angestellter dabei war, den endgültigen Abstieg ins Asoziale einzuläuten.
Dieser Eindruck stimmte aus zweierlei Gründen nicht. Erstens handelte es sich
bei dem übrigens nur leicht angetrunkenen Mann um Deutschlands bekanntesten
Feuilletonisten, dessen Honorare fast wie einst bei Winston Churchill nach
Worten berechnet wurden. Dem damit verbundenen vergleichsweisen Wohlstand
begegnete er aus moralischen Gründen durch Vernachlässigung seines Äußeren.
Immerhin schrieb er ständig gegen das Kapital, wenngleich mit sanfter Stimme,
was dieses zu würdigen wusste. Zweitens und im Moment wohl wichtiger, hatte er
den Eindruck, der letzte Überlebende zu sein, weshalb er seinen billigen
Kugelschreiber nachdenklich betrachtete und schließlich wegwarf. Es gab niemand
mehr gegen oder für den er hätte schreiben können. Es gab nicht mal mehr eine
Linde, deren fester unterer Ast für einen haltbaren Strick geeignet gewesen
wäre.
Dass das überflüssig war, konnte er nicht wissen, denn im Universum hatten sich
Dinge zusammengebraut, die wie üblich und obgleich natürlich ohne Absicht, dem
Leben nicht wohl gesonnen waren. Die Behauptungen, dass Gott nicht würfelt sowie
auch die konträre über seine ausgesprochene Spielernatur, mussten nicht mehr auf
ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Die Natur brauchte weder Fragen noch
Antworten und genügte wie immer sich selbst. Man hatte sie nicht genau gezählt,
die einhundert oder mehr Milliarden Sterne der wohlgeformten Spiralgalaxis mit
dem schönen Namen Milchstraße, die letztlich als bloße Staubkörner der
Unendlichkeit im Wege standen.
III
Ärgerlich war das Ganze
natürlich trotzdem, aber noch hatte der Feuilletonist Zeit, sich mit dem Inhalt
seiner Wodkaflasche zu befassen.
Erstes Kapitel
Es beginnt nicht irgendwo im
fremden Land und ob es nun beginnt, begann oder beginnen wird, ist unerheblich,
da Raum und Zeit aus den Fugen geraten waren. Der müde Wanderer durch die
Jahrhunderte saß oben auf dem steinigen Berge und fasste nach der langen Zeit,
die für ihn nicht zählte, den Entschluss, in das deutsche Land hinabzusteigen.
Er wollte sie sehen, die Muttersöhnchen, die da gehn in Seide und glauben, sie
seien des Volkes Kern. Den Schurken wollte er an die Kehle greifen und sie
erwürgen mit ihrem Ehrgeschmeide. Er hatte es satt, auf die Warnung seines
spöttischen Freundes zu hören, der sich gemächlich in seinem Grab in der Stadt
Paris räkelte. Übung hatte der ja vorher schon zur Genüge in weicherer Form
gehabt. Erst mit Weibern ohne Zahl, wovon auch seine blöden Verse Zeugnis
ablegten und dann auf der Matratze. Nein, es war Zeit hinabzusteigen, um
einzugreifen in diesen deutschen Irrsinn, sollte er sich denn als wahr erweisen.
Er wollte dafür sorgen, dass ein Handschlag wieder mehr als Eide und
Notarienakte war und überdachte, ob er zu diesem Zweck die Rüstung anlegen
sollte.
