[= SILESIA. Schlesien im europäischen Bezugsfeld. Quellen und Forschungen, Bd. 8], 2009, 264 S., ISBN 978-3-89626-621-7, 39,80 EUR
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Danksagung 7
1. Einleitung 11
2. Graphematische Untersuchungen historischer Texte aus Schlesien –
Forschungsstand 14
3. Methode 21
4. Abkürzungsverzeichnis 27
5. Textkorpus 28
6. Graphematische Analyse des Teilkorpus Städtische Kanzlei zu Namslau
(1406–1589) 42
7. Graphematische Analyse des Teilkorpus Herzogliche Kanzlei zu Brieg
(1499–1539) 68
8. Graphematische Analyse des Teilkorpus Brieger Briefe (1539–1563 [1592?]) 91
9. Graphematische Analyse des Teilkorpus Landesfürstliche Kanzlei der Breslauer
Bischöfe zu Neisse (1478–1544) 112
10. Graphematische Analyse des Teilkorpus Städtische Kanzlei zu Neisse
(1439–1564) 130
11. Graphematische Analyse des Teilkorpus Leobschützer Stadtkanzlei (1545–1580)
151
12. Schlussfolgerungen 172
13. Zusammenfassung in polnischer Sprache Streszczenie 179
14. Literaturverzeichnis 183
Anhang
Buchstabengetreue Edition des Textkorpus (Deutschsprachige Handschriften aus Namslau, Brieg, Neisse und Leobschütz) *1406–1589[1592]* 190
15. Editionsprinzipien 191
16. Texte des Teilkorpus Städtische Kanzlei zu Namslau (1406–1589) 193
17. Texte des Teilkorpus Herzogliche Kanzlei zu Brieg (1499–1539) 208
18. Texte des Teilkorpus Brieger Briefe (1539–1563 [1592?]) 216
19. Texte des Teilkorpus Landesfürstliche Kanzlei der Breslauer Bischöfe zu
Neisse (1478–1544) 224
20. Texte des Teilkorpus Städtische Kanzlei zu Neisse (1439–1564) 235
21. Texte des Teilkorpus Leobschützer Stadtkanzlei (1545–1580) 243
Editorial der Reihe Silesia.Schlesien im europäischen Bezugsfeld. Quellen und
Forschungen 261
Uwagi od redakcji serii wydawniczej Silesia. Śląsk w kontekście europejskim.
Źródła i badania 263
Graphemsysteme der
frühneuhochdeutschen Schreibdialekte bilden ein Gerüst für die Entwicklung einer
modernen neuhochdeutschen Schreibnorm. Dieses Gerüst wird im Laufe der
frühneuhochdeutschen Periode durch einige Schreibdialekte immer mehr
stabilisiert, während andere an dieser Stabilisation einen geringen Anteil
haben. Nun stellt sich die Frage, was diese Stabilisation, die zur Entstehung
einer gemeindeutschen Schriftsprache führte, für die Schriftlichkeit einer
Region, einer Kanzlei oder eines Schreibenden im graphematischen Sinne
bedeutete. Nach Haas hatte es die Schwächung, vielleicht sogar die Aufgabe der
so genannten ‚Regionalmaxime‘ zur Folge, die neben anderen Maximen den
Schreibenden bei der Wahl schriftsprachlicher Varianten zur Verfügung stand.
Diese regionale Maxime besagte, dass eine Variante X gewählt werden sollte, weil
sie einheimisch war (weil man ‚bei uns‘ so schreibt). Das Nicht-Befolgen dieser
Regionalmaxime ist dem Verlust eines regionalen Sprachbewusstseins nicht
gleichzusetzen. Dieses blieb erhalten, manifestierte sich aber anders, z.B.
durch die Wahl regionaler Lexeme, morphologischer Besonderheiten oder durch die
Verschiebung auf die gesprochene Ebene.
Auf die Fragen, ob man im 15. und 16. Jahrhundert die Schwächung der oben
genannten Regionalmaxime in der Schriftlichkeit der vier schlesischen Städte
Namslau/Namysłów, Brieg/Brzeg, Neisse/Nysa und Leobschütz/Głubczyce beobachten
kann, welche Vokalgrapheme die schlesischen Schreiber am häufigsten verwendeten,
wie stark sie funktional belastet waren, welche Allographe/Varianten gebraucht
wurden und warum, und auf welche Phoneme sich die ermittelten Grapheme wohl
bezogen haben konnten, wird in der vorliegenden Arbeit versucht, eine Antwort zu
geben. Ihr Ziel ist also Systeme der Vokalgrapheme der untersuchten Teilkorpora
zu präsentieren und damit den Beitrag der deutschen Schriftsprache in Schlesien
zur Entwicklung der überregionalen Schreibnorm offen zu legen.
Die Fokussierung auf den Vokalismus liegt darin begründet, dass bei der
Herausbildung der neuhochdeutschen Schreibnorm der Weg zur Konvergenz im Bereich
der Vokale ausschlaggebend war, was die in dieser Arbeit zitierten Quellen
bestätigen.
