2009, [= Geschichte - Gesellschaft - Gegenwart, Band 39], 248 S., ISBN 978-3-89626-667-5, 29,80 EUR
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Vorwort 7
Flucht aus der Geschichte? Zu verlorenen Gewissheiten und notwendigen
Koordinatensystemen für Geschichte und Politik 9
Stefan Bollinger
Pluralismus im Umgang mit der Geschichte – Anspruch und/oder Wirklichkeit? 23
Helmut Meier
Die Enquête-Kommissionen des Deutschen Bundestages zur DDR (1992–1994 und
1995–1998) als geschichtspolitische Staatsakte 33
Ludwig Elm
Anmerkungen zum Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung 43
Gerhard Fischer
Gründerväter der DDR-Geschichtswissenschaft und der Umbruch 1989: Jürgen
Kuczynski, Wolfgang Ruge und Ernst Engelberg 47
Mario Keßler
Historische Umbrüche und die Verantwortung des Historikers 63
Siegfried Prokop
Geschichte und Politik bei der Gründung der Historischen Kommission der PDS 71
Günter Benser
Sozialismus als Alternative? –„Sozialistische Dissidenten“ in der DDR und was
von ihnen bleibt 81
Anneliese Braun
Zur Streitkultur bei den deutschen „Linken“. Zum Beispiel: Hat es in der DDR
Antisemitismus gegeben? 115
Horst Helas
Historische Forschungen zur Revolution 1918/19 in
Deutschland und ihre Rezeption in der Zeit der Außerparlamentarischen Opposition
in der BRD und Westberlin 131
Reiner Zilkenat
Politikum Gedenken – Gedenktafeln in Berlin 145
Holger Hübner
Verstehen versus Verdrängen, Vergessen, Verleugnen Deutschland in den
Lebenserinnerungen US‑amerikanischer Historiker deutsch-jüdischer Herkunft 159
Alfred Loesdau
Wrocław und das deutsche Erbe – demokratische Traditionen bewahren 181
Daniela Fuchs-Frotscher
Politikum Geschichte in den Beratungen des sozialdemokratischen Arbeitervereins
Lichtenberg-Friedrichsberg (90er Jahre des 19. Jahrhunderts – anhand des
Protokollbuchs des Vereins) 189
Ursula Herrmann
Aufstieg der Blinden vom Bettler zum Arbeiter 207
Hartmut Mehls
Geschichte zwischen Nies- und Missbrauch – Anmerkungen zu einem Dauerkonflikt
221
Jürgen Hofmann
Laudatio für Jürgen Hofmann. Wissenschaftliches Kolloquium anlässlich seines 65.
Geburtstags am 4.Oktober 2008 229
Helmut Meier /Walter Schmidt
Jürgen Hofmann. Liste der Veröffentlichungen (ab 1990) 235
Autorenverzeichnis 247
Das „Gesellschaftswissenschaftliche Forum e.V., Berlin“ und
die „Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V.“ übergeben hiermit den Ertrag des von
ihnen gemeinsam organisierten Wissenschaftlichen Kolloquiums „Politikum
Geschichte – Die Rolle der Geschichte in den öffentlichen politischen
Diskussionen“, das am 4. Oktober 2008 in den Räumen des Museums Lichtenberg
stattfand, der Öffentlichkeit.
Die behandelte Thematik ist so alt wie die Beschäftigung der Menschheit mit
ihrer Geschichte. Dabei stellt sich für jede Generation die Frage der Art und
Weise der Vergewisserung über Herkunft und geschichtlichen Hintergrund des
Daseins immer wieder neu. Was von der Geschichte bleibt, hängt in hohem Maße vom
Standpunkt und der Blickrichtung derjenigen ab, die die Geschichte untersuchen
und darstellen. Dabei bedeutet Indienstnahme der Geschichte für aktuelle
Bedürfnisse nicht unbedingt Verfälschung. Darauf hat schon Karl Kautsky
hingewiesen, als er seine Parteinahme für die arbeitenden Klassen verteidigte.
