Zurück zur letzten Seite                    Zur Startseite des Verlages       Stand: 12.03.2020

Stella Lunit Riebel

 

Wege zur Gesangskarriere.

Empirische Untersuchungen zur Talententwicklung im Operngesang unter besonderer Berücksichtigung des Kindes- und Jugendalters bis zur bestandenen Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin in den Jahren 1973–1989 und 1992–2010

 

 

 

 

 

2020, [= Hochschulschriften, Bd. 58], 449 S., ISBN 978-3-86464-127-5, 49,80 EUR

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Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen 11

Zur Schreibweise 16


1 Talententwicklung im Operngesang im Kindes- und Jugendalter: Forschungsstand und Theoretischer Rahmen 17

1.1 Bisherige Forschungen und Fragestellungen zu Singenden im Opernbereich 17

1.2 Theoretische Grundlagen zur Talentforschung aus Soziologie und Psychologie 28

1.3 Methoden des Forschungsansatzes spezieller Untersuchungen im Bereich Gesang und deren Problematisierung 35

1.3.1 Theoretische Vorüberlegungen zur Studie 35

1.3.2 Vorannahmen, Forschungsfragen und Hypothese 42

1.4 Theoretischer Stand der Diskussion – Einige ausgewählte Positionen 47

1.4.1 Theoriefeld Begabungsforschung 47

1.4.2 Definitionen und Festlegungen im Vorfeld der Studie 50

1.4.3 Katalysator als wissenschaftliche Kategorie 57

1.4.4 Theoretische Modelle in der Begabungsforschung 59

1.4.5 Das differenzierte Modell von Begabung und Talent 2.0

von Francoys Gagné 64

1.4.5.1 Allgemeine Beschreibung des DMGT 2.0 64

1.4.5.2 „Evolution“ des DMGT 67

1.4.5.3 Wahl des DMGT 2.0 update 2008 als Forschungsbasis 72

1.4.5.4 Anwendung des DMGT 2.0 74

1.4.5.5 Natürliche Fähigkeiten/Begabungen im Operngesang 78

1.4.5.6 Katalysatoren eines menschlichen Entwicklungsprozesses 82

1.4.5.7 Systematisch entwickelte Kompetenzen/Talente 86

1.4.5.8 Sängerischer Talententwicklungsprozess 87

1.4.6 Forschungsfokus: Operngesang 88

1.4.7 Exkurs: Hochbegabung und Hochkultur – Superlative in der Konsumgesellschaft 89

1.4.8 Soziale Umweltbedingungen für Operngesang im historischen Kontext 92

1.5 Erschließen des Forschungsfeldes „BewerberInnen im Operngesang an der HfM“ 94

1.5.1 Strategisches Herangehen und erste Feldversuche 94

1.5.2 Historisch vergleichender Forschungsansatz und Probleme harter Datenbasis 95

1.5.3 Entwicklung von Pretests mit Fragebögen und einem Interview 96

1.6 Methodenwahl und Vorgehensweise, Grounded Theory und Mehrmethodenansatz 98

 

2 Entwicklungsstationen für OpernsängerInnen im Osten Berlins in zwei Forschungszeiträumen: Verstehenshorizont 103

Einleitung 103

Ziele und Schwerpunkte des literarischen Quellenstudiums 105

Zur Gliederung des 2. Teils 107

2.1 Sängerische und allgemeinmusikalische Bildung im gesellschaftlichen Wandel 108

2.2 Berufsbild von OpernsängerInnen im gesellschaftlichen Wandel 112

2.2.1 Berufsbild im Osten Berlins 1973–1989 112

2.2.2 Berufsbild im Osten Berlins 1992–2010 114

2.3 Intrapersonale Voraussetzungen für den SängerInnenberuf 121

2.3.1 Aspekte persönlicher Bedingungen im Gesang 121

2.3.2 Wissensstand und Sichtweisen zu den Eignungskriterien in beiden FZ 123

2.3.3 Besondere Motivation zum und Persönlichkeitseigenschaften für den Operngesang in beiden FZ 130

2.4 Sozial umweltbedingte Voraussetzungen für den SängerInnenberuf 134

2.4.1 Milieu und Bezugspersonen: Musik im Elternhaus – Wirkfaktoren 134

2.4.2 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen: Musik in der Schule 141

2.4.2.1 Exkurs: Schulmusik in Berlin in den 1920er Jahren 141

2.4.2.2 Schulmusikunterricht im Osten Berlins 1973–1989 146

2.4.2.3 Schulmusikunterricht im Osten Berlins 1992–2010 161

2.4.3 Bezugspersonen: GesangslehrerInnen an staatlichen Musikschulen 180

2.4.4 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen: staatliche Musikschulen 183

