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Thomas, Michael / Busch, Ulrich (Hg.)
Transformation im 21. Jahrhundert. Theorie – Geschichte – Fallstudien“, 2015, 2 Halbbände
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[= Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften, Band 39], II. Halbband: 317 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-86464-089-6, 34,80 EUR |
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Inhaltsverzeichnis
TRANSFORMATION III – VORAUSSETZUNGSVOLLE GESCHICHTE 311
„Die Zivilisation ist noch nicht abgeschlossen. Sie ist im Werden.“ – Norbert Elias‘ prozess- und figurationstheoretische Perspektive auf Transformation 313 Benjamin Rampp
„1968“ im historischen Kontext: Basisdemokratische Bewegungen und linker Reformismus im Wandel der BRD 1949–1989 339 Michael Vester
Zur Transformation des Sozialstaats 381 Helga Schultz
Kapitalistische Produktionsweise und Soziale Marktwirtschaft. Materielle Grundlagen der Herausbildung und des Niedergangs einer industriellen Art und Weise sozialer Regulation 403 Hans Wagner †
Evolution und Gesellschaft 437 Jens Braun
Wie emergiert die
Moderne zur Zukunft?
Reflexionen zu Clare W. Graves „The Emergent Cyclical Levels of
Existence Theory“ und
Maik Hosang
TRANSFORMATION IV – VERLÄUFE, KONSTELLATIONEN, AKTEURE 467
Aspekte sozialer Ungleichheit in Deutschland aus dichotomer Perspektive. West-Ost, Geschlecht, Migrationshintergrund 469 Rainer Ferchland
Zwischen Entfaltung und Stillstand. Habitus- und Milieuveränderungen im ostdeutschen Transformationsprozess 507 Stefan Meißner / Irene Zierke
Die Berliner Kultur- und Kreativwirtschaft vor dem
Hintergrund des postsozialistischen und postfordistischen Umbruchs – Anna Schwarz / Johanna Voll
Transformationsprozesse und ihre Auswirkungen auf
Geschlechterarrangements – zur Wertorientierung von Frauen der Dritten
Judith C. Enders / Mandy Schulze
„Transformatorisches Potenzial“ im Allgemeinen und im Besonderen, diskutiert am Beispiel des Berliner Energietisches 593 Judith Dellheim
Klappentext Vorliegende Publikation versteht sich als ein Arbeitsbuch mit offenem Zugang zu den kontroversen Debatten um ein zeitgemäßes Verständnis von „Transformation im 21. Jahrhundert“. Dieser Anspruch ist nötig, um auf die besondere Problemlage hinzuweisen: Die Transformationen des 21. Jahrhunderts werden sich von denen des 20. Jahrhunderts deutlich unterscheiden. Das belegen die hier vereinigten Beiträge aus unterschiedlichen Perspektiven. Zugleich lässt sich ein solcher Anspruch nicht vollständig einlösen; deshalb eben versteht sich die Publikation als ein Arbeitsbuch, als ein zur weiteren Diskussion einladendes Lesematerial. Die Beiträge des Sammelbandes kommen vor allem aus der Soziologie, der Politikwissenschaft, den Wirtschaftswissenschaften und der Geschichtswissenschaft – eine Vielfalt, die angesichts transdisziplinärer Ansprüche zeitgemäßer Transformationsforschung Vorzüge aufweist, aber auch Grenzen zeigt. Die dabei zutage tretenden konträren Positionen verstehen sich als Aufforderung zur weiteren Diskussion. Sie betreffen durchaus das leitende begriffliche und zeithistorische Verständnis von Transformation; sie sind gerade deshalb nicht zu verdecken. Denn es geht um radikal Neues, um eine Suche, die einen breiten und offenen Diskurs zur Voraussetzung hat. Die beiden Halbbände sind thematisch untergliedert in an der Theorie und am Diskurs orientierte Ausarbeitungen (Bd. 39.I.) und in theoriegeschichtliche, zeithistorische und empirische Fallstudien (Bd. 39.II.). Diese Unterscheidung ist als Lesehilfe gedacht, nicht aber als Korsett. Die thematische Einheit ist übergreifend, wie dies eben auch den Transformationsdiskurs auszeichnet.
Einleitung Michael Thomas und Ulrich Busch Die vorliegende Publikation versteht sich in erster Linie als ein Arbeitsbuch, ein offenes Lesematerial und im einen oder anderen Fall auch als ein thematisches Findbuch. Insofern haben wir einen Titel gewählt, der einen breiten Zugang ermöglicht: Das 21. Jahrhundert hat gerade erst begonnen, und Transformation zeichnet einen weiten, kontroversen Diskurs aus. In diesem Diskurs ist die Publikation verortet, und die Perspektive auf das 21. Jahrhundert, also die Gegenwart wie die unmittelbar vor uns stehende Zukunft fokussiert diese Orientierung. Die Ausflaggung als Arbeitsbuch wird der Situation einer offenen Perspektive wie kontroverser Diskurse gerecht: Wir präsentieren keine fertigen Erkenntnisse oder abgeschlossenen Ergebnisse. Wir schließen nicht einen Denk- und Auseinandersetzungsprozess ab, sondern geben Anregungen für die weitere Suche, Material für die erforderliche Auseinandersetzung und, so hoffen wir, einige festzuhaltende Anregungen. Viele der Autorinnen und Autoren haben sich über einen längeren Zeitraum mit Transformationsdebatten der letzten mehr als zwei Jahrzehnte befasst, also insbesondere denen um die postsozialistischen Transformationen. Oder sie waren selbst in diese Debatten aktiv eingebunden, haben sie so oder so beeinflusst; hinzuweisen ist auf umfangreiche Forschungen wie entsprechende Veröffentlichungen. Andere Autorinnen und Autoren waren eher mit der Untersuchung von sehr unterschiedlichen historischen Trends – solchen in der Realgeschichte und solchen in der Wissenschaftsgeschichte – beschäftigt. Und schließlich untersuchte eine dritte Gruppe im engeren Sinne zeitgeschichtliche Entwicklungen und aktuelle gesellschaftliche Veränderungen. Aus diesen Hintergründen speist sich diese Publikation; sie alle tragen so zugleich zum übergreifenden thematischen Fokus bei: Transformation im 21. Jahrhundert. Die Publikation ist aus einem längerfristigen und eher konzentrierten Arbeitszusammenhang hervorgegangen, nämlich mehrjährigen Debatten im Arbeitskreis „Gesellschaftsanalyse und Klassen“ der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. In diesem Arbeitskreis hatte sich im Kontext konkreter Diskussionen zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Fragestellungen zunehmend die Transformationsproblematik als übergreifendes Thema heraus kristallisiert. Dies führte schließlich zur vorliegenden Publikation.
