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Petra Werner

 

 

Frau in Landschaft mit Laternen
 

 

Kriminalroman

 

 

 

2020, 356 S., ISBN 978-3-86465-147-2, 14,80 EUR

 

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Zum Buch

 

Vor einem Wiener Nobelhotel wird auf ein Paar geschossen. Der Mann wird getötet, die Frau vom Schützen verfehlt. Warum wollte jemand das Paar auf so spektakuläre Weise beseitigen? Bisher waren diese Menschen der Öffentlichkeit nicht bekannt, er Arzt, sie Angestellte im Gesundheitswesen. Wenige Stunden zuvor hatten sie geheiratet. Alle rätseln. Ein Mordmotiv ist auf den ersten Blick nicht erkennbar.
Und auf den zweiten?
Da stellt sich heraus, dass viele Menschen ein Motiv hätten. Vermutlich liegt es in der Vergangenheit der Opfer begründet. Auch deshalb ist der Fall schwierig. Bei der Aufklärung sind nicht nur kriminalistisches Handwerkszeug, sondern auch Lebenserfahrung und Menschenkenntnis gefragt. Der leitende Ermittler und sein Team, zu dem eine beherzte, fast sechzigjährige Frau gehört, wenden bei der Spurensuche mitunter unorthodoxe Methoden an.

Eine besondere Bedeutung in diesem Fallscheint einem Gemälde von Paul Delvaux, das „Landschaft mit Laternen“ zu, das im Albertina Museum in Wien hängt.

Die Lösung überrascht.

 

Leseprobe

Kapitel I
Der Schuss
1.
Mit einem Menschen verschwinden nicht nur seine Erinnerungen, sondern auch seine Geheimnisse. Das wurde niemals so deutlich wie an jenem Frühlingstag, als ein Paar, frisch verheiratet, aus der Pendeltür des Haupteingangs von „Kings Palace“ trat. Gerade wollte er sie küssen, da traf den Mann ein Geschoss in den Rücken. Der Schuss war präzise gesetzt und mit Schalldämpfer ausgeführt, deshalb bemerkte niemand, aus welcher Richtung er kam. Keiner der Passanten, die auf dem Bürgersteig vorübereilten oder auf der gegenüberliegenden Verkehrsinsel auf die Straßenbahn in Richtung „Zentralfriedhof“ warteten, würde sich später erinnern, denn anderes war wichtig: Über Nacht waren die cremefarbenen Büschel der Robinienblüten aufgegangen und ihr Duft machte die Menschen so weich, dass sie sogar die Kondensstreifen der Flugzeuge als gute Zeichen deuteten.
Der tödlich getroffene Mann stürzte auf die Marmorstufen. Seine Frau schrie auf, taumelte, sank zusammen. Auf ihrem hellen Kostüm zeichneten sich Blutspritzer ab. Ihr Haar, bis vor wenigen Minuten perfekt frisiert, stand nun nach allen Seiten ab, als hätte sie ein Stromkabel berührt. Der Sterbende schaute sie an und flüsterte ihr etwas zu, das außer ihr niemand hörte.
Ein zweiter Schuss landete neben ihrem Kopf und beschädigte das Edelholz des Türrahmens vom Hotel „Kings Palace“.
Eine bessere Kulisse als diesen repräsentativen Eingang des Nobelhotels, so bemerkte ein Journalist später spöttisch, hätten der oder die Mörder nicht wählen können für ihre Bluttat. Leute blieben stehen, umringten die beiden, zückten ihre Smartphones, bis sie von der Polizei gestoppt wurden. Zufällig war auch ein Reporter in ihrer Nähe und ein Foto, das einen sterbenden Mann und eine blonde Frau im blutbespritzten Kostüm mit aufgerissenen Augen zeigte, wurde noch am selben Tag in den Abendnachrichten des Fernsehens und am nächsten Tag in der „Kronen Zeitung“ veröffentlicht.
Bis dahin kannte niemand die beiden, es waren keine prominenten Opfer und keiner in Wien konnte sich vorstellen, warum gerade auf dieses Paar geschossen worden war, stammten sie doch nicht aus der Geschäftswelt. Die Namen waren schnell herausgefunden, bei dem Toten handelte es sich um den Psychiater Christopher Scheuer, Oberarzt an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Wien, und die ehemalige Krankenschwester Maria Saby, für eine knappe Stunde verehelichte Scheuer, die in einer Wiener Behörde arbeitete. Wer konnte ein Interesse daran haben, diese unbekannten Menschen auf so spektakuläre Weise zu ermorden? Maria Scheuer, nicht körperlich, aber seelisch zutiefst verletzt, war zunächst nicht vernehmungsfähig. Sie wurde mit ihrem Einverständnis in die Klinik gebracht, in der ihr Ehemann gearbeitet hatte, und dort von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Weder die Polizei noch die zahlreichen Reporter, die auf der Suche nach einer guten Geschichte Wien stets durchstreifen, mal hier, mal dort sind und dabei wie Hunde Witterung aufnehmen, ließ dieser Fall in Ruhe. Wochenlang sollte in Wien über diesen Mord gesprochen werden, ja, sogar Touristengruppen aus dem In- und Ausland wurden vor das Hotel mit der abgerundeten, kuppelähnlich geformten Drehtür geführt und die Stimme der Reiseführer senkte sich geheimnisvoll, wenn sie über den spektakulären Vorfall berichtete.


