Müller, Nikola/ Rohner, Isabel (Hrsg.)


 

Hedwig Dohm

Feuilletons 1877-1903

 

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[=Edition Hedwig Dohm, Bd. 5], 2016, 298 S., 978-3-86464-137-4, 26,80 EUR

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Inhaltsverzeichnis

Die Publizistin Hedwig Dohm.............................. 7

Anmerkungen zur Edition................................. 13
 

Feuilletons 1877–1903 von Hedwig Dohm...15

Die Geheimratstochter (1877)........................ 15

Der deutsche Aufsatz in der Mädchenschule (1879) ............... 39

Die Opfer der Mode (1880) .......................... 49

Laura Marholms Buch der Frauen (1895) ........ 55

Offener Brief (1895) ................................... 78

Herrenrechte (1896).................................... 80

Die Schwiegermutter der Zukunft (1896) ........ 88

Nachlese vom Frauentag (1896)..................... 94

Die Ritter der mater dolorosa (1897) .............. 98

Auf die Ausführungen des Herrn Dr. Scholz (1897) 124

Laura Marholms Zur Psychologie der Frau (1897/98) ............ 126

Nietzsche und die Frauen (1898) .................. 145

Reaktion in der Frauenbewegung (1899) ....... 159

Die neue Mutter (1900) .............................. 175

Frauenrechtlerinnen (1900) ......................... 185

Sind Berufstätigkeit und Mutterpflichten vereinbar? Plauderei mit Hedwig Dohm (1900)............ 199

Eine Anregung zur Erziehungsfrage (1900) .... 207

Meine Anregung zur Erziehungsfrage (1900/1901) 215

Augusta Trevirorum. Skizzen und bilder aus trierischer Mappe von Miriam Eck (1901).................. 217

Randglossen zur Schrift Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes von P. J. Möbius (1901) ............................... 223

    Kinderrechte (1902) .................................. 239

    Die alte Frau (1903) .................................. 249

    Jerusalem (1903) .................................     261

 

Anhang.......................................................269

    Leserinnenbrief von M. Sobotta (1895).......... 269

    Leserbrief von F. Scholz (1897).................... 271

    Leserinnenbrief von M. Ander (1900)............. 281

Namensregister......................................... 289

Die Herausgeberinnen................................ 293

Danksagung ............................................. 295

 

 

Die Publizistin Hedwig Dohm 

„Ich brauche niemanden zu fragen,

was in der Frauenbewegung das Richtige ist.

Ich weiß es.

Der, dem ein Dachziegel auf den Kopf fällt,

weiß, dass das Dach schadhaft ist.

Er braucht es nicht erst untersuchen zu lassen.“[1]

 

Hedwig Dohm war eine Meisterin der Genres: Sie verfasste Romane, Novellen, Theaterstücke, politische Essays. Bei einem breiteren Publikum bekannt, beliebt und gefürchtet wurde sie dabei durch ihre Beiträge, die sie ab den 1870er Jahren in ganz unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte – von Kunst- und Literaturzeitschriften über Fachorgane für Bildung oder Politik bis zur feministischen Frauenbewegung, der liberalen Zeitschrift Die Zukunft oder der auflagenstarken Vossischen Zeitung. Diese Medien wählte sie nicht beliebig aus. Die meisten ihrer Artikel erschienen in Zeitschriften, die sich an ein liberales, linkes oder frauenbewegtes Publikum wandten – kurz: die emanzipatorische Bestrebungen förderten und selber verfolgten. Einige dieser Texte hat Dohm später in Essaybände aufgenommen und wiederverwertet – die meisten von ihnen sind jedoch nur einmal veröffentlicht worden und waren alsbald vergessen.