I. Der skizzierte weite Zugang zur Transformationsthematik kann zugleich den Platz dieser Publikation in den aktuellen Debatten bestimmen. Insofern für thematische Debatten bisher wenig an Konsens oder auch Konvergenz auszumachen ist, viele Debatten sogar nahezu beziehungslos nebeneinander verlaufen, ist auch von der vorliegenden Publikation kein solcher Konsens zu erwarten. Ganz im Gegenteil; es erschien uns angeraten, von einem „verbindlichen“, einheitlichen Transformationsverständnis oder Transformationsbegriff abzusehen. Zugleich aber ist damit keine Beliebigkeit verbunden. Die präsentierten Ausarbeitungen stehen keinesfalls beziehungslos nebeneinander, sondern sie bringen ihr ganz spezielles Thema in eine übergreifende Suchstrategie ein. Für diese Suchstrategie wird durchaus eine übergreifende Konvergenz behauptet, und so werden zumindest wichtige Konturen für ein gemeinsames Transformationsverständnis und einen entsprechenden Transformationsbegriff gesetzt. Für diese Konvergenz hin zu einem zeitgemäßen Transformationsverständnis (Transformation im 21. Jahrhundert) Argumente zu bringen und diese so – auch mit kritischer Reflexion – zu befördern, ist das Ziel der gewählten Zugänge aus Theorie, aus Geschichte und mittels konkreter Fallstudien. Diese Zugänge, mit denen die vorliegende Publikation zugleich untergliedert ist, sind hier knapp zu umreißen. Für die (transformations-)theoretische) Debatte ist trotz ausufernder Perspektiven eine gewisse Fokussierung unerlässlich. Zu einer Debatte kann es nur kommen, wenn man sich dabei aufeinander und auf einen bestimmten Kern, der folglich zur Debatte steht, bezieht. Für die vorliegende Publikation sehen wir Kern oder auch Fluchtpunkt im Anspruch, eine für die anstehende besondere epochale Problemlage des 21. Jahrhunderts geeignete Transformationsperspektive zu entwickeln. Der konkret-historische Bezug ist uns wichtig. Aus diesem ergibt sich einmal ein komplexes Verständnis umfassender Umbrüche und ist Transformation insofern nicht auf einzelne Bereiche oder gesellschaftliche Phänomene zu beziehen, sondern umfassend als Gesellschaftstransformation zu konzipieren. Damit ist zugleich eine Komplexität gesetzt, die Inter- oder Transdisziplinarität erforderlich macht. Weiter ergibt sich daraus ebenso ein Verständnis von Prozessualität, von Offenheit einer solchen Transformation. Es treten also besonders solche theoretisch-konzeptionellen Perspektiven hervor, die Bewegung, Veränderung und zudem Selbst-Veränderung erfassen können. Für beide der angeführten Aspekte, also die Charakterisierung als Gesellschaftstransformation wie die Orientierung auf Veränderung und Selbst-Veränderung, lässt sich eine typologische Unterscheidung fassen zu einem Typus von Transformation, der stärker den adaptiven oder imitativen Charakter von Transformationen unterstreicht. Somit setzt die Unterscheidung zum Typus postsozialistischer Transformationen des 20. Jahrhunderts eine übergreifende Konvergenz im auszuarbeitenden theoretischen Kern. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Herangehens- und Betrachtungsweisen wie sehr kontroverse Interpretationen: Bezieht sich Transformation auf diesen spezifischen Umbruch bzw. epochalen Bruch (21. Jahrhundert), oder aber schließt sie doch stärker einen längeren historischen Prozess menschlicher Zivilisation ein? Wenn wir aber vor einem durchaus radikalen Bruch stehen, einem „tipping point“, wie weit muss dann eine Transformationsperspektive auch normativ fundiert sein, wie weit lässt sich demgegenüber an analytischer „Reinheit“ festhalten? Sprechen Prozess und Offenheit von Transformation eher für evolutorische Ansätze, oder sind intendierte Eingriffe und Steuerung besonders heraus zu stellen? Könnte es sich bei dem einen oder anderen Streit vielleicht nur um einen solchen handeln, der auf konzeptionell unzulänglichen Prämissen erwächst, sich also mit einer Änderung der Prämissen erübrigt? Und schließlich: Wie ist es überhaupt um Chancen für eine solche Transformation in einen zukunftsfähigen Pfad gesellschaftlicher Entwicklung bestellt, wenn man die aktuellen Trends einer anhaltenden neoliberalen Hegemonie in Rechnung stellt? Wo muss, wie kann ein Umbau ansetzen? Welchen Aufschluss bieten Milieuveränderungen, wie wirken sich soziale Konstellationen oder neue technologische Trends aus? Die Suche nach transformationstheoretischen Perspektiven führt auch in der vorliegenden Publikation zu unterschiedlichen Wegen und Antworten, die produktiv in den Diskurs einzubringen sind. Geschichte wiederum wird in dem genannten doppelten Aspekt – als Realgeschichte wie als jeweilige Disziplingeschichte – gerade mit dem gesuchten Verständnis von Transformation im 21. Jahrhundert relevant. Die komplizierten Bedingungen auch in Deutschland wurden kurz angeführt. Schon von daher stellt sich die Frage nach historischen Brüchen und Zeiten des Umbruchs. Die Geschichte bringt viele Beispiele, ist also in gewisser Hinsicht auch Geschichte von Transformationen. Was bedeuten diese für die aktuellen Fragestellungen? Nicht anders zeigt sich das für disziplinäre Konstellationen, sind doch viele der heute favorisierten, dominierenden Perspektiven in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften nicht geeignet, eine ansprechende Transformationstheorie zu fundieren. Welche der vorliegenden sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Großtheorien lässt sich heute nutzen? Wohin führt eine in Zeiten paradigmatischer Erschütterungen regelmäßig und unvermeidlich auftretende Historisierung, also die Suche nach Orientierung aus der Geschichte – sowohl der Real- wie der Disziplingeschichte? Inwieweit kann Geschichte mehr sein als ein Steinbruch zur Legitimation eigener Überzeugungen, wo und wie ist der „Schritt zurück“ zugleich ein „Schritt voraus“, also ein Schritt (Schritte) zu dem Konzept von Gesellschaftstransformation und einem Verständnis von gesellschaftlicher Selbst-Veränderung? Da es für die aktuelle Transformationsherausforderung offensichtlich um paradigmatische Innovationen sowohl in einzelnen Disziplinen wie im transdisziplinären Zusammenhang geht, kann der Rückgriff hinter ein heute weitgehend die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften dominierendes Paradigma durchaus Erkenntnisgewinn bringen. Dass es hierbei ähnliche Kontroversen gibt wie im Feld der Theorien, dass solche Kontroversen miteinander zusammen hängen und sich verschränken, ist nachvollziehbar. In der Publikation werden einige davon berührt, mehr noch wird aber der Blick auf Geschichte weiter geöffnet. Fallstudien schließlich sind ganz offensichtlich für ein zeitgemäßes Transformationsverständnis mehr als empirische Illustration, sie können gleichsam unmittelbar theoretisch werden. Auch diese Aussage hat ihren theoretischen wie historischen Begründungszusammenhang, der gleichfalls durchaus kontrovers gesehen wird. Unstrittig ist aber, dass theoretische Eleganz und abstrakte Modelle – wie sie vielfach den lange dominierenden neoklassischen Theoriekorpus in und selbst außerhalb der ökonomischen Wissenschaften charakterisierten – gleichsam erratische Hürden für ein Unterfangen darstellen, Transformationen im historischen Kontext zu verorten. Das Plädoyer für ein historisch konkretes Verständnis von Transformation definiert den Status von Fallstudien. Zudem