Gerd Buurmann



 

DRINNEN und GEHIRNE AM STRAND.

2 Stücke

 

 

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[= SZENE   RAUM   SPIEL, Bd. 6], 251 S., ISBN 978-3-86465-022-2, 19,80 EUR

 

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Zu den Stücken

Ein Mann und eine Frau, einander völlig fremd, mit Ansichten, wie sie unterschiedlicher kaum sein

können, finden sich plötzlich in einem hermetisch abgeschlossenen Raum wieder. Ihre unfreiwillige

Bekanntschaft nimmt schnell kafkaeske Züge an – gegenseitige Beschuldigungen und Verdächtigungen

wechseln sich ab mit völlig absurden Erklärungsversuchen ihrer Lage. Unvermittelt taucht in dem

Raum dann auch noch eine dritte Person auf… Ein gekonnt surrealistisches Theatervergnügen für zwei

Schauspieler, einen Autor und eine Fliege.

Ein Paar mit Beziehungsproblemen lernt am Strand des Urlaubsparadieses Neuseeland zwei

Schwestern kennen. Auf die Behinderung der jüngeren Frau reagieren beide höchst unterschiedlich,

was ihre längst ausstehende Trennung beschleunigt. Für das Schwesternpaar entwickelt sich aus dieser

flüchtige Bekanntschaft heraus eine Katastrophe… Ein psychologisch gelungenes Drama, das nicht

nur Abgründe der Seele offenlegt, sondern auch grundlegende Fragen zum gegenseitigen Umgang

der Menschen insgesamt stellt.

Die zwei Stücke entstanden zwischen 2003 und 2007.

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DRINNEN

 

Die Personen:

Frau

Mann

A

Technikerin

Die Zeit: Jetzt

Der Ort: Drinnen Das Publikum tritt ein.

 

Der Vorhang ist noch geschlossen. Davor steht die Technikerin und

schreibt den hebräischen Buchstaben „Bet“ auf den Vorhang.

Das Publikum ist drinnen.

Die Türen zum Theater werden vorerst noch nicht geschlossen! Der

Vorhang öffnet sich. Die Technikerin hinterlässt einen langen Farbstrich

auf dem sich lichtenden Stoff. Nachdem der Vorhang sich zur Gänze

geöffnet hat, geht sie zum Lichtpult und schaltet die Scheinwerfer ein.

Mit einem Lichtkegel beleuchtet sie nacheinander die Gegenstände auf

der Bühne: Ein Schrank, zwei Stühle, ein Tisch mit Schreibunterlagen,

eine Couch, einige Regale, Blumen, Bücher und Bilder. Auf keinem Fall

darf ein Klavier auf der Bühne stehen. An dem Tisch sitzt ein junger

Mann und liest. Wenn das Scheinwerferlicht auf ihn fällt, hält er sich die

Hand schützend vor seine Augen. Wenn das Licht ihn wieder verlässt,

reibt er seine Augen, schaut kurz – ein wenig verwundert – in die

Richtung, aus der das Licht kam und kehrt dann zurück zu dem Inhalt

seines Buches. Das Buch wird vor jeder Aufführung erneut und zufällig

aus einer Kiste gezogen, in der die Lieblingsbüchern all der an der

Inszenierung beteiligten Personen liegen.

Jemand kommt aus dem Schrank, geht zum Bühnenrand, verbeugt sich

und verschwindet wieder in dem Schrank. Im Publikum klingelt ein

Handy. Eine Frau nimmt das Gespräch an.

FRAU:

Hallo? ... Natürlich. ... Ja, mir hat die Nacht auch gefallen. ... Was

hat das denn jetzt damit zu tun? Natürlich ist es vorbei! ... Ich habe

mich bereits entschieden. Es ist Schluss, Aus, Finito, Basta! ... Das ist

mir scheißegal. ... Hör mal Schätzchen, die Kategorien, in denen ich

denke heißen Gewinnmaximierung und Effektivität. ... Ich spreche

vom ökonomischen Prinzip! ... Nein! ... Ach, der Ruf ... Dann werden

eben ein paar Schauspieler arbeitslos! ... sollen sie doch protestieren.

... Ach, die Presse ... Dann stiften wir halt dem Schillertheater ein

paar Tausender ... Jeder ist käuflich, die Presse allemal. ... Mach du

deine Arbeit und sage mir nicht, wie ich meine zu machen habe. ...

Der Vertrag ist abgeschlossen – unwiderruflich – Das Hoftheater ist

verkauft!

