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Hansgünter Meyer (Hg.)

Der Dezennien-Dissens.

Die deutsche Hochschul-Reform-Kontroverse als Verlaufsform

 

2006, [Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften, Bd. 20], 532 S., ISBN 978-3-89626-634-7, 49,80 EUR

 

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Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort                                                                                                         7


Teil I: Die Hochschul-Reform-Kontroverse nach Grundfragen betrachtet         19

-   Der Dezennien-Dissens – Begriff und Themen                                                21   
    Hansgünter Meyer
-   Der Aufstieg der philosophischen Fakultät im 19. Jahrhundert –Keimzelle
    des modernen Universitätsprofils                                                                223
    Hubert Laitko
-   Education, knowledge and social differentiation: new elites and new

     inequalities?                                                                                            261
    Reinhard Kreckel
-   “Elite reproduction and the role of European universities”                               277
    Claudius Gellert
-   Putting Science in Its Place? Zur Virtualisierung der deutschen ‘Elite’-

     Förderung                                                                                                289
    Marcel Lepper
-   Neoliberalismus, Wissenschaft und Gemeineigentum                                     297
    Hans-Gert Gräbe

 


Teil II: Hochschul-Reform-Kontroverse nach Handlungsoptionen betrachtet    315


-   Hochschulzugang – neue Chancen oder Risiken? Veränderungen beim

     Hochschulzugang durch hochschuleigene Auswahlverfahren                             317
    Dirk Lewin/Irene Lischka
-   Externe Expertise in der Hochschulpolitik. Varianten und Funktionen des

     Beratungswesens, illustriert mit Beispielen aus der Berliner Landespolitik        333
    Peer Pasternack

-   Geschlechtergleichstellung als externer Imperativ an Hochschulen?
    Ein anachronistisches Paradoxon                                                                347
    Uta Schlegel
-   Staatlich angeordnete Studienstrukturreform. Die Umsetzung des Bologna-

     Prozesses in Deutschland                                                                          371
    Andreas Keller
-   ‘Gehäuse’ und ‘Füllung‘. Zum Verhältnis von Institutionen und Erkenntnis-

     prozessen                                                                                               379
    Marcel Lepper

 


Teil III: Zeitgeschichtliche Konditionen und Prämissen des Akteurshandelns   389

 

-   Soziale Ungleichheiten in der Reproduktion von Akademikern in den (noch)

     beiden deutschen Staaten 1990 und in den alten und neuen Ländern heute      391
    Gustav-Wilhelm Bathke
-   Prospektivisches: Der alternative Hochschuldiskurs.                                   
    Eine Zwischenbemerkung des Herausgebers                                                 425
-   Das zerstörte Kettenglied. Brüche und Verluste in den Sozial- und Geistes-

     wissenschaften zwischen der untergegangenen DDR und dem vereinigten

     Deutschland                                                                                             431
    Stefan Bollinger
-   Was heißt und zu welchem Ende betreibt man die Zweite Wissenschafts-

     kultur?                                                                                                    453

    Hansgünter Meyer

AutorInnenverzeichnis                                                                                   531

 

 

Aus dem Vorwort

 

Diese Schrift soll den Diskurs über die Reform der deutschen Hochschulen referieren
– und sie soll zugleich an diesem Diskurs teilnehmen. Soll ihn kritisch beurteilen
und ihm zugleich einige Richtlichter aufsetzen. Dies ist nicht ausführbar außer als
Beitrag zu den Ideen, die zu den denkbaren Universitäten des 21. Jahrhunderts erörtert
werden, man beachte den Plural, akzeptiert als Skizzen Weberscher Idealtypen,
denen man sich in praxi günstigenfalls annähern kann. Auch dies ist schon ein vorgreifendes
Postulat: Es gibt nicht die eine, allen Ansprüchen und Erkenntnissen genügende
ideale Hochschule oder Universität. Es gibt keine zwei gleiche Universitäten,
bestenfalls sind sie im Groben typengleich. Es gibt sie nur im Plural mit je
unterschiedlichen Ausprägungen hochschulischer Charakteristika. Vorstellbar ist das
so: reiht man hundert oder mehr aneinander und zwar so, daß die sich ähnelnden
nebeneinander sind, je mehr abweichende Besonderheiten, desto größer der Abstand,
so würden sie sich im Mittelfeld der Reihe wenig, die an den Enden der Kette Befindlichen
aber bis zur schieren Unkenntlichkeit unterscheiden.
So erscheint die Absicht, einen Disput über Hochschulen/Universitäten zu führen,
etwa über ihre richtige Gestaltung, über Reformen, die das bewirken, wie der
Versuch der Quadratur des Kreises. Also als eine nicht lösbare Aufgabe. Was von
einer Position aus für richtig befunden wird, ist von einer anderen aus gesehen falsch.
Was ist darüber zu berichten? Wie den Bauplan eines Gebäudes oder einer technischen
Anlage entwerfen kann man Hochschulen/Universitäten nicht. Die Wirklichkeit
mit ihren vielen Tausend Unikaten von Forschungsprojekten, Forschungsgruppen,
Ausbildungszielen und Lehrangeboten ist dagegen. Das schließt die Existenz
von einigen generalisierenden Konstruktions- bzw. Funktionsprinzipien nicht aus.
Vielheit und Pluralität reduzieren sich nicht auf Beliebigkeit. Obgleich Hochschulen
nach scheinbar unvereinbaren Prinzipien und Ausgestaltungen unisono funktionieren
und effizient sein können, sind dennoch Formen und Gestaltungen denkbar,
die sich ausschließen.
So ergibt sich fast als Normalität, daß Hochschulen oft Funktionselemente enthalten,
Dysfunktionen, bzw. Vorgänge stattfinden, die ihnen schädlich sind. Darüber
findet man im Diskurs manchmal Einmütigkeit, oft aber auch starken Dissens. Hochschulen
lehren, aber sie sind tunlichst keine Lehranstalten, sie bilden berufliche Fähigkeiten
aus, aber sie sind keine beruflichen Trainingszentren, sie verfolgen ein
Forschungsprogramm und vermitteln Forschungserfahrung, aber ihre Bestimmung
bleibt der Zusammenhang von Forschung und Lehre, sie sind sui generis keine Forschungseinrichtungen.
Was sie Wissenschaft und Forschung auf besondere Art betreiben
läßt. Sie können 500 oder 5.000 Studenten inskribieren oder 50.000. Sie
können in Fakultäten unter einem Dekan gegliedert sein, oder in Departements als
Dispositionsfeld eines Managements. Ihre Hauptgliederung können Fachschaften

