Vorläufiges Inhaltsverzeichnis
Einführung
9 Bernd Meier & Viktor Jakupec
Historisches
Clara Zetkin und die sozialistische Pädagogik
–Emanzipation oder politische Instrumentalisierung? 19
Ingrid Miethe
Jena-Plan-Pädagogik
zwischen Schulfortschritt und Schulstreit an der weltlichen Volksschule
in
Finsterwalde am
Ende der Weimarer Republik – Bildungshistorische Erfahrungsmuster
für Schulreform und Partizipation
55 Frank Tosch
„Das Ganze
muss verändert werden“ – Leibniz’ Spuren in der materialistischen
(Behinderten-)
Pädagogik. Ein Versuch über inklusive
Pädagogik als „Hebelkraft zur Veränderung der Welt“
87 Robert Schneider-Reisinger
Allgemeinbildendes
Illusionen harmonischer Bildungsreformen
– provozierte soziale Spaltungen durch
Ausblendung von Realkonflikten im Gemeinwesen
115 Dirk Plickat
Die
deutsche Bildungsverwaltung – am Abgrund? – Eine Analyse am Beispiel des
Aufholprogramms coronabedingter
Lernrückstände
125 Herrmann Zöllner
Mehr
persönliche Bildung wagen?! Erste Gedanken zu einem den Körper
einbeziehenden
Bildungsbegriff
155 Benjamin Apelojg
Technische Bildung als ein Fixpunkt für die
allgemeine Bildung im 21. Jahrhundert
185 Andreas Hüttner
Verbraucherbildung im sozialen Kontext
213 Heiko Steffens & Heike Müller
Internationales
On Becoming and Being an Education
Consultant: using critically reflective practice
as a tool for consultant professional
practice and development
239 Greg Shaw
Akademisches
Doctoral
education as discipline and empowerment
265 Terry Evans & Greg Shaw
Non-Death of Neoliberalism in Higher Education
285 Viktor Jakupec & Bernd Meier
Über die Autorinnen und Autoren
309
Einführung
Bernd Meier & Viktor Jakupec
Mit diesem Band
knüpfen wir inhaltlich an die Abhandlungen Bd. 53 mit dem Titel Unser
Bildungsverständnis im Wandel (Meier 2018) an. Wir sprachen in dem Band
vom „Bildungsverständnis“ und betonten, dass es sich wandelt, da es vom
kulturellen und zeitgeschichtlichen Kontext abhängt. Nach einführenden
philosophischen und sozial-politischen Grundpositionen widmeten sich die
Autorinnen und Autoren sowohl domänenspezifischen Aspekten des
Bildungsverständnisses (unter anderem im Kontext von Lebensgestaltung –
Ethik – Religion, Technik, Ökonomie), differenzierten
Bildungsverständnissen aus der Perspektive der Lebenszeit (frühkindliche
Bildung, Bildung im Schulalter, Erwachsenenbildung) und auch der Bildung
in verschiedenen Regionen der Welt. Die Autorinnen und Autoren vereinte
das Verständnis von Bildung als Menschenrecht und das im Bildungsdenken
enthaltene Menschenbild. Es lebt von der Idee eines mit umfassendem
Wissen, vielfältigen Kompetenzen und verbindlichen Werten ausgestatteten
Menschen, der sämtliche in ihm angelegten Fähigkeiten bei sich selbst
ausbildet und sie für eine über die eigenen sozialen Milieugrenzen
hinausreichende Lebensführung nutzt, die der Allgemeinheit dient.
Deutlich wird, dass sich das begriffliche Verständnis von Bildung
historisch wie politisch transformiert. Auch die Mitwirkenden an
diesem Band gehen von derartigen Positionen aus und verstehen Bildung
als ein universales Menschenrecht, das weltweit allen Kindern,
Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen zusteht. Darüber hinaus wird
Bildung als ein wichtiger Motor für die weitere Entwicklung und eine
sichere Zukunft angesehen. Der Band bietet nunmehr eine Sammlung von
Beiträgen zu aktuellen Diskussionen über Bildung im gesellschaftlichen
Kontext. Die Beiträge setzen einen kritischen Diskursrahmen, der für ein
zeitgenössisches Verständnis der Auswirkungen sozialer Themen auf
Politik, Führung, Gerechtigkeit und Partizipation, Macht und die Rolle
des Staates relevant ist. Herausgestellt werden solche Aspekte, wie •
Bildung als Gegenstand von Politik: Bildung im parteipolitischen Kalkül;
• Bildung als Aufgabe des Staates: Ein Plädoyer gegen die
Kommerzialisierung; • Bildung als Recht: Jenseits der neoliberalen
Agenda; • Bildung als Akt der Ermächtigung: zwischen
Instrumentalisierung und Emanzipation; • Bildung als politische
Institution des Gemeinwohls. Diese Schwerpunkte sind integrativ,
d.h. die Beiträge umfassen zwei oder mehr der oben genannten
Zusammenhänge.