2.4.4.1 Exkurs: Musikschulen in Berlin in den 1920er Jahren 183

2.4.4.2 Staatliche Musikschulen im Osten Berlins 1973–1989 186

2.4.4.3 Musikschulentwicklung 1990 200

2.4.4.4 Staatliche Musikschulen im Osten Berlins 1992–2010 201

2.4.4.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Lehrvorgaben beider FZ 213

2.4.5 Gesangswettbewerbe 214

2.4.6 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Studienzulassung an der HfM 219

2.4.6.1 Exkurs: Musikhochschule Berlin in den 1920er Jahren 219

2.4.6.2 HfM „Hanns Eisler“ Berlin 1973–1989 221

2.4.6.3 HfM „Hanns Eisler“ Berlin 1992–2010 223

2.4.6.4 Begabtenförderung der HfM „Hanns Eisler“ Berlin 224

2.4.6.5 HfM „Hanns Eisler“ Berlin und Komische Oper Berlin 229

2.4.6.6 Zulassung zum Studium im Fach Gesang/Musiktheater an der HfM 230

 

3 Erfolgreiche BewerberInnen auf dem Weg zum Operngesangsstudium: Empirische Studie 245

3.1 Vorbereitung und Ablauf der Befragungen 245

3.2 Talententwicklung im Gesang in Berlin 247

3.2.1 Ergebnisse der Pretests von ProfessorInnen und einem Dozenten 247

3.2.2 Ergebnisse der Pretests von GesangsstudentInnen 250

3.2.3 Vergleich der Pretests beider Gruppen 256

3.2.4 Ergebnisse der Pretests von GesangsschülerInnen im Vergleich 258

3.3 Talententwicklung im Gesang in einer Fragebogenerhebung 263

3.3.1 Ablauf der Fragebogenerhebung 263

3.3.2 Ergebnisse der Fragebögen 266

3.3.2.1 Ergebnisse der Fragebögen von erfolgreichen BewerberInnen an der HfM 266

3.3.2.2 Ergebnisse der Fragebögen von „durchschnittlichen“ GesangsschülerInnen 273

3.3.2.3 Vergleich von erfolgreichen BewerberInnen mit GesangsschülerInnen 277

3.3.2.4 Ergebnisse der Fragebögen von Gesangslehrerkräften im Vergleich 280

3.4 Talententwicklung in Interviews mit erfolgreichen BewerberInnen an der HfM 290

3.4.1 Experteninterviews als Hauptquelle der Untersuchung 290

3.4.2 Leitfadenerstellung zur Talententwicklung von Singenden 291

3.4.3 „Das verstehende Interview“ von J.-C. Kaufmann als Vorgehensweise 292

3.4.4 Durchführung teilbiografischer Interviews – ein Überblick zum Ablauf 294

3.4.5 Auswertung der Interviews nach der Qualitativen Inhaltsanalyse von Philipp Mayring unter Nutzung von MAXQDA 296

3.4.6 Ergebnisse der Experteninterviews 298

3.4.6.1 Codebuch 298

3.4.6.2 Interviewergebnisse nach Codes geordnet 303

 

4 „Weil diese Liebe geht einfach von Mensch von Mensch“: Ergebnisauswertung der Studie 387

4.1 Intrapersonale Katalysatoren des Talententwicklungsprozesses 390

4.2 Sozial umweltbedingte Katalysatoren des Talententwicklungsprozesses 395

4.3 Posa – ein singendes Wunderkind 406

4.4 Soziale Förderfaktoren und systemabhängige Entwicklung der Erfolgschancen: Beantwortung der Forschungsfragen und

Bestätigung der Hypothese 414

4.5 Modell der Katalysatoren im Bereich Operngesang 422

4.6 Résumé und Ausblick 422

 

Abbildungsverzeichnis 427

 

Quellenverzeichnis 428

1 Literatur und Dokumente 428

2 Internetquellen 442

3 Graue Quellen 446

4 Link zum Anhang der Forschungsarbeit 446

 

Abkürzungsverzeichnis 447

 

Über die Autorin 449


Vorbemerkungen

Talententwicklung von jungen Menschen im Bereich des Operngesanges beschäftigt die Gesangspädagogik schon seit langem. Rückblickend auf eine 37-jährige Tätigkeit in diesem Bereich sind Fragen nach Möglichkeiten der positiven Beeinflussung von Gesangskarrieren zu einem wichtigen Anliegen geworden, das weit über das eigentliche Unterrichtsgeschehen hinausführt. Zudem wurden gewohnte Handlungs- und Wertemuster durch den gravierenden gesellschaftlichen Wandel im Zuge der Einigung Deutschlands in Frage gestellt. Es entstand das Interesse, gesellschaftliche Verhältnisse und Entwicklungen von sängerisch Begabten sowie deren wechselseitige Beziehungen zu untersuchen. Die eigenen Erfahrungen aus der Bewerbung und dem Studium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin Ende der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre sowie die danach folgende gesangspädagogische Arbeit in Berlin bilden Ausgangspunkte bei der Betrachtung von Entwicklungsprozessen sängerisch Begabter.

