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Herbert Hörz

 

Ist Marxismus noch zeitgemäß? – Erfahrungen, Analysen, Standpunkte –

 

 

 

 

2016, 296 S., ISBN 978-3-86464-106-0, 26,80 EUR

 

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Inhalt

 

Vorwort                                                                         7

 

I. Marxismus in der aktuellen Diskussion                          13

    1.     Zur Aktualität des Marxismus                              13

    2.     Zur Implosion der „realsozialistischen“ Staaten     23

    3.     Marxismus und Kommunismus                            33

    4.     Marxisten über Marxismus und Marxisten             37

 

II. Zum Wesen des Marxismus und den aktuellen Herausforderungen     43

    1.  Das Wesen des Marxismus                                  43

        1.1. Praxisrelevanz der marxistischen Gesellschaftstheorie     44

        1.2. Marxismus als umfassende Weltanschauung       47

        1.3. Die ökonomische Lehre von Marx                      50

    2.  Aktuelle Herausforderungen in unserer Zeit          53

    3.  Sozialismus als Vision und Real-Utopie?               57

    4.  Marxistische Ethik und soziale Werte                    64

    5.  Der Streit um „Ismen“                                        74

    6.  Zur Krise des Marxismus                                     78

    7.  Wie weiter?                                                       83

    8.  Gibt es ein Monopol der Religionen für Seelsorge?   87

 

III. Marxisten in Aktion. Geschichte, Debatten und Präzisierungen der Theorie          95

    1.  Georg Klaus: schöpferischer Philosoph und Verteidiger des Marxismus         99

    2.  Dominique Lecourt: Marxistische Streitkultur         106

        2.1. Gründe für ein Vorwort                                    107

        2.2. Lenins Strategie                                            112

        2.3. Widerspieglung und Mechanismen des Erkenntniserwerbs                      116

        2.4. Determinanten der Wissenschaftsentwicklung   120

        2.5. Widerspieglung und Information: Aktuelle Debatten      122

        2.6. Grundlagen einer dialektischen Theorie des Bewusstseins                    128

    3.  Konrad Farner: Gedanken eines Marxisten zu Freiheit, Christentum und Frieden           134

    4.  Emil Fuchs und der Marxismus                          138

    5.  Georg Knepler: Wahrheitssucher und Humanist   142

    6.  Elmar Altvater: Naturdialektik, Ökologie und Ökonomie      148

        6.1. Positionen des Autors                                149

        6.2. Engels neu entdecken                                152

        6.3. Materialistische Dialektik, moderne Naturwissenschaft und Technologieentwicklung    154

        6.4. Materialistische Dialektik, philosophisches System und Zyklizität         161

    7.  Daniel Berrigan: Jesuit und Humanist                 168

 

IV. Marxismus in der Entwicklung. Fallbeispiele                     175

    1.  Was kann Philosophie?                                             175

        1.1. Philosophie, Wissenschaft und Praxis                    176

        1.2. Philosophie als Aufklärung und Orientierungshilfe   181

        1.3. Aktuelle Aufgaben                                         184  

    2.  Determination des Geschehens und die Rolle des Zufalls     188

        2.1. Reaktionen und aktuelle Auseinandersetzungen 189

        2.2. Gesetz und Zufall                                         192

    3.  Philosophie und Physik                                       198

        3.1. Zum Briewechsel mit Werner Heisenberg         200

        3.2. Reaktionen und Rezensionen                          203

        3.3. Heisenberg und die Folgen                             207

        3.4. Zur philosophischen Relevanz der Physik         209

    4.  Elementarteilchenphysik in philosophischer Sicht    214

        4.1. Philosophischer Materiebegriff und physikalische Materiestruktur       214

        4.2. Dialektischer Materialismus als Heuristik          217

        4.3. Experiment, Modell, Theorie                           222

        4.4. Über die Suche nach der Weltformel oder einer theory of everything    227

    5.  Objektive und subjektive Zeit                               231

        5.1. Zeit als philosophisches Problem                     232

        5.2. Franz Halberg und die Chronomik                     238

        5.3. Zyklizität: Reversibilität und Irreversibilität      244

    6.  Humanismus, wissenschaftlich-technische Revolution und Industrie 4.0         248

        6.1. Etappen der wissenschaftlich-technischen Revolution (WTR)                   251

        6.2. Dient Effektivitätssteigerung im Kapitalismus der Humanitätserweiterung?         258

        6.3. Immer aktuell: Risiko und Verantwortung         261

        6.4. Kommt die Menschheit 2.0?                           265

    7.  Fazit: Wie weiter?                                             269

 

