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Gerhard Banse / Annely Rothkegel (Hg.)

 

Neue Medien: Interdependenzen von Technik, Kultur und Kommunikation

 

 

 

2014, [= e-Culture, Band 19], 350 S., zahlr. Tab. u. Abb., ISBN 978-3-86464-073-5, 39,80 EUR

 

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Inhaltsverzeichnis

 

Editorial der Herausgeber  9

Gerhard Banse, Annely Rothkegel: Einleitung        11

Gerhard Banse: Technisches und Kulturelles. Historisches und Aktuelles    21

 

I Neue Medien – Hoffnungen, Befürchtungen, Realitäten             43

Tadeusz Miczka: Audiovisualität der dritten Stufe – Wirklichkeit oder Phantastik?  45

Bogdan Zeler: Neue Medien – Multitasking – „Raum der Ströme“  53

Pavel Fobel, Daniela Fobelová: Neue Medien – Hoffnung auf die moralische Revitalisierung der Eliten  59

Hans-Joachim Petsche, Leena Simon: „Der ganze Strudel strebt nach oben; Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben.“ (Goethe, Faust I) – Digitale Mündigkeit versus Technikpaternalismus im Internet  71

 

II Kommunikation als Aspekt der Mediennutzung – Interkulturelle Technikkommunikation      85

Annely Rothkegel. Teilen, Mitteilen, Verteilen, Beteiligen: Modelle der Netzkommunikation     87

Claudia Villiger. Unsichtbare Gefahren: Risikokommunikation im Spannungsverhältnis von Technikvermittlung, Sicherheitskultur, Akzeptanz und Partizipation     103

Marek Jachimowski, Zbigniew Oniszczuk. Nutzung der Neuen Medien in der Kommunikation in Polen      121

Lisa Link: Interkulturelle Vermittlungsprozesse im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien      131

Marc Hermeking: Das Mobiltelefon im Kulturvergleich: Exemplarische Forschungsfelder interkultureller Technik-Kommunikation        143

Sonja Ruda: Straßenverkehrskommunikation: Kommunikation über Sicherheit und Techniksicherheit – Kommunikation der Kulturen     163

 

III Technik erzeugt Kultur – Kultur erzeugt Technik      181

Bruno Gransche, Dirk Hommrich: Akzidenzkultur und Potenzialitätsregime. Konsumgenetik und Neuropädagogik als Symptome der Verzukünftigung   183

Julius Erdmann: Subjekt, Technik und Kultur des digitalen Bildes: Linien der Transformation anhand von bildlich-fotografischer Repräsentation in Social Network Sites     205

Annely Rothkegel: Teilen, Mitteilen, Verteilen, Beteiligen: Modelle der Netzkommunikation     239

Rüdiger Heimgärtner: Der Einfluss von Kultur auf die Mensch-Maschine-Interaktion und die Entwicklung entsprechender Systeme     255

Gerd Grübler: Gehirn-Computer-Schnittstellen als Modelle für die Philosophische Anthropologie            281

Tomasz Stępień: Eine Hybridisierung der Kultur? Das Phänomen der transkulturellen Verräumlichung von Medien   297

Björn Egbert: Technisches Denken und Handeln in der Lehrerausbildung              315

 

Summaries    329

Autoren     333

 

 

Einleitung

Gerhard Banse, Annely Rothkegel

Die vielfältigen Beziehungen zwischen Technik und Kultur prägen die durchlaufende Thematik der Reihe „e-Culture / Cultural Diversity and New Media“. In diesem Band, in dem Beiträge der Tagung „Technik und Kultur – Interkulturelle Technik-Kommunikation“ (Hannover 2012) und der CultMedia-Jahrestagung „Neue Medien – Hoffnungen, Befürchtungen, Realitäten“ (Wisła, Polen 2012) zusammengeführt sind, liegt der Schwerpunkt auf Perspektiven der Mediennutzung, in denen die gegenseitige Einflussnahme von Technik und Kultur sichtbar wird. Technik, zu verstehen im Sinne sozio-technischer Systeme, schließt dabei die technischen Aspekte der Neuen Medien ein, während mit Kultur die als selbstverständlich geltenden, „standardisierten“ Interaktionen in einer sozialen Gruppe gemeint sind. In den interaktiven Neuen Medien kommen beide sich gegenseitig prägenden Komponenten zusammen. Hier zeigen sie sich in ihrer Wechselwirkung und hinterlassen entsprechende Spuren in der wiederum medial vermittelten Kommunikation.