Die Beiträge von Ingrid Miethe (Universität
Gießen), Frank Tosch (Universität Potsdam), Robert Schneider-Reisinger
(Universität Wien) wählen einen betont historischen Zugang.
•
Ingrid Miethe wählt für ihre Untersuchungen zur historischen Pädagogik
einen stark bildungspolitischen Fokus, geprägt durch sozialdemokratische
und kommunistische Positionen. Sie stellt fest, dass eine
wissenschaftliche Beschäftigung mit der sozialistischen Pädagogik nach
der gesellschaftlichen Wende fast schlagartig abgebrochen ist und wendet
sich exemplarisch den bildungspolitischen und pädagogischen
Vorstellungen Clara Zetkins zu. Hiermit analysiert die Autorin gerade
die Entstehungszeit der sozialistischen Pädagogik, da sie davon ausgeht,
dass in solchen Gründungsphasen noch vielfältige Aushandlungsprozesse
vorgenommen werden, die auch den Blick auf alternative Entwicklungswege
eröffnen und damit auch die Vielfalt möglicher Entwicklungen aufzeigen.
Anhand biografischer Fakten wird das Wirken von Clara Zetkin als
Pädagogin und Bildungspolitikerin untersucht und der enge Zusammenhang
von sozialen Bewegungen und Bildung dargestellt sowie das
Spannungsverhältnis von Emanzipation und Instrumentalisierung
gekennzeichnet. Darüber hinaus widmet sich die Autorin den Positionen
Zetkins zur Erziehung in der sozialistischen Familie, der
sozialistischen Jugenderziehung und der sozialistischen Frauenbildung.
In einer konstruktiven Synthese werden fortschrittliche Ansätze und
Widersprüche bezüglich der Entwicklung von Emanzipation im Denken und
Handeln von Clara Zetkin aufgezeigt.
• Frank Tosch widmet sich
in seinem Beitrag zur historischen Pädagogik der Entwicklung der
Volksschule nach dem Schulentwicklungskonzept „Jenaplan“ am Beispiel der
preußischen Provinz Brandenburg am Ende der Weimarer Republik. Das
Schulentwicklungskonzept wurde von dem Erziehungswissenschaftler Peter
Petersen 1927 entworfen. Petersen hatte zu dieser Zeit einen Lehrstuhl
an der Universität Jena inne, woraus sich der Konzeptname erklärt. Frank
Tosch zeigt auf, wie erziehungswissenschaftliche Konzepte sich auf die
Ausgestaltung von Schule auswirken. Der Autor analysiert das
Schulprojekt anhand konzeptioneller Dokumente des damaligen
Lehrerkollegiums sowie erster veröffentlichter Erfahrungen und
Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern. Auf der Basis einer
konstruktiven Synthese zeigt der Autor aus dem bildungshistorischen
Kontext quellenorientiert Gelingens- und Nicht-Gelingensbedingungen
dieses Schulreformprojekts auf und systematisiert zugleich Dimensionen
unterrichtlicher und schulischer Partizipation. Tosch arbeitet
systematisch heraus, dass Empowerment und Partizipation einerseits dazu
beitragen, dieses Reformprojekt als Ort des „Schulfortschritts“ zu
charakterisieren, andererseits erbitterte bildungspolitische Kämpfe
diese Schule zum Ort heftigen „Schulstreits“ gemacht haben.
