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Mario Keßler
Revolution und Konterrevolution.
Studien über Gewalt und Humanität aus dem Jahrhundert der Katastrophen |
2016, [=
Hochschulschriften,
Band 40], 268 S., ISBN 978-3-86464-081-0, 29,80 EUR
lieferbar
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Inhaltsverzeichnis Vorwort 11
ZWISCHEN DEN KRIEGEN 13 Zwischen russischer Revolution und deutscher Konterrevolution: Simon Dubnow 15 Einsicht und Ohnmacht. Die linken Zwischengruppen in der Weimarer Republik 21 Die Heimvolkshochschule Gera-Tinz und ihre vertriebenen Lehrer 49 Berlin 1936 − nur Spiele der Nazis? Olympia zwischen Sport und Politik 63
VERFOLGTE VERNUNFT 87 Trotzki und die Literaten 89 Zwischen Exil und Rückkehr. Emigrierte deutsche Historiker nach 1933 95 Nazismus als Faschismus. Die Sicht von Geoff Eley 107 Walter Laqueurs 20. Jahrhundert 113
GESCHICHTE ALS AUFKLÄRUNG 119 Die europäische Arbeiterbewegung und ihre Historiker 121 Die SED und die Pogromnacht: Geschichte und Erinnerung 139 Grenzen und Möglichkeiten der Wissenschaft: Jan Peters 165 Reform – Revolution – Restauration: Der Historiker Helmut Bock 177
MEHR MACHT FÜR DIE OHMÄCHTIGEN 189 Historiker im Jahrhundert der Extreme: Eric Hobsbawm 191 We Shall Overcome: Pete Seeger 199 Mehr Macht für die Ohnmächtigen: Jakob Moneta 207 Kampfesmut und Noblesse: Erich Schmidt 213
ÜBER GEWALT UND HUMANITÄT 215 Das Jahrhundert der Katastrophen durchmessen: Nathan Steinberger 217 Stärker als Hitler und Stalin: Wolfgang Ruge 221 Paul Böttcher und die Rattennester 225 Wissenschaft und Humanität: Gert Schäfer 231
JAHRHUNDERT-ZEUGEN 235 Die letzten Zeugen des Massenschlachtens 237 Feliks Gross und sein letztes Buch 241 Ernst Engelberg über Evolution und Revolution 245 Ein Jahrhundertleben: Theodor Bergmann 251
Textnachweise 263 Der Autor 267
Vorwort Die Schlüsselwörter dieser Aufsatzsammlung, Revolution und Konterrevolution, die ihr auch den Titel gaben, haben Menschen oft beschäftigt. Eine Revolution ist dann unvermeidlich, wenn die vormals Herrschenden sich mit „halben“ Reformen zufriedengeben, um ihre Macht zu retten. Rechtzeitige Reformen, die eine Gesellschaft modernisieren, können hingegen überkommene Macht- und Besitzverhältnisse noch lange bewahren. Manche Historiker betonen, dies sei einer der Lektionen gewesen, die der Kapitalismus besonders seit 1945 gelernt habe. Es waren Unvermögen und Mangel an Willen zur Reform, der dem sowjetischen Entwicklungsmodell, wie wir heute wissen, den Weg in die falsche Richtung wiesen. Einer Minderheit unter Kommunisten wurde dies schon vor dem Zweiten Weltkrieg bewusst. Zu ihnen gehört Theodor Bergmann, der am 7. März 2016 seinen 100. Geburtstag begehen kann. Als Jugendlicher wurde er bereits 1929 in der Jugendorganisation der KPO, der Kommunistischen Partei-Opposition, politisch tätig. Die KPO hielt an einer revolutionären Entwicklungsperspektive der Gesellschaft fest, was hieß: an der Ablösung des Kapitalismus durch eine sozialistische Ordnung. Doch könne dies nur Ergebnis einer Mehrheitsentscheidung der Menschen sein. Nur die Gewinnung politischer Mehrheiten verhindere, dass die Kräfte der alten Ordnung das Rad der Geschichte zurückdrehen könnten. Dreh- und Angelpunkt jedes gesellschaftlichen Fortschritts aber sei ein Sozialismus, der die bürgerlichen Freiheitsrechte nicht nur bewahre, sondern ins Ökonomische ausweite. In Stalins Sowjetunion sei hingegen die sozialistische Demokratie abgestorben und durch eine „zentralisierte staatliche Zwangsarbeit“ ersetzt worden, schrieb August Thalheimer, der wichtigste Theoretiker der KPO. Die Allmacht des Staates habe dort eine Stufe erreicht, wie selbst „nicht in den faschistischen Staaten oder den Diktaturen lateinamerikanischen Stils.“ Ob „die atomisierten Arbeiter ein selbstbestimmendes und kollektiv handelndes Ganzes werden im Widerstand und Kampf gegen die allmächtige Staatsmaschinerie“, sei offen. „Eine Lösung dieses Widerspruchs ist auch der Untergang dieses ersten großen Versuches, im großen Maßstab den Horizont der kapitalistischen Gesellschaft zu überschreiten.“[1] Da die bürgerliche Revolution in Russland 1917 unfähig zur Gesellschaftsreform war, sie an der Friedens- wie der Land- und der Nationalitätenfrage scheiterte, folgte eine neue Revolution. Doch auch diese zerbrach an ihrer wichtigsten Aufgabe, deren Bedeutung sie zudem kaum erkannte: demokratische Freiheitsrechte in einer sozialistisch-demokratischen Ordnung zu bewahren und zu fördern. In Deutschland erfüllte die Novemberrevolution 1918 nicht einmal alle notwendigen Aufgaben einer bürgerlichen Revolution; und aus der Tatsache zweier historisch steckengebliebener Revolutionen bei Anwachsen sozialistischer Zukunftswünsche erwuchs eine gegen-zivilisatorische Bewegung der Konterrevolution: der Faschismus. Revolution und Konterrevolution bestimmten das Leben Theodor Bergmanns zwischen Gewalt und Humanität. Um diese Antipoden geht es in den Aufsätzen des hier vorliegenden Buches. Neben Sachthemen wenden sie sich auch Freunden und Genossen des Jubilars zu, so Paul Böttcher, Ernst Engelberg, Wolfgang Ruge, Gert Schäfer und Nathan Steinberger, mit denen Theo Bergmann gemeinsam arbeitete, kämpfte und bisweilen auch stritt. Von wenigen älteren Beiträgen abgesehen, entstanden die hier wieder oder erstmals abgedruckten Essays in den Jahren 2010 bis 2016. Sie wurden in Einzelfällen behutsam ergänzt und, wo nötig, mit Anmerkungen versehen. Für die allfällige Genehmigung zum Nachdruck ist den im Textnachweis angeführten Verlagen und Zeitschriften sehr zu danken.
Berlin, zum 7. März 2016 Mario Keßler
[1] August Thalheimer, Über die Kunst der Revolution und die Revolution der Kunst. Ein Versuch, hg. von Heiner Jestrabek, mit einem Vorwort von Theodor Bergmann, München 2008, S. 47, 52f. Die Schrift wurde erstmals 1972 aus dem Nachlass des 1948 in Havanna verstorbenen Thalheimer veröffentlicht.
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