2013, 365 S., ISBN 978-3-86464-033-9, 39,80 EUR
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Die Geschichte des Alltags ist innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft ein lange umkämpftes Thema gewesen. Mittlerweile haben sich die Wogen gelegt, die Auseinandersetzungen der achtziger und neunziger Jahre sind überwunden und einer nüchternen Betrachtungsweise gewichen. Da mag es nützlich sein, Bilanz zu ziehen und in einer ersten Übersicht das Schrifttum zu sichten, das sich dem Themenkomplex Alltag widmet. Denn in der Tat: Alltag ist ein weites Feld, seine Dimensionen reichen vom kleinsten bis zum größten, da die Zeugnisse menschlicher Taten und Denkvorstellungen, die "Überreste" nach Johann Gustav Droysen ein breitestes Spektrum darbieten: "In der Natur der Sache liegt es, daß deren Fülle unabsehbar ist, da ja alles und jedes, was durch Menschenhand und Menschengeist hindurchgegangen und deren Gepräge trägt, gelegentlich als unmittelbare Quelle benutzt werden kann". In einer ersten großen Übersicht unterscheidet Droysen drei Faktoren, die das Wesen der geschichtlichen Welt ausmachen: 1. "die Gegebenheit des animalischen Daseins mit allen den Bedingungen, Schwächen, Bedürfnissen, Unzulänglichkeiten, die es als ein Stück Naturleben an sich hat", 2. "die mitgeborene Geistesnatur mit ihrer unendlichen Erregbarkeit und Expansivkraft, mit ihrem unbezwinglichen Drang, in sich zu gravitieren und bestimmender Mittelpunkt zu sein" und schließlich 3. "jene vielen gewordenen Gestaltungen, die den Menschen erfassen, ihn bestimmen und bewegen, jeden nach seiner Art alle zugleich, in jedem Augenblick, unablässig". Von den einfachen Lebensbedürfnissen über ein aktiv gestaltetes Dasein bis zur gesellschaftlich bestimmten Rolle.
Es läßt sich leicht vorstellen, daß die Geschichtswissenschaft angesichts der Fülle des Stoffes ihre Aufmerksamkeit nicht allen Teilaspekten von Alltag gleichmäßig intensiv hat widmen können oder wollen. Diese Varianzen zeigen sich bereits in dem Kenntnisstand, der durch die bis heute erschienene Literatur vermittelt wird. Hier sind die Unterschiede teilweise beträchtlich. Maßstab ist einmal das Mehr an Wissen gegenüber früher, zum anderen der internationale Vergleich. Aber das Wünschbare ist nicht immer auch machbar. Dem stehen unterschiedliche Hindernisse entgegen. Zum einen ist auch die Geschichtswissenschaft "Kind ihrer Zeit", kann nur auf dem aufbauen, was ihr vorgegeben ist. Bestimmte Präferenzen oder Defizite der deutschen Geschichtswissenschaft erklären sich aus der deutschen Vergangenheit und dem Erbe der Naziherrschaft wie dem Mangel an demokratischen Traditionen. Zum anderen bieten erst die verdinglichten Überreste früherer Zeiten die Voraussetzungen für das Studium der Lebensverhältnisse jener Tage. Diese Spuren ausfindig zu machen, zu bewerten und für die Interpretation zu gewichten ist eine oft mühsame und zeitaufwendige Sache. Sie steht dem schnellen Erfolg entgegen. Der kann sich da gar nicht erst einstellen, wo die Überlieferung ganz fehlt infolge von Kriegsverlusten der schriftlichen Überreste.
Auf der Habenseite historiographischer Bilanzierung von Alltag steht eine Reihe von Schriften, die bereits in jüngerer Zeit Überblicke geboten haben. Da ist in erster Linie die "Bibliographie zur neueren deutschen Sozialgeschichte" von Hans-Ulrich Wehler zu nennen. In ihrer Anfang der neunziger Jahre erschienenen zweiten Auflage bietet sie auf über vierhundert Seiten ein breites Spektrum von Informationen zu insgesamt 73 Themengruppen inklusive Alltag und Kulturgeschichte. Für die ältere Literatur wertvoll bleibt auf ihrem Teilgebiet die "Bibliographie zur Geschichte der Kindheit, Jugend und Familie" von Ulrich Hermann, Susanne Renftle und Lutz Roth aus dem Jahr 1980. Dem Spezialthema Metrologie widmete sich Harald Witthöft in einem dreibändigen Handbuch ebenfalls Anfang der neunziger Jahre. Aus Österreich schließlich stammt die Zusammenfassung der Literatur über Dienstboten und Gesinde aus dem Jahr 1996/6/. Insofern bietet die hier vorgelegte Bibliographie eine Fortschreibung schon vorhandener Leistungen. Auf der anderen Seite nimmt sie diverse Themen auf, die in den Zusammenhang des Generalthemas Alltag gehören. Entsprechend der Fülle der Einzelaspekte entsteht ein farbiges Bild menschlichen Lebens, steht das Banale neben dem Erhabenen. Daß es lohnen kann, auch "niedere" Lebensumstände aufzuschlüsseln und für historische Erkenntniszwecke fruchtbar zu machen, hat nicht nur die Volkskunde bewiesen, dafür stehen auch vielfache Studien angelsächsischer und französischer Fachkollegen. Alltag hat inzwischen auch in Deutschland Akzeptanz gewonnen.
Inhalt
Vorwort 7
1. Allgemeines 8
2. Arbeiter 17
3. Architektur/Bildende Kunst 19
4. Armut 32
5. Auswanderer/Migration/Vertriebene/Deportierte/Flüchtlinge/Zwangsarbeiter 34
6. Bauern 49
7. Demonstrationen/Unruhen 51
8. Dienstboten 53
9. Emotionen 54
10. Essen/ Trinken/Ernährung 57
11. Feste/Feiern 63
12. Film/Kino 66
13. Fotografie 71
14. Frauen 76
15. Friedhof/Grabkunst 116
16. Garten 119
17. Geld 125
18. Gerichtsbarkeit/Strafvollzug 127
19. Handwerk 130
20. (Haus-)Tiere 131
21. Hof, Königs- u. Fürstenhof 137
22. Jagd/Wilddieberei 139
23. Juden und andere Minderheiten/Opfer des NS-Regimes 140
24. Kindheit und Jugend 166
25. Kleidung 179
26. Körper/Krankheit, Sexualität/Alter/Sport/Tod 183
27. Kriminalität 196
28. Lesen/Schule, Lehre/Studium 202
30. Musik/Tanz/Theater 205
31. Post/Kommunikation 216
32. Reise 217
33. Frömmigkeit/Religiosität 226
34. Schrift/Schreibwerkzeug 231
35. Selbstzeugnisse 232
36. Soldaten 246
37. Sprache 257
38. Stadt 261
39. Technik 266
40. Umwelt 269
41 Verkehr 271
42. Wald 275
43. Werbung/Design 277
44. Wohnen 278
45. Zeit/Uhr/Kalender 281
46. Mosaik 282
Abkürzungen 319
Personenregister 321
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