•
Robert Schneider-Reisinger widmet sich Fragen der Inklusionspädagogik,
wobei er seine Überlegungen aus der Perspektive der Materialistischen
Pädagogik darlegt und die Dialektik als Methode nutzt. Seine fachlichen
Bezugspunkte wählt er mit einer hohen Spannweite: Wolfgang Jantzen
(1993) zu Gottfried Wilhelm Leibniz (1714). In der systemischen
Offenheit von Zeit und Raum liegt nach Auffassung des Autors die Chance
der stetigen Suche nach Orientierung. Verbindungen zu finden aus
historischen Bezügen ganzheitlichen Denkens bis zu spezifischen Aspekten
einer aktuellen Behinderten-Pädagogik ist nur möglich in einer
Vielgestaltigkeit „schwebender Positionierungen“. Bewegung(en) sind die
Grundvoraussetzungen des wechselhaften gesellschaftlichen
Wirkungsprozesses. Ein System von Verknüpfungen weitet die Wahrnehmungen
im Sinne ganzheitlicher Erfassung, wenn das bedeutet, die
Perspektivierungen zu verschränken. Derart können Isolierungen und
Ausgrenzungen unterlaufen werden. Inklusion betrachtet
Schneider-Reisinger als gesellschaftliche Antwort auf die Diversität
persönlicher Existenz(en) und wahrhaftig als Hebel angestrebter
ganzheitlicher Veränderungen. Die Monadologie von Leibniz mit ihren
Ansätzen zu Spiegelungen/Widerspieglungen und dem System von
Verknüpfungen ist offensichtlich geeignet, alles (menschliche) Leben der
Welt betrachten zu können. Das “jeweilige Sosein“ ist dann nicht länger
(nur) ein System von Differenzen, sondern ursprünglich eingebunden in
Zusammenhänge, die eine Einheit bilden. Darin unterschiedliche „Orte“
bewohnen zu können, macht das Wesen von Befreiung – bis hin zu einer
„Dekolonisierung“ – aus. Befreiung ist im Rahmen inklusiver Pädagogik
als humanes Erkenntnissystem zuvörderst Praxis und als diese Bewegung
an, über und von Grenzen – stete Versuche der Verflüssigung. Robert
Schneider hat somit Anregungen und Aufregungen bereitgestellt, an denen
sich Grundstrukturen und „Ordnungen der Existenz der Dinge“ herleiten
lassen.
Die Beiträge von Dirk Plickat (Universität Gießen),
Herrmann Zöllner (Schulrat a. D.; Land Brandenburg), Benjamin Apelojg
(Universität Potsdam), Andreas Hüttner (Europa-Universität Flensburg),
Heiko Steffens und Heike Müller (beide TU Berlin) widmen sich vor allem
dem allgemeinbildenden Schulwesen und den unterschiedlichen darauf
wirkenden Einflussgrößen.
• Dirk Plickat stellt in seinem Beitrag
Bildung in einen eher sozialen Kontext und überschreitet den engen Bezug
auf das institutionalisierte Bildungssystem. Er postuliert, dass
Bildungsreformen komplementär über non-formale und informelle
Bildungswege auch wieder über das Gemeinwesen konzipiert und realisiert
werden. Dabei geht er von einem eher kritischen Verständnis von
„Gemeinwesen“ aus, in welchem differenzierte gesellschaftliche
Verhältnisse sowie vielfältige Bedürfnisse von Menschen sichtbar werden.
Plickat betont schließlich, dass Rechte auf Teilhabe erstritten werden
müssen und Bildungsentwicklung nicht für oder mit der Bevölkerung,
sondern gegen weite Teile von ihr erfolgt. Dabei sieht er vor allem die
Vernachlässigung sogenannter „einfacher Bevölkerungskreise“ und betont
die Gefahr, dass jener Personenkreis statt Bildungsangeboten der
Aufklärung und Teilhabe vorrangig sozial-disziplinierende Muster neuer
Formen der Untertanenerziehung erfahren. Um dem entgegenzuwirken wird
vorgeschlagen, Bildungsreformen ausgehend von den Austragungsorten
sozialer Konflikte zu denken. Neben der Restitution der Leitziele von
Allgemeinbildung „Solidaritäts- und Mitbestimmungsfähigkeit“ sollte in
der bildungspolitischen Debatte das Recht auf Individualität und damit
impliziert auch das Recht auf Unbestimmtheit grundlegende Beachtung
finden.