Es ist insbesondere dem Engagement der Historikerin Nikola Müller zu verdanken, dass wir in diesem Band zwanzig der frühen Feuilletons Hedwig Dohms wieder veröffentlichen können. In mühevoller und akribischer Recherche in Archiven von Warschau bis New York ist es ihr gelungen, zahlreiche Feuilletons von Dohm wiederzufinden.[2] In der gemeinsamen Editionsarbeit mit der Literaturwissenschaftlerin Isabel Rohner konnte dieses Konvolut weiter ergänzt werden – zum Teil auch dank Zusendungen von Leserinnen der Edition. So ist uns der Artikel Über die Mode, der 1880 in der Aussiedlerzeitung Der Freidenker im amerikanischen Milwaukee erschienen ist, von den beiden Bremer Wissenschaftlerinnen Eva Görtz und Eva Schöck-Quinteros zur Verfügung gestellt worden.

Der vorliegende Band versammelt die Beiträge Dohms, die sie in den Jahren 1877 bis 1903 in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht hat.[3] Ein weiterer Band mit den Feuilletons von 1904 bis 1919 wird folgen.

Für uns sind diese Feuilletons das Herzstück der Edition Hedwig Dohm: Noch nie gesammelt veröffentlicht, zeigen sie sowohl Dohms politische und stilistische Kontinuität als auch ihre schwerpunktmäßige und strategische Entwicklung. Verpackt sie ihre feministischen Botschaften in den früheren Jahren für das jeweilige Zeitschriftenpublikum noch in vermeintlich leichten Gesellschaftsbildern (wie zum Beispiel beim 1877 in der Gegenwart erschienenen Text Die Geheimratstochter), so wählt sie später immer stärker Medien, deren Publikum offen politische beziehungsweise bisweilen auch satirisch-polemische Texte zugemutet werden können (wie zum Beispiel Dohms Replik auf Paul Julius Möbius‘ Bestseller Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes, erschienen 1901 in der Frauenbewegung).

Dohms politisches Programm – die vollständige und bedingungslose Gleichberechtigung der Geschlechter – steht, als sie 1877 beginnt, in Zeitschriften und Zeitungen zu veröffentlichen. Ihre vier großen feministischen Essays sind in den Jahren zuvor erschienen, die Argumente sind dargelegt, alles ist „eigentlich“ gesagt – aber nun geht die Arbeit erst richtig los. An immer wieder neuen Beispielen, aktuellen Diskussionen und Neuerscheinungen arbeitet sie sich ab. Dreh- und Angelpunkt jeglicher Emanzipation bildet von Anfang an die ökonomische Selbstständigkeit der Frau. Das steht im Kontrast und mutet fast wie eine indirekte Stellungnahme zur bürgerlichen Frauenbewegung an, die in diesen Jahren in erster Linie als Bildungsbewegung auftritt und weniger die ökonomischen Rechte der Frauen im Blick hat. 1877 macht Dohm Die Geheimratstochter zum Thema, um die Notwendigkeit ökonomischer Selbstständigkeit von Frauen plastisch darzulegen. Interessanterweise stellt sie hier – mit Blick auf das Zielpublikum des Mediums wohl ein taktischer Schachzug[4] – nicht das Menschenrecht der Frau um ihrer selbst willen in den Vordergrund, sondern das Wohl der Gesellschaft:

„Es gibt ein sehr einfaches Mittel, die Nachteile, die gegenwärtig der Gesellschaft aus der Überzähligkeit der Frauen erwachsen, in Vorteile zu verwandeln. Dies Mittel heißt: die ökonomische Selbstständigkeit der Frau. Sobald die Erziehung eine ihrer Hauptaufgaben: den Menschen zu befähigen, dass er selbstständig existiere, gelöst haben wird, fällt die Unverheiratete weder sich noch dem Staat zur Last, sondern tritt damit in die Reihen der nützlichen und willkommenen Glieder der menschlichen Gesellschaft. – Der Weg zur ökonomischen Selbstständigkeit der Frau beginnt bei der Erziehung.“[5]

Später wird sie auch in ihren publizistischen Arbeiten das Argument, Frauenrechte verbesserten die Gesellschaft als Ganzes, als Zumutung von sich weisen, – Rechte stehen der Frau zu, weil sie Mensch ist, nicht, um dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen.

