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Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät, Band 91 (2007)

Toleranz in ökonomischen Prozessen und Verhältnissen.

trafo verlag, 2007, 85 S., zahlr. Fotos und Abb., ISBN (13) 978-3-89626-691-0, 17,80 EUR

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Inhaltsverzeichnis

 

Dieter Kirchhöfer: Vorwort 7

 

Eröffnung

Matthias Platzeck: Grußwort für die 5. Toleranzkonferenz des Mittelstandsverband Oberhavel 11

Michael Blumenthal: Zusammenleben im 21. Jahrhundert 13

 

Beiträge

Jörg Rösler: Corporate Identity (C.l.) für privatisierte ostdeutsche Großbetriebe nach 1990 23

Lothar Ebner: Konkurrenz und Kooperation in den zwischenbetrieblichen Beziehungen in der Form von Netzwerken 39

Metod Miklus: Auf dem Weg von Intoleranz zu Toleranz - Aktion Sühnezeichen Friedensdienste - Geschichte und Begriffe eines Praxisbeispiels 51

Herbert Meißner: Wirtschaft und Toleranz 63

Dieter Kirchhöfer: Toleranz - die Basis einer solidarischen oder sozialen Ökonomie 71

Peter Redemann: Warum beschäftigt sich der Mittelstandsverband Oberhavel mit dem Thema „Toleranz"? 77

 

Dokumente

Oranienburger Aufruf  81

Rückblick auf die 4. Gemeinsame Wissenschaftliche Konferenz der Leibniz-Sozietät e.V. und des Mittelstandsverbandes Oberhavel e.V. 2005 83

 

 

Vorwort

Der Sammelband zur 5. Gemeinsamen Wissenschaftlichen Konferenz der Leibniz-Sozietät und des Mittelstandsverbandes Oberhavel am 23.September 2006 enthält die Referate und Diskussionsbeiträge auf der Konferenz zum Thema „Toleranz im Spannungsfeld ökonomischer Prozesse und Verhältnisse". Besonderes Gewicht erhielt die Konferenz durch das Hauptreferat und die Diskussion mit Prof. Dr. Michael Blumenthal, Ehrenbürger der Stadt Oranienburg, Direktor der Stiftung Jüdisches Museum Berlin und ehemaliger Finanzminister der USA, der sich bereit erklärt hatte, auf der Konferenz zum Thema „Zusammenleben im 21. Jahrhundert" zu sprechen.

Die Konferenz stand in der konzeptionellen Vorbereitung vor dem Problem, dass sich die gegenwärtig global entwickelnde Wirtschaft mit einem erbarmungslosen Konkurrenzkampf und feindlichen Firmenübernahmen, mit dem Streben nach der Sicherung nationaler Standortvorteile und dem Abbau sozialer Leistungen in den Betrieben der Idee der Toleranz zu versperren scheint. Bekenntnisse zu Toleranz im Rahmen globaler Verteilungskämpfe erscheinen nicht nur unglaubwürdig, sondern geben offensichtlich auch der wissenschaftlichen Erkenntnis wenig Raum. Selbst der Begriff „Toleranz" scheint sich angesichts kapitalistischer Profitmaximierung und sich verschärfender Interessengegensätze zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern einer adäquaten Beschreibung der realen Sachverhalte zu verweigern.

Die Konferenz suchte Antworten in verschiedenen Richtungen. Zum einen gibt es auch innerhalb der kapitalistischen Ökonomie Spielräume für moralische Werte und wertgesteuerte Handlungen, für die vielleicht mit den altbürgerlichen Vorstellungen von menschlichem Anstand, Verlässlichkeit und Ehrlichkeit ein Feld zu besetzen wäre, dass gegenwärtig unbestellt bleibt. Bis heute ist es z.B. nicht gelungen, eine Art Ehrenkodex der Beziehungen zwischen Unternehmen zu erarbeiten. Informell besteht jedoch im öffentlichen Bewusstsein ein stiller Konsens darüber - auch wenn feindliche Übernahmen und Bereicherungsszenarien dagegen sprechen - was sich auch im ökonomischen Handeln „gehört und was sich verbietet". Eine solche Fragestellung besitzt vor allem im Bereich der Klein- und Mittelständischen Betriebe hohe ökonomische Relevanz. Für Unternehmen dieser Dimension haben gegenseitiges Vertrauen und Zuverlässigkeit eine existentielle Bedeutung für Fortbestehen und Weiterentwicklung. Ein nachhaltiges ökonomisches Agieren in einer Region setzt einen Grundbestand an moralischen Beziehungen der Unternehmen voraus. Toleranz erweist sich in diesen Bereichen als ökonomische Ressource. Ökonomische Vernetzungen und Netzwerke in Form von branchenspezifischen und branchenübergreifenden Clustern bedürfen regelrecht eines Fundus gegenseitiger Verlässlichkeit, der aus gegenseitigem Respekt und wechselseitiger Empathie erwächst. Dabei könnte es ein Trug-schluss sein, Toleranz als Konfliktlosigkeit zu deuten. Gegenseitiges Vertrauen erwächst auch auf der Grundlage einer entwickelten Streitkultur.