• Herrmann Zöllner versucht von seinem Blick auf das
Bildungssystem als Ganzes, seine Überlegungen Aspekten der
Bildungsinstitutionen zuwidmen, insbesondere akzentuiert er die
Bildungsverwaltung. Mittels eines Fallbeispiels analysiert er
schulpolitische Maßnahmen zur Minderung von Lernrückständen, die durch
die veränderten Lehr-Lern-Bedingungen während der Zeit der
Coronapandemie auftraten. Im Zentrum seines Beitrags steht das im Juni
2021 beschlossen sogenannte „Aufholprogramm“, auf dessen Basis die
Bundesländer innerhalb kürzester Zeit, d.h. bis zum Beginn des
Schuljahres 2021/22 eigene Förderprogramme entwickeln mussten. Diese
waren nun wiederum die Grundlage für Maßnahmen, die die Schulen vor Ort
einleiten sollten. Vor allem mittels Dokumentenanalyse geht der Autor
der Frage nach, inwieweit die Steuerung des Bildungssystems durch die
staatlichen Akteure in der Lage ist, wirksame Maßnahmen für die
Verbesserung der Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler durchzuführen
und damit ein schulisches Bildungssystem zu garantieren, das ihre
zentralen Funktionen für die Gesellschaft erfüllen kann. In einem
bilanzierenden Fazit verweist er auf zahlreiche Mängel des
Aufholprogramms und zeigt klare Schwächen auf, die bei zukünftigen
Schulentwicklungsprogrammen zu vermeiden wären. • Benjamin Apelojg
widmet sich in seinem Beitrag dem derzeitigen Bildungsverständnis und
betont, dass wir den Bildungsbegriff mit neuem Leben füllen sollten.
Wenn das Bildungsverständnis einem Zeitgeist unterliegt, muss es stets
auf das Aktuelle hinterfragt werden. Er plädiert dafür, auf der
Grundlage eines ganzheitlichen Bildungsbegriffs Kinder und Jugendliche
als ganze Menschen zu bilden, zu bestärken und individuell zu fördern.
Bildung muss über rein kognitive Prozesse hinaus gestaltet werden. Somit
sieht er die immer noch aktuelle Diskussion um die Kompetenzbegriff
kritisch, der vorrangig kognitive Leistungsdispositionen akzentuiert.
Ausgehend vom Dualismus von Körper und Geist gilt es, die Ausprägung
kognitiver Fähigkeiten mit der Aneignung der körperlich-materialen
Dimensionen im Prozess der Sozialisation und des Lernens zu verknüpfen.
Allerdings ist die Betonung des Körpers in der Pädagogik nicht neu.
Hierbei sei nicht nur an das Postulat des Lernens mit Kopf, Herz und
Hand des Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) erinnert. Auch
in jüngerer Zeit orientieren Pädagogen beispielsweise auf die
Leiblichkeit des Lernens, das Gleichgewicht von Körper und Geist. Nach
drei Argumenten für die stärkere Betonung der Körperlichkeit in
Bildungsprozessen rundet ein Plädoyer für körperintegriertes Wissen und
körperintegrierte Bildung den Beitrag ab.
• Andreas Hüttner
stellt seine Betrachtungen zur Ausgestaltung einer zeitgemäßen
allgemeinen Bildung für alle Kinder und Jugendlichen in den Kontext
einer modernen Industrie- und Wissensgesellschaft. Ausgehend von der
Bedeutung von Technik und Technologie für die Gesellschaft argumentiert
er für eine technisch-technologische Bildung über alle Schulstufen und
in allen Schulformen. Kritsch sieht er auch die vielfach einseitige
gesellschaftliche Wahrnehmung der Technik. Die aktuelle Situation dieses
Bildungsbereichs in allen Bundesländern charakterisiert er als überaus
heterogen, nicht von Kontinuität getragen und überaus defizitär. Gerade
der Bildungsgegenstand Technik mit seinen traditionellen und
zukunftsweisenden Inhalten und vor allem speziellen Methoden und
kreativen Techniken würde hohes Potential bieten, die Schule mit dem
Leben zu verbinden und Lernende motivieren. Obwohl verschiedene Konzepte
zur Integration von Technik als Gegenstandsbereich in die
allgemeinbildende Schule vorliegen, zeigen bildungspolitisch
Verantwortliche keinen Reformwillen. Wenngleich auf Bundesebene der
Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und
Technik (MINT) für die Gestaltung der digitalen Transformation und des
technologischen Wandels eine zentrale Rolle zugeschrieben wird, fehlt es
an Initiativen in der Breite durch die Bundesländer. Anknüpfend an
MINT-Konzepte argumentiert er für eine technische Bildung als
wesentlichen Zugang zu einem fächerübergreifenden
Allgemeinbildungskonzept und unterbreitet konkrete Lösungsansätze in
Form von fünf Formen der organisatorischen Umsetzung.