(Die Frau beendet das Gespräch und richtet sich an ihren Nachbarn.)

Ein Glück, dass er nicht auch noch gewerkschaftlich organisiert ist.

(Die Frau steht auf und geht zur Bühne.)

Wir haben seit fünf Minuten einen Termin!

(Sie dreht sich zur Bühne.)

Herr Benjamin?

(Ein Anderer verbeugt sich erneut und verschwindet wieder im Schrank.)

Ich bin’s, Alex.

(Der Mann schläft hinter seinen Büchern ein.)

Ich habe Sie doch laufen gehört.

(Kurze Pause.)

Ich komme jetzt rein.

(Sie betritt die Bühne von der Seite.)

Ist es denn so schwer, herein zu sagen? Haben Sie einen neuen

Innenarchitekten? Also, wer immer es ist, Sie sollten ihn feuern!

... Herr Benjamin, wo sind Sie denn? Wenn das wieder einer Ihrer

Versuche ist, um meine Frustrationstoleranz zu testen, dafür habe ich

heute keinen Nerv!

(Für die Frau erscheint die „unsichtbare Wand“ zum Publikum als ein

großer Spiegel, in dem sie sich begutachtet.)

Ich hatte eh nur Ärger.

(Sie schminkt sich.)

Erst verschlaf ich, dann knallt mir der Auspuff unter meinem Wagen

weg, mitten im Stoßverkehr, was den Taxifahrer hinter mir dazu

veranlasst hat, mich auf Arabisch zusammen zu schreien. Ist denn ein

wenig sprachliche Anpassung zu viel verlangt? Und zu guter Letzt hält

mir auch noch mein Sozialistensekretär einen moralischen Vortrag.

Also, entweder ich kann hier in zehn Sekunden Ihre verfluchte Nase

sehen, oder ich bin weg. Zehn, Neun, Acht, Sieben, Sechs, Fünf, Vier,

Drei, Zwei, Eins... Null! OK, ich habe Sie gewarnt. Anscheinend hat

ihnen noch niemand erzählt, dass es Leute wie ich sind, die dafür

sorgen, dass Sie mit Ihrer Familie bei Ihren Festen um Ihre Mazze

tanzen können. Ich wusste gleich, ich hätte mir einen vernünftigen

Psychologen suchen sollen. Nicht jemanden, der einen Vornamen zum

Nachnamen hat.

(Sie rennt zu der Seite der Bühne, von der sie aufgetreten ist. Am Rand

bleibt sie ruckartig stehen. Alle Türen zum Theater fallen krachend zu.)

Was soll das? Machen Sie auf! Machen Sie die Tür auf. Herr Benjamin,

ich will hier raus! Wo ist die Tür? Was haben Sie mit der Tür gemacht?

Ich will hier raus! Herr Benjamin, das ist Freiheitsberaubung! Wo

haben Sie die Tür versteckt? Verdammte Axt, ihr Psychologen dreht

doch alle am Rad.

Die Frau wirft einige Bücher zu Boden. Der Mann wird wach.

MANN:

Heb sie wieder auf !

FRAU:

Was machen Sie denn hier?

MANN:

Lesen.

FRAU:

Sind Sie noch ganz dicht?

MANN:

Hier drinnen hat man leise zu sein.

FRAU:

Ach so, hat man das?

MANN:

Ja, hat man. Und jetzt heb die Bücher wieder auf.

FRAU:

Wer hat es Ihnen eigentlich erlaubt, mich zu duzen?

MANN:

Las mich raten, du studierst BWL, hab ich recht?

FRAU:

Sehe ich so aus, als würde ich faul in Hörsälen rumhängen und mich

dafür auch noch bezahlen lassen?

MANN:

Was machst du denn sonst hier?

FRAU:

Hören Sie mit dem Scheiß auf ! Ich will jetzt raus.

MANN:

Dann geh! Du weißt ja, wo der Ausgang ist. Aber vorher heb die

Bücher auf !

FRAU:

Einen Scheißdreck werd ich tun. Und die Tür ist verschwunden.

MANN:

Dann geh doch durchs Fenster.

Frau :

Kerlchen, Vorsicht!

Sie geht auf ihn zu.

MANN:

Noch ein Schritt und ich ruf die Aufsicht.

Sie macht einen demonstrativen Schritt.

FRAU:

Dann ruf doch die Aufsicht.