scheint eine offene Umbruchsituation oder Übergangsepoche, von der wir ausgehen, essentiell auf Fallstudien angewiesen zu sein. Es geht um die Evidenz und Praktikabilität von theoretischen Modellen, die ist aber nicht allein über Reflexion zu finden oder zu belegen. In allen drei Feldern, dem der Theorie, dem der Geschichte und dem von Fallstudien, stellt die vorliegende Publikation disziplinär unterschiedlich angelegte empirische und theoretische Untersuchungen zusammen. Keines der Felder wird inhaltlich abgedeckt. Für die jeweils begrenzten Darstellungen ist ihre thematische Relevanz leitend, nicht Vollständigkeit. Auch so wollen wir zu weiteren Ausarbeitungen anregen. Empfindliche Leerstellen sind offensichtlich. Beispielsweise kommt die globale Ebene entschieden zu kurz. Angesichts erforderlicher Transdisziplinarität gilt das ebenso für eine leider geringe disziplinäre Vielfalt der Publikation. Selbst der disziplinübergreifende Austausch ist so nur begrenzt möglich; auch das ist eher eine Baustelle. Abschließend sei knapp auf zwei neuere Publikationen zur Transformationsforschung verwiesen. Das macht besser als allgemeines Referieren Anspruch und die Grenzen unserer Publikation deutlich. Das jüngst erschienene Handbuch Transformationsforschung (Kollmorgen / Merkel / Wagener 2014) spannt einen weiten Bogen über die sozialwissenschaftliche Transformationsperspektive und „sieht sich ausdrücklich einer inter- und transdisziplinären Perspektive verpflichtet und nimmt die Komplexität des Transformationsdiskurses auf“ (ebd.: 11). Einem solchen Anspruch kann unser Arbeitsbuch, wie schon unterstrichen, nicht genügen. Zugleich aber wird von den Herausgebern des Handbuches – um nicht schlicht in einer Vielfalt sozialen Wandels zu landen – ein konzentrierter Rahmen gesetzt: „Unter Aufnahme der sich vor allem nach dem Epochenumbruch im Jahr 1989 herausbildenden und heute dominierenden Semantik in Politik und Wissenschaft fokussiert das Handbuch jene sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umformungen, die substanziellen und systemischen Charakter tragen, durch identifizierbare Akteure eher revolutionär und steuerungstheoretisch begonnen werden sowie deutliche imitative Merkmale aufweisen.“ (Ebd.: 12) Keinesfalls ist das Handbuch darauf zu reduzieren, es ist aber eben eine notwendige und sinnvolle Fokussierung, zu welcher sich unsere Publikation zugleich kritisch und mithin sie ergänzend in Beziehung setzen kann: Wird also neben dem breiten wissenschaftlichen Rahmen zugleich für die Debatte um Transformation ein typologisches Konzentrat angeboten, so muss sich eine Transformation im 21. Jahrhundert wohl genau von diesem unterscheiden. Die jeweiligen Epochenbrüche erfordern jeweils ihr spezifisches Design. In dem von Michael Brie herausgegebenen Buch Futuring. Perspektiven der Transformation im Kapitalismus über ihn hinaus (Brie 2014) wird auf eine solche Transformation im 21. Jahrhundert, also auf den auch uns interessierenden zeitlichen Kontext, abgehoben. Transformation soll aufgenommen werden in einen linken Diskurs; eine klare Alternative zum neoliberalen Umbau der Gesellschaft ist zu entwickeln und so wieder eine Zukunftsperspektive zu gewinnen, statt sich allein an Systemkritik abzuarbeiten. Auch hier ist kritische Bezugnahme wie Ergänzung möglich. Denn einmal gehen wir mit der Publikation breiter in die wissenschaftliche Debatte und vermeiden eine eindeutige normative Position. Dann entwickeln wir für die Zukunftsperspektive unterschiedliche Zugänge, von denen der in Futuring vertretene nur einer ist. Die beiden Publikationen bilden allein nicht die aktuelle Debatte ab. Sie markieren aber nachvollziehbar zwei übergreifende Stränge, zu denen unsere Publikation sich in Beziehung setzen will. Ihren Charakter als Arbeitsbuch, eben mit Anspruch wie Grenzen, macht eine kurze Bezugnahme auf die Diskussionen im Arbeitskreis deutlich.
II. Der Arbeitskreis „Gesellschaftsanalyse und Klassen“ war vor mehr als fünf Jahren von dem kurze Zeit später verstorbenen Soziologen Helmut Steiner initiiert und begründet worden. Mit seiner Neuorientierung durch die Herausgeber vorliegender Publikation hat sich der Arbeitskreis stärker von dem engeren soziologischen Fokus hin zu grundlegenden Fragen gesellschaftlicher Umbrüche und Transformationen entwickelt. Zugleich hat sich der Arbeitskreis mit der neuen Ostdeutschlandforschung, mit Forschungsinstituten und interessierten Kolleginnen und Kollegen verbunden, so dass er sich weit über den Kreis der Sozietät hinaus öffnen und unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen aufnehmen konnte. Dies führte zur Integration aktiver Projekt- und Arbeitszusammenhänge wie zur Einbeziehung von Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus unterschiedlichen Generationen. Einige der thematisch zentralen Diskussionen sind unmittelbar relevant für unsere Publikation. Sie sind zudem häufig mit bereits vorliegenden Ausarbeitungen verbunden, die aktiv durch Diskussionen im Arbeitskreis befördert werden konnten. Andere thematische Vorträge und Debatten betrafen Fragestellungen – etwa die globaler Umbrüche und Transformationen –, welche aus unterschiedlichen Gründen nicht in die Publikation eingeflossen sind. Auf relevante Schwerpunkte soll kurz eingegangen werden. Sehr früh und in mehreren Arbeitskreisrunden erfolgten konzeptionelle Debatten zur Transformation in Makroperspektive, insbesondere zu theoretisch-methodologischen Grundlagen und analytischen Komponenten des Konzepts einer Gesellschaftstransformation. Damit war die exponierte Rolle der Ausarbeitungen von Karl Polanyi für eine solche Konzeption zu berücksichtigen, die Theorie einer „Großen Transformation“. Bei nach wie vor offenen Fragen und einzelnen strittigen Punkten – für ein solches übergreifendes komplexes gesellschaftliches Verständnis von Transformation, also Gesellschaftstransformation und Große Transformation, zeigt sich ein weitgehender Konsens im Arbeitskreis. Die Debatten im Arbeitskreis zu Modellen ökologischer, sozialökologischer Transformationen bezogen sich zunehmend auch auf Kontroversen um Wachstum, Wachstumskritik und Ansätze einer Postwachstumsgesellschaft. Einerseits konnte so für beide Aspekte dieser übergreifenden Fragen ein systematischer Überblick erreicht werden, andererseits blieben gerade hinsichtlich der Wachstumsproblematik offene Diskussionspunkte. Die Frage nach alternativen Entwicklungen wird unterschiedlich beantwortet, die Kritik am zerstörerischen Wachstumsimperativ eint aber die Suchstrategie. Mit aktuellem wie historischem Bezug wurde im Arbeitskreis umfassend zum Phänomen des Teilhabekapitalismus diskutiert. Diese besondere historische Epoche kapitalistischer Entwicklung läutete mit ihrem Ende den Zeithorizont der neuen Transformationsdebatte ein, und sie führte diese heraus aus der post-sozialistischen Debatte. Über die genannte Epoche wurde ebenso gestritten wie über Bedingungen und Konsequenzen des New Deal oder die unterschiedlichen Modelle und Perspektiven europäischer Wohlfahrtstaaten. Schließlich führten genannte Debatten direkt zu Fragen nach sozialstrukturellen Veränderungen und Milieus in den Brüchen solcher gesellschaftlichen Konstellationen. Aus unterschiedlichen und vor allem auch aus praktischen Forschungs- und Gestaltungskontexten