Kulturell geprägte Technik oder technisch geprägte Kultur(en): Wie immer die Perspektive gewählt ist, es geht um Schnittstellen zwischen Bereichen, die eher als wenig kompatibel oder sogar als inkompatibel galten und oftmals noch gelten. Auch wenn sich die Sicht auf die Beziehung zwischen beiden – historisch gesehen – immer wieder verändert hat, sind es bereits die getrennt betrachteten Bereiche Technik einerseits und Kultur andererseits, denen man mit inhaltlichen Kontroversen, unterschiedlichen Haltungen und starken emotionalen Reaktionen begegnet. Im Bezug aufeinander mag es Verschärfungen, aber auch Klärungen geben, die die verdeckten oder geleugneten Interdependenzen sichtbar machen. Diese kommen insbesondere in der Kommunikation und den medialen Vermittlungsprozessen zum Ausdruck, die ihrerseits wiederum technisch und kulturell bedingt sind. In diesem Sinne liegt der Schwerpunkt dieses Bandes auf Fragen der Kommunikation als bidirektionale Brücke zwischen den Bereichen Technik und Kultur. Mit dieser Sicht verschiebt sich eine für lange Zeit fachlich-disziplinär verstandene Thematik der getrennten Bereiche Technik und Kultur auf ein fachübergreifendes Terrain, wo sich Handlungs- und Nutzungsmuster mit Kommunikationsmustern mischen, verbunden mit dem parallelen Mix von Fach- und Alltagswissens.

Vor diesem Hintergrund sind drei analytische Perspektiven unterscheidbar, die die im Band behandelten Fragestellungen skizzieren:

(1)   Technik „erzeugt“ Kultur

-        Wie zeigen sich die Einflüsse von existierender und als zukünftig proklamierter Technik auf die gelebte Kultur einer Gruppe/Gemeinschaft einschließlich ihrer Kommunikation?

-        Welche Arten von Vermittlungsprozessen werden evoziert, wenn technische Innovationen in eine Kultur eingeführt werden?

-        Durch welche Vermittlungsprozesse können historische technische Systeme (etwa in Museen) bewahrt werden?

-        Welche Arten von Prozessen (z.B. Qualitätsmanagement, Sicherheitsmanagement) begleiten und kontrollieren Einführung und Handhabung von technischen Innovationen?

-        Welche Nutzungsformen entwickeln sich in Abhängigkeit von Art und Form der Vermittlung?

-        Welche Auswirkungen hat das Medium Internet auf die Lernkultur im Bildungsbereich?

(2)   Kulturen „erzeugen“ Technik

-        Welchen Einfluss haben Kulturen einschließlich der für sie typischen Kommunikation auf die Entwicklung und Nutzung von Technik (z.B. durch Akzeptanz/Nicht-Akzeptanz, gesellschaftliche Bedingungen der Verbreitung)?

-        Gibt es beobachtbare Präferenzen für Design und/oder Nutzung bei der Technikentwicklung?

-        Welche gesellschaftlichen Entwicklungen führen zur Entstehung von neuen Kulturtechniken des Schreibens und Lesens, die wiederum die Technikentwicklung beeinflussen? (Ist Web 2.0 die Reaktion auf eine neue „Kulturtechnik“?)

(3)   Interkulturelle Kommunikation im Zusammenhang von (1) und (2)

-        Wie hängen die Globalisierungsprozesse im Spannungsfeld von Homogenisierung und Diversifizierung mit Technik- und Kulturwandel zusammen?

-        Gibt es beschreibbare Beziehungen zwischen den technischen Möglichkeiten der Informationsverbreitung via Internet (insbesondere Tagesnachrichten) und den kulturspezifischen Interpretationen der berichteten Ereignisse?

 

Die exemplarisch aufgelisteten Frage-, Betrachtungs- und Interpretationsperspektiven ziehen sich, wenn auch in unterschiedlichen Gewichtungen, wie mehrere rote Fäden durch die Beiträge dieses Bandes, die in drei thematisch zusammengefassten Kapiteln gruppiert sind:

-        Kapitel 1: Neue Medien – Hoffnungen, Befürchtungen, Realitäten;

-        Kapitel 2: Kommunikation als Aspekt der Mediennutzung – Interkulturelle Technikkommunikation;

-        Kapitel 3: Technik erzeugt Kultur – Kultur erzeugt Technik.