Dohm, die sich in vielen Genres meisterinnenhaft schreibend bewegt, macht es geradezu zu ihrem ästhetischen Prinzip, die Charakteristika der Genres zu vermischen. In Rezensionen der späteren Jahre, in denen sie sich an bekannten AntifeministInnen abarbeitet, schreibt sie intensiv dialogisch, fast dramatisch, in Rede und Gegenrede. Das macht die Texte noch heute so geeignet für die Bühne. Dohm klärt nicht auf, indem sie belehrt, sondern durch Witz und Ironie. Die Ironie erzeugt eine Überlegenheit, an der die antifeministischen Angriffswellen zerschellen, selbst die eines auch unter Feministinnen hochverehrten Emanzipationsphilosophen: Friedrich Nietzsche. Gerade bei ihm, im Text Nietzsche und die Frauen aus dem Jahr 1898, wird Dohms polemisches Verfahren besonders deutlich. Sie stellt mehrere, sich widersprechende Thesen desselben Autors nebeneinander, bezieht sie aufeinander und macht die krasse Unlogik überdeutlich. Gelegentlich eingeflochtene, kontrastierende „Alltagserfahrungen“ dienen noch der Steigerung des Absurden – und sind keinesfalls als tatsächliche biografische Fakten aus Dohms Leben zu verstehen.

Durch dieses Verfahren, mit dem Dohm immer wieder Kernthesen des herrschenden Diskurses aufknackt, zeigt sie, wie „Frau“ gemacht wird, wie Geschlecht sozial hergestellt wird. Sie nimmt ganz wesentliche Erkenntnisse der feministischen Diskussion um Gender, um die Kontingenz und Performativität der Geschlechter, in den 1990er Jahren voraus, wenn sie hundert Jahre zuvor beschreibt, dass geschlechtsspezifische Identität anerzogen wird und erst erlernt, kulturell und sozial eingeübt werden muss. Und sie wird nicht müde, die politischen und ökonomischen Gründe für die Entrechtung der Frauen zu benennen. Immer wieder macht sie klar, dass Geschlecht nichts Natürliches, nichts Essenzielles ist.

in Beispiel unter vielen findet sich in Dohms Feuilleton Laura Marholms „Buch der Frauen“, 1895 in der Frauenbewegung erschienen:

„Die Männer sind so und die Frauen sind so. Keine Spur: Manche Frauen sind so, aber die meisten wieder ganz anders, und ebenso die Männer. Wäre diese Scheidung eine von der Natur gewollte, so müssten wir bedauernd konstatieren, dass sich unter den Frauen sehr viele Männer (Mannweiber) und unter den Männern sehr viele Frauen (Weibmänner) eingeschlichen haben. […] Dass irgendwelche feinen geistigen Verschiedenheiten zwischen Mann und Frau existieren, halte ich für wahrscheinlich. Worin sie bestehen, weiß heutzutage kein Sterblicher. Ein Jahrhundert der Gleichberechtigung mag vielleicht hingehen, ehe die heutigen Hypothesen einer wissenschaftlichen Begründung weichen werden.“ [6]

Davon sind wir auch 2016 immer noch weit entfernt.

 

 

 

Leseprobe

 

Herrenrechte

Die Zukunft, Berlin, Bd. 14, 14.3.1896[7]

 

Julius Duboc[8] fällt in dem Aufsatz „Die äußerste Linke der Frauenbewegung“ ein abfälliges Urteil über die modernen Frauenbestrebungen. Ich möchte einiges darauf erwidern. Aufsätze wie der von Duboc können der Frauenwelt nur willkommen sein. Sie nützen ihr mehr als die lauen Konzessionen, die gemäßigte Gegner der Frauenbewegung neuerdings zu machen pflegen. Jenes Reichstagsmitglied des Zentrums, das die orthodoxesten Folgerungen aus der Umsturzvorlage zog, hat mehr zu ihrem Sturz beigetragen als die kühnsten sozialistischen Argumente.