Gegenstand der empirischen Studie ist die Entwicklung von Operngesangskarrieren vor Beginn eines entsprechenden Studiums, also im Kindes- und Jugendalter. Die zentrale Forschungsfrage in diesem bisher noch nicht näher untersuchten Gebiet geht den persönlich-biografischen und institutionellen Förderfaktoren und deren wechselseitigen Beziehungen im Talententwicklungsprozess im Operngesang und damit den Erfolgschancen zur Aufnahme eines Gesangsstudiums an einer staatlichen Musikhochschule nach. Ziel dieser Pilotstudie ist es vor allem, die im Talententwicklungsprozess in diesem Lebensabschnitt wirkenden Katalysatoren umfassend zu untersuchen und dazustellen. Es geht also um Förderfaktoren im Erwerb systematisch entwickelter Kompetenzen hinsichtlich sängerischer und musikalischer Qualität und Perfektion sowie emotionaler Wirkung und Ausstrahlung. Zu beachten ist, dass nicht alle Detailfacetten des Singens vollständig wissenschaftlich erfassbar sind. Auch dem Singenden selber verbleiben letztendlich immer sehr individuell geprägte Geheimnisse um diesen Prozess seelischer und körperlicher Betätigung mit dem akustischen Resultat stimmlich-musikalischer verbaler und nonverbaler Äußerungen. In einer Gesangskarriere gibt es darüber hinaus auch Erfolgsfaktoren, die nicht vorrangig und nicht allein der sängerischen Leistung geschuldet sind. Selten kommt es zu sensationellen Erfolgen außergewöhnlicher internationaler Spitzenstars. Karrieren talentierter SängerInnen sind vor allem Entwicklungen von SolistInnen im regulären Opernbetrieb mit weniger Medienaufmerksamkeit. OpernchorsängerInnen, GesangspädagogInnen und VertreterInnen verwandter Berufsgruppen wie MusiktherapeutInnen, LogopädInnen, MusiklehrerInnen u.a. sind ebenfalls von Interesse, da sie das notwendige Umfeld des Sologesanges prägen und oft großartige Leistungen vollbringen, wofür sie mehr oder weniger umfangreiche stimmliche Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigen. Es ist deshalb von gesellschaftlicher Relevanz, eine qualitativ hochwertige Gesangsausbildung und eine entsprechende Begabungsförderung in breiterem Umfang zu ermöglichen. Zum immer wichtiger werdenden lebenslangen Lernen gehören im SängerInnenberuf zunehmend eine Aufteilung bzw. Ergänzung des herkömmlichen Arbeitsfeldes, aber auch der Orientierungswechsel nach der Bühnenkarriere. Es gibt viele Bereiche, in denen sich Singende betätigen. Deshalb erfolgt die Eingrenzung bewusst auf das Gebiet des Gesanges, welcher zumeist als klassisch bezeichnet wird, aber mehr musikgeschichtliche Epochen umfasst als die Klassik, so wie er an Deutschlands Musikhochschulen und Universitäten unterrichtet wird. Solches Bühnensingen erfordert neben den bereits genannten, noch weitere Fähigkeiten, wie z.B. die körperliche Darstellung der Rolle, der sängerisch-musikalische Umgang mit der Gesangspartie, die Gestaltung des Textes u. v. m. Die Ursachen, Wirkfaktoren und Voraussetzungen einer Gesangskarriere sind sehr vielschichtig, und ihre Untersuchung kann nicht alle Aspekte bis ins Detail allgemeingültig klären. Eine umfassende Analyse der Prozesse einer SängerInnenentwicklung ist von großem Interesse für SängerInnen, GesangspädagogInnen und alle diejenigen, denen an einer Förderung von SängerInnennachwuchs gelegen ist. Die notwendigen persönlichen Voraussetzungen zum Bestehen einer Aufnahmeprüfung im klassischen Gesang, meist alltagssprachlich unter dem Begriff „Gesangstalent“ zusammengefasst, werden identifiziert und in ihrer Wirkung analysiert. Dabei spielen ein einheitliches Bewertungssystem, aber auch wichtige Bewertungskriterien eine wesentliche Rolle, um die Befunde der untersuchten Zeiträume 1973–1989 und 1992–2010 vergleichen zu können.

