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Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät, Band 136 (2018)


 

"Que la vie en vaut la peine". In Memoriam Rita Schober (1918-2012).

Gedenktag der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin am 13. September 2018



Hrsg. v. Dorothee Röseberg

 

lieferbar

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[= Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften, Bd. 136], 2019, 147 S., ISBN 978-3-86464-158-9, 19,80 EUR

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Wissenschaftliches Kolloquium aus Anlass des 100. Geburtstages von Rita Schober 2018 – Eröffnung und Würdigung
Gerhard Banse 7

Rita Schober und die Entwicklung der Romanistik im 20. Jahrhundert
Wolfgang Asholt 11

Vom Sinn oder Unsinn der Literaturwissenschaft. Rita Schober heute gelesen
Wolfgang Klein 31

Rita Schober. Die Zola-Forscherin im Kontext der historischen Bedingungen der deutschen Nachkriegszeit
Aurélie Barjonet 45

Rita Schobers literaturpädagogische Nachworte zu Emil Zolas Les Rougon-Macquart
Hans-Otto Dill 55

Zum Lehren gekommen, zum Übersetzen einbestellt. Erinnerungen an die Zusammenarbeit zwischen einer deutschen Romanistin und einem französischen Germanisten
René-Marc Pille 65

Rita Schobers Vita
Dorothee Röseberg 69

Lesung und Kommentare

Autorinnen und Autoren 88

 

Gerhard Banse

Wissenschaftliches Kolloquium aus Anlass des 100. Geburtstages von Rita Schober 2018 – Eröffnung und Würdigung

Liebe Mitglieder und Freunde der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie ganz herzlich zur heutigen Plenarsitzung, die wir zu Ehren unseres am 26. August 2012 verstorbenen Gründungsmitglieds Rita Schober veranstalten: Sie war eine der international bekanntesten Romanistinnen und Literaturwissenschaftlerinnen der DDR und wäre am 13. Juni 100 Jahre alt geworden.

Besonders herzlich begrüße ich deshalb Angehörige und Freunde sowie Kollegen aus Frankreich, aus verschiedenen Bundes-Ländern und von den drei Berliner Universitäten. Mein Gruß gilt den Kolleginnen und Kollegen der beiden Wirkungsstätten von Rita Schober: des Instituts der Romanistik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und des Instituts für Romanistik der Humboldt-Universität zu Berlin, von der nicht nur Romanisten, sondern auch Philosophen und Kulturwissenschaftler anwesend sind.

Die Leibniz-Sozietät hat sowohl anlässlich des 80. als auch des 90. Geburtstags von Rita Schober würdige und würdigende Kolloquien – zum 90. gemeinsam mit der Humboldt-Universität in der Humboldt-Universität – durchgeführt, mit Laudationes von Herrn Hans-Otto Dill (zum 80.) sowie von Herrn Wolfgang Klein (zum 90.).1 – Ich kann und will das dort zum Inhaltlichen wie zum Persönlichen Dargelegte nicht wiederholen, sondern beschränke mich auf drei Bemerkungen zur Person und zur heutigen Veranstaltung.

1. Rita Schober wurde vor 100 Jahren in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie geboren. Im Verlaufe ihres Lebens hatte sie sechs Staatsbürgerschaften und war eine Zeitlang sogar staatenlos. Nach einem Studium der Altphilologie und Romanistik an der Prager Universität und der erfolgreichen Promotion mit einem sprachwissenschaftlichen Thema begann sie ihre akademische Laufbahn in der Sowjetischen Besatzungszone. Bald wurde sie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Schülerin von Victor Klemperer. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass sie seine berühmteste Schülerin war.

Später leitete sie an der Berliner Humboldt-Universität das Romanische Institut und als Dekanin die Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät. International wie national wirkte sie in zahlreichen Gremien, darunter in der UNESCO. Wissenschaftlich hat sie in allererster Linie als Spezialistin für französische Literatur gewirkt, sich aber auch in literaturtheoretische Debatten mit internationaler Ausstrahlung eingebracht. Rita Schober erfuhr insbesondere Anerkennung dafür, Émile Zola nicht nur als Gesellschaftskritiker, sondern auch als glänzenden Sprachkünstler wieder zu Ehren gebracht bzw. neu entdeckt zu haben. Eine in Ost und in West erschienene deutsche Gesamtausgabe führte auch dank ihrer sachkundigen Nachworte und Kommentare zu einer Zola-Renaissance.