2.
Die Untersuchungen zur Aufklärung des Falles leitete Kriminaloberkommissär Igor Lacker. Er durfte den Leiter des Kommissariats „Wiener Innenstadt“ mit dem seltsamen Namen Karl Pansengrün während seines Urlaubs vertreten. Lacker war Anfang dreißig, sein blondes Haar war kurz geschnitten und stand wie die Borsten einer Zahnbürste nach oben ab. Wenn er lief, ähnelte er einer Giraffe, sein langer Hals war nach vorn gereckt und er bewegte die Arme schlaksig. Dennoch wirkte er dynamisch. Bereits fünfzehn Minuten nach dem Mord traf er am Tatort ein. Lacker freute sich, denn niemals hätte Pansengrün diesen „schönen“ Fall freiwillig abgegeben. Ein „schöner Fall“, das war im Polizeijargon einer, der versprach, so geheimnisvoll und aufsehenerregend zu werden, dass Pressekonferenzen veranstaltet werden mussten. Die Ermittler würden um Erklärungen oder sogar ein Interview gebeten werden und damit zu Ruhm gelangen. Das könnte karrierefördernd sein, aber auch, das wusste Lacker, viel Ärger aus verschiedenen Richtungen bedeuten. Ihm zur Seite stand ein dienstbeflissener junger Mann namens Daniel Feldmeier, der Kriminalistik studierte und auf der Wache sein Praktikum machte, um alltägliche Polizeiarbeit kennenzulernen. Er erkannte Lacker als Autorität an und das war Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit.
Lacker blieb vor dem Hotel stehen und überlegte, von wo der Täter geschossen haben könnte. Ihm fiel ein Haus von gegenüber auf. Zunächst aber konzentrierte er sich auf den Tatort, ließ den Eingang des Hotels weiträumig absperren und Sichtschutzwände aufbauen. Dahinter sicherten Spezialisten in weißen Schutzanzügen den Tatort und versprühten Luminol zum Nachweis von Blut. Nun mussten die noblen Gäste, die gerade nach ausgiebigem Frühstück in einem edlen Saal im Erdgeschoss gutgelaunt zu einem Stadtbummel oder einer Fiakerfahrt aufbrechen wollten, den Nebeneingang benutzen. Alle, sowohl der Wagenmeister als auch der Concierge und der Direktor, sehr gepflegte, distinguierte Herren, denen ihr Hotel am Herzen lag, wünschten, den Haupteingang bald wieder freizugeben. Der Concierge, der nach dem Wagenmeister innerhalb des Hauses als Erster die Hotelgäste begrüßte, bevor sie zur Anmeldung und zur Schlüsselausgabe gebeten wurden, litt unter der Beeinträchtigung des Entrees und stellte sich für zehn Minuten höchstselbst an den Hintereingang. Er verneigte sich vor den eintreffenden Gästen, versuchte abzuwiegeln, indem er erklärte, dass dieser Eingang nur wenigen Zelebritäten vorbehalten sei, um sie vor allgegenwärtigen Paparazzi und belästigenden Fans zu schützen. So habe man schon amerikanische, russische und italienische Staatschefs hindurchgeschleust, um sie vor der Liebe und der Neugier der Wiener zu bewahren. Sogar Brad Pitt, verfolgt von weiblichen Fans, und Elton John, verfolgt von männlichen Verehrern, seien auf diese Weise in Sicherheit gebracht worden.
Die meisten Gäste hatten Verständnis dafür, schwieriger war es mit jenen, die zum ersten Mal hier gebucht und für den Preis ein großes Empfangsportal erwartet hatten. Man versuchte, ihnen einzureden, dass wahrscheinlich Hollywood hier einen Film drehe, Genaueres wisse man nicht. Keinesfalls sollte der Name des Hotels in der Welt mit Blut und Gewalt in Verbindung gebracht werden, sondern man sollte sich an vorzüglichen Kaviar, eisgekühlten Jahrgangschampagner und Suiten mit Himmelbetten, die ein „heimeliges Gefühl“ vermitteln, erinnern. Man reiste an, schloss Geschäfte ab, begann Affären, die man als Liebschaften ausgab, und verschwand, bis im nächsten Jahr im selben Bett zur selben Zeit eine splitternackte Vertretung lag.

Während die Herren von der Spurensicherung behutsam wie Neurochirurgen, die am Gehirn arbeiten, das im Holz steckende Projektil sicherten, schaute sich Lacker unter den Zuschauern um. Dabei reckte er den Hals und schlenkerte mit den Armen, damit ihn niemand auf den ersten Blick als Polizisten erkannte und sich etwa davonschlich. So hoffte er jedenfalls. Von den wenigen Menschen, die noch in der Nähe des Hotelportals neugierig stehen geblieben waren, hatte niemand, wie sich nach eingehender Befragung herausstellte, die Tat wirklich gesehen, man hatte erst dann etwas bemerkt, nachdem das Opfer gestürzt war. Die Umstehenden beschworen, keine auffällige Person beobachtet zu haben. Niemand hatte zur selben Zeit die Pendeltür benutzt, keiner hatte jemanden fortlaufen sehen. Das war selbst für den unerfahrenen Lacker ungewöhnlich, normalerweise drängten sich der Polizei Leute auf, die angeblich jede Einzelheit beobachtet haben wollten. Das machte die ganze Angelegenheit noch geheimnisvoller. ...

 

 

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