Literatur                                                                   273

Namensverzeichnis                                                     285

Über den Autor                                                          293

 

 

 

Vorwort

Jahrzehntelange Erfahrungen mit Diskussionen zur Wissenschaftsentwicklung aus der Sicht der Wissenschaftsphilosophie und Wissenschaftsgeschichte auf nationalen und internationalen Tagungen, in persönlichen Gesprächen und Briefwechseln zeigten mir, wie wichtig es ist, statt weltanschauliche Kontroversen auszufechten, Sachfragen in den Mittelpunkt zu stellen und dafür Antworten zu suchen. Diese sollten auf Analysen basieren. Für mich als marxistischen Philosophen bedeutet das, die Methodologie materialistischer Dialektik zur konstruktiv-kritischen Sicht auf neue soziale Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse zu nutzen und dabei die humane Vision einer zukünftigen Assoziation freier Individuen mit sozialer Gerechtigkeit und ökologisch verträglichem Verhalten nicht aus dem Auge zu verlieren. Probleme ergaben sich dann, wenn jemand seine Weltanschauung ohne Bezug auf aktuelle Problemlösungen als Glaubensbekenntnis vermitteln wollte, um den Gesprächspartner dafür zu gewinnen oder dessen Auffassungen als unvereinbar mit einem vorgegebenen Dogma zu zeigen und sie zurückzuweisen. Ich habe Hegelianer, Kantianer, kritische Rationalisten, Marxisten, Vertreter der Hermeneutik und des Positivismus u.a. dabei erlebt. Fruchtbar waren die Debatten um unterschiedliche Standpunkte zu wissenschaftlichen Problemen der verschiedensten Art mit denen, die bereit waren und sind, zuzuhören und Argumente zu akzeptieren. Dazu gehören, um Beispiele zu nennen: Mit Werner Heisenberg (1901–1976) hatte ich ein Gespräch in Halle über mein Buch zu seinen philosophischen Ansichten und einen interessanten Briefwechsel, in dem es auch um unsere philosophischen Auffassungen ging. Darauf ist noch zurückzukommen. Mit Carl Friedrich von Weizsäcker (1912–2007) debattierte ich in Leipzig zur Dialektik. In Paris sprach ich mit Theodosius Dobshanski (1900–1975) über die Evolution von Lebewesen, der mir gegenüber auch seine Wertschätzung der Arbeit von Friedrich Engels zur Dialektik der Natur ausdrückte. Mit Hans Selye (1907–1982) diskutierte ich in Frankreich über seine Forschungen zum Eu-Stress und Dis-Stress. Auf der Tagung, wo wir uns trafen, ging es auch um Euthanasie, wozu u.a. sowohl Jaques Monod  (1910–1976) als auch ich vortrugen. In Weimar leitete ich eine Debatte mit Manfred Eigen. Viele Gespräche über die marxistische Philosophie hatte ich mit meinem Freund Paul Feyerabend (1924–1994) in Berlin, Wien und San Francisco.

Bei meinem Studienaufenthalt in den USA 1979, der durch das Abkommen (IREX) über den Austausch von Wissenschaftlern zwischen der DDR und den USA ermöglicht wurde, kam ich zu einem Vortrag u.a. nach Boston zu Robert S. Cohen und seinen Kollegen. Ihn hatte ich schon auf einer früheren internationalen Tagung zur Philosophie kennen gelernt. Er hatte großes Interesse an der Entwicklung der Philosophie auf marxistischer Grundlage in der DDR. Sein Spezialgebiet sind ebenfalls philosophische Probleme der Physik. Meiner Einladung zu einem Vortrag in den von meinem Bereich „Philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung“ am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) organisierten regelmäßigen Kolloquien mit philosophisch Interessierten aus anderen Wissenschaftsdisziplinen, folgte er gern. Sie fanden statt bis zur „Abwicklung“ dieses Bereichs nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Sie erfolgte trotz positiver Evaluierung. (Hörz, H. 2005a) Beim Besuch in Berlin trafen Bob, ich und einige Bereichsmitarbeiter uns, auf meinen Vorschlag, mit meinem langjährigen Diskussionspartner, dem Astrophysiker und Marxisten Hans-Jürgen Treder (1928–2006) Bob hatte insgesamt gute Beziehungen zu DDR-Philosophen. Er kam gern in die DDR. Auch nach der Wiedervereinigung in Deutschland hatte er bei seinen Besuchen stets ein umfangreiches Programm. Soweit ich ihm helfen konnte, tat ich es. Für die Festschrift zu seinem 70. Geburtstag lieferte ich einen Beitrag zum Thema „Schopenhauer und Helmholtz – Bemerkungen zu einer alten Kontroverse zwischen Philosophie und Naturwissenschaft.“ (Gavroglu u.a. 1995, S. 99–122)