In bisherigen Forschungen existieren weder einheitliche Begriffsdefinitionen noch ein übereinstimmendes Verständnis für diesen Bereich. Der OpernsängerInnenberuf hat besondere Anforderungen und kann deshalb auch mit dem MusikerInnenberuf an Opernhäusern in vielen Punkten nicht gleichgesetzt werden. Daher werden spezifische Eignungskriterien wie Stimme, Ausstrahlung, Persönlichkeitseigenschaften, sängerische und musikalische Voraussetzungen umfangreich untersucht. Zum Thema Begabung und Talent für den SängerInnenberuf besteht ein großes Diskussionspotenzial; es handelt sich weitgehend um ein Forschungsdesiderat. Was sind natürliche Voraussetzungen, was sind erlernte Fähigkeiten? Nicht immer kann man beides voneinander trennen. Zwei zentrale Ausgangsfragen sind: Welche Faktoren sind ausschlaggebend für den Erfolg von BewerberInnen im Gesang? Welche davon können durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen maßgeblich gefördert werden? Um die Fragen nach der SängerInnenentwicklung insgesamt, nach den gesangsspezifischen Besonderheiten, nach der Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Verhältnissen, nach den Förderungsvariablen und nach dem Talentbegriff im Gesang zu beantworten, ist ein interdisziplinäres Herangehen unerlässlich. Dazu werden Forschungsmethoden und -perspektiven der Psychologie, der Musiksoziologie, der Sozialwissenschaften, der Pädagogik und der Kulturwissenschaften für diese Untersuchung nutzbar gemacht. Der Schwerpunkt der Forschung wurde auf musiksoziologische Fragestellungen gelegt. Von spezieller Bedeutung sind dafür Elemente der musikalischen Begabungsforschung vor dem Hintergrund der historischen Bildungsforschung, wenngleich die Begabung von einzelnen Personen selber nicht untersucht wurde. Von besonderer Relevanz sind die Forschungen von Francoys Gagnè, Gary Mc. Pherson und Heiner Gembris. Als tragfähige Untersuchungsbasis und geeignetes Forschungswerkzeug erweist sich das Differenzierte Modell von Begabung und Talent von Francoys Gagné (DMGT) in der Version 2.0 von 2008. Es handelt sich um ein allgemeines fachübergreifendes Modell, das die natürlichen Fähigkeiten von Hochbegabten, die Katalysatoren, den Entwicklungsprozess sowie die systematisch entwickelten Kompetenzen von besonders Talentierten umfasst, wobei eine deutliche Unterscheidung von Begabung und Talent zugrunde gelegt ist. Die Gültigkeit dieses Modells hinsichtlich des klassischen Gesanges wird geprüft. Zudem werden Möglichkeiten einer Modifizierung und Weiterentwicklung diskutiert. Dabei ist eine Untersuchung unterschiedlicher gesellschaftlicher Rahmenbedingungen hilfreich. Die Studie intendiert weiterhin, Sängerspezifisches auf der Grundlage dieses Modells zu identifizieren, wobei beachtet werden muss, dass Gesangsbegabungen sehr speziell sind; man kann sie nicht automatisch in die allgemeine musikalische Begabungsforschung einordnen. In der Untersuchung ist hauptsächlich die sängerische Perspektive zum Forschungsgegenstand eingenommen worden, basierend auf qualitativen berufsbiografischen Face-to-Face Experteninterviews und Fragebögen. Empirische Daten zu erheben, ist unverzichtbar, weil nur so die Entwicklung von sängerischen Begabungen in Kindheit und Jugend konkret zu untersuchen und die Forschungsfragen zu beantworten sind. Sozioökonomische Darstellungen und Dokumente liefern wichtige Grundlageninformationen für die Interpretation des empirischen Materials und deren historische Kontextualisierung. In den Interviews sind themenbezogene subjektive Vorverständnisse durch einen geeigneten Leitfaden zur Diskussion gestellt. Das empirische Material ist die Hauptquelle der Untersuchung. Es umfasst vor allem 16 Interviews mit erfolgreichen deutschen BewerberInnen an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin und Fragebogenerhebungen mit denselben ExpertInnen. Zusätzlich sind Auskünfte von Lehrkräften der HfM Berlin und eigenen GesangsschülerInnen zu Vergleichszwecken einbezogen. Die Auswertung erfolgt mit den Computerprogrammen MAXQDA 10+ sowie SPHINX nach der Grounded Theory. So sind erste Erkenntnisse gewonnen, die Perspektiven für weitere Forschungen weisen und begründete Vermutungen in die Diskussion einbringen. Die Streuung der ausgewählten InterviewpartnerInnen nach möglichst großer Unterschiedlichkeit der Personen, so nach Alter, Forschungszeitraum, Stimmfach, Geschlecht, Werdegang u.a., ermöglicht, auch mit vergleichsweise wenigen Befragten ein differenziertes Bild des Forschungsfeldes. Für die Untersuchung ist die Phase der SängerInnenentwicklung mit dem Bestehen einer Hochschulaufnahmeprüfung begrenzt und als Nachweis systematisch erworbener Fähigkeiten und Fertigkeiten im Gesang definiert. Diese Begrenzung erweist sich als notwendig und sinnvoll, um eine Erkundungsstudie zu erstellen, die ein erster Schritt auf dem Wege der Erkenntnisfindung bezüglich der intrapersonalen und der durch die soziale Umwelt bedingten Katalysatoren in der Talententwicklung von SängerInnen ist. Die Ergebnisse zeigen, dass jene Prozesse und Erfolgsfaktoren aus dem Gesangsbereich auch auf andere Gebiete der Talententwicklung übertragbar sind.

