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Gerhard Banse

Technik - Technologie - Technikwissenschaften.

Beiträge zur Technikphilosophie

 

2021, [= Abhandlungen der Leibniz-Sozietät, Bd. 70], 486 S., zahlr. Graf., Tab. u. Abb., ISBN 978-3-86464-233-3, 49,80 EUR

 

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Die gegenwärtige technikphilosophische Diskussion ist quantitativ zwar nicht sehr umfangreich, inhaltlich aber sehr vielfältig. Diese Überlegungen sind eingebunden in das Vorhandene, in bereits Gedachtes, Aufgeschriebenes, Vorgetragenes, Gefragtes, das sie entweder weiterzuführen suchen oder aus kritischer Distanz betrachten, entweder zum Gegenstand dezidierter Auseinandersetzung machen oder auch nur vorhandene Defizite benennen. Man kann das Erreichte als willkommenen Denkansatz begrüßen und zur Grundlage eigenen Denkens machen oder sich darüber ärgern, daran reiben und auf mögliche Unzulänglichkeiten thematischer oder konzeptioneller Art verweisen, man kann Vorhandenes auch ignorieren oder zumindest nicht zitieren – aus der Welt schaffen lässt es sich keinesfalls. Das führt auf zwei Schlussfolgerungen.
Zum einen müssen wir uns der Geschichte der Technikphilosophie versichern, ihrer Fragen und Antworten, ihrer Denkeinsätze und konzeptionellen Grundlegungen, ihrer Problembeschreibungen und ihrer Argumentationsstrukturen, ihrer Lösungsmuster und ihrer Vorschläge, ihrer Perspektiven bzw. Sichtweisen und ihrer historischen Bedingtheiten. Einerseits bereitet das sicherlich manche Überraschung hinsichtlich des bereits Gedachten. Andererseits kann – sicherlich weitaus häufiger – die Geschichte (auch) des technikphilosophischen Denkens Anregungen für den Umgang mit oder das Lösen von gegenwärtigen Problemsituationen vermitteln. Voraussetzung dafür ist jedoch m.E. ein Verständnis von Geschichte der Technikphilosophie, die das Bisherige einerseits nicht – im Sinne von G. W. F. Hegel – als „Durchgangsstufen“, „Zwischenschritte“ oder „Vorformen“ in einem linearen Fortschrittsprozess von Ideen betrachtet (womit das Letztgedachte zugleich zum Höchstentwickelten wird), andererseits auch nicht nur als eventuelle „Kuriosa“ der Vergangenheit bewertet oder als „Steinbruch“ für die Gegenwart ansieht, sondern als Denkbemühungen, die auf Problemstellungen ihrer Zeit mit den Mitteln und vor dem „Hintergrund“ ihrer Zeit Antworten zu geben bemüht waren, die ganz sicher – nicht anders als heute – nur Teileinsichten zu liefern in der Lage waren.
Zum anderen ist damit zu rechnen, dass unsere eigenen Überlegungen, vor allem, wenn wir sie als „neu“ apostrophieren, ein ähnliches Schicksal erleiden, einen analogen Umgang erfahren werden wie gerade gekennzeichnet, sie werden nicht nur willkommen sein. Es kann sein, dass die lebensweltlichen Widerfahrnisse uns dann in eine Situation führen, deren drei Phasen von F. W. Ostwald folgendermaßen charakterisiert wurden: Zunächst wird die neue Idee von jenen kritisiert, die neidisch sind, weil sie sie nicht selbst gehabt haben. Große Freude bei den Kritikern entsteht dann, wenn sie sich als Irrtum erweist: Der Forscher „kann nicht umhin, sich zu fragen, warum er nicht selbst den neuen Gedanken gefunden hat, oder eine solche Frage von anderer Seite zu befürchten. Aus dieser Verlegenheit kommt er, wenn sich der neue Gedanke als Irrtum erweist“. Neben dem Kritisieren gibt es die Möglichkeit des Totschweigens von Ideen: „[...] in dem Versuch, durch Nichtbeachtung und Übergehen die Sache verschwinden zu lassen“. Gelingt das Totschweigen nicht, dann muss das Neue bekämpft werden. War nicht zu verhindern, dass sich die neue Idee durchgesetzt hat, dann kann behauptet werden, sie sei richtig (bzw. nicht falsch), aber sie sei auch nicht neu: „Die dritte Phase des Kampfes gegen das Neue, nachdem die Anerkennung sich nicht mehr verhindern läßt, besteht endlich in der Behauptung, es sei zwar richtig, aber durchaus nicht neu. [...] Am besten kommt er (der Entdecker oder Erfinder; G.B.) weg, wenn er rechtzeitig stirbt, denn dann sind die anderen viel bereitwilliger, seine Leistung gelten zu lassen“. Solche Einwände kommen oft von denen, die meinen, das Fachgebiet selber gut genug zu beherrschen: „Als größtes Hindernis des Fortschritts aber hat sich der Fachmann herausgestellt. Nicht jeder Fachmann. Es gibt auch solche, deren Hingabe an den Fortschritt größer ist als die Rücksicht auf jene kleinlich-egoistischen Erwägungen. Wo man solcher Männer habhaft werden kann, darf man von ihnen ein objektives Urteil über neue Gedanken und Tatsachen erwarten. Aber man darf sich nicht verhehlen, daß die andere, engherzige Einstellung viel häufiger vorkommt und selbst bei geistig sehr hochstehenden Menschen angetroffen wird. Somit fährt man am sichersten, wenn man dem fachmännischen Urteil um so mehr mißtraut, je größer der in Frage stehende Fortschritt ist oder zu sein behauptet“ (Ostwald 1928, S. 42). Für uns ergibt sich daraus die Notwendigkeit, Kritik aushalten zu können bzw. aushalten zu lernen – unter der Voraussetzung, dass Kritik an Überlegungen nicht als Kritik an Personen angesehen wird – was in praxi nicht nur gelegentlich vorkommt, sondern häufig durchaus beabsichtigt ist. [...]