Drei Punkte sind es, ziemlich unwesentliche, scheint mir, die Julius Duboc mit den Pfeilen seines Spottes zu treffen sich bemüht.

Gleich im Anfang macht er sich lustig über die Frauenversammlungen, die, gleich den Parlamenten, als Rechte und Linke miteinander streiten.

Ist Duboc ein Denker? Das heißt, er brauchte gar kein Denker zu sein, um bemerkt zu haben, dass bei jeder sozialen oder politischen Bewegung eine Rechte und eine Linke sich bildet, – nicht als ein unvermeidliches Übel, sondern als ein notwendiger Faktor, ein Perpendikel, das in dem Uhrwerk der Kultur ein Vorgehen oder Nachgehen verhütet. Die Rechte im Parlament, ohne die Linke gedacht, würde einer chinesischen Mauer gleichen, undurchlässig für jede soziale Neugestaltung. Der Druck der Linken bringt sie sacht und allmählich zum Weichen. Der Linken gegenüber verhütet die Rechte, unter Umständen, dass Früchte vom Baum der Kultur gepflückt werden, ehe sie reif sind. Wenn also eine Frauenbewegung überhaupt zu existieren sich erlauben darf, so ist nichts einfacher und natürlicher, als dass alle Meinungsschattierungen eines rechten und linken Flügels in ihr zu Tage treten.

Aber Herr Duboc lacht.

Vor Helene Lange, der Vertreterin der Rechten, legt er seinen neckischen Ausfällen Zügel an. Ob Helene Lange, mit ihren Gymnasialkursen, sich nicht als Stürmerin und Drängerin verdächtig machen würde, wenn die radikalen Draufgängerinnen der Linken ihrem edlen Maße nicht zur Folie dienten? In der heutigen Frauenbewegung vertritt die Rechte die praktische Seite, das augenblicklich Erreichbare. Die Linke zeigt die Ziele der Bewegung in der Zukunft.

Das zweite Schadenfeuer, das Duboc mit den Wasserstrahlen (ich meine das Wasser nicht böse!) seines Witzes löschen will, ist das eheliche Verhältnis, wie es sich aus der von den Frauen gewollten Neuschöpfung entwickeln würde. Er sagt: „Wenn von Zweien, die sich zusammengetan haben, keiner der Stärkere (im Sinne des Gebieters) sein soll, so weiß ich nicht, wo im Fall von Meinungsverschiedenheiten die Entscheidung herkommen soll. Eine Ehe lässt sich doch nicht sofort bei einer auftauchenden Meinungsverschiedenheit auflösen, folglich muss es einen Modus geben, die Entscheidung herbeizuführen …… In der Ehe bildet bis jetzt, prinzipiell und gesetzmäßig, das „Manns Hand haben“ die Majorität. Tatsächlich dreht sich das Verhältnis auch gelegentlich einmal um, wenn, um im Volksmund zu reden, die Frau die Hosen anhat. Welcher dritte Fall aber, wenn diese beiden Fälle ausgeschlossen sind, noch denkbar wäre, um eine Entscheidung herbeizuführen, entzieht sich der Berechung…“ Ja, wie soll das werden?

Ich meine, es wird sich nach der Neuschöpfung zu Gunsten der ehelichen Harmonie ändern.

Wie ist es jetzt? Sehr gelehrte und sehr arbeitsame Herren, wie Julius Duboc, pflegen selten Zeit und Lust zu haben, sich um das Eheleben ihrer Mitmenschen zu kümmern. Sie würden sonst wissen, dass nicht gelegentlich einmal, wie Duboc meint, die Frau die Hosen anhat, sondern dass sie mindestens in der Hälfte der Ehen – um in seiner Ausdrucksweise zu bleiben, den Pantoffel schwingt. Sie schwingt ihn in allen Fällen, wo sie die Energischere oder die Schlauere oder die Feinere oder auch nur die Praktischere ist. Herr Duboc frage nur seine Frau, falls er verheiratet ist. Aber er wird sie gewiss nicht fragen.