Deutschsprachige frühneuzeitliche Texte aus Schlesien, einer von dem böhmischen,
dem polnischen und dem deutschen Kulturkreis geprägten Sprachlandschaft, wurden
zum Untersuchungsgegenstand der linguistisch interessierten Forscher erstmals im
19. Jahrhundert. Seit dieser Zeit entstanden mehrere Abhandlungen, die die
Schriftsprache in Schlesien thematisierten. Im Vergleich jedoch zu anderen
deutschsprachigen Sprachlandschaften bietet Schlesien immer noch ein großes
Forschungsfeld für die sprachhistorischen Untersuchungen – auch für die
interkulturellen Untersuchungen – und zwar wegen der multikulturellen Prägung
dieser Region. Die Geschichte der graphematikbezogenen Erforschung historischer
deutschsprachiger Texte aus Schlesien wird im Kapitel 2 der vorliegenden
Abhandlung skizziert.
Der Autor der vorliegenden Arbeit bediente sich bei der Erforschung der
vokalischen Graphemsysteme des deutschsprachigen schlesischen Kanzleischrifttums
aus dem 15. und 16. Jh. einer Methode, die die Relation zwischen dem Graphem-
und dem Phonemsystem voraussetzt. Dieses Grundprinzip führte 1966 Wolfgang
Fleischer in seiner strukturellen Methode ein, indem er die von McLaughlin für
die Erforschung der mittelenglischen Texte eingesetzte Methode für
deutschsprachige historische Texte adoptierte. Die Einzelheiten der hier
angewandten Vorgehensweise werden im Kapitel „Methode“ ausführlich erläutert, wo
auch die Fachtermini definiert werden.
Die Untersuchung wurde an einem Textkorpus durchgeführt, das in sechs
Teilkorpora nach dem Prinzip des Ausstellungsortes und der Kanzlei aufgeteilt
wurde. Eine Ausnahme, die die Untersuchungsergebnisse nicht beeinträchtigt,
sondern noch bereichert, ist das Teilkorpus Brieger Briefe. Im Gegensatz zu den
anderen, ausschließlich aus Urkunden bestehenden Teilkorpora bilden dieses
Teilkorpus Dokumente, die die Textsorte ‚Brief‘ vertreten. Sie wurden auch nicht
in einer Kanzlei verfasst, sondern sie sind Ergebnisse der schriftlichen
Tätigkeit der Brieger Stadtkanzlei, des Hauptmanns zu Brieg und Ohlau oder
seines Schreibers und in den meisten Fällen höchstwahrscheinlich der Brieger
Handwerker. Die Texte dieses Teilkorpus repräsentieren eine im Vergleich mit den
Urkunden niedrigere Stilebene und schon dadurch sind sie im Hinblick auf die
Reflexe der gesprochenen Sprache äußerst interessant. Die übrigen fünf
Teilkorpora repräsentieren verschiedene Kanzleien und dabei vier schlesische
Orte: Städtische Kanzlei zu Namslau, Herzogliche Kanzlei zu Brieg,
Landesfürstliche Kanzlei der Breslauer Bischöfe und Städtische Kanzlei, beide in
Neisse, sowie Leobschützer Stadtkanzlei. Die Auswahl der Texte wurde zugunsten
der Dokumente getroffen, die die Handwerkerangelegenheiten zum Thema haben. Es
sind darunter Zunftordnungen, Gesellenordnungen, Privilegienbestätigungen und
Korrespondenz zwischen Handwerkern und verschiedenen Recht sprechenden Instanzen
vertreten. Der Vorteil solcher Textzusammenstellung sind die sich in
verschiedenen Dokumenten wiederholenden Lexeme, die eine gleiche, eine ähnliche
oder eine unterschiedliche Schreibweise repräsentieren. Daraus kann man auf
verschiedene phonologische bzw. graphematische Phänomene im Bereich des
Vokalismus schließen.
Alle 41 Texte sind Originaldokumente und werden im Staatsarchiv in Oppeln
(Archiwum Państwowe w Opolu) aufbewahrt. Sie wurden sorgfältig buchstabengetreu
transkribiert und dieser Arbeit als Anhang beigefügt. Zu betonen sei auch, dass
die das Textkorpus bildenden Dokumente bisher auf keinerlei Weise linguistisch
ausgewertet wurden. Die Transkription und die Präsentation der Texte einem
breiteren Publikum ermöglicht auch ihre Erforschung unter anderen
Gesichtspunkten, z. B. historischen oder soziologischen.
Die ausführlichen Angaben zu den einzelnen Teilkorpora und Texten sind dem
Kapitel „Textkorpus“ zu entnehmen.
Die vokalbezogene graphematische Analyse der Texte erfolgt für jedes Teilkorpus
getrennt in sechs nacheinander folgenden Kapiteln. Alle Untersuchungskapitel
sind in ihrer Struktur gleich und bestehen aus folgenden Elementen:
- Zusammenstellung der vokalischen Einzelgraphe,
- Substitutionsprobe, die zuerst die monographischen Grapheme ergibt,
- Präsentation der ermittelten monographischen Grapheme und ihrer Allographe
samt der Distribution,
- Bestimmung des Graphemstatus bei Graphkombinationen auf Grund der
Substitutionsprobe oder nach historischen Indizien und die Ermittlung der
Varianz der digraphischen Grapheme,
- Neutralisationen und ihre Interpretation.
Die Schlussfolgerungen aus den sechs Untersuchungskapiteln werden im
abschließenden Kapitel „Schlussfolgerungen“ zusammengefasst.