Die Dissertationsschrift ist in vier Teile gegliedert. Gegenstand des ersten Teils sind Forschungsstand zur Talententwicklung bei OpernsängerInnen, theoretische Grundlagen der Entwicklungspsychologie sowie Vorannahmen, Fragestellungen und Hypothese. Im zweiten Teil sind die Entwicklungsstationen von OpernsängerInnen vor Beginn eines Hochschulstudiums in den Jahren 1973–1989 und 1992–2010 auf der Grundlage von Forschungsliteratur und archivalischen Quellen beschrieben. Es sind vorrangig die gesellschaftlichen Bedingungen sängerisch-musikalischer Entwicklung in der Familie, in der Schule und im außerschulischen Unterricht sowie zur Zulassung an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin im Fach Gesang detailliert geschildert. Die Ergebnisse der ExpertInnenbefragungen sind im dritten Teil umfassend dargestellt. Im Mittelpunkt stehen Interviews mit erfolgreichen BewerberInnen im Fach Gesang/Musiktheater an der HfM Berlin, in denen der eigene künstlerische Werdegang im Kindes- und Jugendalter thematisiert ist. Der vierte Teil beinhaltet die Auswertung der Forschungsergebnisse, die Beantwortung der Forschungsfragen sowie die Bestätigung der forschungsbegleitenden Hypothese. Zudem sind das modifizierte DMGT als Katalysatorenmodell im Operngesang vorgestellt und ein Ausblick auf weitere Forschungen gegeben.

 

 

Über die Autorin

Stella Lunit Riebel arbeitet seit 1980 als Gesangspädagogin in Berlin.

An der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin studierte sie mit sehr gutem Erfolg Gesang und erwarb dort das Diplom als Sängerin und Gesangspädagogin.

Bereits im Alter von 18 Jahren gewann sie eine Goldmedaille im Bereich Gesang beim Zentralen Wettbewerb Junger Talente der DDR.

Es folgten 40 Jahre als Konzertsängerin in Deutschland und in europäischen Ländern auf der Bühne, aber auch in den Medien als Solistin bei Orchester- und kammermusikalischen Konzerten. Zunächst sang sie vor allem Barock- und Renaissancemusik, u.a. mit der Capella Fidicinia Leipzig und an der Volksbühne Berlin. Später bevorzugte sie zeitgenössische und oftmals russische Musik, Lieder von Friedrich Nietzsche sowie Musik der Sinti und Roma. Gesanglich betreut wurde sie in dieser Zeit von Kammersänger Peter Gougaloff, Deutsche Oper Berlin. Im Verlaufe ihrer Karriere spielte sie drei CDs ein, u.a. im Studio der Deutschen Oper, zwei davon in Zusammenarbeit mit der Pianistin Anna Kirichenko, Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. Zudem erteilte Frau Riebel Gesangsunterricht, u.a. an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin. Viele Jahre sang sie in speziellen Opernaufführungen für Kinder, leitete solche Projekte und schrieb dafür auch ein Libretto. Gegenwärtig beschäftigt sie sich verstärkt mit Forschungen zur sängerischen Talententwicklung von Kindern und Jugendlichen. Mit der vorliegenden Arbeit promovierte sie 2019 an der Universität Potsdam, Bereich Erziehungswissenschaften im Fach Musikpädagogik.