Dass in sehr vielen Fällen die Männer nicht merken, dass sie beherrscht werden, ändert an der Tatsache nichts, wenn es auch für das Glück vieler Ehen von unschätzbarem Wert ist.

Warum nun wird die von den Frauen erstrebte geistige und ökonomische Selbstständigkeit günstig auf die Lösung von Meinungsverschiedenheiten in der Ehe wirken?

Mag der Mann immerhin annehmen, dass die geistige Superiorität ihm angeboren sei: Zugeben wird er, dass Kenntnisse, Stellung, Amt (Sohm[10] besteht wohl nicht ganz mit Unrecht auf den Kausalnexus von Weihe und Kraft!), Weltverkehr usw. angetan sind, seine geistige Höhe wesentlich zu steigern. Wird nun auch die Frau dieser Vorzüge teilhaftig und ihm dadurch einigermaßen ebenbürtig, so werden die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen eher zu einer Klärung als zu unlösbaren Konflikten führen. Zweitens: Die ökonomisch selbstständig gewordene Frau ist der Nötigung, um der Versorgung willen den erstbesten Mann zu heiraten, überhoben. Sie wird also, in den weitaus meisten Fällen, den Gefährten wählen, der im Grundton seines Wesens, in Denkart und Gesinnung, mit ihr übereinstimmt, – was eine weitere Einschränkung schroffer und die Ehe zersetzender Meinungsverschiedenheiten zur Folge haben dürfte.

Da es bei Ebenbürtigen kein Gebieten und kein Gehorchen mehr gibt, bliebe immer noch das – nach Duboc – unlösbare Rätsel, wer in dem dritten Falle (die dritten Fälle bilden wohl auch jetzt die Mehrzahl), wo weder Mann noch Frau Herrenrechte übt, die Entscheidung herbeiführen soll. Eine lebenslängliche Gemeinschaft zweier Menschen ist in der Tat ohne Meinungsverschiedenheiten undenkbar (falls dem einen Teil nicht die Rolle des nickenden chinesischen Pagoden aufgezwungen wird) und auch wohl kaum wünschenswert. Ein gemütlicher Pastor, dessen Intelligenz sicher nicht im Entferntesten an den Scharfsinn Dubocs heranreicht, löste dieses Rätsel gelegentlich der Trauung meines Dienstmädchens sehr einfach. „Vertragt euch!“ sagte er zu dem Brautpaar. „Wir können nicht alle ejal sein. Eins muss sich in das andere schicken.“

Ja, gegenseitiges Nachgeben und vor allem Liebe und Güte, nicht Befehle, überbrücken die Gegensätze. Die gewalttätige Unterdrückung ihrer Äußerungen aber erzeugt Feindseligkeit, hinterlistigen, tückischen Kampf, erzeugt die innere Auflösung der Ehe, die doch nicht weniger verhängnisvoll ist als die äußere.

Man darf vielleicht annehmen, dass der in der Frauenfrage so orthodoxe Duboc gottesgläubig ist. Von Mannes wegen soll der Gatte in der Ehe entscheiden; aber auch von Gottes wegen? Müsste nicht, um der Heiligkeit der Ehe willen, die vorzugsweise von unseren Gegnern so begeistert proklamiert wird, der bessere, edlere, sittlichere Teil den Ausschlag geben? Ist das immer der Mann? Kommt es wirklich nur darauf an, dass der Mann herrsche, gleichviel, ob sie ein Tugendspiegel ist und er in der Sünde Maienblüte steht? Oder meint Duboc: Gott wird richten, der Mann aber kann nichts anderes tun als – natürlich bildlich – feste dreinhauen? Ich war an einem Silvesterabend zugegen, als so ein Herrenrechtler (er braute noch am Punsch) seine Frau, die mit dem Glockenschlag Zwölf „Prosit Neujahr!“ rief, zur Ruhe wies mit den Worten: „Ich habe hier zu bestimmen, wann Mitternacht ist!“

Sind die auf diesem Standpunkt Stehenden nicht letzte Ritter des Faustrechtes? Nicht Ritter von der traurigen Gestalt? Traurig, nicht sowohl, weil sie an alte Ideale, an überlebte Zustände sich anklammern, als weil sie neuen Idealen höhnend sich entgegenstemmen.