wurden Beispiele für mögliche Einstiege in Transformationen, aber auch für damit verbundene Blockaden etc. in die Diskussion gebracht – sogenannte Bioenergiedörfer, Genossenschaften oder die vielen anderen lokalen und regionalen Beispiele. Mit Erträgen dieser Diskussionen ist wohl – wenn auch nicht ohne ernsthaften Widerspruch – weitgehend einsichtig, dass solche kleinen Beispiele ihre große Bedeutung haben können. Aus einer engeren Transformationsperspektive und anschließend wiederum an Karl Polanyi wurden Fragen nach Freiheit oder Gerechtigkeit in modernen Gesellschaften in ihrem Stellenwert als öffnende oder als behindernde Faktoren für Transformationen diskutiert. Zugleich wurde die Perspektive hier bewusst ausgeweitet auf übergreifende Fragen nach sozialen Veränderungen, nach Umbrüchen in sozialen Strukturen und Milieus, nach Generationen und Geschlechtern. So konnten die besonderen Kompetenzen des Arbeitskreises genutzt werden, um die widersprüchliche soziale Realität insbesondere der deutschen Gesellschaft als Konsequenz wie Voraussetzung von Transformationen einzufangen. Auch damit ist ein zentraler Schwerpunkt für die aktuelle Debatte bzw. die Publikation gegeben. Mit den aufgeführten Schwerpunkten wurden bereits einzelne historische Fragestellungen angesprochen. In der Tat hatten diese immer wieder – als realgeschichtliche wie als disziplingeschichtliche – einen besonderen Stellenwert. Generell konnten sie aber bisher keinen ihrer Bedeutung entsprechenden Platz im Arbeitskreis einnehmen. Für die Publikation ließen sich zu wichtigen Themen einzelne Mitstreiter gewinnen, unter dem Gesichtspunkt der Relevanz historischer für eine solide aktuelle Auseinandersetzung zeigt sich zudem eine offene Frage der weiteren Arbeit. Die Publikation wurde mit drei systematischen Workshops im Jahr 2014 vorbereitet und profiliert. Zudem wurden Themen aus dem Arbeitskreis mehrfach in den übergeordneten Gremien der Leibniz-Sozietät zur Diskussion gestellt. Anregungen gab und gibt es über den Arbeitskreis hinaus. Mit diesen verbindet sich die Hoffnung, in die weiter dringend erforderlichen Forschungen und Debatten zu den Transformationen im 21. Jahrhundert andere Disziplinen einbinden und so aus deren Erkenntnissen lernen zu können. Unser Arbeitsbuch ist in dem Sinn Angebot und Einladung.
III. Ausgehend von den dargestellten Schwerpunkten ist die Publikation in vier systematische Teile untergliedert. Damit soll in dem – wie mehrfach betont – eher unübersichtlichen Themenfeld eine gewisse Orientierung möglich sein. Zugleich ist die Einteilung nicht als starr zu sehen und finden sich relevante Theoriebezüge ebenso etwa im Teil III wie Fallbeispiele für die konzeptionellen Überlegungen im Teil II unverzichtbar sind. Die Orientierung soll Hilfe sein, nicht Korsett. Der erste Teil (Transformation I – Stand, Zugänge, Reflexionen) des Buches ist der theoretischen Beschäftigung mit dem Problem der Transformation aus der Makroperspektive gewidmet. Den Auftakt bildet ein Text von Rainer Land, der eingangs die These entwickelt, dass Erhaltung wie Veränderung Folgen sozioökonomischer Evolution sind, die sich durch Variation, Rekombination und Selektion in verschiedenen gesellschaftlichen Reproduktionsprozessen vollziehen, wobei in vormodernen Gesellschaften die Erhaltungsselektion, in modernen Gesellschaften dagegen die Veränderungsselektion überwiegt. Der Autor zeigt, dass es die für moderne Gesellschaften konstitutiven Luhmannschen Funktionssysteme (Wirtschaft, Politik, Recht, Kunst usw.) sind, die auf Grund ihrer selbstreferenziellen Rückkopplung endogen und permanent wirtschaftliche, rechtliche, politische u.a. Innovationen generieren, also Variationen erzeugen, rekombinieren und selektieren. In Umrissen wird am Wirtschaftssystem demonstriert, wie eine solche „Evolutionsmaschine“ funktioniert und welche Regime wirtschaftlicher Entwicklung sich in den Transformationen seit Entstehung der Moderne entwickelt haben. Konkret wird dargelegt, wie das Umweltproblem und die Lebenswelt zur Erosion des Teilhabekapitalismus seit den 1970er Jahren geführt haben. Mittlerweile ist der Funktionsmechanismus des Teilhabekapitalismus global weitgehend zerstört, ohne dass ein neues funktionsfähiges Regulationsregime aufgebaut worden wäre. Der Autor zieht hieraus den Schluss, dass die Bedingungen für eine Restabilisierung nicht durch Wiederherstellung der Funktionsweise des Teilhabekapitalismus geschaffen werden können, sondern nur durch eine Systemtransformation, die mit dem Wirksamwerden der Lebenswelt als Evolutionsmaschine verbunden sein muss. Es folgt ein umfassender Überblick von Rolf Reißig zu Begründung einer neuartigen Transformation im 21. Jahrhundert. Einleitend bestimmt der Verfasser den Transformationsbegriff aus sozialwissenschaftlicher Perspektive mit Bezug zu Konzepten von Evolution, Revolution und Transition. Zentral ist das von ihm entwickelte Konzept einer „Gesellschafts-Transformation“. Ausgehend von der Systematisierung bisheriger Typen des gesellschaftlicher Transformation behandelt der Autor Fragen nach Epochencharakter, der gewandelten Zeitdimension, nach der Rolle des gesellschaftlichen Naturverhältnisses und dem ökologischen Umbau, nach Akteurskonstellationen etc. und begründet so, dass eine neue Transformation (mit offenem Ausgang) auf die historische Agenda gerückt sei. Ambivalente Möglichkeiten, Kontingenzen, globaler Charakter wie regionale Verortung von Transformation machen so neben theoretisch-konzeptionellen Arbeiten empirisch-zeitgeschichtliche Analysen der widerspruchsvollen Prozesse zwischen fortschreitender marktliberaler Transformation und Ansätzen postneoliberalen sowie sozialer und ökologischer Transformation erforderlich. Wo stehen wir heute? – „Am Anfang einer neuen, epochalen Gesellschafts-Transformation, die sich trotz der ungebrochenen Dominanz des Finanzmarktkapitalismus [ … ] partiell und punktuell abzeichnet, [...] deren letztendlicher Ausgang aus heutiger Sicht offen ist.“ Im folgenden Beitrag entwickelt Martin Endreß ausgehend vom Begriff und Prozess der Resilienz eine neue Perspektive auf die Transformation. Dabei verweist er eingangs auf Forschungsansätze in der Sozialökologie sowie Psychologie und Pädagogik, die gegenwärtig in der Soziologie rezipiert werden und die auf einen besonderen Typ sozialer Prozesse abstellen: untersucht werden Strategien, Ressourcen und Rahmenbedingungen, die für individuelle und/oder soziale Systeme im Falle externer Bestandsbedrohungen (wie Naturkatastrophen oder sozialen Schädigungen) ein Überleben potentiell sicherstellen. Die Versuche einer Übertragung dieser Prozessperspektive in die Soziologie befinden sich im Anfangsstadium. Der Autor verweist darauf, dass der Blick auf komplexe Figurationen mit ihren internen wie externen Relationen es dabei ermöglicht, disruptiven Wandel mit struktureller Stabilität zusammenzudenken. Dies setzt jedoch voraus, dass sich eine Theorie sozialen Wandels ausgeprägter auf die Beachtung objektiver Möglichkeitsspielräume einlässt. Dies bedeutet zum einen die Analyse von Gelegenheitsstrukturen, sodann die Analyse von Pfadabhängigkeiten. Zugleich werden mit diesem Perspektivenwechsel neue Chancen der Phasierung sozialer Prozesse erschlossen. Um hier die Relation von Strukturerhalt und Strukturveränderung in den Blick zu