Inhaltsverzeichnis
Einführung
7 Gerda Haßler
Leibniz und das commune bonum
17 Hans Heinz Holz
Leibniz und der Osten: Rußland ante portas
37 Conrad Grau
Leibniz und die orthodoxe Kirche
43 Johannes Irmscher
Leibniz und die Philosophiegeschichte
49 Helmut Seidel
Die beste aller Welten. Leibniz’ Physik der
Prinzipe
61 Hans-Jürgen Treder
Leibniz, Tschirnhaus und der Dresdner
Sozietätsplan
65 Siegfried Wollgast
Leibniz und die Folgen. Zur
Wirkungsgeschichte des Leibnizschen Akademiekonzepts
89 Conrad Grau
Leibniz’ Wissenschaftskonzeption zwischen den
Enzyklopädien Alsteds und Hegels
111 Hans Heinz Holz
Über die europäischen Wurzeln der
Sozietäts-Konstituierung von 1700 in Berlin
129 Siegfried Wollgast
Leibnizens Denkschriften vom 26. März
1700 „eine societatem scientiarum et artium zu fundiren“ und das
Reglement der königlich-preußischen „Societät der Wißenschaften
alhier“ vom 3. Juni 1710
165 Hermann Klenner
Rezension zu Wenchao Li (Hg.). „Das Recht
kann nicht ungerecht sein…“. Beiträge zu Leibniz’ Philosophie der
Gerechtigkeit, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2015, 184 S., (Studia
Leibnitiana – Sonderhefte, 44)
231 Hermann Klenner
Die Akademie im gesellschaftlichen Wandel.
Historische Zäsuren als Prüfsteine akademischer Identität
237 Hubert Laitko
Zu den Autoren
277
Aus der Einführung
Der Band enthält eine Auswahl von Aufsätzen,
die auf Vorträgen in der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin
e.V. beruhen. Sie befassen sich mit verschiedenen Aspekten der
philosophischen und wissenschaftstheoretischen Auffassungen von Gottfried
Wilhelm Leibniz, mit der Verankerung und Ausstrahlung seiner Theorie in
Europa sowie insbesondere mit der Entwicklung der Leibnizschen
Akademieidee und ihrer Wirkung bis in die Gegenwart. Dass in einer
Gelehrtengesellschaft Vorträge über Leibniz gehalten werden, ist nichts
Neues. Eine Bestimmung des Statuts der Preußischen Akademie von 1812 legte
fest, dass von den drei jährlichen öffentlichen Sitzungen der Akademie
jeweils eine Leibniz gewidmet sein sollte. Dem Wissenschaftshistoriker
Conrad Grau zufolge gibt es „keine einzige Akademie der Welt, die
jährliche Veranstaltungen zu Ehren einer einzigen Persönlichkeit
durchführte, auf die allein die Gründung zurückgeführt wurde“ (Grau 2000:
8). Diese in Bezug auf Leibniz eingeführte Regelung galt mehr als
anderthalb Jahrhunderte, war Bestandteil einer verstärkten Rückbesinnung
auf eine zum Teil verklärte deutsche Vergangenheit und führte zu einer
Vielzahl an Leibniz-Vorträgen, die sein Bild verherrlichten und seine
Rolle bei der Akademiegründung überhöhten. Allmählich wurden die
Leibniz-Tage der Berliner Akademie zu Tagen der Berichterstattung über das
im vergangenen Jahr Geleistete; Leibniz wurde nur hin und wieder
aufgegriffen und Zitate von ihm wurden als Belege für die Richtigkeit des
eingeschlagenen Wegs verwendet. Ähnlich verhält es sich auch in der
Leibniz-Sozietät, wo heute oft recht freihändig mit dem Schlagwort theoria
cum praxi et commune bonum umgegangen wird. Theoria cum praxi heißt im
Leibnizschen Sinne nicht nur, dass experimentelle Praxis in der Forschung
und Theorie eine Einheit bilden, sondern dieses Motto, das er seiner
Akademiegründung ins Wappen geschrieben hat, bedeutet auch Einheit von
natürlicher Welt und moralischem gesellschaftlichem Verhalten. Das commune
bonum lässt sich als politisch-metaphysische Ausprägung des Leibnizschen
Modells auffassen und es wird durch die vernünftige Abstimmung der
individuellen Interessen aufeinander hergestellt. Dabei wird die
Aufspaltung der Ratio in wissenschaftliche Rationalität und Ethik
zunehmend zum Problem, das Leibniz durch die Wiedergewinnung einer Einheit
zu lösen versuchte. In den ersten Jahren der Leibniz-Sozietät als
Verein bemühten sich Philosophen und Wissenschaftshistoriker um die
Herausarbeitung des Anliegens von Leibniz bei der Akademiegründung und um
seine Nutzung für die neu gegründete Sozietät der Wissenschaften. 1996 war
der Leibniz-Tag dem Thema „Leibniz und Europa“ gewidmet und Hans Heinz
Holz hielt den Festvortrag zum Thema „Leibniz und das commune bonum“.
