Inhalt
FRAU FISCHER, ILSEBILL
oder: Die Sterne vom Himmel runter. Variation auf ein Märchen
7
DIE HAVARIE. Szenen
149
DIE SACHE WILLI H. Szenen aus der Provinz, nahe am Meer
219
Zu den Texten
301
Über die Autorin Katrin Lange
305
Zu den Texten
FRAU FISCHER, ILSEBILL wurde im Frühjahr 1979
unter dem Titel DIE STERNE VOM HIMMEL RUNTER im Volkstheater Rostock
uraufgeführt. Eine zweite Inszenierung folgte 1985 am Landestheater
Altenburg. Der Text adaptiert das Märchen der Brüder Grimm so, wie die
Weitergabe von Mythen und Märchen von Generation zu Generationen schon
immer stattgefunden hat: Die alte Geschichte wird mit den Erfahrungen der
eigenen Gegenwart aufs neue erzählt. Schicht um Schicht lagern sich
Erfahrungen und Überlieferungen auf dem tradierten Stoff ab.
Gewiss, manche der Lüste und Träume der Fischersfrau sind zeitlos: raus
aus dem Pisspott, rein in eine angenehmere Wohnung und in Glanz und
Gloria! In der DDR der siebziger Jahre haben sich König und Kaiser mitsamt
der ursprünglichen feudalen Hierarchie zu einer anderen Hierarchie
gewandelt, Kombinatsdirektor, Regierung oder auch Erste Sekretäre auf
allen Ebenen. Was aber damals vor allem zeitgenössisch schien oder
wirklich war, das ist der Anspruch der Heldin – ja: Heldin! –, alle nur
gegebenen Möglichkeiten auszumessen für die eigene Entwicklung und den
Rest der Welt. Und die nicht gegebenen dazu!
Wunschdenken, ja, das
hatten wir drauf. Und also auch das Bewusstsein vom Scheitern… So
erscheint das ILSEBILL-Stück heute als ein Dokument zugleich der Hoffnung
und der düsteren Vorahnung. Vielleicht ist es gerade deshalb für
Gegenwärtige und Zukünftige von kleinem Nutzen.
DIE HAVARIE beruht
auf einer wahren Geschichte, die der DDR-Öffentlichkeit durch einen
Gerichtsbericht zugänglich wurde. Der Stücktext erhielt 1984 den
Kunstpreis des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB); die
Uraufführung fand im Herbst 1985 am Deutschen Nationaltheater Weimar
statt. Bis 1989 gab es einige Nachinszenierungen von Berufs- und
Arbeitertheatern.
Stücke wie DIE HAVARIE, die ihren Stoff deutlich
in der Arbeits- und Lebenswelt der in den Werken Tätigen suchten und
fanden, eröffneten für Zuschauer und Theatermacher Diskussionsräume, die
in Presse und Medien weitgehend durch Abwesenheit glänzten. Oft kamen
solche Texte aus der Sowjetunion (Autoren waren unter anderem Michail
Schatrow und Nikolai Gelman). In den Debatten nach den Vorstellungen
flogen die Fetzen scharfer Kritik an Arbeits- und Lebensbedingungen, an
Leitungen und an der Staatsgewalt. Wenn dann noch ganze Arbeitskollektive
in der Vorstellung saßen – was im Rahmen der „Kultur- und Bildungspläne“
oft der Fall war –, wurde das Foyergespräch zur Produktionsberatung.
Theater als moralische, durchaus auch als politische Anstalt…
Der
HAVARIE-Text ist vergleichsweise kurz – Zuschauergespräche waren
eingeplant, vertraglich abgesichert und fanden nach jeder Vorstellung
statt.
Auch DIE SACHE WILLI H. entstand nach einer wahren
Begebenheit, über die in der Zeitschrift „Wochenpost“ berichtet wurde: In
einer Berliner Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) war es zu
massivem Abrechnungsbetrug mit beträchtlichem volkswirtschaftlichen
Schaden gekommen. Der Betrüger aber hatte, sonderbar genug, nichts davon
gehabt, gar nichts… In den Verhandlungsprotokollen (keine Spur von
Datenschutz damals!) konnte man dann von den Verirrungen und Verwirrungen
eines einsamen alten Mannes lesen und vom fast vollständigen Ausfall
dessen, was wir „sozialistische Menschengemeinschaft“ zu nennen pflegten.
Das einer Dokumentation nachempfundene Hörspiel WILLI UND DIE ANDEREN
wurde 1984 vom Rundfunk der DDR produziert und gesendet; das
Arbeitertheater des Textilkombinats Cottbus wagte erfolgreich die
szenische Uraufführung.
Der vorliegende Stücktext ist eine um
mehrere Handlungsstränge erweiterte Neufassung des Stoffes, die als
Auftragswerk für das Volkstheater Rostock entstand und 1987 ihre
Uraufführung hatte.
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