Er erklärte: „Ein praktischer Politiker wird politische Geschichte, bei
genügender wissenschaftlicher Vorbildung leichter begreifen und sich eher in ihr
zurechtfinden als ein Stubengelehrter, der mit den treibenden Kräften der
Politik nie die geringste praktische Bekanntschaft gemacht hat. Namentlich dann
wird der Forscher durch seine praktische Erfahrung begünstigt werden, wenn es
sich um die Erforschung einer Bewegung jener Klasse handelt, in der er selbst
wirkt, mit deren Eigenart er aufs beste vertraut ist.“ Aber Kautsky wusste auch
um die Gefahren der Parteilichkeit, vor denen er nachdrücklich warnte: „Zwei
Gefahren sind es insbesondere, welche die Geschichtsschreibung der praktischen
Politiker mehr als die anderer Forscher bedrohen: Einmal die Versuchung, die
Vergangenheit ganz nach dem Bilde der Gegenwart zu modeln, und dann das Streben,
die Vergangenheit so zu sehen, wie es den Bedürfnissen der Gegenwartspolitik
entsprícht.“ Seine Bemerkungen haben auch heute noch nicht ihre Gültigkeit
verloren, deswegen lohnt es immer wieder, darüber nachzudenken, wie bei der
Suche nach der historischen Wahrheit diesen Gefahren begegnet werden kann. Das
kann kein Historiker wie auch keine historische Denkrichtung allein. Alle
Erfahrungen sprechen dafür, dass sich dem tatsächlichen Geschehen nur in einem
breiten öffentlichen Diskurs beikommen lässt. Korrektur und Selbstkorrektur auf
der Basis neuer Erkenntnisse sind dabei unerlässliche Voraussetzungen für
erfolgreiche Durchdringung historischer Prozesse und Ereignisse.
Die in diesem Band vereinigten Beiträge behandeln das Generalthema des
Kolloquiums auf unterschiedliche Weise. Sie beziehen Stellung zu
Grundsatzfragen, wie z. B. zu der Frage, welche Schlussfolgerungen sich aus dem
Scheitern des Sozialismus für die marxistische Geschichtsauffassung ergeben oder
welche Bedeutung pluralistischem Herangehen für die Auseinandersetzung mit der
DDR-Geschichte zukommt. Einige Autoren unterziehen die
DDR-Geschichtswissenschaft einer kritisch-selbstkritischen Analyse. Schließlich
werden historische und aktuelle Erfahrungen des Umgangs mit Geschichte
vorgestellt und einer kritischen Bewertung unterzogen.
Das Thema des Kolloquiums wurde natürlich nicht von Ungefähr ausgewählt.
Schließlich stehen wir am Vorabend eines Jubiläumsjahres, in dem
Auseinandersetzung mit Geschichte in hohem Maße gefordert sein wird. Es wäre
sehr zu wünschen, dass der 20. Jahrestag der Ereignisse von 1989 in der DDR
nicht zum Tummelplatz bloßer Sensationshascherei und politischer Abrechnung mit
einem einstigen Gegner gemacht würde, sondern zum Anlass für Besinnung über die
echte Dynamik und Dramatik von Geschichte.
In diesem Sinne sind die meisten Beiträge des Bandes angelegt, und sie sind es
auch deshalb, weil ein weiterer Anlass der Tagung die Würdigung der
wissenschaftlichen Leistung von Prof. Dr. Jürgen Hofmann war, der im September
2008 seinen 65. Geburtstag beging und der sich in den vergangenen zwei
Jahrzehnten große Verdienste um eine kritisch-sachliche und ausgewogene
Darstellung der jüngsten Geschichte erworben hat.
Dem aufmerksamen Leser des Bandes wird nicht entgehen, dass in den Beiträgen
Auffassungen vertreten werden, die durchaus strittig sind. Die vorgetragenen
Standpunkte geben die Auffassung der Autoren wieder.
Die Herausgeber hoffen, dass der vorliegende Band als Beitrag zum
gesellschaftlichen Dialog über die Geschichte verstanden wird. Sie versprechen
sich davon Anregungen für die weitere Arbeit nicht nur der Historikerinnen und
Historiker, die hier zu Worte kommen.
Die Herausgeber
Klaus Kinner & Helmut Meier
Leipzig, im Dezember 2008