Zunächst sagt sie diesen Satz noch ruhig, als sie jedoch erkennt, dass er

nicht nach der Aufsicht ruft, brüllt sie ihn an. Daraufhin schreit der

Mann nach der Aufsicht. Niemand kommt.

MANN:

Wer bist du?

FRAU:

Wer ich bin? Wer ich bin? Wer zum Teufel sind Sie? Was machen Sie

in Herr Benjamins Büro? Ich hab jetzt einen Termin!

Sie setzt sich.

MANN:

Jetzt bloß die Ruhe bewahren. Zustandsbeschreibung. Ich war gerade

noch in der Bibliothek, hab gelernt und bin eingeschlafen.

FRAU:

Wie viel bezahlt Ihnen Herr Benjamin für diese Nummer?

MANN:

Wer?

FRAU:

Herr Benjamin.

MANN:

Sonst kommst du aber klar?

FRAU:

Wissen Sie was, jetzt werde ich Sie auch duzen: Fick dich!

(Sie kickt einige Bücher über die Bühne. Er versucht, die Bücher in

Sicherheit zu bringen.)

So, Herr Benjamin, jetzt testen wir mal Ihre Frustrationstoleranz.

Ich werde jetzt Ihr Mobiliar zerstören. Was soll es denn sein? Tisch?

Stühle? Bücher?

(Sie nimmt ein Buch.)

Na klar, die Bücher! Guck an, so viele Seiten. So viele Seiten, die ich

herausreißen werde, wenn Sie mich hier nicht sofort raus lassen. Wo

ist denn Ihre Kamera? Sag schon! Wo ist die Kamera? Ich finde sie ja

doch. Und wenn ich hier alles kurz und klein schlagen muss. Ach, der

Spiegel, natürlich, alter Trick, der Spiegel. Herr Benjamin, da sitzen Sie

doch jetzt bestimmt hinter, nicht wahr? Hallo! Sie sehen, ich hab hier

Ihre Bücher und Sie wissen, ich mach mir nicht viel daraus.

Sie reißt langsam eine Seite nach der anderen aus dem Buch. Plötzlich

springt der Mann auf und zerrt sie nieder. Er liegt über ihr, seine Hände

fest ihre Oberarme im Griff.

MANN:

Hör auf damit!

Er schaut sie zornig an. Dann lässt er abrupt von ihr ab und entfernt

sich.

FRAU:

Ah, Funkkontakt. Ihre Mitarbeiter haben aber ziemlich schwache

Nerven. (Zum MANN:) So, Sie lassen mich jetzt hier raus und die

Seiten bleiben, wo sie sind.

MANN:

Ich kann dich hier nicht raus lassen.

FRAU:

Oh, falsche Antwort.

MANN:

Meinst du, mir gefällt diese Situation.

FRAU:

Und noch eine Seite.

MANN:

Hör damit auf !

FRAU:

Ich höre erst auf, wenn ich raus bin.

MANN:

Ich kann dich hier nicht raus lassen. Wie oft soll ich dir das noch

sagen?

FRAU:

Ich warne Sie!

MANN:

Ich weiß selber nicht, wo wir sind.

FRAU:

Herr Benjamin, hören Sie sofort mit dem Experiment auf !

MANN:

Ist hier denn keine Tür?

FRAU:

Verdammt, ich will raus!

MANN:

Was sind Ihre Forderungen?

FRAU:

Ich will raus!

MANN:

Warum haben Sie mich entführt?

FRAU:

Ich warne Sie!

MANN:

Ich kenne niemanden mit Geld.

FRAU:

Wissen Sie was? Tun Sie mir und sich einen Gefallen und halten Sie

endlich mal die Schnauze!

MANN:

Schnauze halten, ja.

Sie wirft dem Mann das Buch vor die Füße. Er wendet sich von ihr ab.

Die Frau setzt sich auf die Couch, schaut in den Spiegel und schimpft

flüsternd.

MANN:

Erkennst du was? (Stille.) Dein Spiegelbild, erkennst du was?

FRAU:

Herr Benjamin, Ihr Praktikant ist grauenhaft.

...

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GEHIRNE AM STRAND

 

Die Personen:

Mann

Frau

Mädchen

Schwester

Sprecher

Die Zeit: Vierzehn Jahre nach der großen Flut

Der Ort: Irgendwo in Neuseeland, die letzte Szene in Köln

 

 

Szene 1

In einer Bar. Die Schwester sitzt an der Theke. Die Frau kommt hinzu.

FRAU:

Beate?

SCHWESTER:

Ja?