Vorangestellt ist eine grundsätzliche Erörterung der Gesamtthematik von Gerhard Banse mit dem Beitrag Technisches und Kulturelles. Historisches und Aktuelles. Sein Ausgangspunkt ist, dass die wechselseitigen Beziehungen zwischen Technik und Kultur so alt wie die Menschheit selbst sind: die technischen Hervorbringungen haben die Kultur und die kulturellen Muster und Praxen haben die Technik beeinflusst, deren Hervorbringung, Veränderung, Verbreitung wie Verwendung. Nicht so alt sind indes die theoretischen Reflexionen über diesen Zusammenhang. In einer sich globalisierenden Welt mit einem globalen Techniktransfer und sich zunehmend global auswirkenden Folgen technisch instrumentierten Handelns sowie der zugehörenden globalen und damit interkulturellen Kommunikation erlangen die Interdependenzen von Technik und Kultur einen hohen Stellenwert: In jüngeren Ansätzen wird deshalb häufig auf die Zusammengehörigkeit beider Bereiche hingewiesen, in den Wissenschaften wird ihre Verbindung auf vielfältige Weise thematisiert. Wie sich Technik und Kultur gegenseitig beeinflussen, durchdringen und bedingen, wird in verschiedenen Disziplinen in den ihnen eigenen Blick genommen. So werden Technisches zunehmend in seiner „Kulturalität“, Kultur in ihrer „Technizität“ bzw. „Technikförmigkeit“ analysiert und interpretiert. Aus technikphilosophischer Sicht werden zunächst die für den hier interessierenden Zusammenhang wesentlichen begrifflichen bzw. theoretisch-konzeptionellen Ausgangspunkte charakterisiert: Technik/Technisches und Kultur/Kulturelles/„Kultürliches“. Darauf aufbauend wird der Zusammenhang von Technik und Kultur in seinen wesentlichen Facetten verdeutlicht, deren Wechselwirkung durch ausgewählte Beispiele veranschaulicht.

 

Kapitel 1 Neue Medien – Hoffnungen, Befürchtungen, Realitäten widmet sich mit vier Beiträgen der gesellschaftlichen Dimension der Neuen Medien.

Die Kategorie der Mimese ist für Tadeusz Miczka in Audiovisualität der dritten Stufe – Wirklichkeit oder Phantastik? der Ausgangspunkt einiger Erwägungen über zeitgenössische Paradigmen der Kultur, wobei er auf eine der wichtigsten Eigenschaften der Audiovisualität hinweist, nämlich ihre durch Bild- und Klangtechniken stattfindende Wirklichkeitsnachahmung. Unterschieden werden die Audiovisualität ersten Grades, d.h. eine auf filmischen Konventionen zwischen Reproduktion und Kreation basierende Nachahmung, Audiovisualität zweiten Grades, d.h. eine auf TV-Konventionen zwischen direkter Transmission und Realitätsinszenierung basierende Nachahmung, und schließlich die Audiovisualität dritten Grades, d.h. eine auf multimedialen Virtualisierungen zwischen unterschiedlichen Immersionsarten und gezielter Vortäuschung der künstlichen „Realitäten“ basierende Nachahmung. Die Audiovisualität ersten, zweiten und dritten Grades stehen in zahlreichen Beziehungen zueinander. So werden die zwischen ihnen entstehenden Verhältnisse vor allem durch solche Konventionen der unterschiedlichen Spiele bestimmt, die die bisher geltenden Gesellschaftsnormen zunehmend verdrängen, besonders im Bereich der Ethik und der Kommunikation. Im Zusammenhang mit neueren Konzeptionen zur Kultur und aus der Medienphilosophie wird zu beweisen versucht, dass zum einem die Audiovisualität dritten Grades die des ersten und zweiten Grades dynamisiert und verwandelt oder sogar verdrängt, undzwar in dem Maße, in dem sie imstande ist, die Verbraucher (Prosumenten – Nutzer) der neuen Medien durch die sogenannte „angenehme Desorientierung“ zu disziplinieren. Zum anderen wird gezeigt, dass die Entwicklung der Audiovisualität dritten Grades mit den Tendenzen zur Übertragung von Aspekten und Formen eines individuellen Lebens und Zusammenlebens in der realen Welt auf solche einer virtuellen Welt einhergeht.