bekommen, wird die Figur einer transformativen Autogenese entworfen; Resilienz als Bestandserhaltung gerade durch Transformation. Exemplarisch wird diese Figur am Beispiel des Generationenwechsels veranschaulicht. An diese Überlegungen schließt sich ein Beitrag von Ulrich Busch an. Sein Anliegen besteht in der Systematisierung von Umbruchprozessen und der Problematisierung der gegenwärtigen Erosionserscheinungen und diversen Umbrüche als Große Transformation. Als solche lässt er bislang nur die prähistorisch-neolithische und die kapitalistisch-industrielle Umwälzung gelten, da diese jeweils mit einer grundlegenden Umwälzung der Produktions- und Lebensweise, das heißt der Art und Weise des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, verbunden waren. Die finanzkapitalistische Transformation, die Etablierung des Staatssozialismus und die postsozialistische „Wende“ seit 1989 waren demgegenüber kleine Transformationen, welche die Eigentumsverhältnisse und die Machtstrukturen veränderten, nicht aber die Produktions- und Lebensweise. Der postfordistische Finanzmarktkapitalismus markiert indes einen bloßen Regimewechsel in Reaktion auf die Erosion des Fordismus. Gegenwärtig, so der Autor, überlagern sich mehrere Prozesse: die Erosion des Fordismus, der regulatorische Umbau des Finanzregimes, Reformen in Reaktion auf die ökologischen und sozialen Grenzen der kapitalistisch-industriellen Produktionsweise, der Beginn der vierten industriellen Revolution, die Tertiärisierung der Wirtschaft u.a.m. Die Frage, ob es sich dabei um Vorboten, Prototypen oder Elemente einer großen Transformation handelt, behandelt der Autor mit Skepsis. Vorerst vermag er nur einen Suchprozess auszumachen, dessen Ausgang offen ist. Der zweite Teil (Transformation II – Annäherungen an eine zeitgemäße Perspektive) nimmt den theoretisch-konzeptionellen Faden konzentrierter im zeithistorischen Kontext auf. Der Beitrag von Michael Thomas geht davon aus, dass die Frage nach „Einstiegen“ in eine große Transformation von besonderer Bedeutung ist. Den Ausgangspunkt dafür bildet seine Überlegung, dass angesichts der globalen Situation eine große Transformation als grundlegender Umbruch des gesellschaftlichen Entwicklungsmodells unabdingbar sei. Sowohl in der Dimension dieser Fragestellung wie in den damit aufgeworfenen konzeptionellen Problemen unterscheidet sich diese Transformation von früheren: Es gibt für sie keine Vorbilder und Orientierungen; der umfassende Pfadwechsel kann so nur als endogener und weitgehend offener Suchprozess verstanden werden. Das theoretische Korsett aktuell dominierender Sozial- und Wirtschaftswissenschaften erscheint ihm dafür nicht angemessen. Gesucht wird nach einer neuen paradigmatischen Perspektive, mit der zu erklären ist, inwieweit unter den aktuellen Bedingungen eine Pfadänderung als soziale Autogenese beginnen kann und worin sie ihre Voraussetzungen findet, um tatsächlich zu einem grundlegenden Umbruchprozess zu werden. Der folgende Aufsatz ist Karl Polanyis Theorie einer unvollendeten Transformation gewidmet. Michael Brie gibt hier einen Überblick über das umfangreiche Werk Polanyis und zeigt, wie dieses sich von libertär-sozialistischen Anfängen, der Diskussion sozialistischer Projektionen von korporativ verfassten Gemeinwirtschaften, bis zu den ethnografischen Studien über die Wirtschaftssysteme nichtkapitalistischer Gesellschaften entwickelt hat. Damit kommt er zum konzeptionell entscheidendem Punkt, einem neuen Verständnis insbesondere des dritten Teils von „The Great Transformation“ und der dort gemachten Ausführungen zu „Freiheit in einer komplexen Gesellschaft“. Es wird deutlich, welche Fragen von Transformation kapitaldominierter „Marktgesellschaften“ bei Polanyi ungelöst bleiben und in dem von ihm formulierten Widerspruch zwischen der nicht hintergehbaren Komplexität moderner Gesellschaften und dem Anspruch auf Freiheit und Einzigartigkeit der Individuen in Erscheinung treten. Dies wird an der Bearbeitung des Widerspruchs der Doppelbewegung zwischen Freisetzung gesellschaftlicher Komplexität, auch und gerade durch die Märkte, einerseits und den Schutz der Grundgüter menschlicher Freiheit und gesellschaftlicher Kontrolle andererseits evident. Mit dieser Rekonstruktion der Evolution dieses Grundproblems Polanyischen Denkens soll der Text diesen zugleich stringent für die Transformationsdebatte erschließen. Mit dem nächsten Beitrag unternimmt Frank Adler den Versuch, das Konzept der „Postwachstumsgesellschaft“ als mögliche Transformationsperspektive zu deuten. Ziel seiner Ausführungen ist es, zu begründen, warum eine „sozialökologische Transformation“ der kapitalistisch-modernen Gesellschaften zugleich als Übergang zu einer Postwachstumsgesellschaft konzipiert und gestaltet werden sollte. Unter Postwachstumsgesellschaft versteht er einen Typ von Gesellschaft, dessen Reproduktion und Entwicklung, Wohlstand und Individualitätsentfaltung sich unabhängig vom „wertökonomischen Zuwachs“ und der damit verbundenen Dynamik vollzieht. Untersucht wird, welche Konsequenzen hieraus für das Verständnis von Inhalten, Prozessen und Akteuren der Transformation erwachsen. Geprüft werden aktuell auszumachende Übergangskonstellationen wie gewichtige Positionen dazu. So vermittelt der Text einen Einblick in einen wichtigen Strang der (wachstumskritischen) Transformationsdebatte und entwirft zugleich eine konzeptionell stringente Perspektive. Am Ende dieses Blocks steht ein Aufsatz von Dieter Klein über die Machteliten im Transformationsprozess. Der Autor geht davon aus, dass, künftige Transformationsprozesse, um größte Katastrophen abzuwenden, zum Einstieg in die Überwindung globaler Gefahren wie dem Klimawandel und in die Lösung anderer ökonomischer, ökologischer, sozialer und politischer Großprobleme, führen müssen. Aber das Zeitfenster dafür ist klein und die heutigen Machteliten werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch in nächster Zukunft noch mächtig sein. Selbst eine im glücklichsten Fall erreichbare postneoliberale demokratische und sozialökologische Transformation würde vorerst den kapitalistischen Rahmen nicht sprengen. Und sie wird gewiss nur bei erheblichen Veränderungen der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zustande kommen. Aber auch unter dieser Voraussetzung wird sie nur dann durchsetzbar sein, wenn unter dem Druck anwachsender Probleme, mehrdimensionaler Krisen und erzwungen durch breite Bündnisse unterschiedlichster demokratischer Akteure Differenzierungen in den Machteliten erfolgen, wenn sich Teile des Blocks an der Macht notgedrungen auf eine solche progressive postneoliberale Transformation einlassen und sie selbst mit vorantreiben. Eine Transformation findet also mit diesen Eliten statt oder überhaupt nicht. Angesichts des modifizierten neoliberalen „Weiter so“ als vorherrschender Reaktion des herrschenden Blocks auf die jüngste Mehrfachkrise mag ein Nachdenken über deren Lernfähigkeit und über eine mögliche aktive postneoliberale Politik flexibler Fraktionen der Mächtigen abwegig und unzeitgemäß erscheinen. Der Autor aber plädiert dafür, über die Selbstermächtigung demokratischer Akteure von unten und in der Mitte der Gesellschaft hinaus Teile der Machteliten zu einem Richtungswechsel zu bewegen und definiert Bedingungen und Voraussetzungen dafür.