FRAU:

Wie geht es Ihnen?

SCHWESTER:

Kennen wir uns?

FRAU:

Erinnern Sie sich nicht?

SCHWESTER:

Mmmmh?

FRAU:

Zwei Fremde am Strand.

SCHWESTER:

Sarah!

FRAU:

Ja.

SCHWESTER:

Was machen Sie denn hier?

FRAU:

Finden Sie nicht, wir sollten uns langsam mal duzen?

SCHWESTER:

Wenn Sie meinen.

FRAU:

Wenn du meinst.

SCHWESTER:

Also gut. Wenn du meinst.

FRAU:

Und?

SCHWESTER:

Hmmm?

FRAU:

Was macht der Kakapo?

SCHWESTER:

Was?

FRAU:

Na, der Kakapo!

SCHWESTER:

Wissen Sie, …

FRAU:

Na!

SCHWESTER:

Was?

FRAU:

Du!

SCHWESTER:

Okay. Weißt du, ich arbeite nicht mehr dort.

FRAU:

Ich weiß.

SCHWESTER:

Hmmm?

FRAU:

Sie haben es mir gesagt.

SCHWESTER:

Du warst dort?

FRAU:

Um nach dir zu fragen.

SCHWESTER:

Was?

FRAU:

Ich wusste ja nicht, wo du wohnst und ich dachte, die müssen es ja

wissen. Na ja, und da haben sie mir gesagt, dass du schon vor einiger

Zeit hier im Hotel arbeitest.

SCHWESTER:

Ja, das ist wohl so.

FRAU:

Dem Kakapo geht es übrigens gut.

SCHWESTER:

Hmmm?

FRAU:

Na der Kakapo. Ich hab ihn mir zeigen lassen. Ein wirklich komischer

Vogel.

SCHWESTER:

Ja.

FRAU:

Die Leute haben mir übrigens auch gesagt, warum du dort aufgehört

hast.

SCHWESTER:

Hmmm.

FRAU:

Und?

SCHWESTER:

Hmmm?

FRAU:

Na, stimmt das?

SCHWESTER:

Ja.

FRAU:

Echt?

SCHWESTER:

Ja.

FRAU:

Massel tov!

SCHWESTER:

Was?

FRAU:

Herzlichen Glückwunsch!

SCHWESTER:

Danke.

FRAU:

Und?

SCHWESTER:

Ein Mädchen.

FRAU:

Ich meine, wie heißt sie?

SCHWESTER:

Nele.

FRAU:

Schöner Name.

SCHWESTER:

Danke.

FRAU:

Wo ist denn die Kleine?

SCHWESTER:

Oben, in unserem Zimmer.

FRAU:

Ach, ihr wohnt hier im Hotel?

SCHWESTER:

Ja, ist Teil des Arbeitsvertrags. Es ist ein richtig schönes Zimmer.

FRAU:

Dann ist ihr Papa wohl gerade bei ihr?

SCHWESTER:

Nein!

FRAU:

Ach so.

SCHWESTER:

Sie kennt ihren Papa nicht.

Kurze Stille.

FRAU:

Und wie geht es Eva?

SCHWESTER:

Sag mal, was soll denn die ganze Fragerei?

FRAU:

Entschuldigung.

SCHWESTER:

Ich meine, was machen Sie eigentlich hier? Du bist doch nicht nur

wegen mir und dem Kakapo gekommen, oder?

FRAU:

Eigentlich schon.

SCHWESTER:

Hmmm?

FRAU:

Ich hab mir einfach Sorgen um dich gemacht.

SCHWESTER:

Was?

FRAU:

Ja.

SCHWESTER:

Wir kennen uns doch gar nicht.

FRAU:

Aber du hast doch versucht, mich vor einigen Monaten anzurufen.

SCHWESTER:

Ich?

FRAU:

Ja. Deine Nummer war auf meinem Display. Wir hatten sie uns ja

gegeben, wegen dem Kakapo, erinnerst du dich?

SCHWESTER:

Doch, ja.

FRAU:

Jedenfalls war ich total überrascht, als ich plötzlich Deine Nummer auf

meinem Display sah. Ich hab natürlich direkt abgenommen.

SCHWESTER:

Ich weiß.

FRAU:

Und?

SCHWESTER:

Und was?

FRAU:

Warum hast du nichts gesagt?

SCHWESTER:

Keine Ahnung.

FRAU:

Du hast geweint, oder?

SCHWESTER:

Ach, lass doch.

FRAU:

Und dann hast du aufgelegt.