Der Aspekt einer zu beobachtenden Verschiebung von zeitlichen Bezügen hin zu räumlichen Bezugnahmen wird bei Bogdan Zeler in Neue neue Medien – Multitasking – „Raum der Ströme“ in den Mittelpunkt gestellt. Im Artikel wird auf das Problem des Verhaltens von Nutzern – um den von Paul Levinson geprägten Begriff anzuführen – der „New New Media“ eingegangen. Dies entspricht Bezeichnungen wie „Soziale Medien“ oder Web 2.0, die von anderen Forschern verwendet oder in spezifischen Zusammenhängen auch unter Bildschirm-Kunst gefasst werden. Bei den für solche Internetgemeinschaften signifikanten Verhaltensweisen geht es u.a. darum, Blog-Einträge zu kommentieren, Wikipedia-Begriffe zu bearbeiten, Meinungen auf Facebook oder Twitter auszutauschen oder sich bei Second Life-Spielen zu beteiligen. Zu einer grundlegenden Kompetenz dieser Verhaltensweise gehört das Multitasking, d.h. eine gleichzeitige Aufgabenbewältigung. Die Nutzer dieser Medienart hören gleichzeitig Musik, verschicken SMS und E-Mails, benutzen Messaging-Programme und schauen sich Videofilme an. Gemessen an den Aktivitäten solcher Nutzer, beläuft sich ein Tag auf ungefähr 40 Stunden. Eine weitere Eigenschaft des Verhaltens in den neuen Neuen Medien hat mit einem Phänomen zu tun, auf das Manuel Castells aufmerksam macht. Mit den Veränderungen in einer Welt der digitalen Kommunikation unterliege auch der anthropologische Raum einem Wandel, wobei die Kommunikation die Stelle der räumlich-zeitlichen Koordinierung einnimmt. Der „Raum der Ströme“ wird durch den Raum des Platzes ersetzt. Dies wird im Beitrag durch Analysen dieser Bedingungen und deren Bedeutung für die Handlungen der Nutzer von sozialen Medien näher erörtert.

Für Pavel Fobel und Daniela Fobelová (in Neue Medien – Hoffnung auf die moralische Revitalisierung der Eliten) wächst die Bedeutung moderner Medien nicht nur hinsichtlich ihres extensiven Einflusses auf soziale Gemeinschaften und Informationsvermittlung, sondern auch in Bezug auf soziale Prozesse und das Handeln gesellschaftlicher Eliten. Ein Beispiel dazu ist das Phänomen, dass zur Zeit in der Slowakei auf moralische Probleme der gegenwärtigen Eliten hingewiesen wird, wobei zugleich die Möglichkeiten und Aufgaben der Medien im Protest gegen moralisches Versagen betont werden. Als Beispiel wird die „Gorilla-Affäre“ angeführt, die die Möglichkeiten des Internets bei der Entlarvung der Korruption wie bei der Aktivierung der Öffentlichkeit im Kampf gegen die Eliten und ihre Praktiken im slowakischen politischen Milieu zeigt. Die „Gorilla-Affäre“ weist auf die progressive Rolle der neuen Medien hin und zeigt zugleich, wie soziale Netzwerke die Umgruppierung von Eliten beeinflussen können. Damit werden die Medien zu wichtigen Akteuren der moralischen Revitalisierung von Eliten. Die Autoren vermitteln mit Blick auf die Möglichkeiten der Aufdeckung von Korruptionsfällen eine positiv bewertete Einschätzung der Neuen Medien.

Dem gegenüber steht eine eher kritische Bewertung im Beitrag von Hans-Joachim Petsche und Leena Simon. Die in Science Fiction-Filmen entworfenen Dystopien der ihren Schöpfern entratenen Sicherheitssysteme bilden im Kontext des intelligenten EU-Sicherheitssystems INDECT den Ausgangspunkt für die Frage nach Wünschbarkeit und Reichweite paternalistischer Konzepte. Anknüpfend an die von Sarah Spiekermann und Frank Pallas vorgeschlagene Definition des Begriff des Technikpaternalismus erfolgt in „Der ganze Strudel strebt nach oben; Du glaubst zu schieben und wirst geschoben“ (Goethe, Faust I). – Digitale Mündigkeit versus Technikpaternalismus im Internet eine kritische Wertung der von den beiden Autoren vorgetragenen Überlegungen, wobei ein weiterführender Arbeitsansatz zur Fassung des Begriffs des Technikpaternalismus vorgeschlagen wird. Abschließend werden hieraus sich ergebende erste Überlegungen zu den Bedingungen der Möglichkeit digitaler Mündigkeit erörtert.