Band II beginnt mit einem weiteren systematischen Block (Transformation III – Voraussetzungsvolle Geschichte), der sich historischen Perspektiven und Zugängen zum aktuellen Transformationsdiskurs widmet. Für diesen dritten Teil wird vorausgesetzt und ist zugleich evident, dass sich mit dem Aufstieg von „Transformation“ zur „neuen Metaerzählung“ (Brie 2014: 8) des geschichtlichen Wandels zugleich Theoriebezug und wissenschaftliche Quellen verändern. Dies wird im Folgenden sowohl über einzelne relevante Theoretiker wie Karl Polanyi, Norbert Elias oder auch Edward P. Thompson, Pierre Bourdieu, Talcott Parsons, Niklas Luhmann, Rudolf Bahro u.a. demonstriert wie mit Fallstudien zu längeren historischen Umbrüchen. Eingeleitet wird der Teil mit einem Aufsatz von Benjamin Rampp, der dem Werk von Norbert Elias gewidmet ist, das sowohl in empirischer als auch in theoretischer Hinsicht für die Transformationsforschung von herausragender Relevanz ist. Der Beitrag thematisiert erstens Elias‘ Analyse zum „Prozeß der Zivilisation“ (1939). Dabei werden die von ihm untersuchten und eng miteinander verknüpften psycho- und soziogenetischen Prozesse in den Blick genommen. Zweitens wird erläutert, welche Konsequenzen hieraus theoretisch zu ziehen sind. Fokussiert wird auf Elias‘ figurations- wie prozessanalytische Grundorientierung, die Transformation als ungeplanten aber dennoch nicht strukturlosen und chaotischen Wechsel versteht, bei dem stets der langfristige Wandel von Verflechtungsordnungen in den Blick zu nehmen ist. Um die Bedeutung von Elias‘ Ansatz für die Forschung zu eruieren, werden sodann im dritten Teil Abgrenzungen zwischen Elias‘ Perspektive und anderen klassischen soziologischen (v.a. evolutionistisch, teleologisch orientierten) Analysen vorgenommen. Viertens wird diskutiert, welche Bedeutung Elias‘ Ansatz für die aktuelle Transformationsforschung hat und welche bislang nicht ausgeschöpften Potentiale er darüber hinaus noch bietet. Der sich hieran anschließende Text von Michael Vester konstatiert eingangs, dass sich die Welt in einer neuen Phase ökonomischer, sozio-kultureller und politischer Umstrukturierung befindet, wofür die traditionellen Konzepte keine hinreichende Erklärung bieten. Sie definieren die Akteure durch „objektive“ sozialstatistische Merkmale. Was die Menschen dazu bringt, zu handeln und sich sozial abzugrenzen, liegt aber weniger in der Homogenität ihrer Merkmale als in praktischen externen Konflikten von Gruppen begründet. Da Veränderungen in der Zeit stattfinden, kann deren Logik nur aus der Beobachtung längerfristiger historischer Ablaufmuster herausgefunden werden. Eine Möglichkeit dafür bilden die mehrdimensionalen Konzepte der sozialen Praxis (nach Bourdieu) und der Dynamik des „field-of-force“ (nach Thompson). In vorliegendem Aufsatz wird die praxeologische Klassentheorie angewendet, die Thompson anhand der mehr als hundertjährigen Übergangsperiode vom paternalistischen Sozialmodell zum Laissez-faire der kapitalistisch-industriellen Revolution entwickelt hat. Thompson versteht Praxis nicht als unmittelbare intersubjektive Interaktion, sondern in Bezug auf das gesamte Feld der sich wandelnden Produktions- und Lebensweise und politischer Konstellationen. Vester zeigt, dass die laissez-faire-Revolution, die der heutigen neoliberalen Revolution vergleichbar ist, nicht nur die Ökonomie verändert hat, sondern die gesamte Lebensweise. Die Ursache der Protestbewegungen war mithin nicht eine ökonomische Krise, sondern eine gesellschaftspolitische Legitimationskrise. Die Menschen machten und artikulierten ihre Erfahrungen nicht allein in ökonomischen, sondern vor allem in moralischen und politischen Kategorien, nach den Kriterien der Moral und der politischen Gerechtigkeit. Michael Vester stellt diesen umfassenden Ansatz in der Dynamik basisdemokratischer Bewegungen und des linken Reformismus in der Bundesrepublik dar. Dabei geht es um die Transformation des ökonomischen Feldes und seine politische Regulierung und Deregulierung, den Habitus- und Milieuwandel in den jüngeren Generationen sowie die Dynamiken von Kohäsion und Konflikt im politischen Feld. In den Blick kommen so Akteure, Allianzen und Lernfelder, nach welchen in der aktuellen Konstellation noch zu suchen ist. Helga Schultz spannt den im voran stehenden Beitrag aufgemachten Bogen zu historischen Fallstudien weiter und aktualisiert diesen noch, indem sie das Schicksal des Sozialstaats im 20. und im beginnenden 21. Jahrhundert untersucht. Lange Zeit galt es als unstrittig, dass die Marktwirtschaft fortwirkend Ungleichheit hervorbringt und dass dem allein der Staat regulierend entgegentreten könne. Dies geschah auch im Interesse der Demokratie, indem durch die Bekämpfung der Ungleichheit soziale Bürgerrechte durchgesetzt und geschützt wurden. Das Musterland dafür war Schweden, wo die Sozialdemokraten während vier Jahrzehnten an der Macht eine sozialstaatliche Transformation durchsetzen, ein „Volksheim“ als soziale und politische Demokratie errichten konnten. Aber auch in Deutschland und anderen Ländern der westlichen Welt gab es bis zur Erosion des fordistischen Teilhabekapitalismus und dem postindustriellen Strukturwandel im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts Sozialstaaten. Im Zuge der neoliberal inspirierten finanzmarktkapitalistischen Transformation erfolgt deren Demontage. Gestützt auf Untersuchungen Pikettys zeigt die Autorin, dass diese Umwälzung, der neuerliche Aufstieg des Kapitals, nicht nur auf dem Machtgewinn der Konservativen beruht. Der Wertewandel zum Individualismus korrespondiert gut mit dem Neoliberalismus und tritt als Gegenposition zu tradierten Normen und Formen der Vergesellschaftung auf. Davon waren insbesondere die Werte Gleichheit und Solidarität, auf denen der Sozialstaat beruhte, betroffen. Diese unheilvolle Entwicklung ist zu korrigieren. Aber wie? Ein Anknüpfen an den in den 1970er Jahren verlassenen Pfad ist nicht möglich. Neue Konstellationen und soziale Kräfte, die sich für einen Sozialstaat einsetzen, sind gegenwärtig nicht auszumachen. Wenn der auf Gleichheit zielende Sozialstaat aber gänzlich aufgegeben wird, wenn Solidarität individueller Initiative geopfert wird, beschädigt dies die Demokratie. Damit stellt sich die Frage nach den Akteuren für eine andere Politik. Wie kann diese aussehen; welche Zerstörungskräfte müssen unsere Gesellschaften