In Boston 1979 lud mich durch die Vermittlung von Bob dann Thomas S. Kuhn (1922–1996) am MIT zum Essen ein. Der von ihm begründete Wechsel von Paradigmen war Gegenstand unseres ausführlichen Gesprächs. Auf weitere interessante Begegnungen wird in meiner Biografie hingewiesen. (Hörz, H. 2005a) Meine Schlussfolgerung aus verschiedenen Begegnungen mit den am Marxismus Interessierten aus unterschiedlichen Fach- und Lebensbereichen ist: Man kann sich unter einem „Ismus“, auch dem Marxismus, wohlfühlen und ausbreiten oder sich als geistig unterdrückt und gegängelt betrachten. Den Übergang mancher „Wendehälse“ aus der DDR nach 1990 von einem Extrem in das andere habe ich erlebt: vorher dogmatischer Marxist, nun fanatischer Antimarxist mit unsachlichen Diffamierungen früherer Kolleginnen und Kollegen. Generell gilt m. E.: Es sollte keine politische, religiöse oder weltanschaulich ausgerichtete Einrichtung das Monopol auf Wahrheit verkünden. Fehlender Zweifel an wenig argumentativ untermauerten Aussagen ist der Tod von Wissenschaft und gesellschaftskritischer Philosophie. Marxistische Philosophie sollte zugleich Heuristik durch das Aufgreifen offener Probleme mit Lösungsvorschlägen sein.

Die Diskussion um den Marxismus ist wieder neu entflammt, obwohl sie nie ganz aufgehört hat. Auf verschiedenen Tagungen der letzten Zeit wurde mir mehrmals die Frage nach der Aktualität des Marxismus gestellt. Karl Marx (1818–1883) und Friedrich Engelsxe "Engels, Friedrich" (1820–1894), die Stammväter des Marxismus, wirkten im 19. Jahrhundert. Sie analysierten den Kapitalismus und die wissenschaftlichen Erkenntnisse ihrer Zeit. Doch sie entwickelten dabei Grundzüge einer neuen Gesellschaftstheorie, mit der materialistischen Dialektik eine kritische Methodologie und begründeten die humane Vision einer zukünftigen Gesellschaft, die statt auf Konfrontation auf Kooperation aufbaut. Das ist ein bleibendes Verdienst. So gehören „Das Kommunistische Manifest“ und „Das Kapital. Erster Band“ zum Welt-Kulturerbe. Auf der Internet-Seite der Deutschen UNESCO-Kommission heißt es dazu u.a.: „‘Das Manifest der Kommunistischen Partei‘ und ‚Das Kapital‘, beide verfasst von Karl Marx in Zusammenarbeit mit Friedrich Engels, sind zwei der wichtigsten Publikationen des 19. Jahrhunderts. Sie hatten großen Einfluss auf die Entwicklung sozialistischer, kommunistischer und anderer revolutionärer Bewegungen des 19. und 20. Jahrhundert. Sie sind in nahezu alle Sprachen der Welt übersetzt worden und ihr enormer Einfluss wirkt bis heute nach.“ (UNESCO 2016) Das ist tatsächlich der Fall, wie noch zu zeigen sein wird.

Von einer Gruppe der Zeitschrift „RotFuchs“ wurde ich 2016 gebeten, direkt zum Thema „Ist der Marxismus noch zeitgemäß?“ einen Vortrag zu halten. Er zog eine ganze Reihe interessierter Zuhörer an und es folgte eine anregende Diskussion. Auch bei anderen Vorträgen spielte und spielt die Frage immer wieder eine Rolle. Offensichtlich wächst auf Grund der aktuellen Herausforderungen durch globale Probleme und voranschreitende kapitalistische Globalisierung wieder das Interesse an marxistischen Analysen der Gegenwart. Darauf ist einzugehen.

Teil I befasst sich dazu mit dem „Marxismus in der aktuellen Diskussion“. Aus unterschiedlicher Sicht von Politikwissenschaftlern, Philosophen u.a. wird zum Marxismus Stellung bezogen. Dabei äußern sich auch Marxisten über Marxisten. Gründe werden genannt, warum der Marxismus als zeitgemäß zu betrachten ist.