2. Rita Schober wurde 1969 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften gewählt. Im Jahr 1993 gehörte sie zu denjenigen Geisteswissenschaftlern der ehemaligen DDR, die nach dem juristisch umstrittenen Aus der Gelehrtengesellschaft der Akademie der Wissenschaften die Gründung der Leibniz-Sozietät betrieben. In diesem Jahr schauen wir somit auf eine 25jährige Geschichte zurück. Rita Schobers Verdienste um unsere Sozietät liegen vor allem in dieser Anfangszeit, in der sie sich mit ihrem wissenschaftlichen Ruf und ihrer Autorität für die Konstituierung und Arbeitsfähigkeit der Sozietät einsetzte und besonders auf dem Gebiet der Philologien, vorzüglich der Romanistik,für den Erhalt bzw. die Verjüngung der Mitgliedschaft der Sozial- und Geisteswissenschaftlichen Klasse einsetzte. Dadurch ist die Romanistik im Vergleich zu anderen Neuphilologien in der Sozietät gut vertreten. Zu verweisen ist auch darauf, dass Rita Schober viele Jahre lang Mitglied der Zuwahl-Kommission und eine der ersten war, die in das Projekt „Wissenschaftler in der Systemtransformation. Interviews zur Zeitzeugenbiografien-Schreibung“ einbezogen war.

Dafür wurde sie auf dem Leibniz-Tag 2011 mit der Jablonski-Medaille ausgezeichnet. Wenn immer es ihre Gesundheit und ihr Alter erlaub(t)en, hat sie die Arbeit der Sozietät bis in die jüngste Zeit mit eigenen wissenschaftlichen Beiträgen, in der Zola-Forschung, der Aufklärungsforschung, der Erforschung der modernen französischen Literatur und in der Wahrnehmung und Aufarbeitung des Erbes von Victor Klemperer bereichert. Ihr letzter wissenschaftlicher Auftritt anlässlich des Klemperer-Kolloquiums der Leibniz-Sozietät im Dezember 2011 war eindringlich. Unter Hinweis auf heutige Sprachverhunzung brachte sie die Kritik ihres Meisters an der Zerstörung der deutschen Sprache durch die LTI, die Sprache des Dritten Reiches, in Erinnerung.

3. Rita Schober hat Fragmente einer Autobiographie hinterlassen, die im Herbst im Gunter Narr Verlag erscheinen werden. Dies ist mit Anlass für die heutige Veranstaltung. Das Programm wird sich heute Nachmittag erstmalig dieser Autobiografie und ihrem Nachlass widmen. Auch die folgenden Beiträge zu ihrem wissenschaftlichen Werk setzen neue Akzente:

Wolfgang Asholt (Osnabrück, Berlin) präsentiert einen Streifzug durch Rita Schobers Werk vor dem Hintergrund der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Aurélie Barjonet (Paris) würdigt Rita Schober als Zola-Spezialistin und als erste Herausgeberin des Romanzyklus über die „Rougon-Macquart“ in Deutschland nach 1945. Wolfgang Klein (Berlin) befasst sich mit dem in der DDR als letztes Werk von Rita Schober erschienenen Buch „Vom Sinn oder Unsinn der Literaturwissenschaft“, das bislang wenig Beachtung gefunden hat.

Noch gibt es bislang keine Gesamtsicht auf die Nachworte in den verschiedenen Zola-Romanen, die heute in vielen Bücherschränken stehen und zu lesen sind. Hans-Otto Dill übernimmt auf unserem Kolloquium diese Aufgabe.

Schließlich geht es um Texte aus der Vita und dem Nachlass von Rita Schober. Gelesen werden sie von der Schauspielerin Ulrike Röseberg, kommentiert von Dorothee Röseberg. Wenn dieses Selbstzeugnis mit bislang unveröffentlichten Dokumenten aus dem Nachlass von Rita Schober und aus Archiven konfrontiert wird, geht es um die Frage, wie man ein bzw. sein Leben schreibt, in dem man zahlreiche Staatbürgerschaften hatte und die großen politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts erlebte.

Insgesamt ein Programm, das neugierig macht. Ich bedanke mich bei unserer Vizepräsidentin Dorothee Röseberg für ihre Initiative, die heutige Veranstaltung nicht nur angeregt, sondern vorbereitet zu haben, und wünsche dem Gedenktag viel Erfolg – getreu dem etwas abgewandelten Credo Rita Schobers „Dieses Leben war es wert (gelebt zu werden).“