freisetzen, bis unterschiedliche Akteure zueinander finden? Ergänzend in diesen Teil aufgenommen wurde posthum ein Aufsatz von Hans Wagner († 2012) mit dem Titel „Kapitalistische Produktionsweise und Soziale Marktwirtschaft“. Darin wird gezeigt, dass die Soziale Marktwirtschaft weder eine ökonomische Kategorie noch bloße Politik ist, sondern das Ergebnis der staatlichen Regulation ökonomischer Entwicklung. Das Anliegen des Beitrages besteht in dem Versuch, jene besonderen geschichtlichen Umstände herauszuarbeiten, welche Mitte des 19. Jahrhunderts in England, in seinem letzten Drittel in Deutschland, die Keime einer komplexen staatlichen Regulation ökonomischen Wachstums auf den Weg gebracht haben. Eine Regulation, die dann im 20. Jahrhundert die Entwicklung sozialökonomischer Lebenslagen der abhängig Beschäftigten als Bedingung des ökonomischen Wachstums einbezog, woraus die Soziale Marktwirtschaft als Variante des Fordismus hervorging. Dabei wird deutlich, dass die bürgerliche Gesellschaft prinzipiell nicht ohne Gemeinschaft und die Gemeinschaft nicht ohne Gesellschaft evolutorisch fortbestehen kann. Wagner analysiert die Genesis der kapitalistischen Produktionsweise als besondere Art und Weise des Stoffwechsels eines sozialen Organismus mit der Natur. Er zeigt deren Komponenten auf, ihren Charakter als industrielle Produktion und leitet daraus Konsequenzen für deren Aufhebung und Perspektive ab. Im Anschluss daran geht die Perspektive wieder stärker in den theoriehistorischen Kontext. Jens Braun unternimmt den anspruchsvollen Versuch, einen Beitrag zur Formulierung einer allgemeinen Theorie der gesellschaftlichen Entwicklung zu leisten. Dabei stützt er sich auf Vorarbeiten verschiedener Disziplinen, insbesondere auf das Werk Darwins, das nicht nur für die Biologie, sondern auch für die Gesellschaftstheorie von größter Bedeutung ist. In einem zweiten Teil rezipiert er ausführlich, was Parsons und Luhman zur Begründung einer evolutionstheoretischen Perspektive beigetragen haben. Davon ausgehend zeichnet er Konturen einer Gesellschaftstheorie, um diese abschließend mit geschichtswissenschaftlichen Befunden zu untersetzen. Dem Autor ist bewusst, dass seine Ausführungen den Gegenstand nicht umfassend behandeln, ernste gesundheitliche Probleme haben ihm hier Grenzen gesetzt. Es liegt aber zweifellos eine gehaltvolle und anregende Skizze zur weiteren Diskussion vor; der Stellenwert einer evolutionstheoretischen Perspektive für die Transformationsforschung wird mit diesem Blick in die jüngere sozialwissenschaftliche Theoriegeschichte wiederum argumentativ bereichert. Nachfolgend wird ein Text von Maik Hosang vorgestellt, der sich in einer Problemskizze mit dem Vergleich der Denkansätze von Clare W. Graves und Dirk Baecker und deren Zurückführung auf frühere Überlegungen von Rudolf Bahro und Herbert Marcuse beschäftigt. Der Autor vertritt die These, dass die Ansätze von Bahro und Marcuse ein bestimmtes Problembewusstsein sowie die Überzeugung, dass die ökologische Herausforderung die Selbsttransformation der Menschheit erfordert, verbindet. Beide eint ein verwandter Gestus: Der Versuch, ausgehend von früheren gesellschaftlichen bzw. kulturellen Transformationen sowie Problemlagen Grundlinien für die Entwicklung der Menschheit zu finden. Graves und Baecker gehen das Problem ähnlich an und lassen sich daher als Konkretion dieser Ansätze unter aktuellen Bedingungen interpretieren. Während Bahro und Marcuse die Notwendigkeit und Möglichkeit grundlegender Transformationen moderner Gesellschaften bereits vor vier Jahrzehnten begriffen, setzt sich erst heute ein integratives Transformationsverständnis durch. Das erklärt, dass dieses – dem Zeitgeist folgend – bisher vorwiegend institutionalistisch angelegt ist, während es insbesondere bei Bahro schon einen integrativen Denkansatz gibt, der sich bei Graves und Baecker heute wiederfindet. Im Folgenden werden diese Ideen aufgegriffen und aus ihrer Gegenüberstellung einige weiterführende Thesen gewonnen. Im vierten Teil (Transformation IV – Verläufe, Konstellationen, Akteure) werden die theoretischen Überlegungen mit Ergebnissen empirischer Untersuchungen und geeigneten Fallstudien konfrontiert. Diesem Herangehen liegt einmal die Überzeugung zugrunde, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit einem komplexen und sich in ständiger Veränderung befindlichen Phänomen wie der Transformation des 21. Jahrhunderts empirische Untersuchungen einschließen muss. Damit bewegen wir uns in einem interessanten Spannungsverhältnis. Einmal folgen wir durchaus Theodor W. Adorno, welcher meinte, dass empirische Forschung „nur dann produktiv sich beginnen (ließe), nur dann sich über die Zusammenstellung unberedter Fakten (erhöbe), wenn die Probleme bereits theoretisch strukturiert sind; wenn man weiß, was relevant ist und worüber man Aufschluß gewinnen will“ (Adorno 1975: 14). Theorie ist der empirischen Arbeit also vorausgesetzt. Zugleich kommen wir mit transformationstheoretischen Ausarbeitungen (etwa bei Elionor Ostrom) zu der schon benannten Überzeugung, dass stärker von einem Wechselspiel von theoretischen und empirischen Arbeiten auszugehen sei. So bewahren wir die empirischen Ausarbeitungen davor, zu bloßen Beispielen oder Illustrationen zu werden und der Theorie nur zu „folgen“. Gerade der abschließende Teil hat daher sein eigenes Gewicht. Rainer Ferchland untersucht in seinem Beitrag Aspekte sozialer Ungleichheit in Deutschland aus dichotomer Perspektive. Seit Anfang der 1990er Jahre sind soziale Ungleichheit und soziale Polarisierung sichtlich gewachsen. Analysiert wird, wie sich angesichts dessen die sozialen Differenzen in Bezug auf die dichotomen Variablen West-Ost, Geschlecht und Migrationshintergrund entwickelt haben. Dabei geht es sowohl um die Relationen zwischen den als auch innerhalb der binären Komponenten, und es geht um die Frage nach Zusammenhängen der drei Variablen untereinander. Die Analyse beschränkt sich auf Deutschland, weil die West-Ost-Differenz ein deutsches Alleinstellungsmerkmal ist und weil sowohl die Geschlechterrelation (z.B. der Gleichstellungsvorsprung Ost) als auch die migrationsbezogene Variable (z.B. die weitgehende ethnische Homogenität Ost) charakteristische Ost-West-Prägungen aufweisen. Die Untersuchung basiert auf Erhebungen, Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) sowie von ALLBUS. Den