Roman, trafo verlag 2007, 322 S., ISBN (10) 3-89626-714-0, ISBN (13) 978-3-89626-714-6, 17,80 EUR
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Band 2 der Roman-Saga
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Gerhard Bundschuh erzählt das Schicksal eines Außenseiters.
Daniel wird als „kleines einohriges Männeken" am Ende des Zweiten
Weltkriegs geboren. Schon dadurch ist er ein Außenseiter.
Früh kommt er, der bei Großvater und Tantchen aufwächst, mit dem Gesetz in
Konflikt. Eine Schlägerei endet für Daniels Gegner tödlich. Beteuerungen,
dass er nur seine verehrte Jugendliebe Barbara verteidigen wollte, verhallen
ungehört.
Er wird in eine Besserungsanstalt für Jugendliche gesteckt. Der einohrige
Außenseiter versteht vieles von dem, was ihm andere zu sagen versuchen, nicht.
Dass alle Gutsbesitzer Ausbeuter seien, heißt es in der Besserungsanstalt. Was
das genau meint, bleiben ihm die Erzieher schuldig.
Wegen guter Führung wird er früher entlassen und begibt sich fort aus seinem
Heimatdorf. Eine Tischlerlehre beim bierseligen Meister Pichelberg (der Name ist
Programm) soll den Jungen auf den richtigen Weg bringen. Doch was lernt er dort
über das Leben? Pichelberg säuft und lässt den Jüngling für Tage alleine in
der Werkstatt. Alleine auch mit der attraktiven, wesentlich jüngeren Gattin.
Eines Tages ist es soweit. Die Tischlergattin möchte sich den unerfahrenen
Daniel einverleiben. Im letzten Moment, sie ist gerade dabei nackt zu Daniel in
die Badewanne zu steigen, fällt ihm das künstliche Ohr ab. Die Meisterin zieht
erschrocken ab und Daniel sägt sich am nächsten Morgen, immer noch
durcheinander, in die Hand. Damit nicht genug: Als der Meister im Suff die
Tischlerei abfackelt, soll das Daniel in die Schuhe geschoben werden. Er tritt
die Flucht an und beginnt, gegen den Willen von Großvater und Tantchen, in der
Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik zu studieren. Was
vielversprechend beginnt, endet im Desaster. Er denkt quer und laut, stellt die
falschen Fragen und gilt als unverbesserlicher Individualist. Die Folge?
Exmatrikulation.
Was tun? Daniel fährt zur See. Nach Kuba geht es und die Zeit an Bord wird zu
einer Lehrstunde des Lebens. Pralle Episoden, Ungeschminktes: Ein Kapitän, dem
die Genitalien bei hohem Seegang abgerissen werden. Daniel lernt, was es heißt,
ein „Kielschwein" zu sein. Zuletzt säuft gar das Schiff im Sturm ab.
Daniel überlebt und trifft seine Jugendliebe Bärbel wieder. Die ist inzwischen
Ärztin und Frau des DDR-Attaches in Kuba geworden. Denkt sie zumindest, denn
sie weiß nicht, dass ihr Mann für die Stasi arbeitet. Als sie bei einer
Pressekonferenz westlichen Journalisten Auskunft über das Schiffsunglück gibt,
wird sie zur unerwünschten Person und zurückgeschifft in die DDR. Auch Daniel
ist an Bord. Sie knüpfen erneut zarte Bande. Zurückgekehrt wird Daniel jedoch
in die Psychatrie gesperrt und danach erfolglos von der Stasi umworben. Als ihm
eine Republikflucht angehängt wird, muss er für vier Jahre Steine klopfen. Ein
Fluchtversuch scheitert, die Bemühungen der „Firma" ihn für ihre Sache
zu gewinnen, reißen nicht ab und beeinträchtigen auch die Bindung zu Bärbel:
Zu allem Übel stirbt auch noch Bärbels Tochter. Daniel und Bärbel finden
nicht zueinander und so bleibt ihm nur die Flucht vor sich selbst - er fährt
erneut zur See.
Autor Gerhard Bundschuh hat den Entwicklungsroman eines Unbequemen geschrieben.
Eine Erzählung, die sowohl geprägt ist von roher Sinnlichkeit als auch von
zarten Tönen. Nahezu barock muten die Kapitel-Überschriften an und erinnern an
die deftigen Schelmenromane dieser Epoche wie den „Simplicissimus" von
Grimmelshausen. Vieles von dem, was sich in dieser fiktiven, erzählerischen
Welt zuträgt, hat der ehemalige Mediziner Bundschuh selbst erlebt und für den
Roman neu interpretiert. 456 Seiten stark ist das Werk geworden, mit dem der
Autor den Finger in so manche Wunde legt.