Duboc erwähnt den trefflichen Schriftsteller Gasparin, der die Zeit ausmale, wo der Mann dazu verdammt sein werde, den Kochlöffel zu führen und die Kinder zu wiegen. Spaß muss sein!

Ein anderer, sonst auch trefflicher Herr vertraute mir einmal, dass er sich nie mit einer Ärztin verheiraten würde, aus Angst, sie könnte eines Tages seinen Gänsebraten mit einem Skalpell tranchieren. Ich riet ihm, Vegetarier zu werden. Spaß muss sein!

Übrigens könnten sich ja die Männer à la Duboc vor der schrecklichen Eventualität, nicht in allen ehelichen Streitigkeiten der ausschlaggebende Teil zu sein, dadurch schützen, dass sie nur von der Frauenfrage unbeleckte und von Duboc gebilligte Jungfrauen ehelichen. Ich fürchte nur, angesichts der erwerbenden Frau – besonders, wenn sie sehr viel erwirbt – werden sie dem Kochlöffel und ihren Prinzipien die Treue brechen und massenhaft ins Lager der Emanzipierten abschwenken.

Am Schluss meint Duboc, es dürfte sich nicht empfehlen – obwohl er begreift, dass die Frauenbewegung von den Männern en bagatelle behandelt wird –, die Dinge gar so leicht zu nehmen. „…Kinder spielen ja wohl auch mit Feuerwaffen, und das kann sehr harmlos verlaufen, – nur dürfen die Waffen nicht geladen sein, sonst können sie sich und anderen Schaden tun.“

Sich? ach nein! Aber den anderen, das heißt: den Epigonen des Faustrechtes? Vielleicht! Wenn auch nur dadurch, dass ihnen die Bewegung ärgerlich ist. Vielleicht auch durch die Konkurrenz, die ihnen die Frauen hier und da machen werden. Aber wo steht geschrieben, dass die Frau immer fasten soll, während der Mann an der besetzten Tafel sitzt? Wer von uns kennt nicht irgendein Geschwisterpaar, von dem der Bruder ebenso ungewöhnlich unbegabt wie die Schwester ungewöhnlich begabt ist? Er aber erwirbt vielleicht Millionen (Dummheit kein Hindernis!), oder er nimmt im Staat eine ragende, einflussreiche Stellung ein (Dummheit kein Hindernis!), während sie, hungrig nach Existenz, als „Tante“ oder kärglich besoldete Lehrerin bei Seite steht.

Das gefällt vielleicht den Brüdern. Aber den Schwestern gefällt es nicht. Auch die Schwestern wollen Millionen erwerben können, solange die Millionen noch nicht abgeschafft sind. Auch sie wollen Geheimräte und – ja, auch (alle Dubocs der Welt lachen!) Minister werden, und ich möchte einen Eid leisten, die meisten Frauen wären außer Stande, eine Rede von so kindlicher, so verschollener Einfalt zu halten, wie sie jüngst über eine Frage der Frauenbildung ungeniert und öffentlich von den Lippen eines Ministers (keines preußischen!) geflossen ist.