Dieser Vortrag wurde ebenso wie weitere Beiträge aus dem Jahr 1996 von
Conrad Grau, Johannes Irmscher, Helmut Seidel, Hans-Jürgen Treder und
Siegfried Wollgast in diesen Band aufgenommen. Für die Aufnahme
weiterer Beiträge in diesen Band war ein deutlicher Bezug zu Leibniz’
Akademiegedanken ausschlaggebend. So veranstaltete die Leibniz-Sozietät am
14. April 2000 aus Anlass der Gründung der Leibnizschen Sozietät der
Wissenschaften vor 300 Jahren in Berlin ein wissenschaftliches Kolloquium,
dessen Ergebnisse unter dem Titel Akademische Wissenschaft im säkularen
Wandel. 300 Jahre Wissenschaft in Berlin als 38. Band der Sitzungsberichte
der Leibniz-Sozietät veröffentlicht sind. Der Hauptvortrag von Conrad
Grau, in dem Leibniz gewürdigt, zugleich jedoch die auf Adolf Harnack
zurückgehende Verabsolutierung seiner Rolle bei der Akademiegründung
relativiert wird, ist in diesem Band zu finden, ebenso wie ein Beitrag von
Hans Heinz Holz zu Leibniz’ Wissenschaftskonzeption zwischen den
Enzyklopädien Alsteds und Hegels. Auf die Sondersitzung des Plenums
der Leibniz-Sozietät aus Anlass des 300. Jahrestages der Verkündung des
ersten Statuts für die 1700 gegründete Brandenburgische Sozietät der
Wissenschaften gehen die umfangreichen und mit Dokumenten untersetzten
Beiträge von Siegfried Wollgast und Hermann Klenner zurück, die in den
Sitzungsberichten der Leibniz-Sozietät 110 (2011) veröffentlicht wurden.
Schließlich wurden mit der 2016 in Leibniz Online (Nr. 23) erschienenen
Rezension Hermann Klenners zu „Das Recht kann nicht ungerecht sein…“.
Beiträge zu Leibniz’ Philosophie der Gerechtigkeit von Wenchao Li sowie
dem Text von Hubert Laitko zur Akademie im gesellschaftlichen Wandel noch
zwei neuere Beiträge aufgenommen. Letzterer ging aus einem Vortrag hervor,
der 2005 auf einem wissenschaftlichen Kolloquium aus Anlass des 70.
Geburtstags von Horst Klinkmann gehalten wurde. Die Notwendigkeit der
Begrenzung des Umfangs dieses Bandes ließ es nicht zu, die schriftlichen,
meist erweiterten Fassungen aller im Verlauf der dreißigjährigen
Geschichte der Leibniz-Sozietät gehaltenen Vorträge mit Bezügen zu Leibniz
aufzunehmen. Dennoch sind sie lesenswert, weshalb hier kurz darauf
verwiesen werden soll. Dies betrifft Vorträge, die von Nichtmitgliedern
der Sozietät gehalten wurden, wie die Beiträge zu ergänzenden Themen von
Detlev Blanke (1996) und Hartmut Rudolph (2009). Auch Beiträge, in denen
zwar Leibniz’ Konzepte erwähnt werden, die aber einen anderen Fokus haben,
konnten nicht aufgenommen werden (Altvater 1998, Laßner 1999, Migoń 2002,
Moritz 2009). ...
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