Inhaltsverzeichnis

Geleitwort    7
Herbert Hörz

Vorwort    9
Bernd Meier

Einführung: Die Notwendigkeit der Permanenz technikphilosophischer Reflexion    15

1 Technik und Technikwissenschaften    23

  • Technikverständnis – Eine unendliche Geschichte… [2015]    25

  • Technikwissenschaften – Wissenschaften vom Machen [2014]    41

  • Was hat Technik mit Toleranz zu tun? [2003]    69

  • „Nicht so exakt wie möglich, sondern so genau wie nötig!“ – Das Einfachheitsprinzip in den Technikwissenschaften [2011]    91

  • „Philosophie und Technik“ – Drei (nicht nur) retrospektive Blicke [2008]   103

  • Wissenschaft und Humanismus. Annäherungen – Herbert Hörz zum 75. Geburtstag – [2009]    123

  • Visionen der Informationsgesellschaft – Gestern, Heute, Morgen [2008]    147

  • „Industrie 4.0“ – Erwartungen und Entwicklungen in Deutschland. Die Sicht der Technikfolgenabschätzung [2021]    169

2 Allgemeine Technologie 183

  • Johann Beckmann und die Folgen. Allgemeine Technologie in Vergangenheit und Gegenwart [2001]    185

  • Der Beitrag der interdisziplinären Technikforschung zur Weiterentwicklung der Allgemeinen Technologie [2004]    201

  • Neues im Spannungsfeld von Methodik, Heuristik und Kreativität [2015]    215

  • Kreativität im Rahmen der Allgemeinen Technologie [2019]    231

3 Technik und Kultur 253

  • Technisches und Kulturelles. Historisches und Aktuelles [2015]    255

  • Nachhaltigkeit als Leitbild. Zu Interdependenzen von Nachhaltiger Entwicklung, Kultur und Technik [2015]    275

  • Innovationskulturen – ein neues Konzept? [2014]    299

  • Industrie 4.0 und Kultur 2.0 [2020]    309

4 Neue Medien und kulturelle Diversität 321

  • Identität in der realen Welt und im Cyberspace – Chancen und Gefahren [2006]   323

  • (Kulturelle) Identität, Gemeinschaft und netzbasierte Kommunikation. Anmerkungen zur Diskussion [2006]    339

  • Freiheit und Notwendigkeit – Neue Medien und Nutzungsmuster [2017]    357

5 Risiko und (Un-)Sicherheit    373

  • Herkunft und Anspruch der Risikoforschung [1996]    375

  • Über den Umgang mit Unbestimmtheit. Aktuelle Tendenzen [2020]    445

  • Im Fokus der Sicherheitsforschung: Sicherheitskulturen [2011]    467

Erstveröffentlichungsnachweise    483

Über den Autor    485



 

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