 

Kapitel 2 Kommunikation als Aspekt der Mediennutzung – Interkulturelle Technikkommunikation stellt mit sechs Beiträgen kulturelle und interkulturelle Aspekte gekoppelt mit Technikthemen in den Vordergrund.

In diesem Sinne zeigt Annely Rothkegel in Teilen, Mitteilen, Verteilen, Beteiligen: Modelle der Netzkommunikation, dass sich bei der Netzkommunikation technische Voraussetzungen der Nutzung und Konventionen der sozialen Interaktion auf eine Weise mischen, die zu veränderten Kommunikationskulturen führt. Diese sind verbunden mit verschiedenen Strategien der Gemeinschaftsbildung, die sich linguistisch als grundlegende Faktoren der kommunikativen Interaktion beschreiben lassen. Exemplarisch werden vier Kommunikationskulturen (Informations-, Erlebnis-, Empfehlungs- und Ressourcen-Kommunikation) hinsichtlich der dominierenden Handlung der Interaktion, der Rolle der Akteure und der Art des Interaktionsobjekts skizziert. Einen ersten Zugang bildet die semantische Analyse des für die Netzkommunikation prototypischen Verbs teilen, wodurch die grundsätzlich ambigue Situation dieser Kommunikation verdeutlicht wird (teilen in der Bedeutung von mitteilen, verteilen, beteiligen). Fazit ist: Medienkompetenz ist weniger als technische Kompetenz, sondern als ein Mehr an differenzierter Kommunikationskompetenz zu verstehen.

Auf die Spezifika der Bürgerkommunikation macht Claudia Villiger in Unsichtbare Gefahren: Risikokommunikation im Spannungsverhältnis von Technikvermittlung, Sicherheitskultur, Akzeptanz und Partizipation aufmerksam: Zeitgemäße Risikokommunikation erfordert einen Austausch auf Augenhöhe mit Bürgerinnen und Bürgern. Grundlegend hierfür sind ein veränderter Akzeptanzbegriff einerseits und die Partizipation Betroffener im Entscheidungsprozess andererseits. Der Beitrag stellt ein Kommunikationsmodell für die Risikokommunikation vor, das diese Anforderungen berücksichtigt. Innerhalb eines kognitiv fundierten handlungsorientierten Rahmens wird die Kommunikationssteuerung über die Einbeziehung sprechakttheoretischer Gelingensaspekte und die Modellierung der Interaktion auf Grundlage der Akteur-Netzwerk-Theorie vorgestellt. Eine erste Erprobung des Modells geschieht am Beispiel der Risikokommunikation zu elektromagnetischen Feldern.

Marek Jachimowski und Zbigniew Oniszczuk zeichnen in Nutzung der Neuen Medien in Polen die Linien nach, die die Entwicklung des Internets zu einem Grundelement der gesellschaftlichen Kommunikationsinfrastruktur in Polen gesteuert haben. Der Beitrag zeigt die Hauptgegebenheiten der Anfänge und der Entwicklung des Internets in Polen, wo 2011 über 54 % der Bevölkerung dieses Medium genutzt haben. Eine besondere Aufmerksamkeit widmen die Autoren den Folgen der Internetnutzung, die mit verschiedenen Aspekten des Prozesses gesellschaftlicher Kommunikation verbunden sind. Sie betonen auch die Vielfalt der Internetanwendung in der Einzel- und in der Gruppenkommunikation, bei Dienstleistungen, im Handel oder in der Verwaltung. So kann das Internet als ein Grundelement der Kommunikationsinfrastruktur der Gesellschaft in Polen gelten. Entsprechend besteht ein zunehmender Bedarf an ganzheitlicher und interdisziplinärer Erforschung dieses Prozesses.

Unterschiedliche Lernkulturen in Bezug auf den Umgang mit Technik thematisiert Lisa Link. In ihrem Beitrag Interkulturelle Vermittlungsprozesse im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien wird die Verflechtung von Technik und Kultur an der Schnittstelle von Industrie- und Entwicklungsländern am Beispiel von Vermittlungsprozessen in der Entwicklungszusammenarbeit untersucht. Der Fokus liegt auf den Unterschieden in den Lernkulturen sowie im Umgang mit Technik. Zuerst werden kulturelle Strukturmerkmale aus ausgewählten Kulturmodellen erläutert, die einen Einfluss auf die herrschenden Lernkulturen sowie auf den Umgang mit Technik ausüben können. Anhand von drei Fallbeispielen aus dem Ausbildungsbereich der Informations- und Kommunikationstechnologien in Entwicklungsländern werden erkennbare Unterschiede erörtert und analysiert.