Teil II „Zum Wesen des Marxismus und den aktuellen Herausforderungen“ geht vor allem auf die Wesensbestimmungen des Marxismus ein, wie sie u.a. Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924) zu Beginn des 20. Jahrhunderts erläuterte. Er schilderte die Herausbildung des Marxismus in Auseinandersetzung mit damaligen theoretischen Strömungen und praktischen politischen Erfahrungen, analysierte kritisch die marxistische Literatur und die der Gegner des Marxismus in einer Umbruchzeit, als die Revolution von 1905 in Russland scheiterte. Der Streit um „Ismen“ umfasst auch den Marxismus, geht jedoch über ihn hinaus und betrifft die notwendige und nicht konfrontativ zu führende Diskussion um die Lösung drängender Menschheitsprobleme. Es ist dann auf die Krise des Marxismus einzugehen. Überlegungen zu einem demokratischen Sozialismus im Sinn der humanistischen Vision von Karl Marx und Friedrich Engels, wie sie im „Kommunistischen Manifest“ begründet und von vielen Marxisten vertreten und weiter ausgestaltet wurden, schließen sich an.

Teil III „Marxisten in Aktion. Geschichte, Debatten und Präzisierungen der Theorie“ befasst sich mit ausgewählten Publikationen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Es geht zuerst um zwei Bücher, die mein Kollege Kurt W. Fleming digitalisiert und auf den Seiten des Max-Stirner-Archivs mit den Werken von Marx, Engels und Lenin sowie den von anderen marxistischen Autoren, die sonst kaum noch zugänglich sind, ins Internet gestellt hat. (http://www.max-stirner-archiv-leipzig.de/philosophie.html) Er bat mich um aktuelle Vorworte zum Buch von Georg Klaus „Jesuiten, Gott, Materie“ und den Kommentar von Dominique Lecourt zu Lenins Werk „Materialismus und Empiriokritizismus“. Die Vorworte verdeutlichen, welche konkret-historischen Bedingungen zu analysieren waren, welche Diskusionen stattfanden und wie marxistische Grundstandpunkte damals zu präzisieren waren und auch heute, wenn sie überholt sind, zu korrigieren sind. Biografien von Gerhard Oberkofler zum Schweizer Marxisten Konrad Farner und zum Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin, dem Österreicher Prof. Dr. Georg Knepler, befassen sich mit ihrem theoretischen und praktischen Wirken. Elmar Altvater erklärt, wie Engels neu zu lesen ist, und Gerhard Oberkoflerxe "Oberkofler, Gerhard" widmet sich dem aktuellen Thema „Friedensbewegung und Befreiungstheologie“ mit. marxistischen Fragmenten zum Gedenken an den Friedenskämpfer Daniel Berrigan SJ. (1921–2016). In den Rezensionen zu diesen Werken gehe ich auf geschilderte erforderliche Entwicklungen des Marxismus ein.

Teil VI „Marxismus in der Entwicklung. Fallbeispiele“ behandelt eigene Publikationen in ihrer Geschichte, den ausgelösten Diskussionen und den bleibenden Erkenntnissen aus der gegenwärtigen Sicht. Entsprechend meinen Forschungen wird dabei die Philosophie im Vordergrund stehen. Es geht darum, an den von mir behandelten konkreten Themen den erforderlichen Erkenntnisfortschritt durch soziale Erfahrungen und wissenschaftliche Einsichten als Herausforderungen des Marxismus zu begreifen. Dabei sind, falls sich die Bedingungen ändern, die mit dem Wissen einer Zeit präzisierten Grundaussagen des Marxismus zu revidieren und mit neuen Erkenntnissen zu verbinden. Mit philosophischen Hypothesen zum möglichen zukünftigen Beitrag von Spezialwissenschaften zur Philosophie kann, entsprechend der heuristischen Funktion der Philosophie, als Gedankenprovokation die Lösung offener Probleme angeregt werden.

Meine Darlegungen zu Erfahrungen, Analysen und Standpunkten sind Aufforderungen zur Diskussion über Antworten zu der von mir, mit entsprechender Begründung, positiv beantworteten Titelfrage: Ist der Marxismus noch zeitgemäß? Wir beginnen dazu mit Ausführungen zum Marxismus in der aktuellen Diskussion, in der ganz unterschiedliche Auffassungen zum Marxismus, seinem Wesen und seiner Wirksamkeit vertreten werden.