mit einem Nachwort von
Burkhard Baltzer und Vignetten von Cleo-Petra Kurze und Gabriele Lattke,
trafo verlag 2007, 259 S.,
ISBN (13) 978-3-89626-675-0, 19,80 EUR
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»… Und man siehet die im Lichte,die im Dunkeln sieht man nicht.«aus: »Die Dreigroschenoper« von Bertolt Brecht
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Der Büchermarkt wird gegenwärtig überschwemmt von Memoiren und Biographien großer und kleiner Filmstars, der Pop- und Schlagersänger, der Entertainer, der Rock-Aktivisten und gar der Fernseh-Showmaster, denen auch die Massenpresse als Mediengöttern breiteste Aufmerksamkeit widmet.
Daneben erfreuen sich die »Restbestände« des sogenannten Bildungsbürgertums an den Lebensbildern der großen und großartigen Bühnenkünstler aus Vergangenheit und Gegenwart, darunter Opernsänger, Klaviervirtuosen, Chefdirigenten und andere Vertreter der »hohen« Kunst, soweit sie prominent sind und im Licht der Öffentlichkeit stehen und dann auch als Solisten vom »Konzert« der Feuilletonpresse begleitet werden.
Man sieht, um mit Brecht zu sprechen, nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.
In meinem Band hingegen soll von den im Dunkeln der Kunstszene agierenden Personen und ablaufenden Vorgängen die Rede sein, von hinter dem Vorhang, der Bühne oder den Orchesterestraden und Solistenpodien im Verborgenen wirkenden Personal und Prozessen, ohne welche der Theater-, Konzert- und Varietébetrieb ganz und gar zusammenbräche.
Hier wechseln zum einen Porträts, Lebens- und Kunstansichten von Requisiteuren, Souffleusen, Maskenbildnern, Pyrotechnikern, Theaterschreinern, Feuerwehrmännern und Orchesterwarten miteinander ab, und der Leser gewinnt einen gänzlich neuen Einblick in die Bühnen- und Theaterwelt – sozusagen von hinten auf die Bretter geblickt, die die Welt bedeuten.
Wenn zum anderen von den Führungskräften der Darstellenden Künste, den Intendanten beispielsweise, die Rede ist, geht es nicht nur um im engeren Sinne künstlerische, sondern auch um technische und logistische wie, natürlich, um Finanzierungsprobleme, denen das Bühnengeschehen als Gesamtbetrieb angesichts der regelmäßig aufeinander folgenden Subventionsabbauwellen ausgesetzt ist.
Auch hier wird dem Zuschauer nicht bewusst sein, welches Engagement von dieser Seite aufgebracht wird. Und selbstverständlich muss unter diesem Aspekt von den Folgen der daraus entstandenen Kulturpolitik sowie der wiederum daraus resultierenden Theater- und Bühnenszenerie die Rede sein, von ihren Verwerfungen, und all den Menschen, die es dank ihrer Kreativität und trotz ihres Verbleibs im »Dunkeln« hin und wieder schaffen, aus Nöten Tugenden zu machen.
Nicht unbeachtet geblieben sind weiterreichende Gebiete dieser Kulturlandschaft wie Varieté und Zirkus als originär zum Kunstkanon gehörende Bereiche, ferner das der Gastkünstler und entsprechend fremder Einflüsse auf die heimatliche Kunstszene, sowie das des Nachwuchses, der Vorgänger und Vorbilder. Womit in die Zukunft wie auch in die Vergangenheit geblickt wird. In beidem wird Entwicklung deutlich, positive wie negative.
Aber nicht alles, was unter dem verlogenen Stichwort »Modernisierung« läuft, ist schon deshalb mit negativen Vorzeichen besetzt, so zum Beispiel die Auslagerung der Publikumsdienste von der Einlasskontrolle bis zur Pausenversorgung an darauf spezialisierte Dienstleister oder die Opernsängeragenten, die sowohl den Impresario alten Stils als auch die für die singende Zunft zuständige Abteilung des Arbeitsamtes ersetzen oder doch ergänzen.