ein, deren wissenschaftliche Reputation von einer Gruppe von Professoren getragen
wird mit einem Ordinarius an der Spitze. Rektorate, Senate, Kanzlerschaften,
Beiräte, Aufsichtsbehörden der unterschiedlichsten Art können ihnen als Körperschaftsbevollmächtigte
vorstehen. Diese können Leitungsorgane sein oder vermittelnde
Gremien – im Extremfall bloß Beratungsorgane. Das Feld von Autonomie-
Handeln ist weit abgesteckt. Eine große Vielfalt weisen die Vertretungen der
Hochschulbediensteten bzw. Beschäftigten auf, die summarisch als Gremien bezeichnet
werden. Sie können Entscheidungen treffen oder bloß disputieren oder zwischen
den Rängen der Hierarchie und den Beschäftigten vermitteln. Oder sie formulieren
nur demokratische Willensbekundungen.
Das gilt zunehmend für die Studentenschaft, die sich immer mehr von einer mit
der Immatrikulation verbundenen Pflichtzugehörigkeit des Einzelnen getrennt hat
und zu freiwilligen Mitgliedschaften übergegangen ist. Studentische Initiativen treten
folglich immer zerstrittener auf, sind unberechenbar und eher kraftlos. Der gelegentliche
Lärm von Protestbekundungen erschreckt heute kaum noch jemanden.
Hochschulen/Universitäten können 100 Fachdisziplinen und mehr inkorporieren
oder nur 10, diese aber in größtmöglicher Diversifikation ihrer Spezialfächer. So
sind technische oder wirtschaftliche oder künstlerische oder andere Spezialhochschulen
tätig und das Entstehen weiterer zu erwarten. Jedoch wird noch immer von
manchen Universitäten, von den für sie zuständigen Landesbehörden, manchmal
auch von Parteigremien oder anderen Interessenten (z.B. große Kommunen) für die
von ihnen bevorzugten Hochschulen der Status der sog. Volluniversität angestrebt.
Volluniversitäten mit ihrem traditionellen Fächerkanon der Geistes-, Sozial- und
Naturwissenschaften, der in der Humboldt-Nachfolge gut 150 Jahre lang für notwendig
gehalten wurde, damit eine Universität national oder international renommiert
erscheint und Anspruch und Aussicht auf eine angemessene wissenschaftsgeschichtliche
Einordnung bzw. aktuell auf ein Spitzenranking hat. Wo der Status der
Volluniversität beginnt, war immer umstritten. Jedoch ist zu beobachten, daß immer
seltener auf Volluniverstäten insistiert wird.
Neu hinzugekommen ist die Kontroverse um neue bzw. überhaupt unterschiedliche
sog. Trägerschaften bzw. ihren korporativen rechtlichen Status. Ursprünglich
vom Staat geschaffene, unterhaltene und rechtlich vertretene Institutionen, hervorgegangen
aus landesherrschaftlichen (fürstlichen, königlichen) oder klerikalen Gründungen,
erweiterte sich die Trägerschaft der Hochschulen zunächst auf private Universitäten
und gegenwärtig auf diverse Rechtsträgerschaften durch Stiftungen oder
Kapitalgesellschaften, wobei sich schon das Aufkommen einer großen Vielfalt, einschließlich
gemischter Trägerschaften und einer sich immer mehr diversifizierenden
Sponsoren-Klientel absehen läßt. Allerdings, was sich in Europa hier ziemlich mühsam
an Neuem vollzieht, ist in den USA schon seit Jahrzehnten vorhanden. Soll man
also den Blickwinkel so wählen, daß dies rasch und effizient nachzuvollziehen ist?
Dagegen erheben sich vielfache Bedenken, nicht zuletzt aus den USA selbst, wie
wir zeigen werden.

...

 

 

 

 

 

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