Diese hatte zwar im Unterschied zu ihm in den Jahrhunderten etwas gelitten, doch
er war ein Mann erst im Eisenkleide und noch wichtiger, er fühlte es schlagen,
das Herz, das im Manne war. Unvorstellbar trotz der Warnungen seines faulen
Freundes im Pariser Grab, dass keine Zugbrücke herabgelassen wird und kein
einladender Ruf vom Turm erschallt. Doch ein Ritter ohne Ross, zumal im
Eisenkleide, war albern. Was sollte man von ihm denken, wenn er an der Saale
hellem Strande angehumpelt kam, wo einige seiner Burgen standen. Wie er stolz
und kühn. Zugegeben, er war seinerzeit in diesem anatolischen Fluss etwas zu
kühn gewesen, als er unkaiserlich strampelnd ertrank. Kein erhabener Anblick für
die am Ufer schreiende Dienerschar und das Wasser hatte auch nicht gerade nach
dem besonders süßen Malvasier geschmeckt, den er bevorzugte. Doch das war
Geschichte und der müde Wanderer saß noch immer zur Stunde des Morgentaus oben
auf dem steinigen Berge und überlegte, wo er Pferde und Gefolge herbekommt. Dann
fiel ihm ein, dass er neuerdings über beachtliche Hilfsmittel verfügte, die an
Zauberei zu grenzen schienen. Die Last der Jahre hat meinem Gedächtnis
geschadet, dachte er und ermahnte sich zu jugendlicher Frische, die man ihm
immer nachgesagt hatte.
Im traumreichen Halbschlaf der Jahrhunderte war ihm manches über die Geschicke
der Welt mitgeteilt worden und ihm schien, dass ein stattliches Gefolge
angemessen wäre, das mit kaiserlicher Sorgfalt auszuwählen ist, bevor er
hinabsteigt ins deutsche Land zur großen Entrümpelungsaktion, bei welcher
Gelegenheit, er hatte immer strategisch gedacht, man sich anschließend gleich
den Rest der Welt vornehmen könnte. Die Welt hatte sich zu seinem Erstaunen als
Kugel herausgestellt, wie ihm irgendwann um das 16. Jahrhundert herum im Traum
offenbart worden war. Aber eine Kugel, wenngleich schon sonderbar, war ihm
lieber, als wenn man auf der Erdscheibe reitet und reitet und plötzlich
unachtsam vom Rande fällt.
Mit wem aber wird er reiten, ins deutsche Land hinab? Stattlich musste das
Gefolge sein und von des Kaisers einfallsreichem Weitblick künden, weshalb der
Blödmann Richard, den sie hinterher zum Löwenherz ernannten, beispielsweise
ausfiel. In Frage kam auch nicht ein gewisser Napoleon, denn man verliert nicht
die alles entscheidende Schlacht, nur weil man sich von Hämorrhoiden am Arsch
ablenken lässt. Die Angeber aus dem Römischen Reich waren ihm zu unwissend in
deutschen Angelegenheiten und hatten bekanntlich schon im Jahre Neun Ärger im
Teutoburger Wald bekommen. Außerdem war weltgeschichtlich verbrieft, dass ihre
besten Feldherren wegen irgendwelcher Weiber Macht und Leben verscherbelten.
Wahrhaft stattlich mussten seine Mitstreiter sein und er seufzte, weil er den
Einen leider nicht aufrufen konnte, der einst seine Mannen ausgeschickt hatte,
den Erdkreis bis zum letzten Meer zu erobern, auf dass dann ewiger Friede
herrsche. Der trug wie er einen roten, wenn auch weitaus kürzeren, ja spärlichen
Bart und gewiss käme es zu Rangstreitigkeiten. Sein Enkel hingegen wäre schon
ein Ereignis für die deutschen Lande und so geschah es, dass trotz des damit
verbundenen Risikos Batu-Chan als erster Mitstreiter des müden Wanderers
nominiert wurde.
Doc Holiday, überlegte inzwischen dieser, brauchen wir wegen Unsterblichkeit
nicht. Den Tod haben wir hinter uns und außerdem war der Mann ein Spieler. Billy
the Kid war genauso undiszipliniert wie das raffinierte Pärchen Bonny and Clyde
und überhaupt passten Revolverleute, zumal amerikanische, nicht in seine
ritterliche Welt. Der ziemlich disziplinierte Lenin wiederum, dachte er, hat
fatale Irrtümer begangen, was im Verbund damit, dass er sogar im Mausoleum noch
von seiner Inessa träumt, ein beachtliches Erfolgsrisiko darstellt. Schade, denn
eigentlich galt er als Fachmann in deutschen Fragen. Überhaupt aber brachten
Revolutionäre nur alles durcheinander, weil sie stets altes Gerümpel durch einen
großen Plan ersetzen wollten, der dann zum Beispiel die strammen Mägde daran
hinderte, ohne staatliche Einmischung die Leinen am Bach waschen zu können, was
letztlich zu erneuter Revolte führte. Frauen, überlegte er. Vielleicht die
Bertha? Immerhin aus gutem Hause. Doch die pazifistisch gesinnte Dame würde
Batu-Chan gleich den Säbel klauen und ihn selbst aus seinem Eisenkleide in Zivil
zwingen. Dann nahm er, einer Eingebung folgend, seine Entscheidung schmunzelnd
zur Kenntnis und ritzte sie mit einem Zweig in den Erdboden: Marlene.