Eine andere Variante der Argumentationen der Veranstalter verwies auf den Zusammenhang zwischen den sozialen und kulturellen - den sog. „weichen" - Standortbedingungen und effizienter Produktivität der Unternehmen. Es ist unbestrittene Tatsache, dass erst in einem lebendigen sozialen Kontext nachhaltig Innovationen und Innovationsbereitschaft entstehen. Die menschliche Arbeitskraft reproduziert sich effizient nur in einem Umfeld, in dem bestimmte Balancen zwischen Arbeiten, Lernen und Leben realisiert werden können. Das soziale Umfeld ist dabei ein Bereich, in dem nicht nur ständig neue Innovationen entstehen, sondern selbst eine innovationsfördernde Sphäre, die Toleranz und Vertrauen bedarf und zugleich hervorbringt.

Im besonderen Maße - und das war eine dritte Überlegung der Veranstalter - besteht ein oft vernachlässigter Zusammenhang zwischen sozialem Frieden und gewinnorientiertem Wirtschaften. Permanente Verstöße gegen die Toleranz in den Beziehungen zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern gefährden genau diesen Frieden. Betriebsverfassung, betriebliche Mitbestimmung, Tarifverträge bilden - auch wenn gelegentlich von Unternehmerseite in Frage gestellt - Rahmenbedingungen eines effizienten Wirtschaftens und somit auch Standortbedingung für ein dynamisches Wirtschaftswachstum.

Auch diese Konferenz ließ wie alle vorangegangenen Zusammenkünfte vieles Wünschbare offen, manches wurde nur angedeutet, gegen anderes Vorgetragene lassen sich Einwände bringen. Gedanken zur solidarischen oder sozialen Ökonomie, zur Ökonomie der Gemeinwesenarbeit und -Ökonomie oder zum Empowerment hätten das Themenfeld sicher bereichert.

An der Konferenz nahmen mehr als 60 Personen teil, unter ihnen der Bürgermeister von Oranienburg Hans-Joachim Laesicke und die Bundestagsabgeordnete Angelika Krüger-Leißner. Besonders erfreut waren die Veranstalter, dass Schüler des Runge-Gymnasiums Oranienburg an der Veranstaltung teilnahmen und sich an der Diskussion mit kritischen Fragen beteiligten.

Der Konferenz war ein Grußwort des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg Herrn Platzeck zugegangen, das einleitend in diesem Band enthalten ist.

Als Referenten traten neben Prof. Blumenthal die Professoren Jörg Rösler zum Thema „Toleranz und Intoleranz bei der Entwicklung einer neuen Cor-porate Identity für privatisierte ostdeutsche Betriebe", Lothar Ebner zum Thema „Regionale Netzwerke - Ihre Vorteile und Probleme" und der Geschäftsführer der B.R.A.H.M.S. AG, Dr. Metod Miklus, zum Thema „International agierender Mittelstand und Toleranz" auf. Im Sammelband sind außerdem drei Beiträge zu den Themen „Wirtschaft und Toleranz" (Prof. Herbert Meißner) und „Toleranz als Basis einer solidarischen oder sozialen Ökonomie" (Prof. Dieter Kirchhöfer) und „Warum beschäftigt sich der Mittelstandsverband Oberhavel mit dem Thema Toleranz" (Peter Redemann) enthalten, die nicht mehr auf der Konferenz vorgetragen werden konnten. Die Autoren tragen allein die Verantwortung für die Inhalte und die sprachliche Gestaltung.

Der Dank gilt wie schon bei den vorangegangenen Veranstaltungen den Mitgliedern und Mitarbeitern des Mittelstandsverbandes Oberhavel e.V. und dessen Vorsitzenden Herrn Prof. Ebner, der wesentlich die umfangreiche Vorbereitungsarbeit trug.

Dieter Kirchhöfer