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Mit Elfenbildern von Ines Bargholz
Kinderbuch, 2007, 134 S., zahlr. farb. Abb., ISBN 978-3-89626-706-1, 14,80 EUR
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Es lohnt sich auch ein Besuch in der Elfenschule Neuenkirchen im Biosphärenreservat Schaalsee, 19246 Neuenkirchen, Seeweg 2. www.schaalsee-lebens-art.de
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»Scho scho, wu wu«, klingt es durch die Dämmerung. Mit lautlosem Flügelschlag gleitet der Nachtalb durch die Wälder.
»Längst schlugs Zwölfe,
es singt de’ Elfe.
Scho, scho, wu, wu
so hört gut zu.
Bald feiern wir ein großes Fest.
Es ist Sonnenwend’ wenn der Königin jüngstes Kind,
seinen Elfenschleier spinnt.
Drum auf ihr Kobolde und Nymphen,
herbei aus Wiesen und aus Sümpfen
zum Elfenhügel kommt zu Sonnenwend’ …«
Moment mal. Wie? Einige von euch kennen keine Elfen, Nachtalben, Kobolde oder Nymphen? Und wie steht es mit der kleinen Seejungfrau, mit Däumelinchen und Rumpelstilzchen, den sieben Zwergen oder Heinzelmännchen? Die kommen euch bekannt vor? Na also!
Sie alle gehören zu den Naturgeistern, zu den Elfen, Wichten, Feen, Nymphen und wie sie sonst heißen. Ihre Welt, von manchen wird sie »die Anderswelt« genannt, liegt nicht in den Wäldern mit ihren stillen Seen, in den Mooren, Wiesen, Bergen und dem Meer, nein sie ist auch in Schrebergärten oder auf alten Dachböden zu entdecken. Man braucht nur genau hinzuschauen und schon wird diese wundersame Welt für uns sichtbar.
Seit vielen tausend Jahren werden Geschichten über die Geister der Natur erzählt. Die Urgroßmütter erzählten es den Großmüttern, die Großmütter den Müttern, die Mütter den Kindern und so ging es immer weiter. Und nun möchte ich euch eine dieser Geschichten erzählen.
Hinter den sumpfigen Wiesen des kleinen Dorfes, nahe dem Erlenbruch lag der Hügel der Schaalsee-Elfen.
Der Nachtalb, ein kleiner grauer Elf mit runzligem Eulengesicht und großen dunklen Flügeln ist der Bote der Elfen vom Erlenbruch: »Scho, scho, wu, wu, du Bubbatsch, wo steckst du Wiesenkobold?«, rief der Nachtalb. Er setzte sich auf den Ast einer riesigen Eiche, die nahe der Bubbatsch-Wiese auf einem Feld stand.
»Hatschi, hie, hie, hiertschi«, nieste ein Stimmchen und schwupp die wunder dich, saß neben dem Nachtalb ein kleiner grüner Kobold. Er trug ein smaragdgrünes Jäckchen mit silbernen Glöckchen, ein moosgrünes Höschen und grasgrüne Stiefelchen. Sie paßten besonders gut zu seinen dunkelgrünen Haaren, die wie Tannennadeln von seinem Kopf abstanden, während die Augen in der Farbe seines Jäckchens leuchteten. Bubbatsch hatte sich seine Schafwolldecke mitgebracht und schniefte laut vor sich hin.
»Das klingt entsetzlich«, meinte der Nachtalb, »wie konntest du dich bloß dermaßen erkälten?«
»Wa-wa-war a-anbaden.« Bubbatsch schlotterte ganz fürchterlich unter seiner Schafwolldecke.
»Du bist doch keine Wassernymphe. Die Seen sind noch viel zu kalt für Wiesenkobolde«, schimpfte der Nachtalb. Er holte eine kleine hölzerne Flasche unter dem Flügel hervor und reichte sie Bubbatsch: »Hier nimm einen kräftigen Schluck Schlehenschnaps und hör mir zu!«
Bubbatsch schluckte, rülpste und lachte: »Olala, tut das gut. Ganz kribbelig wird mir und warm. Ich bin ganz Ohr!«
»Also, wie in jedem Jahr«, schnarrte der Nachtalb »begehen wir im Monat Juni in unserem Reich das Fest der Sommersonnenwende. Aber diesmal werden besonders viele Gäste erwartet, denn Königin Albines und König Alberichs jüngste Tochter Undine feierte gerade ihren 111. Geburtstag. Wie du weißt, werden Elfen diesen Alters in den Kreis der Jungelfen aufgenommen. Das ist ein außerordentlicher Tag. Deshalb bin ich hier. Ich soll nämlich auch dich auf den Elfenhügel einladen.« Müde schaute der Nachtalb den kleinen Kobold mit seinen Eulenaugen an. Es war die dreihundertneununddreißigste Einladung, die er soeben vorgetragen hatte und die Liste der Gäste war noch sehr lang. Vom vielen Gerede schmerzte ihm der Mund, der unter seiner krummen Schnabelnase kaum zu sehen war. Es war deshalb kein Wunder, dass der alte Elf seufzte.
Aber Bubbatsch hörte den Seufzer nicht.
»Nein, welche Ehre, eine Einladung, nein, welche Ehre! Dann ist sie ja genauso alt wie ich. Ich bin auch 111«, plapperte er mit seinem heiseren Stimmchen und begann vor Aufregung so zu zappeln, daß seine silbernen Glöckchen bimmelten und die Schafwolldecke vom Ast hinunterfiel, genau auf den Igel der am Fuße der Eiche herumschnürzelte.
»Was soll denn das? Was soll denn das bloß?«, rief der Igel und verhedderte sich immer mehr in der Decke.
Bubbatsch rutschte flink den Baum hinunter und befreite ihn: »Entschuldige, Meister Igel! Stell dir vor, ich habe Besuch vom Nachtalb. Er hat mich eingeladen zum … Wo ist er überhaupt? He, Nachtalb!«, rief Bubbatsch zum Ast hinauf.
Doch der Nachtalb hatte sich bereits mit »scho scho« und »wu wu« in die Lüfte erhoben und kümmerte sich nicht mehr um den grünen Kobold.
»Ach der, den mag ich nicht, der mit seinem Eulengesicht«, schnaufte der Igel. »Und du, du solltest mal deine Decke waschen, die riecht wie Käsefüße. Igitt i pfui!« Hurtig trippelte er auf seinen kleinen Beinchen davon.
Bubbatsch roch an seiner Decke: »Was der nur hat, von wegen Käsefüße, die riecht nach Schlaf, wonach sonst.« Mit der Decke im Arm lief Bubbatsch zum Wiesenrand und schlüpfte in seine Höhle unter dem großen Holzhaufen um zu schlafen. Auch in dem Menschenhaus, das am anderen Ende der Wiese stand, gingen die Lichter aus. Die Nacht hüllte alles in ihren Sternenmantel ein.
...