Genug für heute, entschied er, strich sich über den würdigen roten Bart und
begab sich knapp nach Sonnenaufgang ins Bergesinnere. Die deutschen Lande
konnten warten, zumal die Mannschaft noch nicht komplett war sowie Hast und Eile
nicht seinem Naturell entsprachen. Gewohnheitsmäßig hielt er ein längeres
Nickerchen, wobei er sein kaiserliches Haupt in für Normalsterbliche eher
unbequemer Art auf dem granitenen Tisch bettete, der im mittleren Teil des
unterirdischen Gewölbes stand. Dann lief er einige Stunden zur Übung im
knarrenden Eisenkleide auf und ab, bis seine innere Uhr ihm sagte, dass die
Mitternacht näher rückte, jene Stunde, die ihm für den bevorstehenden Auftritt
geeignet erschien. Er setzte sich auf seinen Thron aus kunstvoll beschnitztem
Eichenholz und gedachte, die Begegnung mit wohlgesetzter
Rede zu beginnen, die es an Höflichkeit nicht fehlen ließ, aber natürlich keinen
Zweifel daran duldete, dass es der Kaiser war, der hier sprach. Dennoch schloss
er, und sei es nur einer letzten innerlichen Sammlung wegen, für einen Moment
die Augen, bevor er in die metallbewehrten Hände schlug.
Sogleich ertönte in seinen Ohren ein rhythmisches Summen, das lauter und lauter
wurde, bis es in das bedrohlich klingende Stampfen tausender und abertausender
Pferdehufe überging. Ein alles verschlingender lärmender Ozean galoppierender
Rosse und er sah auf seinem hölzernen Thron mit wieder geschlossenen Augen die
Männer vor sich, die Woge auf Woge heranjagten.
Dann herrschte plötzlich beängstigende Stille, die erst nach einiger Zeit durch
das schlurfende Geräusch einer eindeutig hinkenden Gestalt abgelöst wurde, die
sich endlich dem von Fackeln beleuchteten Teil der riesigen Halle näherte, in
dem der ritterlich Gekleidete auf seinem kaiserlichen Thron wartete.
Der Hinkende zuckte verächtlich mit den Mundwinkeln und krächzte dann: »Du, wer
auch immer du sein magst, hast ihn gerufen? Du Wurm unter seiner Ferse hast es
gewagt, ihn zu rufen? Den Vollender des Vermächtnisses, der königliche Maden wie
dich samt ihren armseligen Reichen unter seiner bloßen Ferse zertreten hat? Nun
gut, hier ist er, Batu-Chan, der Beherrscher der Welt und beeile dich sogleich,
vor ihm in den Staub dieser stinkenden Halle zu fallen und biete ihm dein
lächerliches Land an, bevor es unter den Hufen unserer Rosse zermalmt wird.«
Neben dem krächzenden Alten in abgerissener Kleidung stand plötzlich ein gerade
noch als jung zu bezeichnender Mann, der überaus prächtig ausstaffiert war, was
zu bestaunen dem Ritter auf dem Thron aber keine Zeit blieb, da der Alte dem
Jungen eine weithin schallende Ohrfeige donnerte und brüllte: »Seit
Jahrhunderten bin ich mit meinem Tumen Nacht für Nacht unterwegs auf der Suche
nach dem letzten Meer, während du in deinem Grab an jenem Flusse schnarchst, den
die Russen Wolga nennen. Hast du das Vermächtnis deines Großvaters vergessen,
des Einzigen und Unvergleichlichen? Übrigens hat dich dieser Eisenaffe hier
gerufen.«
Trotz dieser Beschimpfung fielen sich die beiden seltsamerweise gerührt in die
Arme und der soeben noch Tobende leckte zärtlich die Wange des Jüngeren. Dann
lösten sie sich voneinander und der Chan fragte mit interessierter Miene: »Sag
mal Subudai, mein verehrter Lehrer, Erzieher und Bahadur, haben wir diese
Metalltrottel nicht damals alle von ihren lahmarschigen Gäulen geworfen?«
»Haben wir«, krächzte Subudai. »Aber der hier stammt aus einer früheren Zeit und
bildet sich ein, dass die deutschen Lande auf ihn warten.«
»Wo liegen die?«, fragte Batu-Chan. »Warum haben wir sie damals nicht
überrannt?«
»Nur Wälder und Sümpfe«, antwortete Subudai.