Und nicht alles, besser: gar nichts, was unter diesen »dunklen« Bedingungen Theater macht, geschieht ohne Lust. Im Gegenteil, die Befriedigung in der Arbeit ist der Motor für das Bühnengetriebe, es ist ein Schaffens-Vergnügen, das die hier versammelten Texte einfangen und beim Leser als Lese-Vergnügen umsetzen sollen.
Die in diesem Band veröffentlichten Texte sind Arbeiten aus den letzten fünf Jahren, sie spiegeln den Werdegang in den jeweiligen Kunstinstitutionen deutschlandweit wieder. Es sind Reportagen, Prosatexte, Features und Interviews, die ich für die Zeitschrift Kunst & Kultur, die nmz (Neue Musikzeitung) und für Rundfunksender wie DeutschlandRadio Berlin produziert habe. In diesem Journalistenberuf, zumal als »Freie«, kann man sich das Privileg leisten, Themen zu bearbeiten, denen man sich auch außerhalb der Arbeitszeit mit Hingabe widmet. So steht für mich der Kunstbereich, und hier besonders die Welt von Theater und Bühne, ganz vorn an (gefolgt von der Welt Lateinamerikas sowie der des Landes Brandenburg).
Die (entfachte) Wissbegier des neugierigen, theater- und konzertliebenden Lesers hoffe ich fürs erste stillen zu können!
GERTA STECHER, im Juni 2007
Vorbemerkung 11
Kinderwagen und andere Groß-Accessoires
Requisiteure an der Deutschen Oper Berlin 17
Zinnowitzer Feuerzauber
Pyrotechniker an der Vorpommerschen Landesbühne Anklam 27
Von der Puppenstube ins große Haus
Die Schreinerei an den Wuppertaler Bühnen 37
Das wahre und das falsche Gesicht
Die Maskenbildner am Deutschen Theater Berlin 47
Alle Fäden in ihrer Hand
Inspizientin am Ohnsorg-Theater Hamburg 57
Bass vor’m Bauch und Treppe rauf
Die Orchesterwarte an der Deutschen Staatsoper Berlin 65
Flüstern und Schreien
Souffleuse an der Komischen Oper Berlin 73
Rauch auf der Bühne und Blasen im Lack
Die Feuerwehrleute im Staatstheater
am Gärtnerplatz München 81
König Lear mit fünfundzwanzig Lenzen
Das rasante Verjüngen der bundesdeutschen
Theaterensembles 93
Auf den Flügeln des Gesanges
Über das Wie und Warum von Opernsängeragenturen 99
Eine ganze Spielzeit Liebe
Das gänzlich andere Intendantenprinzip
am Theaterhaus Jena 109
Menschenfreund und Musenhandel
Kunst-Mäzenatentum made in USA als Modell zukünftiger Kulturpolitik made in BRD 115
Garderobièren & Co. auf Pump
Neue Strukturen für alte Berufe 127
Rundum-Aufbruch vom Intendantensessel
Der Chef-Dienstleister am Heidelberger Stadttheater 135
Drei-Minuten-Theater
Die Hohe Schule des Chansons für singende Schauspieler und schauspielende Sänger 143
Mit Grips im Carrousel
Berliner Theater für kleine und große Kinder 154
Laute Stimme Spanisch
Missionierende Sängerin aus Japan in Hamburg 171
Nicht Tango und nicht Cha-Cha-Cha
Ein Verein für lateinamerikanische Oper in Berlin 185
Der Hofstaat kommt aus Polen
Gast-Choristen am Theater in Schwerin 195
Morgensonne im Abendland
Asiaten als Bewahrer der klassischen Musik Europas 203
Zwischen B-Dur und Manualwechsel
Ein Pianist von Peru nach Peru via Deutschland 211
Vergessene Prinzipale, unvergessene Artisten
Geschichten von Engagementsverträgen und Logenbrüdern 223
Wo prominente Mimen hausten
Glück und Ende der Künstlerkolonie Berlin-Wilmersdorf 237
Nachwort 251
Bildnachweis 254
Personenverzeichnis 255