Auch im Beitrag von Marc Hermeking mit Das Mobiltelefon im Kulturvergleich: Exemplarische Forschungsfelder interkultureller Technikkommunikation stehen Unterschiede von Kommunikationskulturen im Mittelpunkt. Zahlreiche Beispiele kulturell unterschiedlicher Kommunikationsweisen in Bezug auf das weltweit verbreitete Mobiltelefon werden als exemplarisches Forschungsfeld interkultureller Technik-Kommunikation vorgestellt. Klassische Kulturkategorien aus dem Gebiet der Interkulturellen Kommunikation (nach Edward T. Hall, Geert Hofstede u.a.) bewähren sich dabei als generalisierende Erklärungsmodelle für eine große Zahl der vielfältigen prä-existenten kulturellen Codes in Bezug auf diesen technischen Gegenstand.

Abgerundet wird das Kapitel durch die linguistisch-methodologisch ausgerichteten Textanalysen, die Sonja Ruda in Straßenverkehrskommunikation: Kommunikation über Sicherheit und Techniksicherheit – Kommunikation der Kulturen als Grundlage für die Entwicklung eines Modells der Sicherheitskommunikation nutzt. Die Kommunikation über Sicherheit und Risiko im Straßenverkehr ist in der Gesellschaft äußerst relevant und wird entsprechend oft ausgeführt. Obwohl es Regeln und Maßnahmen zur Sicherheit gibt, entstehen zwischen Straßenverkehrsteilnehmern immer wieder heikle Situationen. Anhand einer pragmalinguistischen Analyse von Artikeln einer lokalen Tageszeitung, einer Internetseite, von Fernsehreportagen und Blog-Kommentaren wird versucht, einige Fragen über Sicherheit, Techniksicherheit und Kultur zu beantworten, z.B.: Wie werden Sicherheit und Techniksicherheit im Straßenverkehr kommuniziert? Wie interpretieren Teilnehmende verschiedene Sicherheitsaspekte?

 

Kapitel 3 Technik erzeugt Kultur – Kultur erzeugt Technik beleuchtet einige ausgewählte Stränge der gegenseitigen Einflussnahme von Technik und Kultur. Die kulturellen Veränderungen, die durch technische Innovationen bewirkt werden, bilden dabei den Rahmen.

In diesem Sinne decken Bruno Gransche und Dirk Hommrich in Akzidenzkultur und Potenzialitätsregime. Konsumgenetik und Neuropädagogik als Symptome der Verzukünftigung eine zunehmende Tendenz des Ersatzes von Diagnose durch Prognose auf, wobei (positive wie auch negative) Zukunftsaussichten als Konsumgut gehandelt werden. Die Wahrnehmung von Zukünftigem wandelt sich. So lässt sich eine Verzukünftigung des Weltbezugs erkennen, die einhergeht mit Hypes der Bereitstellung von angeblichem ‚Zukunftswissen‘. An zwei Beispielen lässt sich zeigen, wie sehr die Prognose sowohl das eigentliche Ereignis als auch die Diagnose in den Dimensionen der Handlungsorientierung verdrängt hat: In der Konsumgenetik werden Angebote gentestbasierter Zukunftsaussichten als Konsumgut vermarktet. Von der Neuropädagogik werden vorgeblich nicht zu verpassende zukünftige Potenziale kognitiven Wettrüstens im Bildungsbereich in den Fokus gerückt. Beiden ist gemeinsam, dass auch sie zwar keine verlässlichen Prognosen liefern können, durch ihre hohen Inszenierungsgrade jedoch höchst wirksam und in der Folge wirklich werden. So kann von einer Akzidenzkultur, einem Handeln unter Bedingungen des stets Auch-anders-sein-Könnens, und von Potenzialitätsregimes, in denen Handeln unter dem Primat verschiedener Potenzialprognosen geschieht, gesprochen werden.

