[= Autobiographien, Bd. 30], 2008, Tb, 475 S., zahlr. Fotos und Abb., ISBN 978-3-89626-808-2, 24,80 EUR
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Über diese Aufzeichnungen
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Fragen an den Autor 11
Über diese Aufzeichnungen 13
Vom Erinnern, Schreiben und Erzählen 15
Erster Teil
Fanfaren und Trommeln
Schüler, Pimpf und Jungvolkführer (bis 1943) 25
Jahrgang 25 27
Erste Wahrnehmungen 33
Der Anfang 39
Olympiade Berlin 1936 43
Beim Jungvolk 51
Sport und Spiele 95
Von Fechtmeistern, Kriegshelden und einem Ahnungslosen 113
Von den Schwierigkeiten, über meine Jugendzeit zu schreiben 121
Glaube und Kult 125
Ein Lied 131
Der Fähnleinführer 139
Ein Abituraufsatz 157
Die Thesen der Erika Mann 161
Freunde meiner Jugendzeit 181
Zweiter Teil
Im Jagdpanzer. Meine Kriegszeit (bis Mai 1945) 201
Lilo 203
Der Alte 207
Nach Osten 211
Die grimmigen Häscher und ein schwäbischer ZwoBe 221
Die Meldung 229
Die Fete 237
Tiba 243
Frontbereinigung 257
Gewaltsame Erkundung 263
Karl 277
Ablösung 283
Michalovce 287
Wintervorsorge 293
Zwischenzeit 297
Der Froschkönig 307
Die Fahnenjunkerschule 315
Das Gespräch 323
Das vorzeitige Ende der Kriegsschule 327
Nikolsburg – Division „Feldherrnhalle“ 331
Znaim 339
Auflösung 347
Das Ende 359
Gefangenschaft 369
Im Lager 375
Im Lazarett 383
Nach Hause 397
Auf der Marktstraße 403
Dritter Teil
Eine Zukunft? Über meinen zweiten Anfang (1945 bis 1948) 409
Der endgültige Schlußstrich 411
In der Jura-Liste 415
Über Gott, die Welt und ein Erstes Staatsexamen 419
Tübinger Streiflichter 425
Stuf’ um Stufe 441
Untilgbare Schuld 453
Was gesagt werden muß – Zwei abschließende Bemerkungen zu Hitler 457
Schlußbetrachtung und Dank 471
Ein Nach-Wort 475
Warum hast Du Dir so viel
Mühe gemacht, über Deine Jugendzeit zu schreiben?, fragt mich ein jüngerer
Freund.
Ich verstehe Deine Frage. Lohnt sich die Beschäftigung mit seiner Vergangenheit?
Aber ich wollte, ich mußte, etwas nachholen, etwas zurückholen – sehr spät
freilich, aber es gibt Dinge, für die es nie zu spät ist.
Was wolltest Du nachholen oder zurückholen?
Wie soll ich Dir das mit wenigen Worten sagen? Weißt Du, jede Jugend ist
einmalig und niemand will sie verlieren. Ich habe sie verloren.
Kannst Du mir das erklären?
Schau, Deine Jugendzeit ging nahtlos über in Deinen nächsten Lebensabschnitt, es
war ein fließender Übergang, den Du kaum wahrgenommen hast, ein ganz natürliches
Werden und Wachsen. Bei mir war das anders. Meine Jugendzeit stand unter einer
Botschaft. Hitler sagte: wir brauchen Euch! Und er sagte: Euch gehört die
Zukunft! Beide Botschaften prägten meine Empfindungen und mein Bewußtsein, sie
waren Wirklichkeit und Vision zugleich. Mit dem totalen Zusammenbruch im Mai des
Jahres 1945 fand diese Jugend ihr Ende, und dieses Ende war radikal. Meine
seitherigen Wertvorstellungen waren dahin, alle Ideale und Visionen
verschwunden. Übrig blieb die nackte, leere, beschädigte Existenz. Ein von der
Besatzungsmacht verordneter KZ-Film fügte zur tiefen Hoffnungslosigkeit die
tiefe Scham hinzu. Du hast – so nagte die Erkenntnis in mir – deine jugendliche
Begeisterung und deine naive Gläubigkeit einem System geopfert, das schwerste
Verbrechen auf sich geladen hatte. Ich war wie gelähmt.
Wie ging es trotzdem weiter?
Ich ließ meine Jugendzeit hinter mir, es blieb mir nichts anderes übrig. Ich
koppelte diese Zeit von meinem künftigen Leben ab, schottete mich emotional und
rational ab von den zwölf Jahren, die sich das „Dritte Reich“ nannten.
Also ein Neubeginn durch Verdrängung der Vergangenheit?
Ja, so war es. Es erging sehr vielen Menschen so. Gegen Ende der sechziger Jahre
erschien ein Buch, das sehr bekannt wurde: „Die Unfähigkeit zu trauern“.
Vielleicht hast Du davon gehört. Alexander und Margarete Mitscherlich kamen bei
ihren Untersuchungen zu der Erkenntnis: hätten sich die Deutschen dem, was sie
angestiftet und verbrochen und was sie verloren hatten, wirklich seelisch
geöffnet, wären sie allesamt versunken in eine kollektive Depression. Angesichts
des ungeheuren Unheils, das wir angerichtet hatten, war dies eine logische
Folgerung. Also haben wir uns dem Überleben und dann dem Wirtschaftswunder
„hingegeben“.
Diese Verdrängung konnte doch nicht ohne Folgen bleiben!
Ja, sie hatte schwerwiegende Folgen. Sie verhinderte einen wirklichen Neubeginn.
Was immer wir taten, geschah ohne Erneuerung unseres Fundaments und ohne
moralischen Rückhalt. Die junge Generation hat das übelgenommen und sich
abgesetzt von uns. Es kam zur „Mauer des Schweigens“ zwischen den Generationen.
Aber das ist ein anderes Thema.
Nochmals zu meiner Eingangsfrage, Rolf: warum hast Du über Deine Jugendzeit
geschrieben?
Endlich hatte ich Zeit. Und mit dieser freigewordenen Zeit wuchs mein Bedürfnis,
mich meiner ausgesperrten, verstoßenen und inzwischen auch vergessenen Jugend zu
nähern. Ich versuchte es im Gespräch. Bald merkte ich, daß es nur Vorübungen
sein konnten und ich begann zu schreiben, zunächst sehr zögernd, mit vielen
Pausen. Zweifel und Skrupel begleiteten meine ersten Versuche. Ich machte weiter
und schließlich ließ mich meine Erinnerungsarbeit nicht mehr los. Ich wollte mir
meine Jugendzeit wieder zurückholen. Indem ich mir selbst gegenüber Auskunft und
Rechenschaft einforderte über meine Zeit im „Dritten Reich“. Und wenn das Buch
erst mal fertig sein sollte und Du es gelesen hast, dann wollen wir versuchen,
über diese Zeit zu reden – über jene Zeit, die meine Jugend war, und über die
miteinander zu reden so schwierig ist.
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