• Heiko
Steffens und Heike Müller wenden sich generellen Fragen der
allgemeinbildenden Schule zu und zeigen in ihrem historisch-genetisch
angelegten Beitrag grundlegende Aspekte der Verbraucherbildung auf. Sie
entwickeln auf der Basis von Dokumentenanalysen eine mehrstufige Synopse
der Leitideen der
Verbraucherbildung/Verbrauchererziehung/Konsumerziehung (consumer
education), die ihre politisch-pädagogische Evolution von den 1970er
Jahren bis heute modelliert. Dabei zeigen sie zugleich das Wirken
verschiedener nationaler und internationaler Institutionen auf die
Formung des Verständnisses von Verbraucherbildung und ihrer Intentionen
auf. Konkret ging es und geht es – wenn auch einst mit anderen Begriffen
ausgedrückt – um Empowerment (systemrelevante Fähigkeit zur Selbst- und
Mitbestimmung), Responsibility (Verantwortlichkeit gegenüber sich
selbst, der sozialen Gemeinschaft und der ökologischen Nachhaltigkeit)
und Resilience (Widerstandskraft zur Wahrnehmung und Bewältigung
komplexer Entscheidungssituationen). Darüber hinaus werden ausgewählter
Bereiche der Verbraucherbildung kurz umrissen. Hierzu zählen sie (a)
Finanzielle (Allgemein-)Bildung, (b) Bildung für nachhaltige
Entwicklung, (c) Medienbildung und Digitalisierung, (d)
Ernährungsbildung. Eine kritisch-konstruktive Diskussion von
differenzierten Positionen und exemplarischen Lehr-Lernmaterialien
rundet den Beitrag ab.
Die Beiträge von Greg Shaw (Charles Darwin
University); Terry Evans (Deakin University) & Greg Shaw (Charles Darwin
University). Viktor Jakupec (Deakin University/Universität Potsdam) und
Bernd Meier (Universität Potsdam) thematisieren differenzierte Aspekte
der akademischen Bildung aus der internationalen und philosophischen
Perspektive.
• Greg Shaw trägt mit seinem Kapitel zu einer
Diskussion über internationale Beratungsunternehmen im Bildungsbereich
bei. Er nähert sich diesem Thema unter dem Gesichtspunkt der kritischen
Reflexion, wobei er Bildung als Akt der Emanzipation in den Blick nimmt
und instrumentellen Ansätzen gegenüberstellt. Während der gesamten
Diskussion werden zwei wichtige "rote Fäden" beibehalten. Das eine ist
Gegenstand der Rolle des Beraters und das andere ist der Arbeitskontext
internationaler Bildungsberatungen in Entwicklungsländern. Während des
gesamten Kapitels stützt sich Greg Shaw auf seine eigenen Erfahrungen
und stellt die kulturellen Aspekte in den Vordergrund, die die Kontexte
und Einflüsse bezeichnen und verdeutlichen, wie Individuen innerhalb
dieser Aspekte leben und arbeiten. Greg Shaw bedient sich dabei einer
autoethnographischen Methodik, einer Methode der kritischen Reflexion,
die durch einschlägige Literatur ergänzt wird und eine Identifizierung
von Schlüsselfragen ermöglicht. Ein Hauptproblem, das Greg Shaw
innerhalb der oben genannten internationalen Beratungsunternehmen
identifiziert hat, ist der Widerstand gegen Veränderungen und die
Trägheit. Dies ist auf individueller, institutioneller und systemischer
Ebene beobachtbar. Ein solches Phänomen basiert oft auf den Erfahrungen,
kulturellen Normen und dem historischen Hintergrund des Einzelnen. Greg
Shaw bringt die internationale Beratungsaspekte in Entwicklungsländern
sowie Erkenntnisse aus der einschlägigen Literatur und kritische
Reflexionen zusammen und argumentiert, dass es notwendig ist, einen
Nexus zwischen Beratungsaktivitäten und lokalen Bedürfnissen
herzustellen, mit dem Ziel der langfristigen Nachhaltigkeit eines
Entwicklungsprojekts. Dies wiederum erfordert eine entsprechende
berufliche Weiterbildung sowohl für Einzelpersonen als auch für Gruppen.
Abschließend betont der Autor das Konzept der kritisch reflektierenden
Praxis als wichtige Beratungsmethode, die das Potenzial hat, die
Interaktion von Beratern mit anderen Akteuren und Stakeholdern zu
fördern.