Entgegen einer verkürzten Sichtweise auf die individuelle Veröffentlichung von Zeichen in Social Network Sites (SNS), welche Medienhandeln im „Web 2.0“ im Spannungsfeld zwischen egozentrierter Subjektivierung und Autonomieverlust verorten, werden im Beitrag von Julius Erdmann in Subjekt, Technik und Kultur des digitalen Bildes: Linien der Transformation anhand von bildlich-fotografischer Repräsentation in Social Network Sites die veröffentlichten Bildzeichen als Schnittpunkte zwischen Individuum und Kultur gesetzt. Das individuelle Zeichenhandeln kann demnach von kulturell-technischen Codes abweichen und dominante Bildzeichenregimes verändern. Durch intermediale und -textuelle Montagen, Maskierung, übertriebene Körperdarstellung und abweichende Inhalte werden technische, explizit und implizit kulturelle Vorgaben der Bildzeichennutzung in SNS erweitert, verweigert, ironisiert und adaptiert. Individueller Stil kann darüber hinaus kollektive Zeichenpraktiken schaffen, indem politische Bilder hinsichtlich ihres semiotischen Gehalts verhandelt, widerständige Kollektive repräsentiert und über politische Bilder Gemeinschaften adressiert werden. Bildzeichen in SNS verbinden folglich Aspekte der Selbstdarstellung mit ästhetischem und kollektivem Handeln. Deutlich wird, dass sowohl der individuelle Stil wie auch kollektive Zeichenpraktiken im Mix technischer und kultureller Vorgaben spezifische Erweiterungen erfahren.

Die Richtung der Einflussnahme von Kultur auf Technik wird im Beitrag Einflüsse von Kultur(en) auf Technik – am Beispiel von Konzepten der Nachhaltigkeit von Annely Rothkegel thematisiert. Sie plädiert dafür, nicht nur die Wirkung von Technik in den Fokus zu nehmen, sondern gleichermaßen die konzeptuelle Ebene der Technikentwicklung zu berücksichtigen, auf der kulturell bestimmte Prinzipien (z.B. der Prävention) zur Wirkung kommen. Einflüsse von Technik auf Kultur(en) sind mit Blick auf die technischen Artefakte relativ leicht zu beobachten und gelten als unstrittig; umgekehrt trifft dies nicht zu. Einflussnahmen von kulturell, d.h. sozial geprägten Konventionen von Verhalten und Handeln, Denk- und Fühlweisen sowie gesellschaftlichen Werten und Normen auf Technikentwicklung oder Technikgebrauch vollziehen sich eher indirekt und auf der konzeptuellen Ebene, mit Folgen für Planung und Konstruktion. Der linguistisch ausgerichtete Beitrag versteht sich als Plädoyer für die zweitgenannte Richtung der Einflussnahme. Ausgewählte Konzepte aus dem Nachhaltigkeitsdiskurs wie Effizienz und Effektivität einerseits, Suffizienz und Konsistenz andererseits bilden den Hintergrund für die Argumentation. Diese zielt schließlich auf das Prinzip der Prävention von möglichen Schäden, verstanden im Sinne der Nachhaltigkeit, als Entwicklungsprinzip für Technologieentwicklung und Technikgebrauch.

In Der Einfluss von Kultur auf die Mensch-Maschine-Interaktion und die Entwicklung entsprechender Systeme argumentiert Rüdiger Heimgärtner analog, wobei vorauslaufende empirische Studien des Nutzerverhaltens als Grundlage für eine Systementwicklung als Standard betrachtet werden. Nach der Vorstellung der Terminologie und einem kurzen historischen Überblick werden die Einflüsse der Kultur auf die Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) erläutert und Anwendungsbereiche vorgestellt. Anschließend werden Methoden und Ansätze zur Entwicklung interkultureller MMI angesprochen und Forschungsrichtungen sowie Ergebnisse aus empirischen Studien dargestellt. Basierend auf Modellen und Theorien für kulturell beeinflusste MMI dienen Prozesse, Standards und Werkzeuge als ausgezeichnete Hilfsmittel sowohl zur Gestaltung interkultureller MMI als auch zur Erarbeitung von Lösungen und Empfehlungen für die Entwicklung entsprechender Systeme. Schließlich werden weiterführende Forschungsfragen zur disziplinübergreifenden Terminologie, zum Einfluss der Kultur auf das MMI-Design, zur Interpretation von Ergebnissen im interkulturellen Kontext und zur Struktur eines Modelles kultureller Einflüsse auf die MMI zur Diskussion gestellt. Nach einem Fazit schließt der Beitrag mit einem Ausblick in die Zukunft.