ausgewählten dualen Variablen ist zum einen die Tendenz gemeinsam, dass je eine ihrer Komponenten gegenüber der anderen sozial benachteiligt ist („Ost“ gegenüber „West“, „Frau“ gegenüber „Mann“, „mit Migrationshintergrund“ gegenüber „ohne Migrationshintergrund“). Zum anderen erfassen jeweils beide Komponenten jeder dieser Variablen nahezu das gesamte vertikale soziale Spektrum der sozialen Ungleichheit. Der weitere Abbau sozialer Ungleichheiten wird als Gebot der sozialen Gerechtigkeit und als eine wichtige Zielstellung der Transformation behandelt. Stefan Meißner und Irene Zierke bearbeiten in ihrem Text Habitus- und Milieuveränderungen in der Gegenwart. Es handelt sich hierbei um eine Fallanalyse für das Land Brandenburg. Im Fokus stehen Veränderungen in der sozialen bzw. der Milieustruktur. Das Milieukonzept wird dabei als ein Modell der Sozialstrukturanalyse begriffen. Es unterscheidet soziale Gruppierungen hinsichtlich ihrer sozialen Lage, ihrer Ausstattung mit Ressourcen und ihrer Handlungsstrategien im Kontext spezifischer Denk- und Verhaltensmuster voneinander. Der Ansatz knüpft an Max Webers Überlegungen zu sozialen Klassen sowie zur Lebensführung an und orientiert sich konzeptionell an Bourdieus relationalem Klassenkonzept. Es wird die These vertreten, dass institutionelle Umbrüche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Veränderungen wie in Ostdeutschland seit 1989/90, Wandlungen in der Milieustruktur bewirken. Während bestimmte Akteure dem Umbruch nicht gewachsen sind, können andere ihm standhalten oder gar vorauseilen. Dementsprechend verändert sich die soziale Struktur und kommt es zu eigenen Entwicklungsdynamiken. Dieser These wird anhand von Modifizierungen in ausgewählten sozialen Milieus und ihrer gesellschaftlichen Positionierung nachgegangen. Dabei werden Erkenntnisse zur Elite, zur Dienstklasse sowie zu Facharbeitern gewonnen. Für ihre Verortung werden ausgewählte Indikatoren in eine empirische Analyse einbezogen, die Hinweise auf die Kapitalausstattung dieser Sozialmilieus geben und Rückschlüsse auf ihre Beziehungen zueinander zulassen. In einem umfangreichen Arbeitspapier analysieren Anna Schwarz und Johanna Voll die Kreativwirtschaft im Berliner Raum seit Mitte der 1990er Jahre als prototypischen Fall postfordistischen Strukturwandels. Ausgehend von der Charakteristik Berlins als „Hauptstadt der Kreativen“ besteht das Ziel ihrer Recherche darin, hierfür empirische Belege zu finden und die günstige Situation Berlins zu begründen. Eine spezifische Rolle wird dabei dem Wachstums-Schub von Solo-Selbständigen und Kleinstbetrieben in der Kultur-und Kreativwirtschaft zugesprochen. Berlin wurde dadurch zu einem Experimentalraum für neue Formen kreativer Erwerbstätigkeit, wobei die Dezentralisierungschancen im Internetzeitalter genutzt wurden. Damit verbindet sich der doppelter Umbruch seit 1990 heute mit dem Übergang zur postfordistischen Informations- und Wissensgesellschaft. Die Autorinnen sehen hierin ein Feld prototypischer neuer Beschäftigungsformen und Arbeitsarrangements gemäß der Autonomie- und Gemeinschaftsorientierung im Internetzeitalter, die auf eine Transformation der Erwerbsarbeit in der Wissensgesellschaft verweist, ohne aber, dass ein eruptiver Bruch eintritt, sondern eher eine in sich ambivalente evolutorische Selbstveränderung des Wirtschaftsmodus. Bekanntermaßen hat sich die Situation der Frauen nach 1945 in Ost und West unterschiedlich entwickelt. Dazu gibt es aussagekräftige Analysen und Forschungsbeiträge. Anders jedoch verhält sich dies mit der Spezifik ostdeutscher Frauen der dritten Generation als einer interessanten Alterskohorte, die bisher eher wenig Beachtung gefunden hat. Judith C. Enders und Mandy Schulze wollen mit ihrer Studie eine offensichtliche Forschungslücke (zumindest in ersten Schritten) schließen. Sie gehen insbesondere der Frage nach, was die Frauen dieser Generation auszeichnet, die so viele Umbrüche in der wichtigen Phase der Adoleszenz erlebten und genau in dieser Lebensphase mit unterschiedlichen Geschlechterbildern und Rollenerwartungen konfrontiert worden sind. In Auseinandersetzungen dieser Frauen mit den sozialen Umbrüchen werden Erfahrungen und Handlungsmuster generiert und erkennbar, die ihre Rolle für weitere Transformationsprozesse besitzen. Der Block wird sinnvollerweise abgeschlossen mit einem Beitrag von Judith Dellheim, welcher den Aktivitäten und Erfahrungen des Berliner Energietisches gewidmet ist und der Frage nachgeht, inwieweit hierin „transformatorisches Potenzial“ steckt. Es geht also beispielhaft um die Suche nach Übergängen, Einstiegen oder/und praktischer Transformation. Nach einer ausführlichen Beschreibung der Arbeit des Berliner Energietisches zeigt die Autorin, wie dieses Gremium derzeit seine Themenfelder erweitert und den Aktivitätsradius ausdehnt. Die Ausführungen sind auch als selbstkritische Reflexion der eigenen Geschichte und Gegenwart, vor allem der bündnispolitischen Tätigkeiten, der konzeptionellen Arbeit an konkreten Alternativen und der Partizipation an Aktivitäten anderer sozialer und politischer Bewegungen und Organisationen zu verstehen. Am Ende steht die Erwartung, dass das Interesse hieran wachsen wird, insbesondere auch bei den Akteuren einer sozialökologischen Transformation und emanzipativ-solidarischen Aktion. Der Dank der Herausgeber gilt allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern, die auf je unterschiedliche Weise an einem langen Diskussionsprozess teilgenommen haben. So ist es gelungen, über den wichtigen und engagierten Kreis der Leibniz-Sozietät hinaus Autoren und vor allem auch eine ganze Reihe von Autorinnen von verschiedenen Universitäten (Berlin, Görlitz-Zittau, Potsdam, Trier) und von unabhängigen Forschungsinstituten einzubeziehen. Ebenso finden sich die Stimmen unterschiedlicher Generationen. In all dem sind zusätzlich Voraussetzungen zu sehen für eine Weiterführung der Debatte zu einem zeitgemäßen Transformationsverständnis.
Literatur Adorno, Theodor W. (1975): Einleitung in die Musiksoziologie, Frankfurt am Main Brie, Michael (Hrsg.) (2014): Futuring. Perspektiven der Transformation im Kapitalismus über ihn hinaus, Münster Kollmorgen, Raj / Merkel, Wolfgang / Wagener, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2015): Handbuch Transformationsforschung, Frankfurt a.M.
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