»Meine Herren«, räusperte sich der Mann auf dem Thron, der bislang
bemerkenswerte Haltung bewahrt hatte. »Ich habe, mit Verlaub, von Ihren
Leistungen gehört und lade Sie zu einer Art Kriegsrat. Die Zeiten haben sich
sehr verändert.«
»Dann komm runter von deinem Holzgestell«, knurrte der alte Feldherr Subudai,
der aber an dem Wort Kriegsrat Gefallen fand.«
»Das geht nicht, denn ich bin der Kaiser«, sagte Rotbart, besann sich aber
sogleich eines anderen, da er zwar mongolische Kriegsherren nicht fürchtete,
aber noch eine Dame zum Rat erwartete. Marlene, von der er in seinen Träumen
viel gehört hatte und die Wert auf gute Umgangsformen legte. Also stieg er,
wegen seiner Rüstung etwas schwerfällig, vom Thron und man nahm zu dritt, die
beiden Mongolen eher misstrauisch, am großen Granittisch Platz. Auch die Hocker
waren aus Stein und vergebens hätten verzärtelte Naturen nach weichen Sitzkissen
Ausschau gehalten. Der Kaiser hüstelte und bedauerte mitteilen zu müssen, dass
sein Getränkevorrat infolge der vergangenen Jahrhunderte problematisch sei. Das
war eine gewaltige Lüge, die ihm aber wegen des rüden Auftretens seiner beiden
Gäste glatt von den schmalen Lippen ging. Subudai grinste verächtlich, aber der
Chan war schneller mit seinem Fellsack voll gegorener Stutenmilch. Immerhin,
Pokale standen zur Genüge auf dem steinernen Tisch und dass sie keineswegs
verstaubt waren, hatte seinen Grund darin, dass der einsame Kaiser zuweilen
Gelage mit seinen Trinkgefäßen als Gesellschaft zu veranstalten pflegte. Sie
tranken eine Weile und Rotbart skizzierte dabei sein Hilfeersuchen betreffs der
deutschen Lande und überhaupt dem bedauernswerten Zustand der Welt. Die
mongolischen Feldherren verrieten mit keiner Miene ihr erwachtes Interesse und
hüllten sich in diplomatisches Schweigen, welches den Kaiser zu nerven begann.
Dann fasste er sich ein Herz, denn man konnte nicht wissen, wie diese Wilden auf
eine Frau reagierten, und klatschte in die Hände, von denen er inzwischen die
eisernen Handschienen abgelegt hatte. Als nichts geschah, schälte er sich wegen
plötzlicher Atemnot mit einiger Mühe aus den restlichen oberen Teilen seiner
Rüstung, betrachtete sein durchgeschwitztes, aber kaiserliches Hemdgewand und
klatschte erneut.
Im Höhlensaal wurde es warm, die Fackeln brannten unruhiger in einem fast
tänzelndem Takt und dann stand da eine Blonde in veralteter amerikanischer
Uniform und sagte mit rauchiger Stimme: »Meine Herren, ich bin die fesche Lola,
der Liebling der Saison. Hat übrigens einer von Ihnen Feuer und wo ist die
Garderobe?«