Duboc sieht voraus, dass die Frau der Zukunft dem Manne gegenüber das „ôte-toi que je m´y mette!“ ins Werk setzen werde. Ja, das wird sie, das soll sie, in all den Fällen, wo er durch unlauteren Wettbewerb – indem er sein Geschlecht ins Treffen führt – ihr den Sieg streitig macht. Verwunderlich, dass gerade Duboc dieses „ôte-toi que je m´y mette!“ von der Frau fürchtet, da doch, nach seinem Dafürhalten, der Mann der geistig Stärkere ist. Aus Galanterie wird er sich doch nicht verdrängen lassen, umso weniger, da ja bekanntlich die Emanzipationslustigen mit Unschönheit und Ältlichkeit von Gott gezeichnet sein sollen. Müsste er nicht schadenfroh die Frau gewähren lassen, damit sie sich, wie der Skorpion, in ihren eigenen Stachel sticht und, durch ein klägliches Fiasko ihre Unfähigkeit beweisend, dem Nimbus des Mannes zu frischem Glanz verhilft?

Unsere Herrenrechtler pflegen in der Hauptsache die Minderwertigkeit der Frau auf ihre Natur zurückzuführen. Die Natur des Weibes! Und die Natur des Mannes? Ist der Mann von heute etwa ein natürliches Produkt der Schöpfung? Nicht ebenso wie die Frau ein durch bestimmte soziale Bedingungen historisch Gewordenes? Hätte z. B. Schopenhauer wie Stuart Mill[13] eine edle und intelligente Frau geheiratet, anstatt sich einen Harem zu halten, er wäre sicher in seinen Urteilen über die Frau zu ganz anderen Resultaten gelangt. Von ursprünglicher Natur kann etwa bei dem Wilden die Rede sein, der, wenn er Hunger hat, seine Mitmenschen auffrisst und der das Weib vergewaltigt, wenn ihn die Lust dazu anwandelt. Gott schütze uns vor der ursprünglichen Natur!

Ich brauche niemanden zu fragen, was in der Frauenbewegung das Richtige ist. Ich weiß es. Der, dem ein Dachziegel auf den Kopf fällt, weiß, dass das Dach schadhaft ist. Er braucht es nicht erst untersuchen zu lassen. Wenn man mich um des Umstandes willen, dass ich mit weiblicher Körperbildung zur Welt kam, des Rechtes beraubte, meine Individualität zu entwickeln, wenn man der nach Wissen und Erkennen Verlangenden den – von Duboc wirklich überschätzten – Kochlöffel in die ungeschickte Hand drückte, so jagte man damit eine Menschenseele, die geschaffen war, herrlich und nutzbringend zu leben, in ein wüstes Phantasieland wilder und unfruchtbarer Träumereien, aus dem sie erst erwachte, als dieses Leben zur Neige ging.

Wer so des Weibtums ganzen Jammer in der eigenen Brust gefühlt hat, der ermisst an dem Schmerz der nie vernarbenden Wunden die tödliche Ungerechtigkeit der bisherigen Weltordnung.

Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt. Darum eben lacht Herr Duboc.

Übrigens muss ich ihm das Zugeständnis machen, dass es keine quantité négligeable unter den Frauen ist, die seine Gesinnung teilt. Ich war selbst kürzlich sehr erstaunt, als in einem Kreis von Damen – sehr gebildeten – die meisten die Minderwertigkeit ihres Geschlechts bejahten, scheinbar mit einiger Berechtigung, denn diese Damen waren untergeordnet, – aber nicht nur vielen Männern, sondern auch vielen Frauen.

Und wollt ihr wissen, wie von Kindheit an das Superioritätsbewusstsein im männlichen und das Inferioritätsgefühl im weiblichen Geschlecht genährt und großgezogen wird? Ich weiß ein Beispiel, ich weiß ein Lied aus dem Büchelchen „Kinderwelt“, das ich unlängst in den Händen meiner kleinen Enkelin fand:

 

Jungen und Mädchen

 

Müller, Müller, mahl er!

Die Jungen kosten nen Taler,

Die Mädchen kosten nen Taubendreck,

Die schuppt man mit den Beinen weg.

 

Müller, Müller, mahl er!

Die Mädchen kriegen nen Taler,

Die Jungen kriegen n Reiterpferd

Das ist wohl tausend Taler wert.

 

Herr Duboc lacht. Ich nicht.