SCHWESTER:

Ist doch egal.

FRAU:

Ich hab mir richtig Sorgen gemacht.

SCHWESTER:

Tut mir leid.

FRAU:

Warum bist du denn nicht wieder rangegangen, als ich zurück gerufen

habe? Ich hab es doch so oft versucht.

SCHWESTER:

Ich konnte nicht mehr.

FRAU:

Hmmm?

SCHWESTER:

Ich hab das Handy weggeworfen.

FRAU:

Was?

SCHWESTER:

In den Ozean.

Die Schwester weint.

FRAU:

Ach, Scheiße. Was ist denn los?

Die Frau möchte die Schwester in den Arm nehmen.

SCHWESTER:

Lass mich.

FRAU:

Schon gut. Ich bin ja hier.

SCHWESTER:

Ich weiß. (Die Frau reicht der Schwester ein Taschentuch.) Warum?

FRAU:

Warum was?

SCHWESTER:

Warum sind Sie hier?

FRAU:

Weil ich wissen wollte, wie es dir geht.

SCHWESTER:

Aber warum denn? Wir kennen uns doch kaum.

FRAU:

Ich weiß.

SCHWESTER:

Machst du so was öfter? Dich um Menschen kümmern, die du kaum

kennst. Das ist doch nicht normal.

FRAU:

Nein, normal ist das nicht, aber…

SCHWESTER:

Aber was?

FRAU:

Ich mag dich halt. Ich weiß, das klingt komisch. Aber du bist wirklich

ein wichtiger Mensch für mich.

SCHWESTER:

Wir haben uns nur einmal kurz getroffen.

FRAU:

Zweimal.

SCHWESTER:

Hmmm?

FRAU:

Es war zweimal.

SCHWESTER:

Dann eben zwei. Das reicht auch nicht. Du kennst mich doch gar

nicht.

FRAU:

Ich weiß, aber… Kennst du das nicht? Ich meine, es gibt Menschen,

die du fast täglich siehst, mit denen du ständig sprichst, die du deine

Freunde nennst, aber eines Tages, da trennt ihr euch. Egal warum.

Vielleicht zieht einer um oder heiratet. Jedenfalls seht ihr euch nie

wieder. Vielleicht mal ein Telefonat, aber nicht mehr. Und auf einmal

bemerkst du, dass du diesen Menschen nicht vermisst. Obwohl,

eigentlich bemerkst du es nicht. Du erinnerst dich nicht mal mehr

wirklich daran. Er ist einfach weg aus deinem Kopf. Geschichte.

Vorbei. Aber dann gibt es da Menschen, die du nie vergisst. Vielleicht

hast du sie nur einmal kurz getroffen, aber irgendwie haben sie was

in dir berührt. Ein paar kurze Momente, Gemeinsamkeit, ganz tief in

dein Hirn hineingebrannt. An die denkst du. Jeden Tag oder einmal

die Woche, vielleicht mal ganze Monate nicht, aber doch immer

wieder. Vielleicht war es deine Schwester, vielleicht der Kakapo, ich

weiß es nicht. Aber ich habe immer wieder an dich denken müssen.

SCHWESTER:

Was soll ich jetzt sagen?

FRAU:

Keine Ahnung.

SCHWESTER:

Schön, dass du da bist.

FRAU:

Danke.

Stille.

SCHWESTER:

Wie geht’s eigentlich deinem Freund?

FRAU:

Christian?

SCHWESTER:

Genau, so heißt er.

FRAU:

Wir haben uns getrennt.

SCHWESTER:

Echt? Wann?

FRAU:

Schon letztes Jahr. Hier, auf Neuseeland.

SCHWESTER:

Stimmt. Ich erinnere mich. Ihr hattet Streit, nicht wahr?

FRAU:

Ja.

SCHWESTER:

Und worum ging es?

FRAU:

Keine Ahnung.

SCHWESTER:

Du wirst doch noch wissen, warum ihr euch getrennt habt.

FRAU:

Nein.

SCHWESTER:

Komm, du verheimlichst mir was.

FRAU:

Nein, ehrlich nicht. Ich weiß echt nicht, warum wir uns getrennt

haben. Ich weiß ja nicht einmal, warum wir überhaupt zusammen

gekommen sind.

SCHWESTER:

Hast du ihn denn nicht geliebt?

FRAU:

Doch. Ich glaub schon. Es ist einfach was zerbrochen, hier auf Neuseeland.

 

 

 

 

 

 

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