• Terry Evans und Greg Shaw befassen sich mit
Besonderheiten der traditionellen Promotion auf der Basis von Forschung
an Universitäten. Sie untersuchen das Spannungsfeld zwischen dem
Bedürfnis der Doktoranden, neues Wissen zu generieren, und ihrem
Bedürfnis, den Standards und Konventionen des akademischen Umfelds, in
dem sie tätig sind, zu entsprechen. Evans und Shaw argumentieren, dass
das Erlangen des Doktortitels eine Form des Empowerments ist, aus der
sich durch eine Postdoc-Karriere weiteres Empowerment entfalten kann.
Sie verdeutlichen, dass sich der Doktorand verpflichtet fühlt, nicht nur
zu seiner Disziplin, sondern zur Menschheit im Allgemeinen beizutragen.
Sie tragen auch der Intensivierung der Doktorandenausbildung in den
letzten Jahrzehnten Rechnung. Ergänzt wird dies durch eine Ausweitung
der Forschung und Literatur zur Doktorandenausbildung selbst. Sie
reflektieren den Wandel von einer jahrzehntelangen männlichen Dominanz
bei den Doktorandenzahlen zu einer ausgewogeneren Verteilung in den
letzten Jahren. Sie verweisen auf die Spannungen, die innerhalb und
außerhalb der Universitäten durch Geschlechterdiskriminierung und
Sexismus bestehen bleiben. Die Autoren reflektieren auch die Dilemmata,
die sich für internationale Kandidaten aus Entwicklungsländern und für
ihre Gastuniversitäten stellen, insbesondere in Bezug darauf, ob die
Promotionsthemen der Kandidaten zur Problemlösung in ihren Heimatländern
beitragen und ob die Absolventen zurückkehren, um einen Beitrag in ihren
Ländern zu leisten oder eine weitere Karriere in der entwickelten Welt
verfolgen. Evans und Shaw schließen ihren Beitrag mit einigen
Vorschlägen für zukünftige Überlegungen für Praktiker und politische
Entscheidungsträger ab.
• Viktor Jakupec und Bernd Meier stellen
ihre Überlegungen zu Aspekten der Bildung in den Kontext von
wirtschafts- bzw. im weiteren Sinne von gesellschaftspolitischen
Auffassungen und analysieren Auswirkungen des Neoliberalismus auf die
Hochschulbildung in entwickelten Ländern. Nach einer kritischen Analyse
des Konzepts des Neoliberalismus zur Jahrtausendwende, vor allem der
Orientierung der Inhalte und Bedeutung von Bildung an ökonomischen
Kriterien, der Akzentuierung der Bildung als „Ware“ und dem Bestreben
diese den Gesetzen der Marktwirtschaft zu unterwerfen, arbeiten sie die
Widerstandsfähigkeit des Neoliberalismus gegenüber den verschiedenen
sozialen Krisen heraus. Deutlich wird, dass der Neoliberalismus als
politische Grundrichtung im Allgemeinen und als Bildungsgrundlage im
Besonderen nicht in der Lage war und ist, seine gesteckten Ziele zu
erreichen. Unübersehbar sind vielfältige Krisen im Hochschulbereich der
westlichen Welt. Auf der anderen Seite gelingt es neoliberalistischen
Konzepten aber auch immer wieder, „sich neu zu erfinden“. Diese
Beständigkeit wurzelt in Konzepten wie Privatisierung, Vermarktung,
Korporatismus, Betrachtung von Studierenden oder Arbeitnehmern als
„Kunden“ und „berufsbereite“ Absolventen. Sie dienen dazu, einerseits
die staatlichen Kosten einzuschränken und andererseits die Finanzierung
der Bildung mehr und mehr auf den „Konsumenten“ abzuwälzen. Bildung soll
vornehmlich aus Gründen der ökonomischen Verwertungslogik im globalen
Wettbewerb gefördert werden. Viktor Jakupec und Bernd Meier
argumentieren, dass diese Konzepte, den Auffassungen von Universitäten
in der westlichen Tradition im Allgemeinen entgegenstehen und die Ideale
von beispielsweise von Newman und Humboldt entwerten, die Bildung primär
als Instrument zu Autonomie und Mündigkeit verstehen.
Abschließend werden Irrtümer des Neoliberalismus als ideologische
Grundlage für die Hochschulbildung aufgezeigt und allgemeine
Herausforderungen reflektiert, mit denen Gesellschaften konfrontiert
sind, die Universitäten als einen Ort für demokratische Diskurse und
Debatten mit transparenter Wissenschaftsfreiheit betrachten.
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