Zurück zur letzten Seite                    Zur Startseite des Verlages                   Stand: 14.02.2022


Hohenhaus, Astrid



Raben - Spaziergänge mit dem Vater

 

 

2022, Roman, 213 S., ISBN 978-3-86465-168-7, 12,80 EUR

 

lieferbar

 

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Astrid Hohenhaus liest am 27. Oktober 2022 um 19.00 Uhr in der Ingeborg-Bachmann-Bibliothek, Nehrigstraße 10, 14059 Berlin (Tel. 030-902924313) aus ihrem Buch ""Raben - Spaziergänge mit dem Vater"".

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Zum Buch

 

Ein Land weiß ich, wo alte und neue Welt sich voneinander trennen. Felsen ragen auf, besteinte Hänge, schwarz gegen den blassen Himmel.
Doch es wächst – wächst aus allen Ritzen. In den Gesteinssimsen breitet Grünzeug sich aus, Moose, grau und gelb, nach dem Regen vollgesogen grün.
Das Grau des Sees verschmilzt mit dem Himmel, getrennt nur von der Kontur der schwarzen Berge am Horizont. Weißer Rauch steigt aus den Fumarolen – die Gase der Hochtemperaturgebiete.
Von hier bis zu den Azoren umspannt der Mittelatlantische Rücken den Globus. Der Riss, durch den Geschmolzenes rinnt, zieht sich durch den Atlantik, unten am Meeresgrund entlang, nur an wenigen Stellen oberirdisch und sichtbar – eine Zone der Seebeben und Vulkane.
Nirgendwo war ich meinen Toten näher als hier, wo Kontinente sich entzweien und die Scheidelinie doch begehbar bleibt. Nirgendwo näher mir selber, die ich zwei Welten gleichermaßen angehöre. Die Erdschicht über dem Spalt hält den Fuß aus, der darauftritt. Ein schmaler Wasserlauf durchspült die Ebene, heiter glänzt er im nördlichen Licht. Hinüber und herüber kann ich wechseln, von der eurasischen zur amerikanischen Kontinentalscholle und zurück. Hier ist mir wohl, wo zweierlei einander berührt, auseinanderdriftet zwei Zentimeter pro Jahr und doch verbunden bleibt: Island birst nicht entzwei.
Abwärts führt der Weg und wieder hinauf. Dünn ist die Kruste in Thingvellir, der uralten Thingstätte. In der Ebene zwischen Gebirgen fanden sich die Goden zusammen, um Rat zu halten zur Mittsommerzeit. Steintreppen schlugen sie hinab durch den Fels. Zu Fuß und zu Pferde reisten sie an und berieten die Geschicke des Volkes. Recht wurde gesprochen und an Ort und Stelle vollstreckt; doch grausam, heißt es, war man nicht. Verbannung ins Ödland, abseits menschlicher Behausungen – das war die ärgste Strafe, und wer sie überlebte, durfte zurückkehren in die Gemeinschaft. Die Grausamkeiten kamen erst später, erst mit dem Christentum.
Dem Gewittergott Thor war die Stätte geweiht. Eine Bronzestatuette zeigt ihn, thronend, seine Hände umklammern den Bart. Zerreißen sie ihn, oder presst er die Hälften zusammen? Der Bart, in ein dreiblättriges Symbol auslaufend, erinnert entfernt an das Lebenszeichen der alten Ägypter.
So leben, das Unvereinbare nebeneinander bestehen lassen, es nicht verschmelzen wollen, denn das gäbe ein hochexplosives Gemisch. Die Anteile, seine und ihre, widerspruchsvoll und einander nichtend, in mir weitertragen, wo sie wie auf einer Schaukel einander zugewandt bleiben im Auf und Ab und Auf.
Da oben über der Stätte, das mögen sie sein. Es sind zwei. Sie schweben im Zwischenreich. Kolkraben. Boten. Odins Vögel. Hugin und Munin – sie umkreisen einander. Zwischen ihnen, verbindend und trennend zugleich, pozellanweiß ein gefiedertes Drittes – sie.
„Mörderisch geht er um mit mir. Sein Schnabel sucht mein Herz. Krallen bohrt er in mich und frisst meine Leber. Den Ring will er mir stehlen, denn er liebt alles, was glänzt.“
Mag sein, dass sie es sind, schwarze Schatten im Norden, die mit vibrierenden Flügelspitzen in der Luft über dem Wanderer stehen und ihn krächzend verraten, noch bevor er sich nähert.
Eri war’s, die durchscheinend weißhäutige, die überlebte in meiner Geschichte, nicht Hugin und Munin nicht. Diesmal sollte nicht sie das Opfer sein, zerfetzt von den kämpfenden Rivalen wie das rote Tuch zwischen Torero und Stier, einer gegen den andern, getrieben von Missgunst, Eifersucht, Neid. In meiner Geschichte waren es die Männer, die auf der Strecke blieben und uns alleinließen – Eri und mich.

 

 

Inhaltsverzeichnis


Thingvellir 5
Ulmenblatt 7

Erstes Kapitel: Der Weg nach Biały Zdrój 9
Ostwärts 9
Balster 12
Heimat? 15
Kalisz Pomorski 17
Swinoujście 21
Bansin 21
Und wieder Pomorze 23
Pusteblumen 25
Ida 29
Eri 31
Schwimmen 33
Edward 35
Grenzen 36

Zweites Kapitel: Augenstern 39
Erinnern 39
In Erwartung Coras 40
En famille 44
Schillers Locken 46
Hugins Elefanten 47
Coras Elefanten 48
Wärme 50
Das Blaue vom Himmel herab 52
Aufwachen 54
Strümpfe 55
Fieber 60
Füßleins 63
Vaters Geschichten 64
Vaters Gärten 67
Vaters Mütze 68
Schneeball 69
Kaffee 70
Wachablösung 73
Hugin unterwegs 74
Kollision 77
Er geht 81
Hugins Glück 82
Schweigsamkeit 84
Der Knicks 85
Im Laden 88
Ragnarök 89

Drittes Kapitel: Der Mohr 93
Die Hekla 93
Steine 94
Nachlass 95
Hochhackig und mit weißen Handschuhen 100
Vorstoß – daneben 102
Montag, acht Uhr zehn 103
Unter Fischen 104
Miteinander ohne ihn 106
Gesagtes, Ungesagtes 109
Saschas Welt 111
Rieselfelder 111
Annäherung 112
Abende 114
Das Kapital – eins 117
Das Kapital – zwei 118
Das Kapital – drei 119
Spießig – wie Proleten eben sind 119
Wissen ist Macht 120
Was sie trennt 121
Fazit eines Lebens 124
Bloß mal rübergehen 129
Die Verwunderung 130
In Nächten 131

Viertes Kapitel: Windszeit, Wolfszeit 133
Linien im Sand 133
Im Treppenhaus 135
Milch holen 137
Pg. Vangerow 138
Im Grünkramladen 141
Auf der Bank im dritten Hinterhof 144
Radeln 147
Frachtgut 149
Strietzler 150
Eine Kindheit 154
Gundel 156
Ausgehen 158
Grübeln 162
Lilo 165
Kleingärten 167
Standorte und Haltungen 168
An der Spree entlang 173
Ein Moment des Beisichseins 176
Wie es weiterging 177

Fünftes Kapitel: Cora 183
Das Vorgefundene 184
Gespräche mit Niflheim 186
An der Bahntrasse entlang 190
Nachschauen 193
Zu 196
Die Linden im Vorhof 197
An Urd vorbei 199
Thingvellir 201

Mein Dank 205

Über die Autorin 207

 

 

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