Mit dem Beitrag Gehirn-Computer-Schnittstellen als Modelle für die Philosophische Anthropologie von Gerd Grübler kommt wieder die umgekehrte Richtung der Einflussnahme von Technik auf Kultur zu Wort. Hier geht es um die radikale Überwindung des Körpers und seinen Ersatz durch Computer, die die Steuerung der Umwelt ohne motorische Aktivität übernehmen. Gehirn-Computer-Schnittstellen überbrücken den menschlichen Bewegungs-Körper und ermöglichen die Steuerung der Umwelt ohne jegliche motorische Aktivität. Damit stellen sie empirische Illustrationen verschiedener gegenwärtiger anthropologischer Diskurse dar, nämlich einerseits der kulturkritischen Medientheorie, andererseits des technophilen Transhumanismus. Im Beitrag werden sowohl traditionelle Ideen der philosophischen Anthropologie als auch Ergebnisse aus Interview-Studien mit Versuchsteilnehmern dazu genutzt, Licht auf die Frage zu werfen, inwiefern der sog. „Verlust des Körpers“ bzw. die „Überwindung des Körpers“ mit bestimmten Vorstellungen von einem menschlichen Leben vereinbar sind.

Die beiden letzten Beiträge beschäftigen sich mit den Wandlungen („turns“) in der Medien- und Arbeitswelt. So verweist Tomasz Stepien in Eine Hybridisierung der Kultur? Das Phänomen der transkulturellen Verräumlichung von Medien auf eine zu beobachtende Raum-Zeit-Verdichtung in den Medien. Gemäß seiner Argumentation wird die Entwicklung und Verbreitung von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ausgedrückt (1) durch die Raum-Zeit-Verdichtung, (2) durch die Ausarbeitung von neuen Gesellschaftsmodellen, die mit den Metaphern des Netzwerks oder der Mobilität operieren und (3) durch die Generierung von revolutionären Wandlungen innerhalb der Medienwelt. Darüber hinaus erscheint als Hauptwerkzeug der Interpretation von gesellschaftlichen Wandlungen die Metapher der Kehre („turn“). Dabei können erstens die Kultur-Kehre, zweitens die Technik-Technologie-Kehre, verbunden mit dem Prozess der Technisierung des menschlichen Lebens sowie drittens die Raum-Kehre mit einer neuen Wahrnehmung und Handhabung von Raum und Zeit im gesellschaftlichen Bereich unterschieden werden. Die Metapher der Kehre stellt gleichzeitig die Frage nach der Möglichkeit theoretischer Bestimmung der Kultur und Identität im Zusammenhang mit der inneren gesellschaftlichen Dynamik. Ein Beispiel dafür ist die Konzeption der Hybridkultur mit dem Hybriden als Hauptmerkmal moderner Gesellschaften.

Björn Egbert ordnet in Technisches Denken und Handeln in der Lehrerausbildung einer sich wandelnden Arbeitswelt ein entsprechend verändertes Lehren und Lernen mit dem Ziel einer daran angepassten Technikkompetenz zu. Technische Bildung, so Egbert, legt die Basis für das erfolgreiche Weiterlernen und die Erschließung komplexer Lebenswirklichkeit von mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Gegenstandsbereichen. Neben der Frage, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler nach dem erfolgreichen Absolvieren eines bestimmten Schulabschlusses vorweisen müssen, um technisch geprägte Lebenssituationen erfolgreich bewältigen zu können, stellt sich gleichermaßen die Frage, wie Lehrerinnen und Lehrer technischer Schulfächer im Rahmen ihres Studiums auf die Herausforderung des Lehrens technischer Sachverhalte vorbereitet werden können. Die Gestaltung hochwertiger Lehr-Lernprozesse ist für Lehrkräfte keineswegs trivial. Der Artikel geht auf ausgewählte Herausforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt ein und betont die damit einhergehenden Konsequenzen für die technische Lehrerbildung im Hinblick auf eine veränderte Technikkompetenz der Lehrkräfte. Vor diesem Hintergrund wird die Initiative ProPraxis vorgestellt, deren Anliegen es ist, Lernenden hochwertige Lernsituationen zur Verfügung zu stellen, die sich deutlich von konventionellen Lehrveranstaltungen innerhalb der technischen Lehrerbildung unterscheiden. An Beispielen wird skizziert, welches Potenzial mit dem Angebot der Initiative verbunden ist.

Die Interdependenzen von Technik, Kultur und Kommunikation lassen eine Vielfalt unterschiedlicher Perspektiven zu, die auch in diesem Band nicht vollständig erfasst werden können. Mit dem Aufspüren und Sichtbarmachen relevanter Schnittpunkte zwischen den in vielen Fällen so verschiedenartigen Bereichen ist der Versuch einer interdisziplinären Annäherung als Impuls für weitere Forschungen in die Tat umgesetzt.

 

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